Urteil des OLG Hamm vom 12.02.2008

OLG Hamm: bedingte entlassung, weisung, bewährung, widerruf, körperverletzung, unterlassen, unterbringung, vollzug, zustand, strafbefehl

Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws 52/08
Datum:
12.02.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ws 52/08
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, StVK O 1300/06 (21b)
Schlagworte:
Zulässigkeit von Weisungen, Widerruf
Normen:
StGB § 56c, § 56f
Leitsätze:
1.
Einem alkoholabhängigen Straftäter, der wegen Straftaten abgeurteilt
wurde, die er in alkoholisiertem Zustand begangen hat, kann gem. § 56c
StGB die Weisung erteilt werden, jeglichen Alkoholgenuss zu
unterlassen.
2.
Ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ist unter den
Voraussetzungen des § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB bei Verstößen gegen
solche Weisungen möglich, wenn der Verurteilte seinen Alkoholkonsum
grundsätzlich steuern kann.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird - soweit sie durch diese Entscheidung
nicht gegenstandslos geworden ist - auf Kosten des Beschwerdeführers
verworfen.
Gründe
1
I.
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Das Landgericht Bochum hatte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 13.12.2002 wegen
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen versuchter
gefährlicher Körperverletzung, wegen Körperverletzung in zwei Fällen und wegen
Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter
Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Daneben war seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden.
Aufgrund des oben genannten Urteils befand sich der Verurteilte vom 12.03.2003 bis
zum 24.05.2006 im Vollzug dieser Maßregel, die durch Beschluss des Landgerichts
Bielefeld vom 17.05.2006 zur Bewährung ausgesetzt wurde, nachdem er die Therapie
erfolgreich abgeschlossen hatte. Die Bewährungszeit und die Dauer der
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Führungsaufsicht wurden auf drei Jahre bestimmt. Dem Verurteilten wurde u.a. die
Weisung erteilt, jeden Alkoholgenuss zu unterlassen.
Mit Beschluss vom 06.09.2007 hat das Landgericht Bielefeld, nachdem es zu
Alkoholrückfällen gekommen war, den Weisungskatalog ergänzt. Mit Beschluss vom
27.09.2007 hat es gem. § 67 h StGB die ausgesetzte Unterbringung wieder in Vollzug
gesetzt. Wegen des Ablaufs der Höchstfrist der Maßregel konnte diese
Wiederinvollzugsetzung nur für rund zwei Monate vollzogen werden. Am 14.12.2007 hat
die Strafvollstreckungskammer sodann einen Sicherungshaftbefehl erlassen. Aufgrund
dieses Haftbefehls ist der Verurteilte am 21.12.2007 festgenommen worden, als er sich
auf freiwilliger Basis wieder in eine Maßregelvollzugseinrichtung begeben wollte.
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Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Bielefeld die bedingte
Entlassung aus der Strafhaft widerrufen und den Sicherungshaftbefehl aufrecht erhalten.
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Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt.
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II.
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Die sofortige Beschwerde gegen den Widerruf der bedingten Entlassung ist
unbegründet.
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Es kann hier dahinstehen, in wie weit einzelne Weisungen in dem
Aussetzungsbeschluss der Strafvollstreckungskammer bzw. in dem späteren
Ergänzungsbeschluss möglicherweise nicht hinreichend bestimmt waren (z.B. die
Verpflichtung, sich auf Betreiben der forensischen Nachsorgeeinrichtung wieder in
einen stationären Aufenthalt zu begeben) oder ob durch das gerichtliche Eingreifen
(Sicherungshaftbefehl) ein freiwilliges weisungsgemäßes Verhalten des Verurteilten
(teilweise) verhindert wurde.
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Jedenfalls konnte die Strafvollstreckungskammer hier die Strafrestaussetzung zur
Bewährung gem. § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB widerrufen, weil der Verurteilte gegen die
Weisung, jeglichen Alkoholgenuss zu unterlassen, gröblich und beharrlich verstoßen
hat und dadurch Anlass zu der Besorgnis der Begehung neuer Straftaten gegeben hat.
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Die Weisung, jeglichen Alkoholgenuss zu unterlassen, ist bei einem Verurteilten, der –
wie der Beschwerdeführer – die Straftaten jeweils nur in Zusammenhang mit massivem
Alkoholgenuss begangen hat und bei dem ein langjähriges Alkoholproblem vorliegt,
zulässig (vgl. BVerfG NJW 1993, 3315; OLG Düsseldorf NStZ 1984, 332; OLG
Zweibrücken Beschl. v. 07.02.1991 – 1 Ws 657/90). Es handelt sich vorliegend – auch
wenn dies im Aussetzungsbeschluss nicht ausdrücklich ausgeführt ist – ersichtlich um
eine Weisung auch nach § 56c StGB und nicht nur um eine solche nach § 68b StGB.
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Gegen diese Weisung hat der Verurteilte gröblich und beharrlich verstoßen. Zuletzt ist
der Verurteilte nur einen Tag nach der Entlassung aus der Krisenintervention, am
30.11.2007 alkoholrückfällig geworden. Sowohl die Mutter des Verurteilten, als auch der
Bewährungshelfer konnten seine Alkoholisierung, die sich auch aus einem
Laborergebnis ergibt, bekunden. Am 08.12.2007 wurde der Verurteilte von Nachbarn
der Mutter volltrunken als hilfslose Person aufgefunden. In den herbeigerufenen
Krankenwagen wollte er sich nicht begeben. Auch bereits früher im Jahre 2007 war der
Verurteilte bereits mehrfach massiv alkoholrückfällig geworden, was zunächst zu einer
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stationären Krisenintervention auf freiwilliger Basis, später dann zu einer solchen nach §
67h StGB geführt hat. Diese sind nicht etwa nach der Krisenintervention für den Widerruf
der Strafaussetzung zur Bewährung unbeachtlich. Die Krisenintervention nach § 67h
StGB ist keine Sanktion für den Weisungsverstoß im Rahmen der Strafaussetzung zur
Bewährung gewesen, sondern eine Maßnahme der Gefahrenabwehr im Rahmen der
Führungsaufsicht. Von "punktuellen Rückfällen", wie der Verurteilte meint, kann daher
keine Rede sein. Die Weisungsverstöße sind ihrer Schwere nach dem Verurteilten
bewusst. Das zeigt sich an dem zumindest zeitweilig an den Tag gelegte Verhalten zur
Vermeidung von Alkoholrückfällen (Bemühen um freiwillige Krisenintervention). Er kann
sie auch, wie seine zeitweilige Nüchternheit zeigt, auch steuern. So sind über mehrere
Monate nach Beendigung des Maßregelvollzuges keine Alkoholrückfälle des
Verurteilten bekannt geworden. Auch nach dem Beginn der Rückfälle – so belegen
Berichte des Bewährungshelfers bzw. Suchtmittelkontrollen – gelang es dem
Verurteilten zeitweise durchaus, nicht alkoholisiert zu sein. Der Verurteilte hat sich
zudem auch teilweise freiwillig in stationäre Therapieaufenthalte (die regelmäßig mit
Alkoholabstinenz verbunden sind) begeben.
Aufgrund der Weisungsverstöße besteht die Besorgnis der Begehung neuer Straftaten
durch den Verurteilten. Dies ist allerdings noch nicht allein deswegen der Fall, weil
gegen den Verurteilten ein Strafbefehl wegen einer in der Bewährungszeit begangenen
Beförderungserschleichung ergangen ist. Die Besorgnis besteht aber deshalb, weil der
Verurteilte die Anlasstaten in alkoholisiertem Zustand im wesentlichen zum Nachteil
seiner Mutter begangen hat, z. T. nachdem diese Bedenken im Hinblick auf seinen
Alkoholkonsum geäußert hatte. Auch jetzt kümmert sich die Mutter des Verurteilten
(verständlicherweise) um seinen Alkoholmissbrauch und hat Angst, dass er wieder
randaliere oder sie verprügele.
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Mildere Mittel im Sinne des § 56f Abs. 2 StGB als der Widerruf stehen nicht zur
Verfügung. Der Weisungskatalog ist bereits einmal ergänzt worden. Nach dem Ablauf
der Höchstfrist der Maßregel kann nunmehr auch nicht mehr nach § 67h StGB
eingegriffen werden. Freiwillige Bemühungen des Verurteilten, zu denen er sich im
Rahmen des Widerrufsverfahrens bereit erklärt hat, sind aber nicht ausreichend. Dies
zeigt sich bereits daran, dass – was er allerdings bestreitet – die ihm angebotene
freiwillige Verlängerung des Klinikaufenthalts nicht genutzt hat.
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III.
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Soweit sich die sofortige Beschwerde auch gegen den Sicherungshaftbefehl richtet, ist
sie mit der obigen Verwerfungsentscheidung des Senats gegenstandslos geworden.
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IV.
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Soweit die Generalstaatsanwaltschaft beantragt hat, festzustellen, dass die Maßregel
nach Ablauf der Höchstfrist erledigt ist, bemerkt der Senat, dass es insoweit einer rein
deklaratorischen Feststellung nicht bedarf.
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V.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.
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