Urteil des OLG Hamm vom 10.10.2002

OLG Hamm: besondere zuständigkeit, vorrang, urkunde, akte, materialien, minderjähriger, zwangsvollstreckung, gerichtsstand, datum

Oberlandesgericht Hamm, 2 Sdb (FamS) Zust. 15/02
Datum:
10.10.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Familiensenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Sdb (FamS) Zust. 15/02
Vorinstanz:
Amtsgericht Tecklenburg, 1 F 383/02
Tenor:
Das Amtsgericht - Familiengericht - Tecklenburg ist für das Verfahren
zuständig.
Gründe:
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Der Kläger begehrt mit seiner Klage, die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren
notariellen Urkunde des Notars Bernhard Langkamp vom 30.04.1999, durch welche der
Kindesunterhalt der Beklagten tituliert wurde, für unzulässig zu erklären, da er
Einwendungen gegenüber dem titulierten Anspruch erhebt. Mit Beschluß vom
07.08.2002 erklärte sich das Amtsgericht Ibbenbüren für örtlich unzuständig und verwies
den Rechtsstreit auf fernmündlichen Antrag des Klägers an das für den Wohnsitz des
Klägers zuständig Amtsgericht Tecklenburg. Dieses erklärte sich seinerseits mit
Beschluß vom 28.08.2002 unter Hinweis darauf für örtlich unzuständig, daß der
Gerichtsstand der minderjährigen Kinder nach § 642 Abs. 1 ZPO gegenüber dem des
Schuldners aus der vollstreckbaren Urkunde vorrangig sei und legte die Sache dem
Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung über die Zuständigkeit vor.
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Das Oberlandesgericht Hamm ist als das gegenüber den beiden um die Zuständigkeit
streitenden Gerichte im Rechtszug zunächst höhere Gericht für die Entscheidung
zuständig. Die Entscheidung folgt aus § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, da hier ein
Kompetenzstreit zwischen zwei Gerichten vorliegt, die sich rechtskräftig für unzuständig
erklärt haben.
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Das Amtsgericht Tecklenburg ist als das Gericht des allgemeinen Gerichtsstands des
Klägers, §§ 12, 13 ZPO, für die Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage
gemäß den §§ 797 Abs. 5, 802 ZPO ausschließlich zuständig. Der Bundesgerichtshof
(FamRZ 2001, 1705 ff) hat in seinem Urteil vom 22.08.2001 entschieden, daß für die
Vollstreckungsabwehrklagen gegen Unterhaltstitel minderjähriger Kind auch nach
Einführung des § 642 Abs. 1 ZPO das Gericht des ersten Rechtszuges des Verfahrens,
das zu dem angegriffenen Titel geführt hat, ausschließlich zuständig ist. Zur
Begründung wird ausgeführt, daß durch die besondere Zuständigkeit des
Prozeßgerichts des ersten Rechtszuges für die Vollstreckungsabwehrklage
sichergestellt werden solle, daß die von diesem Gericht im Vorprozeß erworbene
Sachkunde für die Vollstreckungsabwehrklage ausgenutzt werden könne. Der
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Gesetzgeber habe, obgleich ihm die Rechtsprechung, die zur Neueinführung des § 621
Abs. 2 ZPO ergangen ist und den Konflikt der beiden ausschließlichen Gerichtsstände
dahingehend gelöst hat, daß es beim Vorrang des Gerichtsstandes der
Vollstreckungsabwehrklage verbleiben solle, gleichwohl bei Einführung des § 642 Abs.
1 ZPO die bisherige Zuständigkeit für Vollstreckungsabwehrklagen gegen
Kindesunterhaltstitel nicht geändert und sich hierzu auch nicht in diesem Sinne in den
Materialien geäußert.
Es ist nicht zu verkennen, daß der vom Bundesgerichtshof angesprochene
prozeßökonomische Zweck, Vollstreckungsabwehrklagen bei dem bereits befaßten
Gericht anzusiedeln, auf vollstreckbare Urkunden nicht im gleichen Maße zutreffen
kann, da diese Titel gerade nicht von einem Gericht errichtet worden sind. Gleichwohl ist
der Senat der Auffassung, daß auch bei diesen Vollstreckungsabwehrklagen der
grundsätzliche Vorrang der besonderen Zuständigkeitsregelungen des
Vollstreckungsrechts deshalb zu beachten ist, weil diese gegenüber den allgemeinen
Gerichtsständen spezieller sind. Auch hier gilt, daß der Gesetzgeber bei Einführung des
§ 642 ZPO einen Vorrang des Gerichtsstandes des Kindes gegenüber dem des § 797
Abs. 5 ZPO nicht geregelt hat, obgleich ihm bekannt war, daß Kindesunterhalt häufig
durch vollstreckbare Urkunden tituliert wird. Im übrigen scheint auch das Amtsgericht
Ibbenbüren als das für den Wohnsitz der Kinder zuständige Gericht bislang noch nicht
mit diesbezüglichen Verfahren befaßt gewesen zu sein, da insoweit kein Vermerk über
Vorstücke in der Akte befindlich ist, so daß auch im konkreten Fall kein Grund besteht,
hier eine vorrangige Sachkompetenz des Amtsgerichts Ibbenbüren anzunehmen.
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