Urteil des OLG Hamm vom 12.06.2007

OLG Hamm: rechtskräftiges urteil, leistungsfähigkeit, nettoeinkommen, uvg, krankengeld, beruf, bandscheibenvorfall, arbeitsunfähigkeit, stadt, lohnfortzahlung

Oberlandesgericht Hamm, 3 UF 23/07
Datum:
12.06.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 UF 23/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Bochum, 61 F 402/05
Leitsätze:
1.
Hat der nach § 1603 Abs. 2 BGB gesteigert Unterhaltspflichtige keine
hinreichenden Erwerbsbemühungen entfaltet und ist ihm deshalb ein
fiktives Einkommen zuzurechnen, dann führt eine vorübergehende
Erkrankung, die geraume Zeit nach der fingierten Arbeitsaufnahme
eintritt, zur Zurechnung fiktiver Lohnfortzahlung und anschließend
fiktiven Krankengeldbezugs.
2.
Soweit der Unterhaltspflichtige neben einem minderjährigen Kind, das
von dessen Mutter betreut wird, ferner einem weiteren minderjährigen
Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, dessen Mutter verstorben ist und das
nicht bei dem Unterhaltspflichtigen lebt, ist dieses weitere Kind in eine
Mangelberechnung mit dem doppelten nach den
Einkommensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen maßgebenden
Tabellensatz abzüglich der Halbwaisenrente und des anzurechnenden
Kindergeldes in die Berechnung einzustellen; das Kindergeld ist auch
dann zur Hälfte auf den monetarisierten Betreuungsbedarf anzurechnen,
wenn im übrigen für den Barbedarf eine Anrechnung nach § 1612b Abs.
5 BGB ausscheidet.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14. Dezember 2006
verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bochum unter
Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt,
- für den Zeitraum vom 01.12.2006 bis einschließlich April 2007 an den
Kläger einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 247,00 € mit der Maßgabe zu
zahlen, dass für die Zeit bis einschließlich April 2007 in Höhe von
170,00 € monatlich Zahlungen an das Land Nordrhein-Westfalen,
vertreten durch die Stadt B. (UVG-Kasse), geleistet werden sollen;
- für die Zeit ab Mai 2007 an den Kläger einen monatlichen Unterhalt
i.H.v. 140,00 € mit der Maßgabe zu zahlen, dass für den Monat Mai 2007
die Zahlung an das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Stadt
B. (UVG-Kasse), geleistet werden soll.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten Rechtsstreits tragen der Kläger zu 24% und der Beklagte zu
76%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.964,00 €
festgesetzt.
Gründe:
1
(abgekürzt gem. § 540 Abs. 1 ZPO)
2
I.
3
Der am 16.04.1996 geborene Kläger entstammt der am 10.10.1995 geschlossenen Ehe
des Beklagten mit der gesetzlichen Vertreterin des Klägers.
4
Neben dem Kläger lebten in der Familie der am 14.05.1991 geborene weitere Sohn der
gesetzlichen Vertreterin P. und der am 02.12.1993 geborene Sohn des Beklagten K.,
dessen Mutter bei der Geburt verstorben ist. Seit der Trennung der Eheleute am
02.01.2004 leben die Kinder bei der gesetzlichen Vertreterin des Klägers.
5
Die Ehe des Beklagten mit der gesetzlichen Vertreterin des Klägers ist durch
rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht – B. vom 07.03.2006 im
Verfahren 61 F 274/05 geschieden worden.
6
Der Beklagte hat den Beruf des Drehers erlernt. Bis April 2004 war er als
Rollladenmonteurhelfer tätig. Die gleiche Tätigkeit übte er noch in der Zeit vom
15.10.2006 bis 03.11.2006 aus, allerdings ist dieses Arbeitsverhältnis in der Probezeit
gekündigt worden. Im streitigen Unterhaltszeitraum ist der Beklagte durchgängig
arbeitslos.
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte sei aufgrund seiner beruflichen
Qualifikation in der Lage, den Mindestunterhalt für ihn sicherzustellen.
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Der Kläger hat zunächst laufenden Unterhalt ab Oktober 2005 und einen
Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.223,00 € für den Zeitraum von Mai bis September
2005 vom Beklagten begehrt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat er dann den
Antrag gestellt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn ab dem 01.12.2006 monatlich 247,00 €
Unterhalt zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
12
Er hat die Ansicht vertreten, nicht leistungsfähig zu sein. Hierzu hat er behauptet, auf
Grund seiner Knieprobleme in seinem Beruf nicht mehr arbeiten zu können. Schwere
Arbeiten könnten von ihm nicht verrichtet werden. Außerdem habe er sich umfassend,
allerdings ohne Erfolg, um eine Arbeit bemüht.
13
Das Familiengericht hat nach Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens des Dr. W. der Klage vollumfänglich stattgegeben. Dabei
hat es den Beklagten fiktiv veranlagt und ein erzielbares Nettoeinkommen in Höhe von
1.200,00 € zu Grunde gelegt. Die belegten Erwerbsbemühungen hat es als nicht
ausreichend angesehen.
14
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der sich weiterhin auf
Leistungsunfähigkeit auf Grund seiner chronischen Reizkniebeschwerden beruft und
Klageabweisung begehrt. Hierzu behauptet er, in seinem erlernten und seinem
ausgeübten Beruf nicht mehr arbeiten zu können. Durch die allein noch von ihm
ausübbaren branchenfremden Arbeiten bzw. einfache Handlanger- und
Hilfsarbeitertätigkeiten ohne körperliche Anstrengung könne er nur ein Nettoeinkommen
i.H.v. 650,00 € bis ca. 800,00 € erzielen. Zudem sei er seit Oktober 2006
ununterbrochen krankgeschrieben bzw. arbeitsunfähig gewesen sei.
15
Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichts B. vom 14.12.2006 abzuändern und die Klage
abzuweisen.
17
Der Kläger beantragt,
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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass für die Zeit bis einschließlich
Mai 2007 in Höhe von 170,00 € monatlich Zahlung an das Land Nordrhein-
Westfalen, vertreten durch die Stadt B. (UVG-Kasse) geleistet werden soll.
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Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung
seines bisherigen Vorbringens. Insbesondere bestreitet er die behauptete
Arbeitsunfähigkeit unter Hinweis auf das Gutachten W. Auch leide der Beklagte nicht
unter chronischen Reizbeschwerden, wie sich aus seinen Erklärungen gegenüber Dr.
W. ergebe. Es bestehe zudem keine Arbeitsunfähigkeit seit Oktober 2006, weil der
Beklagte selbst im Termin am 23.11.2006 erklärt habe, vom 15.10. bis 03.11.2006 für
die Fa. P. Fenster montiert zu haben. Zudem bestehe Anlass zu der Vermutung, der
Beklagte arbeite schwarz als Rolladenmonteurhelfer.
20
II.
21
Die zulässige Berufung hat in der Sache nur für die Zeit ab Mai 2007 teilweise Erfolg.
22
Dem Kläger steht in Höhe des titulierten Betrages ein Unterhaltsanspruch gegen den
Beklagten gem. §§ 1601 ff. BGB zu, da die Voraussetzungen des Anspruchs dem
Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig sind und der Beklagte als leistungsfähig
bzw. ab Mai 2007 als teilweise leistungsfähig zu behandeln ist.
23
1.
24
Soweit der Kläger aufgrund der bezogenen Leistungen nach dem
Unterhaltsvorschussgesetz gem. § 7 UVG wegen des dort angeordneten gesetzlichen
Anspruchsübergangs nicht aktivlegitimiert ist, hat er dem durch die erfolgte Anpassung
des Berufungsantrages Rechnung getragen.
25
2.
26
Konkret ist eine Leistungsfähigkeit des Beklagten, der ALG II-Leistungen erhält, nicht
gegeben.
27
Der Beklagte, der für die von ihm behauptete Leistungsunfähigkeit aufgrund seiner
gesteigerten Unterhaltspflicht gem. § 1603 BGB darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl.
nur BGH FamRZ 1986, 244, 246; 2000, 1358, 1359; OLG Hamm FamRZ 2002, 1427 f.),
hat -entgegen seiner Ansicht - konkrete Erwerbsbemühungen weder nach Quantität
noch nach Qualität ausreichend belegt, weshalb mit dem Familiengericht eine
Unterhaltsberechnung auf Grund fiktiver Leistungsfähigkeit vorzunehmen ist. Denn die
vom Beklagten aufgelisteten angeblichen Bewerbungsbemühungen, insgesamt 17 an
der Zahl, sind unter Zugrundelegung der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung
(vgl. dazu BGH FamRZ 2000m 1358, 1359; OLG Naumburg FamRZ 2003, 1022, 1023;
OLG Koblenz FamRZ 2000, 313 f.; OLG Jena NJW-RR 2004, 76, 77) bereits
zahlenmäßig nicht ausreichend. Zudem handelt es sich um undifferenzierte
Bewerbungen - die ebenfalls nicht ausreichend sind (vgl. OLG Naumburg OLGR 2005,
138) – und denen nicht zu entnehmen ist, ob sie auf tatsächliche Stellenangebote erfolgt
sind oder ob es sich um sog. Blindbewerbungen gehandelt hat.
28
3.
29
Im Rahmen der Feststellung der fiktiven Leistungsfähigkeit ist auf die vom Beklagten
zumutbarerweise erzielbaren Einkünfte abzustellen (vgl. OLG Hamm FamRZ 1998,
982).
30
a)
31
Die Zumutbarkeit fiktiv erzielbarer Einkünfte ist dabei insbesondere unter
Berücksichtigung der körperlichen Beeinträchtigungen des Beklagten zu beurteilen, die
sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. W. vom 04.10.2006 ergeben.
Danach bestehen beim Beklagten beidseitig chronische Reizkniebeschwerden, die
weder zu einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im
krankenversicherungsrechtlichen Sinn, noch zu einer erheblich eingeschränkten
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Erwerbsfähigkeit im rentenversicherungsrechtlichen Sinn führen. Dem Beklagten ist es
nach den Feststellungen des Sachverständigen zumutbar, auf Dauer vollschichtig
Erwerbstätigkeiten, die in entspannter, selbstgewählter Sitzhaltung erfolgen, ohne dass
bei dieser Sitzhaltung mit den Füßen Pedale oder Stellhebel bedient werden müssen,
zu verrichten. Beispielsweise sind damit folgende Tätigkeitsfelder möglich: Packer,
Sortierer und Montierer kleiner Teile im Sitzen, Lagerist und oder Materialausgeber,
Pförtner, Telefonist, Aufsichtsperson in der Videoüberwachung von
Industrieeinrichtungen, motorisierter Bote oder Bürotätigkeiten.
Dieser Einschätzung folgt der Senat aufgrund des insgesamt überzeugenden und in
sich schlüssigen Gutachtens des Sachverständigen Dr. W. Die Feststellungen des
Sachverständigen werden im Ergebnis vom Beklagten auch in der Berufungsinstanz
nicht mehr in Zweifel gezogen, da der Beklagte sich nunmehr auf einen akuten
Bandscheibenvorfall vom 30.10.2006 beruft.
33
b)
34
Entgegen der Ansicht des Beklagten ändert der bei ihm ausweislich der vorgelegten
ärztlichen Atteste eingetretene akute Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelbereich vom
30.10.2006, der vom Sachverständigen Dr. W. nicht berücksichtigt werden konnte,
nichts an der fiktiven Annahme eines Erwerbseinkommens aus den vom
Sachverständigen Dr. W. aufgeführten Arbeitsfeldern. Insbesondere ist aufgrund des
Bandscheibenvorfalls nicht von einer Leistungsunfähigkeit auszugehen. Dies beruht auf
folgenden Überlegungen:
35
Da der Beklagte ausreichende Erwerbsbemühungen seit Beginn seiner Arbeitslosigkeit
im Mai 2004 nicht dargelegt hat, was zu seinen Lasten geht, muss der Senat
unterstellen, dass der Beklagte bei Entfaltung der gebotenen Bemühungen und nach
Aufforderung zur Unterhaltszahlung jedenfalls ab Ende 2005 eine Arbeit in dem von Dr.
W. dargestellten Arbeitsbereichen gefunden hätte. In diesem Fall hätte er aber nach
dem Bandscheibenvorfall vom 30.10.2006 zunächst Lohnfortzahlung gem. §§ 1, 3 ff.
LFZG für 6 Wochen erhalten und danach Krankengeld gem. §§ 44 ff. SGB V in Höhe
von 70% des regelmäßig erzielten Arbeitsentgelts (§ 47 I 1 SGB V) für längstens 78
Wochen (§ 48 I SGB V) bezogen, insgesamt also rund 1 Jahr und 8 Monate, so dass der
fiktive Krankengeldbezug im vorliegenden Unterhaltszeitraum noch nicht beendet und
eine Leistungsfähigkeit grundsätzlich gegeben wäre.
36
c)
37
Unter Auswertung von Tarifabschlüssen für die Berufsbilder "Packer im Einzel- bzw.
Groß- und Außenhandel" sowie "Lagerarbeiter", die nach Tarifvertrag Stundenlöhne von
brutto 10,70 € bis 10,96 € bzw. ein Monatsgehalt i.H.v. 1.769,00 € erzielen, schätzt der
Senat den vom Beklagten erzielbaren Stundenlohn auf brutto rd. 10,50 €. Dabei ist der
Senat zugunsten des Beklagten von dem untersten tariflich vorgesehenen Stundensatz
ausgegangen.
38
Unter Zugrundelegung einer 40 Stunden Woche, den Beklagten trifft gem. § 1603 BGB
eine gesteigerte Unterhaltspflicht, ergibt sich folgende Berechnung des fiktiven
monatlichen Nettoeinkommens bei Steuerklasse I, 1 Kinderfreibetrag:
39
Stundenlohn: 10,50 €
40
Stundenzahl: 173,9
41
insgesamt: 1.825,95 €
42
Lohnsteuer: -213,58 €
43
Solidaritätszuschlag -1,86 €
44
Kirchensteuer -8,12 €
45
Rentenversicherung -178,03 €
46
Arbeitslosenversicherung -59,34 €
47
Krankenversicherung AN-Anteil -137,86 €
48
Pflegeversicherung AN-Anteil -15,52 €
49
–––––––––––––––––
50
Nettolohn: 1.211,64 €
51
Im Falle der Zahlung von Krankengeld stellt sich das fiktive Einkommen auf 70% des
Regelentgelts i.S.d. § 47 Abs. 2 SGB V, wobei allerdings die Grenze des § 47 Abs. 1 S.
2 SGB V nicht überschritten werden darf. Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich
folgende Berechnung des dem Beklagten fiktiv zustehenden Krankengeldes:
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Wöchentliches Arbeitsentgelt
420,00 €
tägliches Arbeitsentgelt
60,00 €
kalendertägliches Krankengeld
42,00 €
Nettoarbeitsentgeltsgrenze
Nettoarbeitsentgelt
1.211,64 €
kalendertäglich
40,39 €
90% Grenze
36,35 €
Krankengeld monatlich
1.090,48 €
53
d)
54
Im Rahmen der Unterhaltsberechnung ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der
Beklagte nicht nur Vater des Klägers ist, sondern auch seines Sohnes K. Dessen Bedarf
richtet sich nach der 1. Einkommensgruppe, 3. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle,
Stand 01. Juli 2005 und beträgt grundsätzlich 291,00 €.
55
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte wegen des Vorversterbens der
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Mutter von K. auch für dessen Betreuungsunterhalt aufkommen muss, weshalb im
Ergebnis der Unterhaltsbedarf auf 582,00 €
zu verdoppeln ist (vgl. BGH NJW 2006, 3421, 3423).
57
Auf diesen Bedarf ist nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2006, 3421, 3423) die
Halbwaisenrente i.H.v. 183,00 €
58
und grundsätzlich das gesamte Kindergeld i.H.v. 154,00 €
59
bedarfsdeckend in Abzug zu bringen.
60
Denn der Anspruch auf Verwandtenunterhalt setzt nach § 1602 I BGB die
Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten voraus. Dieser Grundsatz ist für minderjährige
unverheiratete Kinder durch § 1602 II BGB dahin eingeschränkt, dass sie den Stamm
ihres Vermögens nicht anzugreifen brauchen. Eigenes Einkommen des Kindes mindert
jedoch dessen Unterhaltsbedürftigkeit und damit auch seinen Unterhaltsanspruch. Das
gilt grundsätzlich für Einkommen jeder Art, einschließlich der nicht subsidiären
Sozialleistungen. Entsprechend ist eine dem Unterhaltsgläubiger zustehende
Halbwaisenrente in vollem Umfang auf den gesamten Unterhaltsbedarf anzurechnen
(BGH, a.a.O.; FamRZ 1980, 1109, 1111; Wendl/Staudigl-Dose, Unterhaltsrecht, 6. Aufl.
2004, § 1 Rdnr. 440).
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Daneben ist auf den vollen Unterhaltsbedarf grundsätzlich auch das gesamte
Kindergeld anrechenbar. Denn das Kindergeld wird als öffentliche Sozialleistung
gewährt, um den Eltern die Unterhaltslast gegenüber ihren Kindern zu erleichtern. Ist
nach dem Tode eines Elternteils der andere in vollem Umfang unterhaltspflichtig, dient
das Kindergeld folglich allein seiner Entlastung, so dass es dann grundsätzlich in
vollem Umfang auf den geschuldeten gesamten Unterhaltsbedarf anzurechnen ist (BGH
a.a.O.). Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass der Beklagte nicht in der Lage ist,
Unterhalt in Höhe von 135 Prozent des Regelbetrages nach der Regelbetrag-
Verordnung zu leisten, weshalb gem. § 1612 b Abs. 5 BGB eine Anrechnung des
Kindergeldes zu unterbleiben hat. Dies gilt allerdings nicht hinsichtlich des
Betreuungsunterhalts der verstorbenen Kindesmutter, da insoweit die gesetzliche
Vertreterin des Klägers als dritte Person die Betreuungsleistung erbringt und insoweit
auch den Kindergeldanteil quasi als Entgelt erhält, weshalb es vorliegend gerechtfertigt
erscheint, das hälftige Kindergeld mit 77,00 € auf
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den monetarisierten Betreuungsbedarf in Anrechnung zu bringen.
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Auf den Fall bezogen bedeutet dies, dass der Unterhaltsbedarf des Sohnes K. durch die
Waisenrente und die Kindergeldzahlung nur teilweise gedeckt ist und ein offener Bedarf
von noch 322,00 €
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verbleibt.
65
Da der Beklagte nach eigenen Angaben bis zur mündlichen Verhandlung vor dem
Senat nicht auf Zahlung von Unterhalt für K. in Anspruch genommen worden ist, ist der
Unterhaltsanspruch von K. im Rahmen einer Berechnung erst ab Mai 2007 zu
berücksichtigen, da der Beklagte noch mit Wirkung auf den Monatsanfang insoweit
hinsichtlich des Unterhalts für K. in Verzug gesetzt werden konnte.
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Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen errechnen sich folgende
Beträge, über die der Beklagte fiktiv verfügen muss, um den begehrten Unterhalt zahlen
zu können, wobei die Zeiträume bis April 2007 und ab Mai 2007 zu unterscheiden sind:
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Zeitraum bis April 2007
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Erforderliches bereinigtes fiktives
Einkommen bzw. bei
Lohnfortzahlung
Erforderliches fiktives
Einkommen bei
Krankengeldbezug
Selbstbehalt:
890,00 €
770,00 €
MindesttabellenKU
für
K., 3. AS
Kein Unterhaltsanspruch
Kein Unterhaltsanspruch
Kläger, 2. AS
247,00 €
247,00 €
fiktive FaKo
40,00 €
0,00 €
erforderliches
Nettoeinkommen: 1.177,00 €
1.017,00 €
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Da dem Beklagten sowohl bei voller Erwerbstätigkeit als auch bei Krankengeldbezug
fiktiv ein höherer Betrag zuzurechnen ist, hat das Familiengericht im Ergebnis zu Recht
eine ausreichende fiktive Leistungsfähigkeit bejaht.
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Zeitraum ab Mai 2007
71
Erforderliches fiktives Einkommen bei
Krankengeldbezug
Selbstbehalt:
770,00 €
MindesttabellenKU für
K., 3. AS
322,00 €
Kläger, 2. AS
247,00 €
fiktive FaKo
0,00 €
erforderliches
Nettoeinkommen:
1.339,00 €
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Das fiktive Einkommen des Beklagten reicht nicht zur Deckung des Unterhaltsbedarfs
beider Kinder aus, weshalb eine Mangelfallberechnung vorzunehmen ist. Es ergibt sich
für beide Kinder ein Gesamtbedarf i.H.v.
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(322,00 € + 247,00 €) 569,00 €.
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Die Verteilungsmasse beläuft sich auf (1.090,48 € - 770,00 €) 320,48 €,
75
so dass sich eine Quote i.H.v. 56,3 %
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ergibt und sich der Unterhaltsanspruch für den Kläger auf gerundet 140,00 €
77
stellt.
78
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.
79
Heine Schwarze Dr. Bruske
80