Urteil des OLG Hamm vom 10.02.2009

OLG Hamm: unterbrechung, thüringen, fahren, auflage, ermessensprüfung, ermessensfehlgebrauch, gesundheit, sicherheit, geisteskrankheit, form

Oberlandesgericht Hamm, 2 Ws 25/09
Datum:
10.02.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 25/09
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, StVK B 1121/08
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des
angefochtenen Beschlusses auf Kosten des Beschwerdeführers
verworfen.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Beschwerdeführer verbüßt derzeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren wegen
Betruges in 41 Fällen, davon in 26 Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne
Fahrerlaubnis, wegen versuchten Betruges in 7 Fällen, davon in 5 Fällen in Tateinheit
mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 18. Dezember 2001 (Az.
Kls
102 Js 325/01
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Mit seinen an die Staatsanwaltschaft Dortmund gerichteten Anträgen vom 16. Juni 2008
und 10. Juli 2008 hat der Verurteilte Haftunterbrechung wegen gesundheitlicher
Beschwerden beantragt.
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Mit Bescheid vom 29. Juli 2008 hat die Staatsanwaltschaft Dortmund die
Strafunterbrechungsgesuche abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass sich
aufgrund der eingeholten Stellungnahme des medizinischen Dienstes der
Justizvollzugsanstalt Bochum keine Gründe für eine Haftunterbrechung ergeben hätten.
Die medizinische Behandlung könne in dem erforderlichen Umfang in der
Justizvollzugsanstalt erfolgen.
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Gegen diese Entscheidung hat der Verurteilte unter dem 31. Juli 2008 Einwendungen
erhoben und die gerichtliche Entscheidung gemäß § 458 StPO beantragt, die die
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum durch Beschluss vom
17. Dezember 2008 zurückgewiesen und sich zur Begründung auf § 455 Abs. 4 StPO
gestützt hat.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige
Beschwerde des Verurteilten vom 29. Dezember 2008.
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Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu
verwerfen.
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II.
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Die gemäß § 462 Abs. 3 S. 1 und Abs. 1, 458 Abs. 2, 455, 311 StPO statthafte und
fristgemäß erhobene sofortige Beschwerde ist zulässig, kann in der Sache aber keinen
Erfolg haben.
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Die Staatsanwaltschaft hat die Unterbrechung der Strafvollstreckung zu Recht
abgelehnt. Das Landgericht Bochum hat die Einwendungen des Beschwerdeführers zu
Recht zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ist nichts zu
erinnern.
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Da sich der Beschwerdeführer im Strafvollzug befindet, beurteilt sich die Unterbrechung
einer Freiheitsstrafe nach § 455 Abs. 4 StPO. Danach kann die Vollstreckung einer
Freiheitsstrafe unterbrochen werden, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt,
wegen der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für ihn
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- den Verurteilten - zu besorgen ist, oder der Verurteilte sonst schwer erkrankt und die
Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder
behandelt werden kann und zu erwarten ist, dass die Krankheit voraussichtlich für eine
erhebliche Zeit fortbestehen wird.
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Die Vollstreckung darf nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe,
namentlich der öffentlichen Sicherheit, entgegenstehen.
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Die Gewährung von Strafunterbrechung steht im pflichtgemäßen Ermessen der
Vollstreckungsbehörde. Der Gefangene hat auf sie keinen Rechtsanspruch, sondern er
kann ausschließlich die fehlerfreie Ausübung des Ermessens verlangen. Bei der von
der Staatsanwaltschaft zu treffenden Entscheidung handelt es sich um eine
Ermessensentscheidung. Die gerichtliche Entscheidung, die auf die Einwendungen
nach § 458 Abs. 2 StPO zu treffen ist, beinhaltet lediglich die Überprüfung, ob die
Strafvollstreckungsbehörde ermessensfrei entschieden hat, insbesondere, ob die
Staatsanwaltschaft die Grenzen des Ermessens eingehalten und alle hierfür
maßbeglichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat (vgl. KK-Fischer, StPO, 6. Auflage, §
455 Rdnr. 17; KG NStZ 1994, 255; OLG Thüringen OLG-NL 2003, 263; OLG Thüringen
ZfStrVO 2004, 298; OLG Jena StV 2004, 84). Bei dieser Überprüfung ist die
Strafvollstreckungskammer nicht befugt, ihr Ermessen an die Stelle desjenigen der
Vollstreckungsbehörde zu setzen. Die Ermessensprüfung erfordert jedoch, dass die
Vollstreckungsbehörde eine nachprüfbare Ermessenentscheidung getroffen hat.
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Im Falle der Strafunterbrechung ergibt sich aus der Einräumung des Ermessens, dass
die Vollstreckungsbehörde auf der Grundlage sämtlicher ihr im Entscheidungszeitpunkt
vorliegender Erkenntnisse eine Gesamtabwägung durchzuführen hat, bei der die
Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs einerseits und das Interesse des
Verurteilten an der Wahrung seiner verfassungsmäßig verbürgten Rechte, insbesondere
seiner durch Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Gesundheit, andererseits
gegenüberzustellen sind und nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein
Interessenausgleich herbeizuführen ist (BVerfG NStZ-RR 2003, 345).
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Nach den vorstehend näher bezeichneten Maßstäben ist gegen die Entscheidung der
Staatsanwaltschaft Dortmund nichts zu erinnern. Zwar geht sie in der Begründung ihrer
Entscheidung nicht ausdrücklich auf die Art der Erkrankung des Beschwerdeführers,
ihre Behandelbarkeit und ihre voraussichtliche Dauer ein. Dies ist vorliegend aber
unschädlich. Aus den Ausführungen ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft sich sehr
wohl der Beschwerden und Erkrankungen des Beschwerdeführers bewusst war, denn
sie hat den medizinischen Dienst um Äußerung gebeten. Die Staatsanwaltschaft und ihr
folgend die Strafvollstreckungskammer haben bereits die gesetzlichen
Voraussetzungen von in der Vollzugsanstalt oder einem Vollzugskrankenhaus nicht zu
erkennender oder zu behandelnder Erkrankungen verneint. So ist die
Justizvollzugsanstalt unter dem 11. Juli 2008 dem Unterbrechungsantrag
entgegengetreten. Sie hat den medizinischen Dienst um Äußerung gebeten. Der
zuständige Anstaltsarzt Dr. I hat sich dahingehend geäußert, dass der Verurteilte nicht
die Bedingungen einer Haftunterbrechung erfülle. Die noch laufende Diagnostik sei
überwiegend wiederholend. Diese Ausführungen sind so zu verstehen, dass es sich bei
dem von dem Verurteilten in seinen (neuerlichen) Anträgen beschriebenen
Krankheitsbild nicht um neuartige Erkrankungen handelt. Vielmehr handelt es sich um
Beschwerden, die bereits früheren Strafunterbrechungsanträgen zugrunde lagen und
eine Strafunterbrechung aus medizinischen Gründen nicht notwendig machten. Es ist
nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund der Stellungnahme des
medizinischen Dienstes keine weiteren medizinischen Befunde erhoben hat. Ein
Ermessensfehlgebrauch ist jedenfalls nicht festzustellen.
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Nach alledem war das Rechtsmittel mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 StPO zu
verwerfen.
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