Urteil des OLG Hamm vom 08.02.2007

OLG Hamm: internationale zuständigkeit, gerichtliche zuständigkeit, postfach, ablauf der frist, verbraucher, unternehmer, auskunft, vollstreckung, anschrift, fantasiebezeichnung

Oberlandesgericht Hamm, 21 U 138/06
Datum:
08.02.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 U 138/06
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 15 O 147/05
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12. September 2006
verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund
abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Fahrzeug Marke Audi,
Typ A2 1,4, Farbe silbergrün-metallic, Standardausführung: Airbags für
Fahrer und Beifahrer, Zentralverriegelung, elektrisches Zubehör,
Servolenkung, verschiedene Aluminium-Dekorationen und
Exklusivausführung: vollautomatische Klimaanlage, vier gegossene
Leichtmetallfelgen, Zentralverriegelung mit Fernbedienung, Rückspiegel
und Wagentürgriffe in Karosseriefarbe, Sonnendach, Parkleitsystem,
Alarmanlage, Lenkrad und Schalthebel aus Leder und beleuchteter
Make-up-Spiegel zu übergeben und zu übereignen.
Der Beklagten wird hierfür eine Frist von vier Wochen nach Rechtskraft
des Urteils gesetzt, nach deren Ablauf die Klägerin die Leistung ablehnt.
Die Beklagte wird verurteilt, nach fruchtlosem Fristablauf 22.500 € nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz ab Fristablauf zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 30.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in dieser Höhe oder in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
I.
2
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der
Parteien stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:
3
Die Klägerin macht gemäß § 661a BGB eine Forderung auf Übergabe und Übereignung
eines Audi A2 geltend, die sie aus einem Schreiben vom 01.02.2003 herleitet, das sie
für eine Gewinnzusage der Beklagten hält.
4
Das Schreiben, das als "offizielles Gewinndokument" und unter "Betreff" als "offizielle
Gewinnankündigung" bezeichnet ist, weist als Absender eine J aus. In ihm teilt ein
"Direktor J B" auszugsweise folgendes mit:
5
Persönliche Nachricht für den glücklichen Gewinner
6
Sehr geehrte Frau I,
7
ich bringe gern gute Neuigkeiten und heute habe ich die Ehre, Ihnen herzlichst
gratulieren zu dürfen. Das Management der Abteilung Preisverleihungen von J hat mir
das Gewinnergebnis der großen J ... – Promotion gezeigt, an der Sie mtgespielt haben.
Ich kann Ihnen folgendes bestätigen:
8
Frau I hat gewonnen:
9
Einen neuen Audi A2 im Wert von 22.500 Euro
10
Oder einen Bargeldscheck!
11
Bestätigt! Sie können sofort ihren Gewinn anfordern. Dieser Gewinn wird nach
Anforderung sofort verliehen.
12
Damit wir Ihren Gewinn verleihen können, müssen wir folgendes von Ihnen erhalten:
13
Die komplett ausgefüllte Gewinnerbefragung
14
und ihr Gewinn-/Mitspielformular
15
Diese Dokumente finden Sie auf der Rückseite dieses Briefes. Wir können Ihnen den
Gewinn nicht verleihen, wenn sie diese Formulare nicht vollständig ausgefüllt
eingeschickt haben. Wir haben auch eine Kopie der Pro-Forma-Rechnung des
Fachhändlers, bei dem wir inzwischen einen Audi A2 reserviert haben, beigefügt.
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Eins muss ich wissen: Wählen Sie, falls Sie die Gewinnerin des Haupttreffers sind, den
Audi A2 oder den Bargeldwert? Ich muss nämlich mit dem Fachhändler die
Lieferbedingungen des Audi A2 besprechen, da sich die Lieferung dieses Modells
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etwas verzögert.
Schicken Sie deshalb schnell Ihre Gewinnerbefragung und Ihr Gewinn-/Mitspielformular
ausgefüllt ein und merken Sie sich, dass Sie gigantische Preise gewinnen können,
wenn Sie in Deutschland Lotto 6 aus 49 mitspielen.
18
......
19
PS: Antworten Sie innerhalb von 24 Stunden für extra 12.500 Euro!
20
Außerdem waren in dem Schreiben die Rubriken "Herausgabe des Gewinns ist
bestätigt" und "Audi A2 ist reserviert" jeweils angekreuzt. Beigefügt war eine "Pro-
Forma-Rechnung" für einen Audi A2 mit einer bestimmten Ausstattung über 22.500 €
(Bl. 6 GA), auf der sich folgende Anmerkung befand:
21
Fahrzeug bestimmt für den Gewinner des Autos oder des Schecks über 35.000
Euro
22
Streitig ist, ob die Klägerin die beigefügte Gewinnerbefragung und das sich einerseits
auf die Gewinnanforderung und andererseits auf die Teilnahme an einem Lottospiel
beziehende "Preis-/Mitspielformular" an eines der beiden in der Sendung angegebenen
Postfächer zurücksandte. Neben dem Postfach ###, #### T, Niederlande war als
"Rückanschrift" der J das Postfach #### in #### O genannt. Unterhalb der Formulare
waren in kleinen Schrifttypen "Spielregeln" abgedruckt, die auszugsweise wie folgt
lauten:
23
.......
24
Spielregel 2: Die Gewinner der Preise wurden im Voraus bestimmt. Die
Preisverleihung des Hauptgewinns, Audi A2 oder € 25.000,00 und des
Extragewinns von € 12.500,00 findet nur dann statt, wenn die gewinnenden
Ziehungsnummern rechtzeitig eingeschickt wurden. Alle Teilnehmer erhalten einen
Bargeldpreis. Die Gewinner werden spätestens vier Wochen nach dem
Einsendeschluss durch Einschreiben verständigt.
25
.......
26
Die Klägerin hat gemeint, ihr stehe ein Anspruch auf Herausgabe eines Audi A2 gegen
die Beklagte zu, da ihr eine Gewinnzusage erteilt worden sei. Die Beklagte sei als
Senderin i.S.v. § 661a BGB anzusehen. Eine im Rechtsstreit 126 C 7071/03 vom AG
Dortmund durchgeführte Postanfrage zur zustellfähigen Hausanschrift des Postfachs
####, #### O (Bl. 24, 26 BA) habe ergeben, dass die Beklagte Urheberin der
Gewinnzusage sei. Wie zudem aus der streitgegenständlichen und auch aus einer
weiteren Gewinnzusage der J folge, die sie am 05.03.2003 erhalten habe und wegen
der sie im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren 1 O 158/04 LG Dortmund
(Beschwerdeverfahren 21 W 12/05 OLG Hamm) erfolglos die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für eine gegen eine Firma U B.V. gerichtete Klage begehrt hat, sei
die J in den Niederlanden unter dem Postfach ###, #### T zu erreichen. Nach einer
Auskunft des Europäischen Verbraucherzentrums, Beratungszentrum H vom 21.01.2003
sei Inhaberin dieses Postfaches die Firma U B.V. Der Name J stelle eine reine
Fantasiebezeichnung dar. Nach einer Handelsregisterauskunft der Kamer van
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Koophandel P vom 26.08.2002 verfüge die U B.V. über das weitere Postfach ###, ####
W. Ausweislich einer Liste von Gewinnspielfirmen der Verbraucherzentrale NRW e.V.
(Juli 2003) sei unter diesem Postfach eine U2 tätig, zu der u.a. J-Lotto und die beklagte
E gehörten. Die U2 sei mit der U B.V. identisch. Die Zusammengehörigkeit der
Beklagten mit der U B.V. folge auch daraus, dass ausweislich ihres Internetauftritts (Bl.
27 GA) und Auskünften des Vereins E vom 18.11.2002 und der Kamer van Koophandel
P vom 27.01.2004 die E B.V., also die Beklagte, unter der Anschrift F ###, #### F tätig
sei, ebenso wie nach der Auskunft des Europäischen Verbraucherzentrums vom
21.01.2003 die U B.V.. Laut einer weiteren Auskunft des Europäischen
Verbraucherzentrums vom 15.07.2003 verfügten beide Firmen zudem über identische
Telefon- und Faxnummern.
Die Beklagte hat eine fehlende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für
isolierte Gewinnzusagen geltend gemacht.
28
Im übrigen sei sie die falsche Beklagte, wie auch das OLG Braunschweig mit Beschluss
vom 31.05.2005 in der gleichgelagerten Beschwerdesache 8 W 49/05 festgestellt habe.
Im Verfahren 1 O 158/04 LG Dortmund habe die Klägerin dagegen die richtige Beklagte
(U B.V.) ausgesucht.
29
Schließlich handele es sich nicht um eine Gewinnzusage, die einem durchschnittlichen
Verbraucher den Eindruck habe vermitteln können, er habe bereits gewonnen. Es sei
lediglich um eine mögliche Gewinnalternative hinsichtlich eines Audi A2 oder eines der
Höhe nach noch offenen Bargeldpreises gegangen, zu deren
Teilnahmevoraussetzungen die Rücksendung von Unterlagen gehört habe. Die
Klägerin habe nicht die richtige Gewinn-Nummer gehabt, wie daraus folge, dass sie
nicht innerhalb der in den Spielregeln genannten Frist über einen Gewinn benachrichtigt
worden sei.
30
Mit am 12.09.2006 verkündetem Urteil, wegen dessen näheren Inhaltes auf Bl. 77 ff. GA
verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zwar folge die
internationale Zuständigkeit gemäß Artikel 5 Nr. 3 EuGVVO jedenfalls aus dem
Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. Ein Anspruch aus § 661a BGB scheitere aber
unabhängig davon, ob die Beklagte als Senderin angesehen werden könne, daran,
dass die Sendung der Klägerin nicht den Eindruck eines bereits gewonnenen Preises
habe vermitteln können, weil der Gewinn von der Rücksendung von Unterlagen
abhängig gemacht worden sei.
31
Gegen diese Auffassung richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, anders
als bei der Einräumung einer reiner Gewinnchance sei durch die mehrfache
Verwendung des Wortes "bestätigt" suggeriert worden, sie müsse nur noch entscheiden,
ob sie den PKW Audi A2 oder den Bargeldpreis beanspruchen möchte. Im übrigen habe
das Landgericht verkannt, dass ein Anspruch aus § 661a BGB nicht erfordere, dass der
Verbraucher eine ihn schädigende Mitwirkungshandlung vornehme.
32
Die Klägerin beantragt,
33
abändernd
34
35
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie das Fahrzeug Marke Audi, Typ A2 1,4, Farbe
silbergrün-metallic, Standardausführung: Airbags für Fahrer und Beifahrer,
Zentralverriegelung, elektrisches Zubehör, Servolenkung, verschiedene
Aluminium-Dekorationen und Exklusivausführung: vollautomatische Klimaanlage,
vier gegossene Leichtmetallfelgen, Zentralverriegelung mit Fernbedienung,
Rückspiegel und Wagentürgriffe in Karosseriefarbe, Sonnendach, Parkleitsystem,
Alarmanlage, Lenkrad und Schalthebel aus Leder und beleuchteter Make-up-
Spiegel, zu übergeben und zu übereignen,
2. der Beklagten zur Herausgabe eine Frist von vier Wochen nach Rechtskraft des
Urteils zu setzen, nach deren Ablauf die Klägerin die Leistung ablehnt,
3. die Beklagte zu verurteilen, nach fruchtlosem Ablauf der Frist 22.500 € nebst 5%
Zinsen über dem Basiszinssatz seit Fristablauf zu zahlen.
36
Die Beklagte beantragt,
37
die Berufung zurückzuweisen.
38
Sie rügt weiterhin die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und meint,
nicht passivlegitimiert zu sein. Senderin des Schreibens sei die U B.V., die auch
insoweit über ihr Postfach ### in #### T, Niederlande tätig geworden sei. Zwar sei das
Postfach #### in O ein Postfach der Beklagten gewesen. Dieses Postfach habe jedoch
ausschließlich der Aufnahme nicht zustellbarer Werbesendungen gedient. Sie sei mit
der U B.V. rechtlich auch nicht verzahnt. Beide Gesellschaften residierten lediglich
tatsächlich in demselben Gebäude. Zudem habe die Kammer zu Recht angenommen,
das Schreiben, auf das die Klägerin ihren Anspruch stütze, stelle keine Gewinnzusage
dar.
39
Die beigezogenen Akten 1 O 158/04 LG Dortmund und 126 C 7071/03 AG Dortmund
sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
40
II.
41
Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.
42
Ihre Klage ist vor den deutschen Gerichten zulässig und begründet.
43
1.
44
Die deutschen Gerichte sind international zuständig. Für die Beurteilung dieser Frage ist
die am 01.03.2002 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die
gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (EuGVVO) maßgeblich (Art. 30 Nr. 1, Art.
66 Abs. 1, Art. 76 EuGVVO).
45
a)
46
Es braucht letztlich nicht entschieden zu werden, ob die internationale Zuständigkeit für
Klagen aus Gewinnzusagen aus dem Verbrauchergerichtsstand des Art. 15 Abs. 1 lit. c,
47
Art 16 Abs. 1 EuGVVO hergeleitet werden kann. Der EuGH (Urt. vom 20.01.2005; NJW
2005, 811) und ihm folgend der BGH (Urt. vom 01.12.2005; NJW 2006, 230) haben dies
für die Vorgängervorschriften Art. 13 Abs. 1 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1 des Brüsseler
Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) abgelehnt, weil die Vorschriften
voraussetzten, dass der Verbraucher Ansprüche aus einem von ihm geschlossenen
Vertrag geltend mache und der Begriff "Vertrag" in diesem Zusammenhang eng
auszulegen sei, da es um Ausnahmeregelungen gehe.
Der BGH (a.a.O.) hat nunmehr offen gelassen, ob der weiter gefasste Art. 15 Abs. 1 lit. c
EuGVVO ebenso strikt ausgelegt werden muss.
48
b)
49
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich jedenfalls aus Art. 5
Nr. 1 lit. a EuGVVO (siehe auch schon Senatsurteil vom 16.01.2007 – 21 U 115/06).
50
Der Senat teilt die Ansicht des EuGH und des BGH, die in den oben bereits zitierten
Entscheidungen zu dem Ergebnis gelangt sind, dass die Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO
inhaltlich gleiche Vorgängerregelung des Art. 5 Nr. 1 Halbsatz 1 EuGVÜ weiter als die
Regelung zum Verbrauchergerichtsstand auszulegen und auf Klagen aus
Gewinnmitteilungen anwendbar ist, wenn der Empfänger die Gewinnzusage annimmt.
Dies kann etwa dadurch geschehen, dass – wie es hier die Klägerin getan hat – die
Auszahlung des scheinbar gewonnenen Preises verlangt wird.
51
Nach Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO kann der Sender einer Gewinnmitteilung vor dem
Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Verpflichtung zur Aushändigung des
Gewinns zu erfüllen wäre. Das ist der Wohnort des Empfängers. Wie der BGH (a.a.O.)
i.e. ausgeführt hat, ergibt sich dieser Erfüllungsort nach dem anwendbaren deutschen
internationalen Privatrecht (Art. 34 EGBGB, § 661a BGB), da § 661a BGB als
zwingende Regelung beanspruche, grenzüberschreitende Gewinnzusagen zu regeln.
52
Aus Sinn und Zweck der deutschen Regelung (§ 661a BGB) folgt, dass der
Unternehmer den zugesagten Preis am Wohnsitz des Verbrauchers zu leisten hat und
die Vorschrift als entsprechende Regelung des Leistungsortes zu verstehen ist.
53
2)
54
Der Klägerin steht der mit ihrem Antrag zu 1) geltend gemachte Anspruch auf Übergabe
und Übereignung eines PKW Audi A2 aus § 661a BGB zu.
55
a)
56
Das ihr übersandte Schreiben stellt eine Gewinnzusage i.S.v. § 661a BGB dar. Wie
auch der Senat (Beschluss vom 10.03.2005 – 21 W 12/05 – , OLGR 2005, 409) bereits
ausgeführt hat, setzt eine Gewinnzusage voraus, dass die Mitteilung aus objektivierter
Empfängersicht nach Inhalt und Gestaltung abstrakt geeignet ist, bei einem
durchschnittlichen Verbraucher in der Lage des Empfängers den Eindruck zu erwecken,
er werde einen – bereits gewonnenen – Preis erhalten (BGH NJW 2004, 1652; BGH
NJW 2006, 230; BGH NJW 2006, 2548). Dabei ist nicht auf einen besonders
misstrauischen, aufgeklärten Verbraucher abzustellen, sondern darauf, wie ein
57
durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher die Mitteilung
nach ihrem Gesamteindruck auffassen muss. Es kann allerdings erwartet werden, dass
der Verbraucher nicht nur reißerisch durch größere Schrifttypen drucktechnisch
hervorgehobene Passagen zur Kenntnis nimmt, sondern auch die Sätze des Fließtextes
liest, die sich zwischen den hervorgehobenen Sentenzen befinden.
Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren 21 W 12/05, an dem die selben Parteien
beteiligt waren, Ansprüche jedoch aus einem anderen Schreiben hergeleitet wurden,
liegen hier die Voraussetzungen einer Gewinnzusage vor. Während das im damaligen
Verfahren übersandte Schreiben an mehreren Stellen Einschränkungen in dem Sinne
enthielt, dass erst eine Chance auf einen Preis bestehe und der Hauptgewinn von der
Ziehung einer der Klägerin zugeordneten Gewinnnummer bei einer noch ausstehenden
weiteren Verlosung abhängig sei, finden sich derartige Einschränkungen in der hiesigen
Mitteilung allenfalls so versteckt, dass der Text einem durchschnittlichen Verbraucher
den Eindruck eines bereits eingetretenen Gewinns vermitteln konnte.
58
Man muss den Text schon äußerst "spitzfindig" betrachten, um ihn entsprechend der
Auslegung der Beklagten dahin zu verstehen, es werde lediglich eine Gewinnalternative
in Form eines PKW Audi A2 oder eines der Höhe nach noch offenen Bargeldschecks
angekündigt. Die Sendung ist vielmehr darauf angelegt, dem Leser die Vorstellung zu
verschaffen, er habe einen PKW Audi A2 oder 25.000 € gewonnen und könne sich
zwischen diesen beiden Alternativen frei entscheiden, wobei bei einer Antwort innerhalb
von 24 Stunden weitere 12.500 € ausgeschüttet würden. Soweit es an einer Stelle im
"offiziellen Gewinndokument" heißt "falls Sie die Gewinnerin des Haupttreffers sind" und
auch die "Gewinnerbefragung" eine ähnliche Formulierung enthält, mussten die
Formulierungen einen durchschnittlichen Empfänger nicht misstrauisch machen, weil
andererseits suggeriert wurde, die Ausspielung der Gewinne habe bereits
stattgefunden.
59
Eine Gewinnzusage kann auch nicht deshalb verneint werden, weil die "Verleihung"
des Preises von der Rücksendung bestimmter Unterlagen abhängig gemacht worden
ist. Eine Mitwirkungshandlung kann dem Verbraucher nicht abverlangt werden, da es
der gesetzgeberischen Intention widerspräche, die Entstehung des Anspruchs daran zu
knüpfen, dass sich der Verbraucher so verhält, wie vom Versender der Gewinnzusage
(wettbewerbswidrig) beabsichtigt (BGH NJW 2006, 2548, 2549f.).
60
b)
61
Die Beklagte ist Senderin der Gewinnzusage. Sender i.S.v. § 661a BGB ist derjenige
Unternehmer, den ein durchschnittlicher Verbraucher in der Lage des Empfängers einer
Gewinnzusage als Versprechenden versteht. Als "Sender" können ferner solche
Unternehmer angesehen werden, die Verbrauchern unter nicht existierenden oder
falschen Namen, Firmen, Geschäftsbezeichnungen oder Anschriften
Gewinnmitteilungen zukommen lassen (BGH NJW 2004, 3555, 3556; BGH NJW 2005,
827). Sender kann schließlich der Unternehmer sein, der unter fremdem Namen, also
unter dem Namen einer anderen existierenden Person, handelt (BGH NJW 2005, 3493).
Als Sender kann deshalb u.U. auch das hinter einer Briefkastenfirma stehende unter
deren Namen mit Eigeninteresse handelnde Unternehmen angesehen werden (BGH
NJW 2006, 2548, 2550).
62
Eine Sendereigenschaft der Beklagten ist zu bejahen, weil sie an der Werbeaktion
63
zumindest maßgeblich mitgewirkt hat. Es steht fest, dass die Absenderbezeichnung J
eine Fantasieangabe darstellt. Das als Anschrift der J angegebene Postfach ###, NL-
#### T ist zwar auch nach den Ausführungen der Klägerin nicht der Beklagten, sondern
einer U B.V. zuzuordnen. Da es sich unstreitig um zwei unterschiedliche juristische
Personen handelt, folgt eine Sendereigenschaft der Beklagten auch noch nicht ohne
weiteres daraus, dass beide Unternehmen nach den von der Klägerin vorgelegten
Unterlagen, wie auch die Beklagte einräumt, unter der Anschrift F ###, #### F ansässig
sind und zudem über dieselben Telefon- und Faxnummern verfügen sollen. Wie sich
aus der vom Amtsgericht Dortmund im Rechtsstreit 126 C 7071/03 eingeholten Auskunft
der Deutschen Post vom 10.12.2003 ergibt, war die Beklagte jedoch wesentlich an der
Werbeaktion beteiligt, indem sie gegenüber der Deutschen Post als zustellfähige
Anschrift des Postfachs
J
64
Postfach ####
65
#### O
66
benannt war. Die Beklagte räumt ein, dieses Postfach angemietet zu haben. Das
Postfach diente keineswegs rein internen Zwecken, sondern ist den Empfängern der
Werbesendungen, wie aus Bl. 62 GA folgt, als "Rückanschrift" der J in Deutschland
mitgeteilt worden. Auch wenn zusätzlich die U B.V. bei der Versendung der
Gewinnzusagen mitgewirkt hat, ändert dies nichts daran, dass in der Gewinnzusage
hinsichtlich der Fantasiebezeichnung J zwei aktuelle Postfachanschriften genannt
worden sind, die zum einen die Beklagte und zum anderen die U B.V. zur Verfügung
gestellt haben. Die Tätigkeit der U B.V. kann demnach nicht dermaßen im Vordergrund
stehend angesehen werden, dass der Anteil der Beklagten dahinter in einer Weise
zurückgetreten wäre, dass sie als Senderin ausschiede. Sie war jedenfalls
Mitorganisatorin und hatte damit eine Stellung zumindest als "Mitsenderin". Für die
Anwendbarkeit des § 661a BGB reicht es aus, wenn mehrere Unternehmen jeweils
maßgeblich an der Organisation der Werbesendungen mitwirken und diese unter einer
Fantasiebezeichnung abwickeln.
67
3.
68
Die Berechtigung des zweiten Klageantrages, der darauf gerichtet ist, der Beklagten
eine Frist zur Leistung zu setzen, folgt aus §§ 255 Abs. 1 ZPO, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB.
69
Der dritte Klageantrag, mit dem die Klägerin für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs
Schadensersatz in Höhe von 22.500 € verlangt, ist nach §§ 259, 260 ZPO, 281 Abs. 1
Satz 1 BGB zulässig und begründet, weil nach den Umständen die Besorgnis
gerechtfertigt ist, dass sich die Beklagte der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (zur
Zulässigkeit der Verbindung der Anträge nach §§ 255, 259 ZPO siehe Zöller-Greger,
ZPO, 26. Aufl., § 255 Rn. 3).
70
Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 BGB.
71
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht
vor.
72