Urteil des OLG Hamm vom 30.03.2000

OLG Hamm: verfügung von todes wegen, testament, grundbuchamt, urkunde, eigentümer, erblasser, zwischenverfügung, nachlass, immobilie, kapitalvermögen

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 35/00
Datum:
30.03.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 35/00
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 9 T 1304/99
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Geschäftswert wird insoweit in Abänderung der Entscheidung des
Landgerichts für das Verfahren der Erstbeschwerde und der weiteren
Beschwerde auf je 5.000,00 DM festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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In dem eingangs genannten Grundbuch ist als Eigentümer der Bergmann W T (im
folgenden: Erblasser), der am 20.07.1999 verstorben ist, eingetragen. Dieser hatte etwa
3 Monate vor seinem Tod zu notarieller Urkunde vom 16.04.1999 (Urkunde Nr. 140/99
des Notars W in D) im R -Hospital in D ein Testament errichtet, in dem es heißt:
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Ich setze hiermit zu meinem alleinigen und unbeschränkten Erben ein, gleichviel,
ob und welche Pflichtteilsberechtigte bei meinem Tode vorhanden sind:
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meinen Neffen Landwirt U D, geboren am 31.12.1960, wohnhaft P-Straße, ####1
D
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Mein Erbe hat für die Grabpflege zu sorgen, solange er Eigentümer des
Grundbesitzes ist. Wird meine Tochter Eigentümer des Grundbesitzes, hat sie
von dem Zeitpunkt des Eigentümerübergangs für die Grabpflege zu sorgen.
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Ich belaste meinen Erben mit folgenden Vermächtnissen:
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1.
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Meine Ehefrau I T geb. B, geboren am 08.02.1926, wohnhaft O-Straße, ####1 D,
erhält außer dem ihr schon eingeräumten Wohnrecht an unserer gemeinsamen
Wohnung alles, was sich zum Zeitpunkt meines Todes in unserer Wohnung
befindet, das gesamte Kapitalvermögen einschließlich etwaiger
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Versicherungsforderungen.
Die Vermächtnisnehmerin hat für meine standesgemäße Beerdigung zu sorgen.
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2.
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Meine Tochter B T, geboren am 16.03.1964, B-straße, D, erhält den meinem
Erben vermachten Grundbesitz mit allen aufstehenden Gebäuden, wenn sie
heiratet und leibliche, eheliche Kinder bekommt 1/2 Jahr nach der Geburt des
ersten Kindes zu Eigentum Zug um Zug gegen Rückzahlung einer eventuell
geltend gemachten Pflichtteilsforderung nebst 4 % Zinsen vom Tage der Zahlung
an, belastet mit allen Lasten, die zur Zeit meines Todes auf dem Grundbesitz
lasten oder von mir veranlaßt worden sind.
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Der Beteiligte beantragte mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom
29.09.1999 unter Berufung auf das Testament vom 16.04.1999, ihn im Wege der
Grundbuchberichtigung als Eigentümer in das Grundbuch einzutragen. Er vertrat die
Auffassung, der Erblasser habe ihn zum alleinigen Erben eingesetzt.
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Das Amtsgericht bat mit Schreiben vom 07.10.1999 um die Übersendung eines
Erbscheins, weil sich aus dem Testament die Erbfolge nicht eindeutig ergebe. Nachdem
der Beteiligte dieser Auffassung widersprochen hatte, gab ihm das Amtsgericht durch
Zwischenverfügung vom 04.11.1999 die Einreichung eines Erbscheins zum Zwecke
des Nachweises der Erbfolge auf. Zur Begründung führte es aus, dass es sich bei der im
Testament verfügten Zuwendung an die Tochter des Erblassers um eine bedingte
Nacherbfolge handele, da das Hausgrundstück gemäß dem notariellen Schreiben vom
29.10.1999 den wesentlichen Teil des Nachlasses darstelle.
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Gegen diese Zwischenverfügung legte der Beteiligte Beschwerde ein, die das
Landgericht mit Beschluss vom 10.12.1999 zurückwies. Hiergegen richtet sich die mit
Anwaltsschriftsatz vom 14.01.2000 eingelegte weitere Beschwerde des Beteiligten.
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II.
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Die – an keine Frist gebundene - weitere Beschwerde ist nach
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§ 78 GBO statthaft sowie gemäß § 80 GBO formgerecht eingelegt. Die
Beschwerdebefugnis des Beteiligten folgt bereits daraus, dass seine erste Beschwerde
ohne Erfolg geblieben ist.
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In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts
nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 78 Satz 1 GBO).
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer gemäß § 71
Abs. 1 GBO zulässigen (ebenfalls unbefristeten) Erstbeschwerde des Beteiligten gegen
die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes vom 04.11.1999 ausgegangen. Diese war
hier nach § 18 GBO zulässig, weil dem Grundbuchberichtigungsantrag ein behebbares
Eintragungshindernis entgegenstand.
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Auch die Sachentscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag des Beteiligten auf Grundbuchberichtigung
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aufgrund der nach dem Tode des Grundstückseigentümers eingetretenen Erbfolge (§ 22
Abs. 1 GBO). Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge nur durch
einen Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von
Todes wegen, die wie hier - in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es
nach Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz der genannten Vorschrift, wenn anstelle des Erbscheins
die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden.
Beide Urkunden hat das Grundbuchamt beigezogen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2, 2.
Halbsatz GBO kann das Grundbuchamt gleichwohl die Vorlage eines Erbscheins
verlangen, wenn es die Erbfolge durch diese Urkunde nicht für nachgewiesen erachtet.
Dabei steht es nicht im Belieben des Grundbuchamtes, die Vorlage eines Erbscheins zu
verlangen. Das Grundbuchamt hat die Verfügung von Todes wegen nach Form und
Inhalt zu prüfen. Ergeben sich hierbei Zweifel tatsächlicher Art hinsichtlich des
behaupteten Erbrechts, die nur durch weitere Ermittlungen über den Willen des
Erblassers oder über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können, so kann
das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins verlangen (vgl. etwa BayObLGZ 1974,
1 = NJW 1974, 954; Kuntze /Ertl/Herrmann/ Eickmann, Grundbuchrecht, 5. Aufl., § 35
GBO Rn.74). Von diesen Grundsätzen ist das Landgericht zutreffend ausgegangen.
Die Kammer hat ausgeführt, der Wille des Erblasers lasse sich nicht ohne weiteres
klären, weil das zugunsten der Tochter in dem Testament dem Erben auferlegte
Vermächtnis auch als auflösend bedingte Nacherbeneinsetzung angesehen werden
könnte.
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Die tatrichterliche Auslegung einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung und damit
auch von Testamenten unterliegt im Verfahren der weiteren Beschwerde nur einer
rechtlichen Nachprüfung dahin, ob sie nach den Denkgesetzen und der feststehenden
Erfahrung möglich ist - sie muß nicht zwingend sein -, mit den gesetzlichen
Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Wortlaut und Sinn der Erklärung nicht
widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (vgl. Bauer/von
Oefele/Budde, GBO, § 78 Rdnr. 25 m.w.N.). Einen solchen Rechtsfehler läßt die
Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.
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Das Testament des Erblassers ist, wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist,
auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Denn einerseits sollte der Neffe des
Erblassers, der Beteiligte, alleiniger und unbeschränkter Erbe sein, andererseits war
aber offen, ob ihm überhaupt irgend etwas aus dem Nachlass auf Dauer verbleiben
sollte. Der Erblasser unterschied seinen Nachlass in seine Immobilie und in sein
sonstiges Vermögen ("alles, was sich im Haus befindet, Kapitalvermögen einschließlich
etwaiger Versicherungsforderungen"). Letzteres sollte seiner Ehefrau zukommen. Die
Immobilie sollte zwar der Beteiligte als "alleiniger und unbeschränkter Erbe" erhalten,
aber nur bedingt und zeitlich begrenzt. Denn letztlich sollte die Tochter sie bekommen,
sofern sie ein Kind bekommt und sobald dieses Kind ½ Jahr alt ist. Es ist daher sehr
zweifelhaft, ob nach dem Willen des Erblassers dessen Tochter nur auf einen
schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beteiligten beschränkt werden oder ob sie nicht
tatsächlich eine von dessen Willen unabhängige Rechtsstellung erlangen sollte. Die
Annahme des Landgerichts, es könne hier auch eine auflösend bedingte Vorerbschaft
zugunsten des Beteiligten und Nacherbschaft zugunsten der Tochter vorliegen, ist daher
möglich, wenn nicht gar naheliegend.
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Soweit der Beteiligte im Erstbeschwerdeverfahren und im Verfahren der weiteren
Beschwerde seine Auslegung unter Berufung auf zusätzliche Angaben des
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Urkundsnotar zu erklären versucht, stützt er sich auf außerhalb der Testamentsurkunde
liegende Umstände. Dies gilt insbesondere für sein Vorbringen, der Erblasser habe
nicht mehr mit einer Eheschließung seiner Tochter und mit Enkelkindern gerechnet und
die vom Landgericht angenommene Konstruktion habe der Vorstellung des Erblassers
widersprochen. Mit diesem tatsächlichen Vorbringen kann der Beteiligte schon deshalb
keinen Erfolg haben, weil im Grundbucheintragungsverfahren die Erbfolge durch
Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen ist. Das Grundbuchamt ist schon im
Ausgangspunkt nicht befugt, tatsächliche Ermittlungen über einen etwaigen, in der
Testamentsurkunde nur unvollständig zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen
durchzuführen. Dies ist vielmehr dem Erbscheinsverfahren vorbehalten, in dem das
Ergebnis durchgeführter Ermittlungen zusammenfassend zu würdigen ist.
Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131
Abs. 2, 30 Abs. 2, 31 Abs. 1 S. 2 KostO.
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Maßgeblich war insoweit das Interesse des Beteiligten, die Aufwendungen für ein
Erbscheinsverfahren zu ersparen. Der Senat hat insoweit die landgerichtliche
Entscheidung abgeändert.
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