Urteil des OLG Hamm vom 13.04.2010
OLG Hamm (zpo, anfechtung, vollstreckungsverfahren, festsetzung, beschwerde, antragsteller, vollstreckung, antrag, gesetz, begründung)
Oberlandesgericht Hamm, 13 WF 55/10
Datum:
13.04.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
13. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 WF 55/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Münster, 44 F 1934/06
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des
Amtsgerichts
– Familiengericht – Münster vom 14. Januar 2010 abgeändert.
Die Kosten des Ordnungsgeldverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt bis zu 500 €.
Gründe:
1
I.
2
1.
3
Das vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 5.10.2009 eingeleitete Verfahren auf
Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Antragsgegnerin zur Durchsetzung der in
dem gerichtlich genehmigten Vergleich der Kindeseltern vom 20.11.2006 – 44 F
1934/06 AG Münster – vereinbarten Umgangsregelung betrifft das
Vollstreckungsverfahren. Es handelt sich hierbei um ein gegenüber dem früheren
Umgangsverfahren selbständiges Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG.
Daraus folgt, dass bei Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens nach dem 31. August
2009 die §§ 86 ff. FamFG auch dann anzuwenden sind, wenn der Vollstreckungstitel vor
dem 1. September 2009 entstanden ist (ebenso OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.02.2010
4
– 5 WF 28/10; Keidel/Giers, § 86 FamFG Rn. 12). Dem entspricht auch die
Verfahrensweise des Familiengerichts und dessen angefochtene Entscheidung.
5
2.
6
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist gem. § 87 Abs. 4 FamFG als sofortige
Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 ZPO grundsätzlich
statthaft, soweit es sich gegen einen in einem Vollstreckungsverfahren nach §§ 86 ff.
FamFG ergangenen Beschluss wendet. Ob dies auch für eine isolierte
Kostenbeschwerde, die sich auf die Anfechtung der zusammen mit der
Hauptsacheentscheidung ergangenen Kostengrundentscheidung beschränkt, gilt, ist
nach dem FamFG nicht eindeutig geregelt.
7
Die Verweisung auf die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO könnte es nahe
legen, die isolierte Kostenentscheidung nur zuzulassen, soweit dies im Gesetz
ausdrücklich vorgesehen ist. Für den unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 567 ff.
ZPO ist eine Anfechtung lediglich der Kostenentscheidung ohne gleichzeitige
Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung nach § 99 Abs. 1 ZPO
nicht statthaft, während für den – hier nicht vorliegenden – Fall einer ohne
Hauptsacheentscheidung ergangenen isolierten Kostenentscheidung in § 91a Abs. 2, §
99 Abs. 2, § 269 Abs. 5 ZPO Ausnahmen vorgesehen sind. Bei Übertragung dieser
Grundsätze auf Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren nach §§ 86 ff. FamFG wäre
demnach die Beschwerde der Antragsgegnerin nicht statthaft.
8
Da § 87 Abs. 4 FamFG jedoch lediglich die entsprechende Anwendung der §§ 567 bis
572 ZPO vorsieht, stellt sich die Frage, ob die bei der entsprechenden Anwendung zu
berücksichtigenden Besonderheiten des FamFG-Verfahrens eine andere Beurteilung
gebieten. Dabei ist zunächst von Bedeutung, dass die für das bis zum 31.08.2009
geltende Recht bestehende Regelung des § 20a FGG, die der vorstehend aufgezeigten
Regelung für das ZPO-Verfahren weitgehend entsprach, nicht in das FamFG
übernommen worden ist. Die Gesetzesbegründung des FamFG verhält sich zu der
Frage der Anfechtbarkeit von Kostenentscheidungen widersprüchlich. So wird einerseits
in der Begründung zu § 58 FamFG ausgeführt, Zwischen- und Nebenentscheidungen
(letzteren sind die Kostenentscheidungen zuzuordnen) seien grundsätzlich nicht
selbständig anfechtbar (BT.-Drucks. 16/6308 S. 203), sondern allenfalls zusammen mit
der Anfechtung der Hauptsacheentscheidung gem. § 58 Abs. 2 FamFG, soweit die
Zwischen- und Nebenentscheidungen nach dem Gesetz nicht ausnahmsweise
ausdrücklich gesondert anfechtbar oder unanfechtbar sind. Andererseits heißt es in der
Begründung zu § 81 FamFG, dass das in § 20a Abs. 1 S. 1 FGG ausgesprochene
Verbot der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung mit Rücksicht auf die
Ausweitung der für die Kostenentscheidung maßgeblichen Kriterien nicht in das FamFG
habe übernommen werden können (BT.-Drucks. 16/6308 S. 216). Um den Beteiligten
eine Überprüfung des im Rahmen der Kostenentscheidung ausgeübten gerichtlichen
Ermessens zu eröffnen, werde das Verbot der isolierten Anfechtung der
Kostenentscheidung für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgehoben.
9
Aus diesen Erwägungen des Gesetzgebers sowie dem tatsächlichen Fehlen einer dem
§ 20a FGG vergleichbaren Regelung wird – abgesehen von der offensichtlich
mangelnden Differenzierung der Begriffe "Zwischenentscheidungen" und
"Nebenentscheidungen" – deutlich, dass eine isolierte Anfechtung von
Kostenentscheidungen gewollt ist (für Familienstreitsachen und Ehesachen gilt dies
aufgrund des Ausschlusses der Kostenbestimmungen der §§ 81 ff. FamFG durch § 113
Abs. 1 S. 1 FamFG sowie der Verweisung auf § 99 Abs. 1 ZPO in § 113 Abs. 1 S.2
FamFG nicht), vgl. Keidel/Meyer/Holz, § 58 FamFG Rn. 95; Meysen/Finke, § 58 FamFG
Rn. 9; a.A. Schael, FUR 2009, 11, 13.
10
Die für Endentscheidungen nach § 38 Abs. 1 FamFG und deren Anfechtung nach §§ 58
ff. FamFG geltenden Erwägungen sind auch für die Anfechtung von Entscheidungen im
Vollstreckungsverfahren nach § 87 Abs. 4 FamFG entsprechend heranzuziehen. Dem
steht nicht entgegen, dass diese Entscheidungen hinsichtlich des Rechtsmittels wie
Zwischenentscheidungen behandelt werden, auf die das Beschwerderecht der ZPO
entsprechend anzuwenden ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass die
Kostenentscheidungen im Vollstreckungsverfahren nach § 87 Abs. 5 FamFG, der auf
die entsprechende Anwendung der §§ 80 bis 82 und 84 FamFG verweist, nach den
gleichen Grundsätzen zu treffen sind wie im Erkenntnisverfahren. Es ist daher
gerechtfertigt, die isolierte Kostenbeschwerde auch hier als statthaft anzusehen.
11
Danach ist die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin
zulässig. Insbesondere ist auch der Beschwerdewert des § 567 Abs. 2 ZPO erreicht.
12
II.
13
Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die angefochtene Kostenentscheidung ist
abzuändern, da es nicht dem nach § 81 Abs. 1 FamFG auszuübenden billigen
Ermessen entspricht, die Antragsgegnerin mit Verfahrenskosten zu belasten.
14
Das Familiengericht hat mit der Erwägung, die Kindessituation in Bezug auf das
Umgangsrecht mit dem Antragsteller sei völlig ungeklärt, davon abgesehen, eine
Kostenerstattungspflicht zwischen den beteiligten Eltern anzuordnen. Dem kann nicht
beigepflichtet werden. Vielmehr ist bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen,
dass der Antrag des Antragstellers von vornherein unbegründet war.
15
Die Festsetzung von Ordnungsmitteln im Rahmen der Vollstreckung einer
Umgangsregelung, die auch in Form eines gerichtlich gebilligten Vergleichs gegeben
sein kann (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG), setzt nämlich voraus, dass durch das Gericht auf
die Folgen eines Pflichtverstoßes durch den Elternteil, der den Umgang mit dem Kind zu
gewähren hat, hingewiesen worden ist (§ 89 Abs. 2 FamFG). Diese Regelung ist an die
Stelle der nach früherem Recht bei der Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 33
FGG zwingend vorgeschriebenen vorherigen Androhung des Zwangsgeldes getreten.
Sie erfüllt dieselbe Warnfunktion, so dass hierauf in keinem Fall verzichtet werden kann,
wenn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden soll. Soweit der Hinweis versäumt worden
ist, kann er jederzeit nachgeholt werden. Eine Nachholung erst im
Vollstreckungsverfahren reicht dagegen nicht aus, da es um die Sanktionierung eines
zurückliegenden Verhaltens geht und deshalb ein später erfolgender Hinweis seinen
Zweck hinsichtlich des insoweit bereits abgeschlossenen Sachverhalts nicht mehr
erfüllen kann (Meysen, § 89 FamFG Rn. 10).
16
Vorliegend fehlt ein solcher Hinweis, da dieser nach dem bei Abschluss der
Umgangsvereinbarung und deren familiengerichtlicher Genehmigung geltenden Recht
nicht erforderlich war, sondern eine Vollstreckung durch Festsetzung von Zwangsgeld
dessen vorherige Androhung voraussetzte. Ist der Hinweis und damit die Warnung des
Verpflichteten vor den Folgen aus diem Grund unterblieben, kann die Vollstreckung
nach dem jetzt geltenden Recht nur erfolgen, wenn der Hinweis durch einen
entsprechenden Beschluss nachgeholt wird (Keidel/Giers, § 89 FamFG Rn. 12). Da die
Vollstreckung von Umgangsregelungen nunmehr nicht wie früher im Wege der
Zwangsgeldanordnung als Beugemaßnahme zur Durchsetzung eines zukünftigen
Verhaltens, sondern zur Ahndung eines Pflichtverstoßes in der Vergangenheit erfolgt,
17
hätte selbst durch einen nachträglich ergehenden Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG
nicht mehr die Voraussetzung für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes für ein davor
liegendes Verhalten der Antragsgegnerin geschaffen werden können.
Da der Antrag des Antragstellers von Anfang an unbegründet war und dies bei
Beachtung der durch das neue Recht geschaffenen Rechtslage erkennbar war,
entspricht es der Billigkeit, dem Antragsteller die Kosten des Ordnungsgeldverfahrens
aufzuerlegen.
18
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 84 FamFG.
19