Urteil des OLG Hamm vom 28.10.2005
OLG Hamm: treu und glauben, vermieter, grobe fahrlässigkeit, versicherungsnehmer, haftpflichtversicherung, innenverhältnis, gegenleistung, mietvertrag, versicherungsprämie, abtretung
Oberlandesgericht Hamm, 30 U 106/05
Datum:
28.10.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
30. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
30 U 106/05
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 12 O 622/04
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. April 2005 verkündete
Urteill des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann eine etwaige Kostenvollstreckung der Beklagten
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
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I.
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Die Klägerin ist Privathaftpflichtversicherer des Arztes Dr. T3, dem die Beklagte in ihrem
Haus Q-Straße in N3 Praxisräume vermietet hat. Durch Mietvertrag ist dem Mieter die
Räum- und Streupflicht übertragen worden. Er hat neben der Miete unter anderem
anteilig die Prämie für die von der Beklagten bei der Versicherung N abgeschlossene
Gebäudehaftpflichtversicherung zu zahlen.
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Am 03.01.02 erlitt eine Besucherin der Praxis auf der dorthin führenden Treppe beim
Sturz auf einem Eisfleck eine Oberschenkelfraktur. Die Geschädigte verstarb im März
2002 an einer nicht unfallbedingten Erkrankung. Ihre Erben nahmen den Mieter vor dem
Landgericht B (2 O 576/02) auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Im
Berufungsverfahren (6 U 14/03 OLG Hamm) verpflichtete er sich durch Vergleich, zur
Abgeltung sämtlicher Schäden an die Erben 5.573,33 € zu zahlen. Das Gericht legte die
Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zu 55% den Erben und zu 45% dem Mieter
auf.
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Die Klägerin ist für den Mieter eingetreten. Die Gebäudehaftpflichtversicherung der
Beklagten hatte jegliche Kostenübernahme abgelehnt. Im vorliegenden Verfahren macht
die Klägerin angebliche Ansprüche aus übergegangenem Recht gemäß § 67 VVG
geltend. Sie hat sich darauf berufen, dass sie außer dem Vergleichsbetrag Anwalts- und
Gerichtskosten gezahlt, Zahlungen an die Krankenkasse der Geschädigten erbracht hat,
und insgesamt 17.221,79 € nebst Zinsen verlangt.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin stützt ihre Berufung darauf,
dass ihr Versicherungsnehmer als Mieter und die Beklagte als
Grundstückseigentümerin gegenüber der Geschädigten einstandspflichtig gewesen
seien; letztere, weil sie – wie die Klägerin behauptet – ihre Kontrollpflichten verletzt
habe. Die Verpflichtung der Beklagten ergebe sich daraus, dass die Grundsätze zum
Regressverzicht des Sachversicherers bei einfacher Fahrlässigkeit des Mieters hier auf
den Haftpflichtversicherer übertragbar seien, denn es gehe um die Gegenleistung für die
Abwälzung der Versicherungsprämie. Der Mieter müsse so gestellt werden, als ob er die
(Gebäude)Haftpflichtversicherung selbst abgeschlossen hätte. Es komme deshalb nicht
darauf an, ob im Einzelfall eine Privathaftpflichtversicherung bestehe.
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Zumindest sei der Schaden in entsprechender Anwendung von § 59 II VVG hälftig zu
teilen. Sollte die Beklagte nicht zur Zahlung verpflichtet sein, müsse sie jedenfalls ihre
Ansprüche gegen den Gebäudehaftpflichtversicherer abtreten.
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Die Klägerin beantragt, in Abänderung des angefochtenen Urteils
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1. die Beklagte zur verurteilen, an sie 17.221,79 € nebst näher bezeichneter Zinsen zu
zahlen.
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2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihre Deckungsansprüche gegen die
Versicherung N an sie abzutreten,
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3. weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte meint, es fehle schon an einem Anspruch des Mieters gegen sie, der auf
die Klägerin hätte übergehen können. Die Grundsätze zum Regressverzicht des
Sachversicherers passten hier nicht, weil die Klägerin keine Beschränkung der
Regressmöglichkeiten des Sachversicherers wolle, sondern eine Erweiterung der
Regressmöglichkeiten des Haftpflichtversicherers. Die Klägerin selbst sei allein für die
Regulierung des ausschließlich ihrem Versicherungsnehmer zuzurechnenden
Schadens zuständig.
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Für eine analoge Anwendung des § 59 II VVG sei kein Raum, weil Privat- und
Gebäudehaftpflichtversicherung nicht dasselbe Interesse versicherten. Der Hilfsantrag
sei zu weit formuliert; die Abtretung des Deckungsanspruchs sei im Hinblick auf § 156 I
VVG ausgeschlossen.
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Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
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wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und auf das erstinstanzliche Urteil Bezug
genommen.
II.
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Die Berufung ist unbegründet.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Klägerin steht schon
nach ihrem eigenen tatsächlichen Vorbringen kein Anspruch gegen die Beklagte zu.
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Ein gesetzlicher Forderungsübergang nach § 67 I 1 VVG scheitert daran, dass der
Versicherungsnehmer der Klägerin aus dem Unfallereignis vom 03.01.02 keinen
Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen die Beklagte hatte. Die tatbestandlichen
Voraussetzungen einer Ausgleichspflicht der Gesamtschuldner nach § 426 BGB sind
nicht erfüllt. Ein privathaftpflichtversicherter Gewerberaummieter, der wegen Verletzung
der ihm übertragenen Verkehrssicherungspflicht einem Dritten schadenersatzpflichtig
ist, hat auch dann keinen Regressanspruch gegen den Vermieter, wenn er
vereinbarungsgemäß die anteilige Prämie für die Gebäudehaftpflichtversicherung zahlt.
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1.
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Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Zahlungsansprüche zu. Die Beklagte
und der Versicherungsnehmer der Klägerin mögen im vorliegenden Fall gegenüber der
Geschädigten zwar Gesamtschuldner gewesen sein, denn die Beklagte hat sich der ihr
als Eigentümerin des Hausgrundstücks Q-Straße in N3 obliegenden
Verkehrssicherungspflicht, wozu bei Gefährdungen durch Schnee und Eis auch die
Räum- und Streupflicht zählt, nicht dadurch vollständig entledigt, dass sie deren
Erfüllung auf den Mieter übertragen hat. Mit der Übernahme der
Verkehrssicherungspflicht wurde der Mieter zwar selbst deliktsrechtlich für den Schutz
derjenigen Personen verantwortlich, mit deren Gefährdung der Pflichtige üblicherweise
rechnen muss (BGH NJW-RR 1989, 394, 395; m.w.N.; OLG Frankfurt NJW-RR 1999,
532; Palandt/Sprau BGB 64. Aufl. 2005 § 823 Rn. 47, 50). Die Beklagte blieb aber zur
Überwachung und Kontrolle des Mieters verpflichtet, so dass sie bei Nichterfüllung
dieser (Rest)Pflicht gegebenenfalls mit dem Mieter gesamtschuldnerisch haftete (BGH
NJW-RR 1996, 655; OLG Köln VersR 1996, 246; OLG Celle VersR 1990, 169;
Palandt/Sprau a.a.O. Rn. 229).
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Auf die behauptete Verletzung dieser Vermieterpflicht kommt es im vorliegenden Fall
aber nicht an, weil die Beklagte dem Versicherungsnehmer der Klägerin jedenfalls nicht
zum Ausgleich verpflichtet war. Eine interne Ausgleichspflicht des Gesamtschuldner
besteht nach § 426 I 1 BGB nur, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Hier ergibt sich
im Innenverhältnis zwischen Vermieter und Mieter eine derartige abweichende
Vereinbarung aus der Übertragung der Räum- und Streupflicht auf den Mieter. Im
Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter oblag diese Verkehrssicherungspflicht allein
dem Mieter. Im Innenverhältnis haftete nur der Mieter.
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Die mit der Übernahme der Verkehrssicherungspflicht begründete deliktische
Einstandspflicht des Mieters besteht anerkanntermaßen nicht nur gegenüber Dritten
(Passanten, Besuchern und anderen Mietern), sondern auch gegenüber dem Vermieter
(BGH NJW-RR 1989, 394, 395; Palandt/Sprau a.a.O. Rn. 50). Das Gleiche gilt für die
Haftungsregelung im Innenverhältnis. Wenn der Mieter die von ihm übernommene
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Verkehrssicherungspflicht verletzt, kann er sich gegenüber dem Vermieter nicht darauf
berufen, dass dieser ihn nicht hinreichend überwacht und kontrolliert habe.
Eine Ausgleichspflicht der beklagten Vermieterin lässt sich – entgegen der Ansicht der
Klägerin – aber auch nicht daraus herleiten, dass der Mieter anteilig die Prämie für die
Gebäudehaftpflichtversicherung zu zahlen hat.
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Die Gegenleistung des Vermieters für die Abwälzung der Versicherungsprämie auf den
Mieter besteht mangels besonderer Abreden nach heute wohl einhelliger Auffasung
nicht darin, dass die Haftung des Mieters gegenüber dem Vermieter stillschweigend auf
Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist. Diese auf einen Lösungsansatz des
Reichsgerichts [RGZ 122, 292, 294] gegründete, früher vor allem vom VIII. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs [BGHZ 131, 288 = VersR 1996, 320 = NJW 1996, 715] für den
Mieterregress des Sachversicherers vertretene, mietvertragliche oder haftungsrechtliche
Lösung, der seinerzeit die Obergerichte weitgehend gefolgt sind [OLG Saarbrücken
OLGR 1997, 77; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1159 = NZM 1998, 728; OLG Hamm
VersR 1999, 843 = NZM 1998, 728 und OLG Celle NJW-RR 1998, 728 = NZM 1998,
731; a.A. LG Köln VersR 1999, 183; VersR 1999, 184], ist vornehmlich im Schrifttum auf
unterschiedliche Kritik gestoßen [Nachw. in BGHZ 145, 393, 396 f.].
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Sie ist inzwischen durch die vom IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes entwickelte
versicherungsrechtliche Lösung ersetzt worden [BGHZ 145, 393 = VersR 2001, 94 m.
Anm. Lorenz und Wolter = NJW 2001, 1353 = LM Nr. 62 zu § 67 VVG m. Anm. Dörner =
MDR 2001, 272 m. Anm. van C]. Die versicherungsrechtliche Lösung stellt nicht mehr
auf eine stillschweigende mietvertragliche Haftungsbeschränkung ab, sondern darauf,
dass eine ergänzende Vertragsauslegung in der Gebäudeversicherung einen
konkludenten Regressverzicht des (Sach)Versicherers für die Fälle ergibt, in denen der
Mieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat. Dem haben
sich die Mietrechtssenate des Bundesgerichtshofes, der VIII. [BGH VersR 2001, 856]
und der XII. Zivilsenat [BGH VersR 2002, 433 = NJW-RR 2002, 1243], angeschlossen.
Der VIII. Zivilsenat hat darüber hinaus seine frühere haftungsrechtliche Lösung auch
ausdrücklich aufgegeben [BGH VersR 2005, 498 m. Anm. Breideneichen = BGHR 2005,
352 m. Anm. Jendrek = NZM 2005, 100]. Eine ergänzende Auslegung des Mietvertrages
im Sinne einer Haftungsbeschränkung sei nicht mehr gerechtfertigt, weil dem Mieter die
Übernahme der Prämie schon durch die versicherungsrechtliche Lösung zugute
komme. Der Bundesgerichtshof hat in dem Fall, bei dem der Mieter die Kosten der
Gebäudeversicherung nach dem Mietvertrag ebenfalls anteilig zu tragen hatte, erneut
betont, die versicherungrechtliche Lösung trage dem Umstand Rechnung, dass "der
Vermieter im Einzelfall beachtenswerte Gründe haben kann, den Versicherer nicht in
Anspruch zu nehmen und sich stattdessen an den Mieter zu halten" [BGH NZM 2005,
100, 101 unter Hinweis auf BGHZ 145, 393, 396 f. = NJW 2001, 1353; Armbrüster
NVersZ 2001, 193, 194; Prölss ZMR 2001, 157].
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Die von der Klägerin geforderte entsprechende Anwendung der Grundsätze zum
Regressverzicht des Sachversicherers bei einfacher Fahrlässigkeit des Mieters auf den
Haftpflichtversicherer hilft ihr mithin nicht. Die Gegenleistung für die anteilige
Übernahme der Versicherungsprämie besteht in einer Regressbeschränkung des
Gebäudeversicherers. Die alleinige Verpflichtung des Mieters im Innenverhältnis wird
durch dessen Verpflichtung zur anteiligen Zahlung von Prämien für die
Gebäudehaftpflichtversicherung nicht in Frage gestellt; erst recht lässt sich eine
Zahlungspflicht der Vermieterin gegenüber dem für den Schaden verantwortlichen
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Mieter daraus nicht herleiten. In Fällen leicht fahrlässiger Schadensverursachung durch
den Mieter wird durch die anteilige Prämienzahlung die Haftung nicht vom Mieter auf
den Vermieter abgewälzt.
Aus § 59 II VVG ergibt sich ebenfalls kein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die
Beklagte. Die Regelung gewährt im Fall der Doppelversicherung nur einen
Ausgleichsanspruch im Verhältnis der Versicherer untereinander. Ein Rückgriff gegen
den Versicherungsnehmer des anderen lässt sich darauf nicht stützten [BGH VersR
1976, 847, 848; Kollhosser in: Prölss/Martin VVG, 27. Aufl. 2004 § 67 Rn. 14; im
Ergebnis auch: OLG München VersR 2005, 500 m. Anm. Breideneichen = r+s 2005, 107
m. Anm. Ihne].
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2.
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Die Berufung ist auch unbegründet, soweit mit dem Hilfsantrag Abtretung der
Deckungsansprüche gegen die Gebäudehaftpflichtversicherung verlangt wird.
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Das gilt auch dann, wenn man im Anschluss an den VIII. Zivilsenat [BGH VersR 2005,
498 = NZM 2005, 100] davon ausgeht, dass dem Mietvertrag jedenfalls die
Vermieterpflicht zu entnehmen ist, grundsätzlich die Versicherung in Anspruch zu
nehmen [Jendrek Anm. zu BGHR 2005, 355]. Denkt man diesen Ansatz weiter, kann der
Vermieter – entsprechend OLG Dresden [VersR 2003, 497] – bei offener Abwälzung der
Versicherungskosten auf den Mieter darüber hinaus womöglich verpflichtet sein, seine
Deckungsansprüche gegen die Gebäudehaftpflichtversicherung abzutreten, wenn ein
Versicherungsfall vorliegt und ein Regress des Versicherers gegen den Mieter
ausgeschlossen ist. Daraus lässt sich nach Lage des Falles hier aber kein auf die
Klägerin nach § 67 VVG übergegangener Anspruch des Mieters auf Abtretung der
Deckungsansprüche gegen die Gebäudehaftpflichtversicherung ableiten.
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Auch wenn man unterstellt, dass die Beklagte wegen Verletzung der ihr verbliebenen
Überwachungs- und Kontrollpflichten im Außenverhältnis gehaftet hätte, so dass die
Gebäudehaftpflichtversicherung für sie hätte eintreten müssen, ändert sich im
vorliegenden Fall deshalb nichts, weil der Versicherungsnehmer der Klägerin als
privathaftpflichtversicherter Mieter nicht schutzwürdig und deshalb nicht in den
Schutzbereich der versicherungsvertraglichen Lösung einbezogen ist.
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Der Senat verkennt nicht, dass der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in seiner für
die versicherungsrechtliche Lösung grundlegenden Entscheidung ausgeführt hat: "Die
allgemeine ergänzende Vertragsauslegung kann nicht davon abhängen, ob der Mieter
im Einzelfall eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat" [BGHZ 145, 393, 399 =
VersR 2001, 94 = NJW 2001, 1353; ebenso: OLG Stuttgart VersR 2004, 592; OLG
Dresden VersR 2003, 497; vgl. auch: OLG Hamm VersR 2002, 1280 = NZM 2002, 502].
Der Senat sieht sich dadurch an einer abweichenden Entscheidung aber nicht
gehindert. Zum einen zählen die Ausführungen des IV. Zivilsenats zur
Haftpflichtversicherung des Mieters nicht zu den tragenden Gründen der damaligen
Entscheidung, sondern sind obiter dicta, weil "die Parteien zum Bestand einer
Haftpflichtversicherung nichts vorgetragen" hatten [BGH a.a.O.]. Zum anderen sind die
Ausführungen auch inhaltlich fragwürdig. Es mag zwar nicht darauf ankommen, ob der
Mieter im Einzelfall "eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen" hat. Für eine
ergänzende Auslegung des Versicherungsvertrages im Sinne eines Regressverzichts
kann es aber durchaus bedeutsam sein, ob – wie im vorliegenden Fall – für den Mieter
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tatsächlich Haftpflichtschutz besteht. Maßgeblich für eine ergänzende
Vertragsauslegung, als ein Weiterdenken des Vertrages für einen Fall, den die Parteien
bei Vertragsschluss nicht bedacht haben, ist der hypothetische Parteiwille. Es ist darauf
abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interesen nach Treu
und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht
geregelten Fall bedacht hätten [Palandt/Heinrichs a.a.O. § 157 Rn. 7]. Eine allgemeine
ergänzende Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrages erlaubt ohne weiteres
unterschiedliche Lösungen für die Alternativen: bestehender oder nicht bestehender
Haftpflichtschutz des Mieters. Falls der Mieter privathaftpflichtversichert ist und im
Einzelfall auch tatsächlich Haftpflichtschutz genießt, ist es nicht selbstverständlich, dass
die Parteien des Gebäudehaftpflichtvertrages bei angemessener Abwägung ihrer
Interessen einen Regressverzicht des Gebäudehaftpflichtversicherers gegen den bereits
geschützten Mieter bei leicht fahrlässiger Schadensverursachung vereinbart hätten.
Von einem für den Gebäudehaftpflichtversicherer erkennbaren Interesse seines
Versicherungsnehmers, dem als Vermieter grundsätzlich daran gelegen sein wird, das
in der Regel auf längere Zeit angelegte Vertragsverhältnis zu seinem Mieter so weit wie
möglich unbelastet zu lassen, ist dann nicht ohne weiteres auszugehen, wenn und weil
der durch seine eigene Privathaftpflichtversicherung bereits geschützte Mieter nicht
belastet wird [ebenso: OLG Köln VersR 2004, 593 = NJOZ 2004, 1123; LG Lübeck
VersR 2004, 233].
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Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus
§§ 91 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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