Urteil des OLG Hamm vom 15.08.2005

OLG Hamm: treu und glauben, bilanz, buchwert, schuldübernahme, einlage, reduktion, verrechnung, geschäftsführer, realteilung, aufwand

Oberlandesgericht Hamm, 8 U 25/04
Datum:
15.08.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 25/04
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 23 O 183/03
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im übrigen das Urteil des Landgerichts Münster vom 28.
November 2003 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.709,27 Euro nebst 9,25
% Zinsen seit dem 16. Juni 2003 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 39 % und der
Beklagte zu 61 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Parteien streiten um Zahlungsverpflichtungen des Beklagten auf der Grundlage des
zum 31. Oktober 2002 aufgestellten Zwischenabschlusses der Klägerin in Verbindung
mit dem zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten geschlossenen
Vertrag vom 30.10.2002 über eine "Realteilung". Wegen der Darstellung des Sach- und
Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug
genommen.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht
ausgeführt, die Zahlungsverpflichtung des Beklagten folge aus II. §§ 1, 2, 5 des
Vertrages vom 30.10.2002. Diese Zahlungsverpflichtungen stünden selbständig
nebeneinander. Die vertragliche Regelung sei nicht gem. IV. Abs. 2 im Wege
ergänzender Vertragsauslegung dahin zu verstehen, dass die Zahlungen des Beklagten
nach § 2 Abs. 2 des Vertrages als Einlage auf dem Kapitalkonto des Beklagten
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nach § 2 Abs. 2 des Vertrages als Einlage auf dem Kapitalkonto des Beklagten
gutzuschreiben seien. Zudem sei § 5 der Ausscheidensvereinbarung nicht durch die
Anfechtungserklärung des Beklagten mit Schreiben vom 12.06.2003 als nichtig
anzusehen. Die Anfechtungsfrist sei nicht gewahrt, ein Anfechtungsgrund liege nicht
vor.
Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Er rügt, das Landgericht habe die
rechtliche Relevanz seines Vortrages nicht erkannt. Die Verpflichtung aus § 2 Abs. 2
des Vertrages vom 30.10.2001 müsse sich in der Bilanz niederschlagen. Zudem sei die
Bilanz unzutreffend, da die Übernahme von Leasingverträgen, die Übernahme von
Mitarbeitern, die Beteiligung an den Zahlungsverpflichtungen der Klägerin gegenüber
der C-X und die von der Klägerin gehaltenen Geschäftsanteile an ihrer Komplementärin
nicht hinreichend in der Bilanz berücksichtigt worden seien.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.
7
Die Klägerin hat die Klage in Höhe von 2.129,80 € (Mietereinbauten) zurückgenommen
und beantragt im Übrigen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des
Sachverständigen Dipl.Kfm. I B. Für die Beweisfragen wird auf die Beschlüsse des
Senats vom 28.06.2004 und 25.10.2004 verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Gutachten des Sachverständigen B vom 15.02.2005 und
20.03.2005 sowie auf den Berichterstattervermerk zur Sitzung vom 15. August 2005
verwiesen.
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II.
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Die Berufung ist teilweise begründet. Die Bilanz zum 31.10.1992 ist wegen der
Beteiligung an den Zahlungsverpflichtungen der Klägerin gegenüber der C-X und des
Geschäftsanteils der Klägerin an ihrer Komplementärin zugunsten des Beklagten zu
berichtigen. Im Übrigen greifen seine Einwendungen nicht durch. Im einzelnen:
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1.
13
Den Haupteinwand des Beklagten, die Übernahme von Schulden der Klägerin in Höhe
von 130.000,00 € gem. II, § 2 Abs. 2 des Vertrages vom 30.10.2002 müsse im
Zwischenabschluss als Gegenbuchung auf seinem Einlage- oder seinem
Darlehenskonto vermerkt werden, hält der Senat mit dem Landgericht für nicht
berechtigt. Die Auslegung der Vereinbarung vom 30.10.2002 führt vielmehr zu dem
Ergebnis, dass die Verpflichtungen aus II, § 2 Abs. 2 sowie II, § 5 Abs. 1 des Vertrages
vom 30.10.2002 nebeneinander stehen und die Erfüllung der Pflicht aus § 2 Abs. 2
keinen Einfluss auf die Gesellschafterkontenverpflichtung des Beklagten hat. Dies
beruht auf folgenden Erwägungen:
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a)
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Aus Wortlaut und Systematik des Vertrages folgt keine Verknüpfung der Verpflichtungen
aus II, § 2 Abs. 2 und II, § 5 Abs. 1. Der Vertrag regelt aber nicht, auf welcher
schuldrechtlichen Grundlage im Verhältnis der Parteien die Schuldübernahme des
Beklagten erfolgte. Eine Verrechnung der Schuldübernahme mit den
Gesellschafterkonten des Beklagten ist deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen.
Aus § 5 Abs. 2 des Vertrages folgt nichts anderes. Denn diese Klausel könnte so
interpretiert werden, dass selbst unter Verrechnung von 130.000,00 € ein Saldo zu
Lasten des Klägers verbliebe.
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b)
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Nach §§ 133, 157 BGB ist daher zu fragen, ob die Parteien die Vertragsklauseln in
einem übereinstimmenden Sinn verstanden haben. Die Klägerin trägt dazu vor, das
Nebeneinander beider Ansprüche beruhe auf der Entlassung des Beklagten aus dem
Wettbewerbsverbot. Dass der Beklagte das ebenso sah, ergibt sich aus den Schreiben
vom 06.08.2002, 07.08.2002 und 02.12.2002. Im Schreiben vom 06.08.2002 teilt der
Geschäftsführer der Klägerin dem Beklagten unter Hinweis auf die Regelungen des
Gesellschaftsvertrages und das Wettbewerbsverbot die Bedingungen mit, unter denen
er bereit sei, die E-Anteile zu übertragen. Der Ausgleich des Verlustvortragskontos steht
als Bedingung 4 kumulativ und ohne Verknüpfung zur "Verteilung" der Bürgschaft bei
der Sparkasse F. Diese beiden Voraussetzungen akzeptiert der Beklagte am
07.08.2002 zu Ziff. 4 und 9. Unter dem 02.12.2002 schließlich bezeichnet er die
130.000,00 € als "Kaufsumme für die E".
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c)
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Dem so gefundenen Ergebnis stehen die Regelungen in II, § 3, (3) ek nicht entgegen.
Diese haben nichts mit dem Wegfall des Wettbewerbsverbotes bzw. einer Kaufsumme
zu tun, sondern beruhen auf dem weitergehenden Entgegenkommen, den Beklagten/E
in den Vertrag der Klägerin mit der C vom 28.12.2002 einzubeziehen.
20
d)
21
Das Ergebnis ist auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse und
damit der Interessenlage der Parteien zutreffend:
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Dem Beklagten ist zwar dahingehend zuzustimmen, dass im Rahmen einer
bestehenden Gesellschaft Schuldtilgungen eines Gesellschafters als Einlage zu
behandeln wären. Die Situation war hier aber anders. Der Klägerin ging es wirtschaftlich
schlecht, und der Beklagte wollte aussteigen, um sich als Konkurrent der Klägerin im
identischen Kundenkreis zu betätigen. Das muss im Wirtschaftsleben erkauft werden.
Die Schuldübernahme einer Forderung, für die gesamtschuldnerisch ohnehin gehaftet
wird, stellt aber keinen Kaufpreis dar. Seinen wirtschaftlichen Sinn entfalten die
Vertragspflichten in II, §§ 2 Abs. 2, 5 Abs. 1 deshalb nur, wenn zusätzlich das
Verlustvortragskonto vollständig auszugleichen ist.
23
e)
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Die vom Beklagten erklärte Anfechtung scheitert, da ein Irrtum nach § 119 Abs. 1 BGB
nicht feststellbar ist. Wie bereits dargelegt, hat der Beklagte selbst die 130.000,00 € als
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"Kaufsumme" bezeichnet.
2.
26
Zugunsten des Beklagten ist seinem Kapitalkonto im Umfang seines Anteils an der
Klägerin (40 %) der Buchwert der Komplementärin der Klägerin (25.564,59 €)
zuzuschreiben.
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Zu dieser Position hat der Sachverständige B in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des Zwecks der Bilanz zum 31.10.2002,
eine Grundlage für die Auseinandersetzung zu schaffen, auf der Passivseite der Wert für
die Komplementärin aufzulösen ist. Der aktivierte Buchwert der Komplementärin der
Klägerin sei dementsprechend dem Kapitalkonto des Beklagten gutzuschreiben.
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Auf dieser Grundlage ergibt sich zugunsten des Beklagten ein Betrag von 10.225,84 €.
Der Senat hat den Buchwert der Komplementärin der Klägerin zugrundegelegt, weil die
Klägerin selbst diesen Wert in der Bilanz angegeben und der Beklagte gegen die Höhe
des Wertansatzes keine Einwendungen erhoben hat. Dies entspricht dem Gutachten
des Sachverständigen, wonach die Aktivierung allein der Buchwerte auf der Aktivseite
(auch) zutreffend sei.
29
3.
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Des weiteren ergibt sich zugunsten des Beklagten eine Gutschrift auf seinem
Kapitalkonto in Höhe von 6.929,02 € aufgrund der Beteiligung an den
Zahlungsverpflichtungen der Klägerin gegenüber der C-X gem. II, § 3 Abs. (3) d) der
Vereinbarung vom 30.10.2002. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
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In der Bilanz aktiviert wurde das Recht, das C-Logo zu nutzen (Vertrag vom 28.12.2001).
Dieses Recht wurde mit einem Anfangswert von 66.735,14 € angesetzt. Dieser Wert
orientierte sich an dem Abfindungsbetrag gem. § 2 Abs. 1 des Vertrages vom
27.12.2001. Die Nutzungsberechtigungszeit wurde auf fünf Jahre (rückwirkendes
Ausscheiden zum 31.12.2000, Vertrag vom 27.12.2001, und Laufzeit des Vertrages vom
28.12.2001 bis zum 31.12.2005) abzüglich 2001, also vier Jahre festgesetzt, da für 2001
kein Aufwand verrechnet werden sollte.
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Zu dieser Aktivierung hat der Sachverständige festgestellt, dass mit Ausnahme eines
Rechenfehlers die Bilanzierung in dieser Form zulässig war (Gutachten vom
25.02.2005 Rz. 39 ff).
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Unter Berücksichtigung der Realteilung ist dieser Aktivposten jedoch nicht, wie
geschehen, ebenso wie der Passivposten um die Hälfte zu kürzen. Angemessen ist
vielmehr allein eine Reduzierung um ¼. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
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Die Parteien sind zwar bei der Vereinbarung vom 30.10.2002 davon ausgegangen, der
Beklagte würde mit der E die gleichen Möglichkeiten eingeräumt werden, die auch der
Klägerin zustanden. Dies hat sich jedoch nicht verwirklicht. Wie die Parteien
übereinstimmend geschildert haben, konnte die E als "offizieller C-Partner" nicht
aufgenommen werden. Die Einschränkungen, die sich für die Klägerin aus der Nutzung
des C-Logos auch durch die E ergeben, haben sich daher nicht als so umfassend
herausgestellt, wie ursprünglich gedacht. Dieser Umstand ist als aufhellende Tatsache
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im Rahmen der später erfolgten Bilanzierung zu berücksichtigen. Er führt jedoch nicht
dazu, den Aktivposten gar nicht zu reduzieren. Denn die E hat durch die Zuweisung von
drei C-Manualen die Möglichkeit erhalten, auf dem Gebiet der Klägerin als deren
Konkurrentin aufzutreten. Daraus ergibt sich eine Einschränkung des Nutzungsrechtes
für die Klägerin und damit eine Reduktion des Aktivpostens. Unter Würdigung aller
Umstände bewertet der Senat die dem Beklagten eingeräumten Chancen auf dem
Gebiet der Klägerin tätig zu werden und den ihm zugleich verweigerten Einstieg als
offizieller C-Partner gleich. Dies führt zu einer Reduktion des Aktivpostens um ¼. Unter
Berücksichtigung des von dem Sachverständigen aufgedeckten Rechenfehlers und
eines Anteils des Beklagten an der Klägerin von 40 % ergibt sich daraus eine
Reduzierung des Aktivpostens zu Lasten des Beklagten in Höhe von 5.283,20 €
(55.612,61 ./. 2.780,64 = 52.831,97 : 4 = 13.207,99 x 0,4 = 5.283,20). Dieser Betrag ist
abzuziehen von der zugunsten des Beklagten erfolgten Reduzierung der Passivseite
von 12.212,22 € (61.061,12 € : 2 x 40 %), so dass sich daraus eine Erhöhung des
Kapitalkontos des Beklagten von 6.929,02 € ergibt.
Es bestehen keine Bedenken, die Vereinbarung vom 30.10.2002 bilanziell auch
umzusetzen. Die Einschränkungen, die sich aus der Nutzung auch durch die E ergeben,
sind bereits Gegenstand von Ziff. II, § 5 Abs. 2 der Vereinbarung vom 30.10.2002, die
der Senat als Ausgleich für die Aufhebung des Wettbewerbsverbotes ansieht.
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4.
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Die Übernahme von Leasingverträgen (II, § 2 Abs. 1 der Vereinbarung vom 30.10.2002)
und die Übernahme von Mitarbeitern (II, § 4 Abs. 1 der Vereinbarung vom 30.10.2002)
ist unter Berücksichtigung der Vereinbarung vom 30.10.2002 entsprechend den
Ausführungen des Sachverständigen ordnungsgemäß bilanziert.
38
5.
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Weitere Einwendungen hat der Beklagte gegen die Bilanzierung nicht erhoben.
Unabhängig von der Frage, ob dem Beklagten ein Anspruch zustand, gemeinsam mit
der Klägerin die Bilanz aufzustellen, ist er jedenfalls nach Treu und Glauben nach
Abklärung aller streitigen Positionen nunmehr verpflichtet, die Bilanz für und gegen sich
gelten zu lassen.
40
6.
41
Unter Berücksichtigung aller Abzugsposten und der Klageänderung im
Berufungsverfahren ergibt sich damit zusammenfassend folgende Berechnung der
ausgesprochenen Urteilssumme:
42
Klageforderung 49.993,93 €
43
Klagerücknahme - 2.129,80 €
44
anteiliger Buchwert der Komplementärin - 10.225,84 €
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Bilanzierung der C-Vereinbarung - 6.929,02 €
46
insgesamt 30.709,27 €.
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Der Zinsausspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2; 286 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1; 269 Abs. 3 ZPO.
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Der Ausspruch über die Vollstreckung erging gem. § 708 Nr. 11 ZPO.
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