Urteil des OLG Hamm vom 30.07.2003

OLG Hamm: berufsunfähigkeit, vergleich, arbeitsunfähigkeit, operation, zustand, hüftbeschwerden, versicherer, komplikationen, rückzahlung, rehabilitation

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 65/02
Datum:
30.07.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 65/02
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 2 O 540/99
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. Januar 2002 verkündete
Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 42.349,94 € nebst 4 % Zinsen
seit dem 01.11.1999 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den erstinstanzlichen Kosten tragen der Kläger 36 % und die
Beklagte 64 %.
Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 32 % und die
Beklagte 68 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die
Zwangsvoll¬streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht
zuvor die Voll¬streckungsgläubigerin Sicherheit in Höhe von 110 % des
zu vollstreckenden Betrages beibringt.
Gründe:
1
I.
2
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Berufsunfähigkeits - Zusatzversicherung (BUZ)
auf Leistungen für den Zeitraum vom 15.05.1997 bis zum 21.09.1998 in Anspruch.
3
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine BUZ; vereinbart waren die "Bedingungen
für die Berufunfähigkeits-Zusatzversicherung" der Beklagten (Anlage B 4 Anlagenheft
zum SS v. 02.02.2000).
4
Unstreitig galt die 50 %-Klausel des § 1 (1) BB-BUZ.
5
Der Kläger, der eine kaufmännische Lehre in einem Sportgerätegeschäft absolviert hat,
betrieb seit 1969 als selbständiger Unternehmer den Verkauf von Möbeln und die
Einrichtung von Häusern, Wohnungen und auch Praxen vor Ort; er beriet seine Kunden
bundesweit bei der Einrichtung und der Innenausstattung.
6
Im Jahr 1994 erlebte der Kläger einen Verkehrsunfall, in dessen Folge sich erhebliche
Hüftbeschwerden herausstellten.
7
Die Folge der Hüftbeschwerden und hinzukommender weiterer unfallunabhängiger
Beschwerden im Bereich der HWS und der LWS war eine Geh- und Standunsicherheit,
die zu mehreren Stürzen führte.
8
Der Kläger hat nach diesem ersten Unfall aus dem Jahr 1994 die Beklagte für den
Zeitraum vom 08.09.1994 bis zum 23.03.1995 auf Leistungen aus der BUZ in Anspruch
genommen (15 O 139/96 LG Dortmund).
9
Die Klage ist nach einem außergerichtlichen Vergleich der Parteien, in dem sich die
Beklagte zur Zahlung einer BU-Rente für insgesamt 4 Monate verpflichtet hatte,
zurückgenommen worden (Vergleich vom 31.07.1996/05.08.1996 - Anlagen zum
Schriftsatz vom 09.03.2000 Bl. 35 bis 37 GA).
10
Am 15.05.1997 erlitt der Kläger erneut einen Unfall, als er aus seinem
Geschäftsfahrzeug Arbeitsmaterial herausnehmen wollte und dabei die vorgeschädigte
Hüfte einknickte. Folgen dieses Sturzes waren eine Wadenmuskelzerrung sowie eine
Distorsion des linken Kniegelenks.
11
Es erfolgten mehrere Knieoperationen, und zwar am 19.09.1997, am 21.10.1997 und
04.02.1998.
12
Das Evangelische Krankenhaus X attestierte dem Kläger am 29.10.1999, in der Zeit
vom 15.05.1997 bis zum 21.09.1998 in Folge des Unfalls zu 100 % arbeitsunfähig
gewesen zu sein.
13
Der Kläger zeigte der Beklagten nach dem Unfall vom 15.05.1997 seine
Berufsunfähigkeit an. Er machte Ansprüche geltend und setzte mit Schreiben vom
29.10.1999 eine Frist von vier Wochen zur Zahlung einer angemessenen
Abschlagszahlung.
14
Die Beklagte verneinte zunächst ihre Eintrittspflicht.
15
Inzwischen hat sie jedoch ihre Leistungspflicht aus der BUZ aufgrund weiterer
Erkrankungen des Klägers mit Wirkung ab dem 01.09.2001 anerkannt.
16
Der Kläger hat behauptet, seit dem Unfall vom 15.05.1997 berufsunfähig zu sein.
17
Er hat die Beklagte auf Zahlung einer Rente sowie auf Rückzahlung der gezahlten
Prämien für den oben genannten Zeitraum in Anspruch genommen und sich einen
Anspruch in Höhe von insgesamt 129.595,69 DM (= 62.053,73 €) errechnet.
18
Dabei ist er von einer vereinbarten BU-Rente von jährlich
19
81.730,00 DM
bis zum 31.05.1997,
83.768,00 DM
vom 01.06.1997 bis zum 31.05.1998,
85.406,00 DM
ab dem 01.06.1998
20
sowie der unstreitig gezahlten Prämie in Höhe von monatlich
21
1.055,00 DM
bis zum 31.05.1997,
1.119,40 DM
vom 01.06.1997 bis zum 31.05.1998,
1.175,40 DM
ab dem 01.06.1998
22
ausgegangen.
23
Der Kläger hat beantragt,
24
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 129.595,69 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem
01.11.1999 zu zahlen.
25
Die Beklagte hat beantragt,
26
die Klage abzuweisen.
27
Die Beklagte hat bestritten, daß der Kläger außerstande sei, seinen Beruf als
Raumausstatter zu mehr als 50 % auszuüben.
28
Sie hat behauptet, die bis zum 31.05.1997 garantierte jährliche Berufsunfähigkeitsrente
habe nur 65.384,00 DM betragen.
29
Das Landgericht hat dem Kläger 62.053,73 € zugesprochen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, der Vergleich in dem Verfahren 15 O 139/96 LG Dortmund stelle ein die
Beklagte bindendes Anerkenntnis i.S.v. § 5 ihrer BB-BUZ dar, von dem sie nur unter den
Voraussetzungen des § 7 BB-BUZ abrücken könne.
30
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung
Bezug genommen.
31
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren
Abweisungsantrag weiter verfolgt.
32
Sie greift insbesondere die Ansicht des Landgerichts an, der Vergleich in dem Verfahren
15 O 139/96 LG Dortmund stelle ein Anerkenntnis i.S.v. § 5 BB-BUZ dar.
33
Sie rügt ferner den Tenor des Urteils und die Kostenentscheidung des Landgerichts, das
dem Klageantrag nicht voll entsprochen hat, ohne indes die Klage im übrigen
abzuweisen.
34
Im übrigen wiederholt und vertieft sie ihren Vortrag aus erster Instanz.
35
Die Beklagte beantragt,
36
abändernd die Klage abzuweisen.
37
Der Kläger beantragt,
38
die Berufung zurückzuweisen.
39
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
40
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und
deren Anlagen verwiesen.
41
Der Senat hat Beweis erhoben und ein fachorthopädisches Gutachten des
Sachverständigen Prof. Dr. L vom 06.12.2002 eingeholt. Der Sachverständige hat sein
schriftliches Gutachten vor dem Senat mündlich korrigiert und ergänzt; insoweit wird auf
den Berichterstattervermerk vom 18.06.2003 Bezug genommen.
42
II.
43
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.
44
Sie führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang.
45
1) Der Senat teilt nicht die Einschätzung des Landgerichts, der zwischen den Parteien
geschlossene Vergleich vom 31.07.1996/05.08.1996 sei als Anerkenntnis gemäß
§ 5 BBBUZ zu werten, von dem sich die Beklagte nur unter den Voraussetzungen eines
Nachprüfungsverfahrens (§ 7 BB-BUZ) lösen kann.
46
Zutreffend ist zwar der rechtliche Ansatz des Landgerichts, daß ein zeitlich befristetes
Anerkenntnis nach den Bedingungen nicht vorgesehen ist. Ein bedingungswidrig
abgegebenes befristetes Anerkenntnis löst die Bindungswirkung aus (Senat, Urt. vom
22.11.2000 - 20 U 83/00 - NVersZ 2001, 213 = VersR 2001, 1098 = r+s 2001, 523).
47
An das in ihren Regelwerken festgelegte Verfahren sind die Versicherer gebunden. Sie
sind zu einer definitiven Erklärung über ihre Leistungspflicht mit der daraus folgenden
Bindungswirkung verpflichtet. Sie können sich dem nicht dadurch entziehen, daß sie ein
nach Sachlage gebotenes Leistungsanerkenntnis nicht abgeben (vgl. BGH, Urt.v.
27.09.89 IVa ZR 132/88 VersR 1989, 1182; BGH, Urt.v. 11.12.1996 IV ZR 238/95
VersR 1997, 436) oder aber befristet abgeben.
48
Von der Beachtung der Nachprüfungsregelungen ist ein Versicherer auch dann nicht
entbunden, wenn nach seiner Einschätzung im Zeitpunkt eines gebotenen
Anerkenntnisses die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bereits wieder entfallen ist
(BGH, Urt.v. 19.11.1997 - IV ZR 6/97 - VersR 1998, 173).
49
Die dargelegten Grundsätze sind indes auf den Vergleich vom 31.07.1996/05.08.1996
nicht anwendbar.
50
Das Anerkenntnis gemäß § 5 BB-BUZ erfaßt typischerweise bereits entstandene sowie
künftig zur Entstehung gelangende Ansprüche des VN auf wiederkehrende Leistungen
wegen Berufsunfähigkeit, die als ein voraussichtlich andauernder Zustand prognostiziert
(§ 2 Abs. (1) BB-BUZ) oder als voraussichtlich andauernd fingiert (§ 2 Abs. (2) BB-BUZ)
wird.
51
Gegenstand des Vergleichs vom 31.07.1996/05.08.1996 ebenso wie des Verfahrens
15 O 139/96 LG Dortmund war jedoch weder eine prognostizierbare dauernde
Berufsunfähigkeit noch eine zu fingierende bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit. Der
Kläger hatte mit der Behauptung, arbeitsunfähig zu sein, lediglich Rentenansprüche für
6 Monate geltend gemacht, ohne eine über diesen Zeitraum hinausgehende
bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit auch nur zu behaupten. Nach dem von ihm
vorgelegten Gutachten lag nach Ablauf des damals streitgegenständlichen Zeitraums
keine Arbeitsunfähigkeit von 50 % mehr vor.
52
Da der Kläger lediglich zeitlich begrenzt Leistungen geltend machte, bedurfte es anders
als in den oben zitierten Entscheidungen - keines Anerkenntnisses nach § 5 BB-BUZ,
sondern die vergleichsweise Regelung des nach dem Verständnis beider Parteien
begrenzten Zeitraums war ohne Verstoß gegen die vereinbarten Bedingungen möglich.
Mit diesem Vergleich hat sich die Beklagte nicht einem nach der Sachlage gebotenes
Anerkenntnis entzogen.
53
Eine Fortwirkung der in dem Vergleich vom 31.07.1996/05.08.1996 unterstellten
Berufsunfähigkeit für einen Zeitraum von 4 Monaten über den vergleichsweise
geregelten Zeitraum hinaus ist daher nicht festzustellen.
54
2) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Senat eine Berufsunfähigkeit des
Klägers gemäß § 2 Abs. (1) BB-BUZ für den streitgegenständlichen Zeitraum vom
15.05.1997 bis zum 21.09.1998 nicht feststellen.
55
Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L vom 06.12.2002 führten die im
damaligen Zeitraum im Vordergrund stehenden Kniebeschwerden des Klägers zu einer
als dauerhaft zu prognostizierenden Beeinträchtigung seiner Berufsfähigkeit von 20 %.
Hinzu kamen Einschränkungen im Hinblick auf die Hüfte und die Halswirbelsäule, die
der Sachverständige mit 10 % bewertet hat. Der Senat folgt der Einschätzung des
Sachverständigen, der dem Senat als kompetenter Gutachter bekannt ist; die Bedenken
der Beklagten gegen den Sachverständigen teilt der Senat nicht (dazu sogleich unten
unter Ziff. 3). Eine über 30 % hinausgehende Berufsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. (1) BB-
BUZ hat der Kläger mithin nicht bewiesen.
56
Da Leistungen erst ab einer Berufsunfähigkeit von 50 % geschuldet werden, ist eine
bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit gestützt auf § 2 Abs. (1) BB-BUZ nicht
festzustellen.
57
3) Der Senat sieht es hingegen als bewiesen an, daß der Kläger vom 15.05.1997 bis
über den 15.11.1997 hinaus arbeitsunfähig und daher gemäß § 2 Abs. (2) BBBUZ
(fingiert) berufsunfähig war.
58
Mit § 2 Abs. (2) ihrer Bedingungen macht die Beklagte eine Ausnahme von der
Beweisführungspflicht des VN hinsichtlich der Prognose einer voraussichtlich auf Dauer
bestehenden Berufsunfähigkeit: Beweist der VN , daß er ununterbrochen sechs Monate
lang gesundheitsbedingt ganz oder teilweise außerstande gewesen ist, seinen Beruf
auszuüben, und daß dieser Zustand über die sechs Monate hinaus weiter fortbesteht, so
tritt nach den Bedingungen damit der Versicherungsfall ein (BGH, Urt. v. 27.09.1989 - IV
a ZR 132/88 - VersR 1989, 1182 = NJW-RR 1990. 31). Ist der Versicherungsfall einmal
eingetreten, so steht anders als die Beklagte im Schriftsatz vom 02.07.2003 (unter
Ziff. 5) zu meinen scheint - eine Besserung dieses Zustandes und eine Beendigung der
Berufsunfähigkeit nach den Regeln des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 7 BB-BUZ
zur Beweislast des Versicherers (BGH, aaO. unter Ziff. 4).
59
Die Überzeugung des Senats, daß der Kläger über den 15.11.1997 hinaus zu mehr als
50 % berufsunfähig war, gründet sich auf das Attest des Evangelischen Krankenhauses
vom 29.10.2999, ergänzt durch die Erläuterungen, die der Sachverständige Prof. Dr. L
dem Senat in der mündlichen Verhandlung zu den stattgehabten Behandlungen des
Klägers und zu deren Auswirkungen vorgetragen hat.
60
Der Sachverständige Prof. Dr. L hat dargelegt, daß die mit der Kniespiegelung im
September 1997 diagnostizierte Kreuzbandverletzung eine ernsthafte Beschädigung
darstellte, die die vom Kläger geschilderten Beschwerden im Knie begründete. Die
Kniespiegelung war durchgeführt worden, weil die zuvor erfolgten Behandlungen der
Kniegelenksdistorsion erfolglos geblieben waren.
61
Die sodann am 21.10.1997 durchgeführten Operation, bei der eine Kreuzbandplastik
eingesetzt wurde, stellte einen bedeutenden Eingriff dar, der einen langwierigen
Heilungsverlauf zur Folge hatte und der auch wegen des fortgeschrittenen Lebensalters
des Klägers ohne weitere Komplikationen schon eine Rehabilitationszeit von ca. 3
Monaten ausgelöst hätte.
62
Wider Erwarten erfolgte jedoch keine erfolgreiche Rehabilitation, sondern es kam zu der
Komplikation einer Arthrofibrose, die eine dritte Operation im Februar 1998 erforderlich
werden ließ. Wegen der großen Gefahr erneuter Ergußbildungen war der Kläger danach
weiterhin gehalten, das Knie zu schonen. Eine intensive Nachbehandlung von
jedenfalls 3 Monaten war angezeigt, und der Kläger war während der gesamten Zeit auf
Gehhilfen angewiesen.
63
Der Zustand des Klägers, der sein Knie nicht belasten durfte und auf Gehhilfen
angewiesen war, bedingte eine mehr als 50 %ige Berufsunfähigkeit für den
dargestellten Zeitraum. Davon hat der Sachverständige den Senat überzeugt. Es
leuchtet ohne weiteres ein, daß der Kläger, angewiesen auf Gehhilfen und zur
Schonung angehalten, nicht in der Lage war, Wege zu Kunden zurückzulegen, Treppen
zu steigen, schwere Musterkoffer zu tragen, sich auf Baustellen zu bewegen, dort
Aufmaß zu nehmen. Zudem stand die erforderliche "engmaschige Rehabilitation" mit
zeitaufwendigen Übungen und Behandlungen einer Kundenbetreuung entgegen.
64
Der Senat teilt nicht die Bedenken der Beklagten gegen die Richtigkeit der
Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. L.
65
Zwar hat der Sachverständige seine Beurteilung in der mündlichen Verhandlung
korrigiert und ist von dem Ergebnis seines schriftlichen Gutachtens abgerückt.
66
Diese vorgenommene Korrektur beruhte auf einer Verkennung des Begriffs der
"Berufsunfähigkeit" im schriftlichen Gutachten:
67
Der Sachverständige hat sich durch den Beweisbeschluß gehalten gesehen, die Knie-
und Hüftbeschwerden auf ihre Dauerhaftigkeit hin zu beurteilen, mithin die Prognose zu
stellen, wie sie für eine Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. (1) BB-BUZ zu treffen war.
Diese Prognose hat er dahingehend gestellt, daß nach den erfolgten insgesamt drei
Operationen und der sich anschließenden Rehabilitationsphase noch eine dauernde
Beeinträchtigung von 30 % verblieben ist.
68
Nicht beurteilt hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten hingegen den
Zustand des Klägers im Zeitraum vom 15.05.1997 bis über den 15.11.1997 hinaus, da
ihm die Relevanz dieses Zeitraums für eine als voraussichtlich andauernd fingierte
Berufsunfähigkeit (§ 2 Abs. (2) BB-BUZ) nicht geläufig war. Er ordnete diese Phase
einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit in den Bereich der Krankenversicherung,
nicht jedoch in den der BUZ ein. Dabei handelte es sich um einen juristischen Fehler,
der die Kompetenz des Sachverständigen als Orthopäde in keiner Weise tangierte.
69
Der Sachverständige hat - im Termin noch einmal ausdrücklich auf die Bedeutung einer
über den Zeitraum von sechs Monaten hinausgehenden Arbeitsunfähigkeit auch für die
Berufsunfähigkeitsversicherung hingewiesen - klar und völlig überzeugend dargelegt,
daß der Kläger über den 15.11.1997 hinaus außerstande war, als Raumausstatter zu
wirken.
70
Gegen das Gutachten spricht entgegen der von der Beklagten geäußerten Ansicht nicht,
daß der Sachverständige nicht ein Ende der Arbeitsunfähigkeit und der 50 %igen
Berufunfähigkeit festmachen konnte und den Zeitraum nach April 1997 (3 Monate nach
der letzten Operation) als "schwammig" bezeichnet hat.
71
Prof. Dr. L hat nachvollziehbar ausgeführt, daß der von ihm genannte
Rehabilitationszeitraum von 3 Monaten nach der zuletzt durchgeführten Operation
seinen Erfahrungen entspricht, daß gerade aber wegen der langwierigen und
erfolglosen Behandlung schon vor der Operation und wegen der nach der zweiten
Operation eingetretenen Komplikationen ein verschleppter Heilungsverlauf über die
3 Monate hinaus durchaus erklärbar sei. Prof. Dr. L hat keinen Anlaß zu Zweifeln
gesehen, daß die stattgehabte Behandlung des Klägers durch den Chirurgen Dr. T
korrekt und die von diesem über die 3 Monate hinaus verordnete - Arbeitsunfähigkeit
verursachende - Schonungszeit angemessen war.
72
Auch diese Einschätzung des Sachverständigen ist überzeugend; der Senat hat keine
Veranlassung gesehen, etwa anderweitig ein weiteres Gutachten einzuholen.
73
Nach dem Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Evangelischen
Krankenhauses vom 29.10.2999 in Verbindung mit den Ausführungen des
Sachverständigen Prof. Dr. L steht fest, daß die gemäß § 2 Abs. (2) BB-BUZ zu
74
fingierende Berufsunfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum andauerte, erst recht
hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte Gegenteiliges nicht bewiesen.
Die Ausführungen der Beklagten in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom
15.07.2003 geben dem Senat keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.
75
Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers seit dem Unfall vom 15.05.1997 bis über den
15.11.1997 hinaus bestand unabhängig davon, ob der maßgebende Zeitpunkt der
Beschreibung der ausgeübten Berufstätigkeit des Klägers derjenige vor dem ersten
Unfall oder der vor dem zweiten Unfall war. Denn unstreitig hat der Kläger vor dem
Unfall vom 15.05.1997 noch seinen Beruf ausgeübt und Musterkoffer getragen,
Aufmaße genommen, Baustellen besucht, Kunden betreut etc., also sämtlich
Tätigkeiten, die er nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof.
Dr. L jedenfalls vorübergehend in keiner Weise ausführen konnte. Auf die Frage, ob der
Kläger den Umfang seiner Tätigkeit nach dem ersten Unfall eingeschränkt hatte, kam es
nicht entscheidend an.
76
4) Dem Kläger steht demnach vom 15.11.1997 bis zum Ende des
streitgegenständlichen Zeitraums am 21.09.1998 (= 310 Tage) die vereinbarte BU-
Rente von jährlich 83.768,00 DM zu. Der Rentenanspruch des Klägers beläuft sich auf
36.376,08 € (= 71.145,42 DM: 83.768,00 DM : 365 x 310).
77
Soweit die Beklagte in der Klageerwiderung einen Rentenanspruch in Höhe von
65.384,00 DM jährlich behauptet, hat sie nicht den maßgeblichen Zeitpunkt
(15.11.1997) zugrundegelegt und überdies die bereits gesicherten Ansprüche aus der
Gewinnbeteiligung außer Acht gelassen.
78
An der nach dem Versicherungsfall eingetretenen weiteren Erhöhung der
Versicherungssumme hat der Kläger jedoch keinen Anteil mehr; insoweit und wegen
der ersten 6 Monate ist seine Klage unbegründet.
79
Weiter hat der Kläger Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum vom 15.11.1997
bis zum 21.09.1998 (nach dem Versicherungsfall) unstreitig gezahlten Prämien in Höhe
von 5.973,86 € (= 11.583,85 DM: 6,5 x 1.119,40 + 3,75 x 1.175,40).
80
Insgesamt belaufen sich die Ansprüche des Klägers auf 42.349,94 €.
81
5) Die Zulassung der Revision war nicht veranlaßt (§ 543 ZPO n.F.).
82
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
83