Urteil des OLG Hamm vom 02.06.1999
OLG Hamm (abtretung, forderung, höhe, unwirksamkeit, rückzahlung, rückführung, versorgung, wirksamkeit, pfändung, bezug)
Oberlandesgericht Hamm, 31 U 204/98
Datum:
02.06.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
31. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
31 U 204/98
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 14 O 198/98
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 14. Zivil-kammer des
Landgerichts Münster vom 12. August 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitslei-stung in Höhe
von 120 % des beizutreibenden Betrages ab-wenden, wenn nicht zuvor
die Beklagte Sicherheit in glei-cher Höhe leistet.
Beide Parteien können Sicherheit durch unbefristete
selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank,
Genossenschaftsbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbringen.
Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,00 DM.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Auszahlung von Beträgen, die der Beklagten
aufgrund einer Lohnabtretung ihres Kunden N zugeflossen sind. Daneben begehrt sie
die Feststellung der Unwirksamkeit der Lohnabtretungsvereinbarung.
2
Die Klägerin ist Inhaberin einer durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 15.10.1986
titulierten Forderung in Höhe von 70.185,41 DM zuzüglich 12,75 % Zinsen seit dem
05.03.1986 gegen Herrn N. Aufgrund dieses Urteils erwirkte sie einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluß vom 03.03.1987, mit dem die Lohn- und Gehaltsansprüche des
Herrn N gegen das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW gepfändet wurden.
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wurde am 12.03.1987 zugestellt.
3
Mit Drittschuldnererklärung vom 13. März 1987 teilte das Landesamt für Besoldung und
Versorgung der Klägerin mit, daß die Forderung des Herrn N gegen das Landesamt in
Höhe von monatlich laufend 1.968,75 DM abgetreten seien. Die Abtretung beruhe auf
einer Abtretungserklärung des Herrn N vom 28.10.1986 zugunsten der C AG, der
Beklagten. Wegen des Inhalts der schriftlichen Abtretungserklärung vom 28.10.1986
wird auf die mit der Klageerwiderung vom 24.06.1998 überreichte Kopie (Blatt 21 d. A.)
Bezug genommen. Nach Offenlegung der Abtretung sind zumindest in der Zeit vom
31.04.1987 bis zum 31.10.1987 Zahlungen des Landesamtes aufgrund der Abtretung an
die Beklagte erfolgt.
4
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Abtretung vom 28.10.1986 sei unwirksam, so
daß ihr vom Zeitpunkt der Zustellung ihres Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
an die Forderung zugestanden habe. Die Beklagte sei daher zur Rückzahlung des aus
der Abtretung empfangenen Geldes verpflichtet. Sie habe zumindest den im
Klageantrag genannten Betrag in Höhe von 50.000,00 DM aufgrund der Abtretung
erlangt, so daß sie zur Rückzahlung dieses Betrages verpflichtet sei. Die Unwirksamkeit
der Abtretung ergebe sich aus dem Umstand, daß diese nicht den Anforderungen
genüge, die die Rechtsprechung an Sicherungsabtretungen dieser Art stelle.
5
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 50.000,00 DM und Feststellung der
Unwirksamkeit der Abtretung vom 28.10.1986 gerichtete Klage abgewiesen.
6
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in I. Instanz gestellten Anträge weiter. Sie
wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und beantragt, unter Abänderung
des angefochtenen Urteils
7
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen erstrangiegen Teilbetrag in Höhe von
50.000,00 DM nebst 12,75 % Zinsen seit dem 01.01.1992 zu zahlen;
8
2.
9
festzustellen, daß die Abtretung der Lohn- und Gehaltsansprüche des Schuldners N
vom 28.10.1986 über monatlich 1.968,75 DM zugunsten der C AG, T-Straße, ####1 N2,
unwirksam ist.
10
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
11
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
12
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
13
Entscheidungsgründe
14
Die Berufung hat keinen Erfolg.
15
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche zu.
Die von ihr angegriffene Gehaltsabtretung vom 28.10.1986 ist wirksam, so daß auch der
Feststellungsantrag zurückzuweisen war. Die aufgrund der Abtretung an die Beklagte
geflossenen Zahlungen sind nicht rechtsgrundlos erfolgt bzw. von der Beklagten nicht
als Nichtberechtigter erlangt.
16
Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei der Abtretung vom 28.10.1986
nicht um eine Sicherungsabtretung, die an den besonderen von der Rechtsprechung
entwickelten Wirksamkeitskriterien zu messen ist. Sicherungsabtretungen und -
übereignungen sind dadurch gekennzeichnet, daß der Sicherungsnehmer zwar im
Außenverhältnis die Rechte des Sicherungsgebers in vollem Umfang, im Falle der
Forderungsabtretung also alle Gläubigerrechte erlangt, im Innenverhältnis aber nur nach
Maßgabe des eventuell auch nur stillschweigend vereinbarten Sicherungszwecks
darüber verfügen darf, insbesondere zur Einziehung der Forderung nur berechtigt ist,
wenn die gesicherte Forderung fällig und der Schuldner mit der Rückführung dieser
gesicherten Forderung im Verzuge ist oder die Rückführung aus einem anderen Grunde
gefährdet erscheint. Einer so umschriebenen Sicherung der Gläubigerstellung der
Beklagten diente die Abtretung vom 28.10.1986 nicht. Die Beklagte sollte nach dem
eindeutigen Wortlaut der Abtretung nicht erst von der Abtretung Gebrauch machen
dürfen, wenn die gesicherte Forderung notleidend wurde. Vielmehr sollte der
abgetretene Teil des Gehaltes unmittelbar zur regelmäßigen Tilgung des aufgenommen
Darlehens dienen, und zwar nicht nur im Fall seiner Kündigung. Sicherungscharakter
kommt dieser Abtretung nur insoweit zu, als durch die unmittelbare Zahlung des
Arbeitgebers an die Beklagte eine zwischenzeitliche Verfügungsmöglichkeit des
Darlehensschuldners ausgeschlossen wurde.
17
Die Gehaltsabtretung ist auch nicht dadurch zur Sicherungsabtretung geworden, daß
die Beklagte für die Zeit nach dem 31.10.1987 dem Darlehensschuldner gestattet hat,
die Gehaltsforderung wieder unmittelbar an sich zu verlangen. Die Abtretung war
inzwischen offengelegt und blieb in vollem Umfang bestehen. Eine Änderung trat nur
insoweit ein, als das Landesamt entgegen der Regelung in § 407 BGB wieder das volle
Gehalt mit befreiender Wirkung an den Darlehensschuldner zahlen durfte.
18
Gegen die Wirksamkeit dieser Direktabtretung bestehen keine Bedenken. Insbesondere
genügt sie ihrem Wortlaut nach den Bestimmtheitsanforderungen. Sie ist im Verhältnis
zur Klägerin auch nicht deshalb unwirksam, weil der abgetretene Gehaltsteil die
Pfändungsfreigrenzen übersteigt. Nach § 400 BGB ist die Abtretung nur insoweit
ausgeschlossen und damit nichtig, wie Forderungsteile abgetreten sind, die der
Pfändung nicht unterliegen. Im übrigen verbleibt es bei der Wirksamkeit der Abtretung.
19
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind nach dem Wortlaut der Abtretung auch nicht
sämtliche Ansprüche des Darlehensschuldners in unbeschränkter Höhe an die Beklagte
abgetreten. Zunächst sind die abgetretenen Gehaltsteile betragsmäßig begrenzt. Zum
anderen hat der Darlehensnehmer gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung
überzahlter Beträge und auf Aufhebung der Abtretung, sobald keine Forderungen der
Beklagten mehr gegen ihn bestehen. Dabei bedarf es entgegen der Ansicht der Klägerin
auch keiner genauen Angabe dazu, wie lange die Abtretung noch bestehen wird. Dieser
Zeitpunkt ist für die an der Abtretung beteiligten Parteien erkennbar und bedarf keiner
weiteren Festlegung. Auf Aussenstehende muß in diesem Zusammenhang keine
Rücksicht genommen werden. Soweit die Möglichkeit besteht, daß die Abtretung mit
neuen - nach der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
entstandenen Forderung seitens der Beklagten unterlegt wird, ist zu überlegen, ob nicht
in der Vereinbarung der Erstreckung der Abtretung auf weitere Forderungen eine neue
Abtretung zu sehen ist, der eine zwischenzeitlich erfolgte Pfändung vorgeht. Ein solcher
Fall ist hier aber auch nach der Ansicht der Klägerin nicht gegeben. Dass die Beklagte
die Abtretungsvereinbarung bewußt so abgefaßt hat, daß eventuelle Drittgläubiger
20
benachteiligt werden konnten, ist nicht ersichtlich.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 546
Abs. 2 ZPO.
21