Urteil des OLG Hamm vom 20.03.2000

OLG Hamm: geldstrafe, rechtliches gehör, spanien, straftat, umrechnung, gesundheitswesen, untersuchungshaft, haschisch, anhörung, strafvollstreckung

Oberlandesgericht Hamm, 2 Ws 82/00
Datum:
20.03.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 82/00
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 14 (4) StVK 641/99 DO
Tenor:
Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 7.
Dezember 1999 wird wie folgt ergänzt und neu gefasst:
Das Urteil des Strafgerichts 2 in Almeria vom 20. Januar 1999 (Nr.
125/98 - Urteilvollstreckungs-Nr.: 32/99 - M) wird für vollstreckbar erklärt.
Entsprechend dem genannten Straferkenntnis werden gegen die
Verurteilte wegen einer Straftat gegen das öffentliche
Gesundheitswesen gemäß Art. 368, 369 Nr. 3 des spanischen
Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs
Monaten sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Ta-gen aus einer
Geldstrafe von 235.095,50 DM (rechtskräftig spätestens seit dem 8.
Februar 1999) festgesetzt.
Die Ersatzfreiheitsstrafe wird nicht vollstreckt, soweit die Geldstrafe
entrichtet oder beigetrieben wird. Hierbei entspricht ein Tag der
Ersatzfreiheitsstrafe einem Betrag von 7.836,52 DM.
Die von der Verurteilten in dieser Sache bereits erlittene Untersuchungs-
und Strafhaft wird auf die Strafe angerech-net.
Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
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Die Verurteilte ist durch Urteil des Strafgerichts 2 in Almeria vom 20. Januar 1999
wegen einer Straftat gegen das öffentliche Gesundheitswesen zu einer Strafe von drei
Jahren und sechs Monaten Gefängnis sowie zu einer Geldstrafe von 20 Millionen
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Peseten mit 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt worden. Nach dem in dem Urteil
festgestellten Sachverhalt hatte die Verurteilte am 1. November 1998, mit dem Schiff aus
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M kommend, zwischen dem Sitz und dem Kofferraum ihres PKW mit D Kennzeichen
53.373 g Haschisch mit einem Schwarzmarktwert von 10.674.600 Peseten gesetzwidrig
nach Spanien eingeführt mit dem Ziel, das Rauschgift zu verschenken oder zu
verkaufen.
Die in dieser Sache verbüßte Untersuchungshaft wurde auf die Strafe angerechnet.
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Das Urteil ist spätestens seit dem 8. Februar 1999 rechtskräftig, da an diesem Tag durch
das Strafgericht 2 in Almeria die Ausführung des rechtskräftigen Urteils angeordnet
worden ist.
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In der vorliegenden Sache befindet sich die Verurteilte seit dem 1. November 1998 in
spanischer Haft.
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Die Geldstrafe ist bislang offensichtlich nicht bezahlt worden.
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Auf Anregung der Verurteilten vom 18. Februar 1999 haben die spanischen Behörden
um die Verlegung der Verurteilten nach Deutschland und um weitere Vollstreckung des
Urteils ersucht. Das entsprechende Ersuchen des spanischen Justizministeriums vom
22. September 1999 ist am 29. September 1999 bei dem Justizministerium des Landes
Nordrhein-Westfalen eingegangen und von dort über die Generalstaatsanwaltschaft in
Hamm an den Leitenden Oberstaatsanwalt in Dortmund, bei dem die Vorgänge am 11.
Oktober 1999 eingegangen sind, weitergeleitet worden.
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Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund hat mit dem angefochtenen
Beschluss die Vollstreckung aus dem genannten Urteil für zulässig erklärt und gegen
die Verurteilte entsprechend dem spanischen Straferkenntnis eine Freiheitsstrafe von
drei Jahren und sechs Monaten unter Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft
festgesetzt.
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Eine Entscheidung über die Festsetzung einer Geldstrafe bzw. einer
Ersatzfreiheitsstrafe war durch die Staatsanwaltschaft zunächst nicht beantragt worden
und ist auch nicht erfolgt.
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Mit ihrer zulässigen sofortigen Beschwerde erstrebt die Staatsanwaltschaft nunmehr
auch die Festsetzung einer Geldstrafe bzw. Ersatzfreiheitsstrafe.
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Diesem Begehren, dem sich die Generalstaatsanwaltschaft angeschlossen hat, war zu
entsprechen. Der Beschluss des Landgerichts war zu ergänzen, wobei ihn der Senat
wie geschehen neu gefasst hat.
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Wie im angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt, ist die Vollstreckung des Urteils
vom 20. Januar 1999 zulässig (§§ 48, 49 Abs. 1 IRG).
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Sowohl die verhängte Haftstrafe als auch die Geldstrafe in Verbindung mit der
Ersatzfreiheitsstrafe sind Sanktionen, deren Vollstreckung im Wege der Rechtshilfe
gemäß den §§ 48 ff. IRG erfolgen kann.
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Die von der Verurteilten begangenen Straftaten sind sowohl nach spanischem als auch
nach deutschem Recht strafbar. Der Grundsatz der beiderseitigen Sanktionierbarkeit (§
49 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 IRG) ist gewahrt. Für die begangene Tat hätte auch nach
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deutschem Recht eine Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe verhängt werden können.
Vollstreckungsverjährung ist weder nach spanischem noch nach deutschem Recht
eingetreten.
Ergänzend zu der im angefochtenen Beschluss zutreffend gemäß § 54 Abs. 1 IRG
festgesetzten Freiheitsstrafe (ein besonderer Anrechnungsmaßstab im Sinne von § 51
Abs. 4 Satz 2 StGB abweichend vom Verhältnis 1 : 1 bezüglich der in Spanien
verbüßten Untersuchungs- und Strafhaft war nicht zu bestimmen, vgl. Senatsbeschluss
vom 6. Mai 1999 in 2 Ws 140/99 = NStZ-RR 1999, 384 = RPfl. 1999, 508) war auch die
Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen unter Berücksichtigung der in erster Linie verhängten
Geldstrafe festzusetzen. Zwar bezieht sich das spanische Ersuchen ausdrücklich nur
auf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, wie sich auch aus der mitübersandten
Strafzeitberechnung ergibt. Eine uneingeschränkte Vollstreckung der
Ersatzfreiheitsstrafe würde aber den Grundsätzen der deutschen Strafvollstreckung, die
für das weitere Strafvollstreckungsverfahren maßgeblich sind (§ 57 IRG),
widersprechen. Hiernach wird eine Ersatzfreiheitsstrafe dann nicht vollstreckt, wenn und
soweit die Geldstrafe, welche ihr zugrunde liegt, entrichtet oder beigetrieben wird (§ 459
e Abs. 4 S. 1 StPO). Diese Möglichkeit würde einem Verurteilten jedoch genommen,
wenn von vornherein nur die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen und
angeordnet würde (vgl. OLG Frankfurt NStZ 1999, 640).
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An seiner insoweit im Beschluss vom 10. Mai 1999 zum Ausdruck gebrachten
gegenteiligen Auffassung hält der Senat nicht mehr fest (vgl. Senatsbeschluss vom 10.
Mai 1999 in 2 Ws 313/98, in welchem allein auf das Ersuchen des ausländischen
Staates
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- damals ebenfalls Spanien - auf Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe abgestellt und
nur eine solche ohne Berücksichtigung der zugrunde liegenden Geldstrafe festgesetzt
worden war).
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Demzufolge waren die im spanischen Urteil festgesetzte Geldstrafe nach Umrechnung
in einen DM-Betrag ebenfalls als Geldstrafe anzuführen und das Verhältnis der Dauer
der Ersatzfreiheitsstrafe zu der Höhe der Geldstrafe festzusetzen (§ 54
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Abs. 1 IRG). Maßgebend bei der Umrechnung des in spanischer Währung bemessenen
Betrages der Geldstrafe ist der im Zeit-
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punkt des ausländischen Erkenntnisses maßgebliche Kurswert in Deutscher Mark,
mithin der Zeitpunkt des Eintritts der Rechts-
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kraft. Gemäß einer entsprechenden Bankauskunft entsprachen seit dem 1. Januar 1999
und auch noch heute 20 Millionen Peseten einem Betrag von 235.095,50 DM. Weder
dieser Gesamtbetrag noch die sich im Hinblick auf die in Spanien festgesetzte Höhe der
Ersatzfreiheitsstrafe ergebende Tagessatzhöhe überschrei-
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ten das nach deutschem Recht geltende Höchstmaß einer Geld-
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strafe (§§ 54 Abs. 1 IRG, 40 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3 StGB).
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Im Übrigen brauchte die vorliegende Exequaturentscheidung die im spanischen Urteil
ebenfalls angeordnete Beschlagnahme des sichergestellten Haschisch und des im
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Besitz der Verurteilten befindlichen Fahrzeugs nicht einzubeziehen, da ihre
Vollstreckung offenbar bereits in Spanien erfolgt ist und nicht Gegenstand des
Ersuchens der spanischen Behörden ist.
Im übergeordneten Interesse der Verurteilten, die sich offenbar bereits im Dezember
1999 wegen der langen Dauer des Überstellungsverfahrens an den Petitionsausschuss
des Deutschen Bundestages gewandt hatte und ihre möglichst baldige Überstellung
nach Deutschland wünscht, hat der Senat vor seiner Entscheidung auf eine vorherige
Anhörung der Verurteilten entgegen §§ 77 IRG, 308 Abs. 1 StPO verzichtet. Falls dies
noch erforderlich sein sollte, muss die Verurteilte insoweit auf nachträgliches rechtliches
Gehör nach § 33 a StPO verwiesen werden.
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Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren hat der Senat gemäß § 8
Abs. 1 GKG abgesehen.
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