Urteil des OLG Hamm vom 17.02.2006

OLG Hamm: vorweggenommene beweiswürdigung, steuerberater, einspruch, unterlassen, zusage, verjährungsfrist, kündigung, beendigung, sicherheitsleistung, steuerrecht

Oberlandesgericht Hamm, 25 U 115/05
Datum:
17.02.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 U 115/05
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 5 O 554/04
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Mai 2005 verkündete Urteil
des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann Vollstreckungsmaßnahmen des Beklagten abwenden
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Gründe:
1
(gem. § 540 Abs. 1 ZPO)
2
I.
3
Die Klägerin nimmt den Beklagten, ihren früheren Steuerberater, wegen angeblicher
Beratungsfehler auf Schadensersatz in Anspruch. Sie wirft ihm vor, es unterlassen zu
haben, gegen den Steuerbescheid für 1997 Einspruch einzulegen, und zwar im Hinblick
auf die spätere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 09.03.2004 (II BvL
17/02), wonach die Besteuerung von Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren in den
Jahren 1997 und 1998 aufgrund § 23 EStG in der damals gültigen Fassung
verfassungswidrig gewesen sei. Sie macht geltend, dass zur Zeit der Bestandskraft
dieses Bescheides (23.06.1999) die Problematik der Verfassungsmäßigkeit der
Besteuerung von Spekulationsgewinnen bereits in der Tagespresse, so in einem Artikel
der Zeitschrift Capital vom 01.03.1999 diskutiert worden sei. – Im übrigen hat sie
behauptet, der Beklagte habe ihr ausdrücklich zugesagt, den Steuerbescheid für 1997
nicht bestandskräftig werden zu lassen.
4
Der Beklagte hat eine Pflichtverletzung in Abrede gestellt und sich im Übrigen auf die
Einrede der Verjährung berufen.
5
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen, im
Wesentlichen mit der Begründung, dass im Hinblick auf die erst später ergangene
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ein Verstoß des Beklagten gegen
Sorgfaltspflichten nicht festzustellen sei. Die weitere Behauptung, der Beklagte habe
zugesagt, auf jeden Fall Einspruch gegen den Steuerbescheid für 1997 einzulegen, sei
zu unsubstantiiert und überdies auch unplausibel. Auf die tatsächlichen Feststellungen
des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
6
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen
Klageantrag, nämlich Zahlung von 143.327,10 € nebst Zinsen weiterverfolgt, das
angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen angreift und ihre Behauptung zur Zusage
des Beklagten, auf jeden Fall Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen zu wollen,
wiederholt und vertieft.
7
Wegen des beiderseitigen Parteivorbringens der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt
der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
8
II.
9
Die Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
10
a)
11
Zu Recht hat das Landgericht eine Pflichtverletzung des Beklagten im Hinblick auf die
Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 23 EStG in der damals gültigen Fassung
verneint. Der Beklagte hatte im Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheides für 1997
Mitte des Jahres 1999 noch keinen Anlass, die Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur
Spekulationssteuer, auf die er grundsätzlich vertrauen konnte (Gräfe/Lenzen/Schmeer,
Steuerberaterhaftung, 3. A., Rz. 245 m.w.N.), in Zweifel zu ziehen. Der
Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Schleswig ist erst am 23.09.1999, also nach
Bestandskraft des Steuerbescheides ergangen und erst im Jahre 2000 veröffentlicht
worden. Sonstige Verlautbarungen in der einschlägigen Fachpresse, die der
Steuerberater zur Kenntnis nehmen muss – insbesondere etwa im Bundessteuerblatt
und in der Zeitschrift "Deutsches Steuerrecht" –, gab es zum damaligen Zeitpunkt noch
nicht. Die Zeitschrift Capital, in der erstmals vor Erlass des Steuerbescheides ein Artikel
erschienen ist, der sich mit diesem Fragenkreis befasst, gehört weder zur einschlägigen
Fachpresse noch zur Tagespresse, die der Steuerberater zur Kenntnis nehmen muss. –
Im Übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts unter I. 2a) der
Urteilsgründe Bezug genommen werden, denen sich der Senat in vollem Umfange
anschließt.
12
b)
13
Bezüglich des weiteren Vorwurfes, der Beklagte habe entgegen einer ausdrücklichen
Zusage die Einlegung des Einspruchs gegen den Steuerbescheid unterlassen, wirft die
Berufung dem Landgericht allerdings zu Recht vor, dass die Urteilsgründe unter I. 2b)
zum Teil eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung enthalten (wenngleich
14
die Plausibilitätserwägungen des Landgerichts in der Sache durchaus nicht von der
Hand zu weisen sind). Das tatsächliche und unter Beweis des Zeugen L gestellte
Vorbringen ist auch jedenfalls mit der Vertiefung in der Berufungsbegründung
hinreichend substantiiert. Wenn dort behauptet wird, die entsprechenden
Besprechungen hätten zu Beginn des Jahres 1999 zunächst im Hause der Klägerin und
sodann im Büro des Beklagten stattgefunden, so genügt dies – insbesondere unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass die behaupteten Vorgänge schon längere Zeit
zurückliegen – schon den Mindestanforderungen an die Substantiierung des
Klagevortrages. Da das Landgericht, wie die Berufung zu Recht rügt, es unterlassen hat,
der Klägerin insoweit einen Substantiierungshinweis nach § 139 ZPO zu geben, wäre
dieses Vorbringen grundsätzlich auch berücksichtigungsfähig gewesen.
c)
15
Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da ein auf diesen Pflichtverletzungsvorwurf
gestützter Schadensersatzanspruch jedenfalls nach § 68 StBG a.F. verjährt wäre. Klar
ist zunächst, dass die dreijährige Verjährungsfrist, die mit dem Erlass des be-
16
lastenden Steuerbescheides für 1997 im Mai 1999 zu laufen begann, im Zeitpunkt der
Klageerhebung (10.12.2004/19.01.2005) bereits abgelaufen war. Eine sekundäre
Pflichtverletzung, die eine weitere dreijährige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt hätte, liegt
nicht vor, da der Beklagte bis zur Beendigung seines Mandates aufgrund der Kündigung
der Klägerin mit Schreiben vom 18.07.2001, mit der weitere Hinweispflichten ohnehin
endeten (Gräfe aaO Rz. 917 m.w.N.), keinen Anlass hatte, auf eine mögliche
Regresshaftung gegen ihn und deren Verjährung hinzuweisen. Selbst wenn nämlich der
Beklagte, wie behauptet, zu Beginn des Jahres 1999 zugesagt haben sollte, Einspruch
gegen den Steuerbescheid einzulegen, war der Klägerin aufgrund seines Schreiben
vom 03.06.1999 (Bl. 34/35) eindeutig klar geworden, dass er dies tatsächlich nicht getan
hatte und dies auch nicht zu tun beabsichtigte. Wenn die Klägerin dies hingenommen
hat und nicht auf eine – zu diesem Zeitpunkt noch mögliche - Einspruchseinlegung
bestanden hat, hatte der Beklagte aus seiner Sicht keine Veranlassung, die
Nichteinlegung des Einspruches noch als eine Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin
anzusehen und dementsprechend auch keinen Anlass, die Klägerin über einen gegen
ihn gerichteten Schadensersatzanspruch und dessen Verjährung zu belehren. Vielmehr
durfte er davon ausgehen, dass die Klägerin es nunmehr hinnahm, dass gegenüber
dem Steuerbescheid für 1997 nichts weiter unternommen würde. Dies gilt umso mehr,
als auch in der Kündigungsbestätigung des Beklagten vom 30.07.2001 (Bl. 33) noch
einmal ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass Rechtsbehelfsverfahren nur für die
Jahre 1998 und 1999 liefen, nicht aber für das Jahre 1997, woraus sich für die Klägerin
ergab, dass alles Weitere von ihrem neuen Steuerberater zu veranlassen war. Auch
hierauf ist keine Beanstandung seitens der Klägerin mehr erfolgt.
17
Die Berufung war mithin zurückzuweisen, wobei sich die Nebenentscheidungen aus
§§ 97 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711 ZPO ergeben.
18
Der Senat hat die Revision nicht nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die eine
Einzelfallentscheidung darstellende Sache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne
des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat, noch die Fortbildung des Rechtes oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Entscheidung
des Revisionsgerichtes erfordert.
19