Urteil des OLG Hamm vom 24.02.1999

OLG Hamm (1995, ehefrau, kläger, umkehr der beweislast, billige entschädigung, operation, immaterieller schaden, betrag, tumor, höhe)

Oberlandesgericht Hamm, 3 U 73/98
Datum:
24.02.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 73/98
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 11 O 32/97
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des
Rechtsmittels im übrigen - das am 22. Januar 1998 ver-kündete Urteil
der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmer-zensgeld von
100.000,- DM nebst 4% Zinsen seit dem 28. März 1997 zu zahlen,
abzüglich am 31. Juli 1996 gezahlter 10.000,- DM.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 5.000,- DM nebst 4%
Zinsen seit dem 28. März 1997 zu zahlen.
Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen
weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der aus der fehlerhaften
Behandlung seiner Ehefrau durch den Beklagten entsteht, jedoch nur
vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs auf einen
Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Der Kläger trägt 1/5, der Beklagte 4/5 der Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 130.000,- DM
abwenden, falls nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe
leistet. Dem Beklagten wird nachgelassen, Sicherheit auch durch die
unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Großbank,
öffent-lich-rechtlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu
erbringen.
T a t b e s t a n d
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Die am 10. Juni 1963 geborene, am 11. Juni 1997 verstorbene Ehefrau des Klägers
wurde seit dem 3. April 1995 vom Beklagten, einem niedergelassenen Internisten, u. a.
wegen Oberbauchbeschwerden behandelt. Er führte am 5. April 1995 unter der
Verdachtsdiagnose einer Gastroduodenitis eine Magenspiegelung durch, wobei er
keinen Anhalt für Veränderungen im Sinne eines Ulkus oder eines Magenkarzinoms
fand, weshalb auch keine Gewebsproben entnommen wurden. Wegen fortbestehender
Beschwerden und rezidivierendem Erbrechen verordnete der Beklagte bei mehrfachen
Konsultationen in den Monaten April und Mai 1995 u.a. Infusionen mit einem den
Brechreiz unterdrückenden Medikament. Eine weitergehende Diagnostik wurde erst am
9. Juni 1995 in Form einer erneuten Gastroskopie vorgenommen. Als deren Ergebnis
dokumentierte der Beklagte eine geringe Restsoorösophagitis und einen Gallereflux im
Magen. Eine Gewebsprobe entnahm der Beklagte wiederum nicht, da er keinen Anhalt
für ein Magenulkus sah.
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Nachdem die Klägerin den Arzt gewechselt hatte, wurde am 19. Juni 1995 bei einer
erneuten Gastroskopie ein großer Tumor gefunden, der am 23. Juni 1995 operativ
entfernt wurde. Die histologische Aufarbeitung ergab ein 8 x 3 cm ulceriertes, partiell
siegelringzelliges Magenkarzinom mit Infiltration aller Wandschichten bis weit in das
umgebende Fettgewebe. Das Tumorstadium wurde mit pT3 G3 N2 angegeben.
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In der Folgezeit mußte die verstorbene Ehefrau des Klägers sich mehreren, teils Monate
dauernden Chemotherapien und mehreren weiteren operativen Eingriffen unterziehen.
Sie verstarb am 1. Juni 1997 an ihrem Krebsleiden.
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Mit ihrer Klage hat sie vom Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes und den
Ersatz materiellen Schadens verlangt sowie die Feststellung begehrt, daß der Beklagte
ihr auch zum Ersatz allen weiteren Schadens verpflichtet sei.
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Sie hat dem Beklagten vorgeworfen, das Magenkarzinom nicht schon bei der
Gastroskopie im April 1995 erkannt zu haben. Dieser grobe Fehler des Beklagten sei
die Ursache dafür, daß wertvolle Zeit bis Mitte Juni 1995 verstrichen sei, ihr deshalb der
ganze Magen habe entfernt werden müssen und sie vermeidbare langanhaltende
Schmnerzen und Beschwerden erlitten habe.
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Der Beklagte hat jeden Fehler in Abrede gestellt.
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Nachdem die von der Klägerin angerufene Gutachterkommission für ärztliche
Haftpflichtfragen bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe durch Bescheid vom 11. Juni
1996 das Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers des Beklagten festgestellt
hatte, zahlte der Haftpflichtversicherer des Beklagten an die Klägerin zur beliebigen
Verrechnung einen Betrag von 10.000,- DM. Der Kläger hat als Erbe seiner
verstorbenen Ehefrau den Rechtsstreit fortgesetzt.
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Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens der
Sachverständigen Prof. Dr. G2/Oberarzt Dr. M und nach der Vernehmung von Dr. M im
Kammertermin die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe zwar
infolge eines groben Behandlungsfehlers das Karzinom weder bei der Gastroskopie am
5. April noch am 9. Juni 1995 erkannt, es stehe aber fest, daß eine Operation schon im
April 1995 am tödlichen Ausgang der Erkrankung nichts geändert, allenfalls zu einem
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geringfügig geringeren Operationsumfang geführt hätte. Die dadurch zusätzlich
verursachten Beschwerden und Beeinträchtigungen seien mit den vorprozessual
gezahlten 10.000,- DM abgegolten.
Gegen dieses Urteil, auf das gemäß § 543 ZPO verwiesen wird, richtet sich die
Berufung des Klägers.
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Er behauptet, das Karzinom habe sich Anfang April 1995 noch im Frühstadium
befunden und sei insbesonderen lokal noch auf Mukosa und Submukosa beschränkt
gewesen. Deshalb hätte seine verstorbene Ehefrau eine Chance von 85 - 95% gehabt,
die ersten 5 Jahre nach der Operation zu überleben. Diese Chance sei ihr durch die
Fehldiagnose genommen worden.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
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1.
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein über den gezahlten Betrag von 10.000,-
DM hinausgehendes angemessenes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit
Rechtshängigkeit zu zahlen,
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2.
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 33.884,36 DM nebst 4% Zinsen seit
Rechtshängigkeit zu zahlen,
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3.
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festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche weiteren materiellen
und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus der fehlerhaften Behandlung
seiner verstorbenen Ehefrau im Frühjahr 1995 resultieren, soweit derartige
Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen
sind oder übergehen werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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hilfsweise Vollstreckungsnachlaß.
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Er behauptet, der Krankheitsverlauf bei der verstorbenen Ehefrau des Klägers hätte sich
auch bei einer früheren Diagnose ihres Karzinoms nicht wesentlich geändert.
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Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
Schriftsätze verwiesen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des
Sachverständigen Dr. M. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den
Vermerk des Berichterstatters Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Klägers hat - bis auf einen Teil des bezifferten materiellen
Schadens und des Feststellungs-
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begehrens - Erfolg. Der Beklagte ist gemäß den §§ 823, 843, 844, 847, 1922 BGB und
wegen Schlechterfüllung des ärztlichen Behandlungsvertrages verpflichtet, dem Kläger
Schadensersatz wegen der Fehlbehandlung seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau
zu leisten.
27
1.
28
Die Fehldiagnose am 5. April 1995 stellt - wie das Landgericht bereits zutreffend
ausgeführt hat- einen groben Behandlungsfehler des Beklagten dar. Es gehört zum
Standard einer endoskopischen Untersuchung des Magens, nicht nur vorwärts zu
spiegeln, sondern das Endoskop zusätzlich um etwa 180 Grad zu drehen, damit auch
der distale Teil des Magens eingesehen werden kann, der beim Vorwärtsspiegeln nicht
immer sofort besichtigt werden kann. Selbst wenn diese sogenannte Inversion zu den
technisch schwierigsten Manövern einer Magenspiegelung gehört, ist sie unbedingt
notwendig, um ein zutreffendes Bild des Magenzustandes zu erhalten. Nur so kann das
immer lebensbedrohliche Magenkarzinom erkannt werden. Je früher es erkannt wird,
desto günstiger sind die Heilungschancen. Dies haben die Sachverständigen Prof. Dr.
G2 und Oberarzt Dr. M überzeugend ausgeführt. Sie befinden sich damit in
Übereinstimmung mit den Sachverständigen der Gutachterkommission der
Ärztekammer Westfalen-Lippe.
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Der Beklagte hat entweder die Inversion gar nicht oder nicht fachgerecht durchgeführt
und das Karzinom nicht erkannt, obgleich der am 5. April 1995 vorhandene Tumor sich
in der Masse nicht wesentlich von dem am 9.Juni vorhandenen und am 19. Juni 1995
gefundenen unterschied. Zu diesem Zeitpunkt wird er als etwa tennisballgroß
beschrieben. Einen so großen Tumor nicht zu entdecken, ist nicht mehr nachvollziehbar
und unverständlich. Auch dies haben alle mit diesem Fall befaßten gerichtlichen
Gutachter und die der Ärztekammer Westfalen-Lippe übereinstimmend bestätigt.
30
2.
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Wäre das Karzinom bei der Gastroskopie am 5. April 1995 erkannt worden, wäre der
erst am 23. Juni 1995 tatsächlich durchgeführte operative Eingriff schon wenige Tage
später erfolgt. Er hätte jedoch denselben Umfang gehabt wie derjenige im Juni 1995.
Möglicherweise wäre eine Teilresektion des Dickdarms vermeidbar gewesen. Der
Sachverständige Dr. M hat vor dem Senat noch einmal im einzelnen überzeugend
dargelegt, daß auch Anfang April 1999 mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9% der
Tumor nicht auf die Magenschleimhaut begrenzt war und deshalb der Umfang der
Operation sich im Vergleich zu Juni 1995 nicht geändert hätte. Die Ehefrau des Klägers
hätte sich auch in gleicher Weise wie später der Chemotherapie unterziehen müssen.
Die mit diesen Maßnahmen verbundenen Schmerzen, Beschwerden,
Beeinträchtigungen und Nachteile der Ehefrau des Klägers sind durch ihre
Grunderkrankung, nicht aber durch die fehlerhafte Behandlung durch den Beklagten
verursacht worden.
32
3.
33
Der Krankheitsverlauf bei der Ehefrau des Klägers vom Sommer 1996 an und ihr Tod
sind jedoch als Folgen der Fehlbehandlung anzusehen. Da dem Beklagten ein grober
Fehler anzulasten ist, trifft ihn die Beweislast dafür, daß dieser Fehler nicht ursächlich
für die zum Tode führende Krankheitsentwicklung gewesen ist ( BGH NJW 1994, 801;
Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rdn 515 ). Entgegen der Auffassung des
Landgerichts hält der Senat nach der erneuten Beweisaufnahme den Beweis nicht für
geführt, daß der Krankheitsverlauf auch bei einer Operation im April 1995 derselbe
gewesen wäre.
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Beim Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers ist die Umkehr der Beweislast ein
Ausgleich dafür, daß das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden
Ursachen gerade durch den Fehler besonders verbreitert bzw. verschoben worden ist
(Steffen/Dressler aaO). Dabei kommt es nach der Auffassung des Senats nicht
entscheidend auf Statistiken, sondern auf die Chancen des Verlaufs beim jeweiligen
Patienten an.
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Der Sachverständige Dr. M hat vor dem Senat überzeugend dargelegt, daß statistisch
gesehen die Krankheitsentwicklung bei der verstorbenen Ehefrau des Klägers auch bei
einer Operation im April 1995 nicht anders gewesen wäre. Sie hätte zu den 20%
Patienten gehören können, die bei der vorliegenden Tumorbeschaffenheit nach 5
Jahren noch leben, und zwar unabhängig davon, ob ein oder zwei Monate früher
operiert worden ist. Statistisch hatte sie eine mittlere Lebenserwartung von etwa 2
Jahren; nach fast genau diesem Zeitraum ist sie auch gestorben.
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Diese Umstände sagen aber über den tatsächlichen Verlauf der Erkrankung der
verstorbenen Ehefrau des Klägers nach einer Operation einige Tage nach dem 5. April
1995 nichts aus. Sie hätte statistisch ebensogut zu den 20% der Patienten gehören
können, die nach 5 Jahren noch leben und nicht an den Folgen der
Karzinomerkrankung sterben. Denn Statistiken über die Überlebenschance bei einer um
etwa zwei Monate verzögerten Karzinomdiagnose gibt es nicht. Die Ursachen für die
unterschiedlichen Lebenserwartungen der einzelnen Patienten sind unbekannt. Wann
die für den Kranheitsverlauf entscheidende Metastasenaussaat bei der Ehefrau des
Klägers erfolgt ist, bleibt offen. Sie kann schon vor April 1995 geschehen sein;
ebensogut kann die den Kranheitsverlauf prägende Aussaat aber auch erst in dem
Zeitraum zwischen April und Juni 1995 gelegen haben. Der Sachverständige Dr. M hat
vor dem Senat zwar erklärt, er halte es für sehr unwahrscheinlich, daß die
Metastasierung in diese Zeit gefallen sei. Seine folgenden Darlegungen zeigen jedoch,
daß diese Einschätzung durch sichere Erkenntnisse oder Erfahrungen nicht belegt ist,
vielmehr wiederum auf dem vorliegenden statistischen Material beruht, das über den
hier maßgeblichen Zeitraum keine Angaben macht. Wenn - wie der Sachverständige
überzeugend dargelegt hat - die Aussaat der Metastasen ein andauernder Prozeß ist,
ein großer Tumor, wie er hier vorlag, kontinuierlich Zellen abgibt, es ferner eine
"gewisse Konkurrenz" zwischen den Zellen gibt und nur Spekulationen darüber möglich
sind, welche der zu verschiedenen Zeiten ausgestreuten Zellen zur Metastasierung und
zum Tode geführt haben, bleibt offen, ob nicht die den Krankheitsverlauf bestimmende
Metastasenaussaat erst in dem Zeitraum nach April 1995 geschehen ist. Dies hat der
Sachverständige auch dadurch bestätigt, daß er an anderer Stelle erklärt hat, es könne
sein, daß bei den 20% der Patienten, die die Krankheit überleben, der zeitliche Faktor
eine Rolle spiele. Die von dem Sachverständigen in diesem Zusammenhang mehrfach
genannten Zeiträume von mehreren Monaten oder einem halben Jahr beziehen sich auf
die bekannten Statistiken, die - wie bereits ausgeführt - für den konkreten Fall der
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Ehefrau des Klägers keine zuverlässige Aussage erlauben. Da sie für einen Zeitraum
von etwa zwei Monaten einer zusätzlichen Metastasierung ausgesetzt war, die als
Ursache des weiteren, zum Tode führenden Krankheitsverlaufs in Betracht kommt, in
diesem Stadium immerhin eine Überlebensrate von 20% besteht, eine weitere
Aufklärung des tatsächlichen Ablaufs bei einer Operation schon einige Tage nach der
ersten Gastroskopie am 5. April 1995 aber nicht möglich ist, erscheint es gerechtfertigt,
den Beklagten mit dem Nachteil der nicht weiteren Aufklärbarkeit zu belasten. Es ist
daher davon auszugehen, daß die Ehefrau des Klägers nach erfolgreicher
Chemotherapie überlebt hätte.
4.
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Der Beklagte hat dem Kläger gemäß den §§ 847, 823, 1922 BGB ein Schmerzensgeld
von noch 90.000,- DM zu zahlen.
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Die Ehefrau des Klägers mußte sich - nach einem beschwerdefreien Intervall bis etwa
Mitte des Jahres 1996 - ab September 1996 mehrfach stationären Behandlungen und
mehreren schweren Operationen unterziehen. Wegen der Einzelheiten wird auf das
Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. G/Oberarzt Dr. M und auf die zum
Gegenstand der Verhandlung vor dem Senat gemachten Krankenunterlagen der
Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Universität N, des Hospitals J und des
Krankenhauses J2 verwiesen. Diese Behandlungen und Eingriffe waren mit Schmerzen
und großen Beschwerden verbunden. Es traten erhebliche Wundheilungsstörungen auf,
die auch nach der Entlassung aus der stationären Behandlung zeitweise täglich
ambulant behandelt werden mußten. Seit der Operation am 2. Oktober 1996 mußte die
Ehefrau des Klägers mit einem künstlichen Darmausgang leben.
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Besonders belastend war ihre psychische Situation. Die Ärzte hatten die Ehefrau des
Klägers spätestens im Oktober 1996 über die "vorliegenden Befunde vollständig
informiert". Sie wußte also, daß sie tödlich erkrankt war. Mit diesem Wissen, das
zunehmend zur Gewißheit über den baldigen Tod wurde, mußte die 34 Jahre junge
Mutter von drei unmündigen Kindern im Alter von 5, 9 und 11 Jahren und von ihrem
Ehemann Abschied nehmen.
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Leid und Schmerzen der Ehefrau des Klägers sind materiell durch keine Summe zu
entschädigen. Die gemäß § 847 BGB zuzusprechende billige Entschädigung in Geld
muß aber der Höhe nach die schwere physische und psychische Beeinträchtigung
widerspiegeln. Der Senat hält ein Schmerzensgeld von insgesamt 100.000,- DM für
angemessen, auf das die gezahlten 10.000,- DM anzurechnen sind.
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5.
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Der bezifferte materielle Schadensersatzanspruch ist gemäß den §§ 843, 1922 BGB nur
in Höhe von 5.000,- DM begründet.
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Die Ehefrau des Klägers konnte infolge der Metastasierung und der dadurch
hervorgerufenen körperlichen Beeinträchtigungen vom September 1996 an ihren
Haushalt nicht mehr führen. Sie lebte mit ihrem Ehemann und drei unmündigen Kindern
in einem Einfamilienhaus, in dem sie den Haushalt führte. Unter diesen Umständen
beträgt ihr Erwerbsschaden gem. § 843 BGB mindestens 2.500,- DM monatlich.
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Der Beklagte schuldet diesen Betrag allerdings nur für die Monate September und
Oktober 1996, nicht für den vorhergehenden Zeitraum. Die Fehlbehandlung durch den
Beklagten hatte - wie bereits oben ausgeführt - auf das Befinden der Ehefrau des
Klägers vor dem Wiederaufleben der Karzinomerkrankung keine negative Auswirkung.
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Für den Verdienstausfall des Klägers in Höhe von 1.384,36 DM fehlt es an einer
gesetzlichen Anspruchsgrundlage.
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6.
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Das Feststellungsbegehren des Klägers, das den Zeitraum ab 1. November 1996
umfaßt, ist zulässig und im wesentlichen begründet. Es steht fest, daß dem Kläger über
den bezifferten Betrag hinaus weiterer materieller Schaden entstanden ist und noch
entstehen wird.
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Der Beklagte schuldet dem Kläger zunächst gem. den §§ 843, 1922 BGB Ausgleich für
den weiteren Erwerbsschaden (Haushaltsführung) der Ehefrau des Klägers bis zu ihrem
Tode. Sodann hat der Kläger gem. § 844 Abs.1 und 2 BGB Ansprüche auf Ersatz der
Beerdigungskosten und seines Unterhaltsschadens wegen des Wegfalls der
Haushaltsführung seiner verstorbenen Ehefrau.
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Ein weiterer immaterieller Schaden ist nicht ersichtlich. Insoweit ist das
Feststellungsbegehren nicht begründet.
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6.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Das Urteil beschwert den Beklagten mit mehr als 60.000,- DM, den Kläger mit einem
60.000,- DM nicht übersteigenden Betrag.
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