Urteil des OLG Hamm vom 06.11.2007

OLG Hamm: auflage, satzung, eigentum, stadt, wasser, ermessen, gewässerschutz, bodenschutz, erholung, eigentümer

Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss OWi 494/07
Datum:
06.11.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ss OWi 494/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 51 OWi 29 Js 142/07 (43/07)
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des
Betroffenen als unbegründet verworfen.
G r ü n d e :
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I.
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Das Amtsgericht Essen hat den Betroffenen am 29.05.2007 wegen Verstoßes gegen die
Baumschutzsatzung der Stadt F (Veränderung des Aufbaus eines Baumes ohne
Genehmigung) zu einer Geldbuße in Höhe von 250,00 € verurteilt.
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Gegen dieses Urteil hat der Betroffene am 04.06.2007 Antrag auf Zulassung der
Rechtsbeschwerde gestellt und diesen mit weiterem Schriftsatz näher begründet.
4
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, der nach §§ 80 Abs. 1 und 3, 79 Abs.
3 OWiG, § 341 ff StPO rechtzeitig gestellt und form- sowie fristgerecht begründet worden
ist, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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1.
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Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht zur Fortbildung des Rechts geboten.
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Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts kommt nur bei
Rechtsfragen in Betracht, die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und
abstraktionsfähig sind. Sie besteht darin, Leitsätze aufzustellen und zu festigen, die bei
der Auslegung von Rechtssätzen und dem Ausfüllen von Gesetzeslücken zur
Anwendung kommen (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 80 Rdnr. 3).
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Soweit sich der Betroffene gegen die tatrichterliche Feststellung des Sachverhalts
wendet und die fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall rügt, fehlt es an einer
abstraktionsfähigen Rechtsfrage, die im Rahmen der Rechtsbeschwerde zur
Überprüfung gestellt wird.
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Die materiell-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils führt jedenfalls nicht zur
Aufdeckung einer Rechtsfrage, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur
Fortbildung des Rechts gebietet. Entgegen der Ansicht des Betroffenen ist das
Verhältnis der Bestimmungen von örtlichen Baumschutzsatzungen zum Eigentumsrecht
eines Grundstückseigentümers nach Art. 14 GG und den sich aus den §§ 910,
1004 BGB ergebenden Abwehr- und Selbsthilferechten hinreichend geklärt.
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Durch höchstrichterliche Entscheidungen ist geklärt, dass die Vorschriften des BGB den
Regelungen einer Baumschutzsatzung nicht vorgehen. Nach Art. 111 EGBGB bleiben
die landesgesetzlichen Vorschriften, die im öffentlichen Interesse das Eigentum in
Ansehung tatsächlicher Verfügungen beschränken und zu denen insbesondere auch
das Naturschutzrecht gehört, unberührt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.02.1996, NJW
1996, 1487, 1488; BGH, Beschluss vom 26.11.2004, NZM 2005, 318, 319). Bei den
Regelungen einer Baumschutzsatzung handelt es sich um öffentlich-rechtliche
Beschränkungen von nachbarrechtlichen Ansprüchen. Die in einer solchen Satzung
enthaltenen Gebote und Verbote richten sich nicht nur gegen den Eigentümer eines
Grundstücks, sondern gelten für jedermann und wirken sich daher auf das
(privatrechtliche) Nachbarrechtsverhältnis aus (vgl. OLG Hamm, 5. Zivilsenat, Beschluss
vom 28.09.1998, MDR 1999, 930, 931, und Beschluss vom 20.05.1999, OLGR Hamm
1999, 392, 393; OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2003, OLGR Köln 2003, 369, 370;
OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.06.1991; NJW-RR 1991, 1364; OLG Düsseldorf, Urteil
vom 20.04.1988, NJW 1989, 1807; ebenso Staudinger-Roth, BGB, Neubearbeitung
2002, § 910, Rdnr. 21; Säcker in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage, § 910,
Rdnr. 1; Palandt, BGB, § 910, Rdnr. 3; Jauernig, BGB, 12. Auflage, § 910, Rdnr. 2; a.A.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.12.1987, NuR 1988, 309). Wenn eine Vorschrift der
Baumschutzsatzung also jedermann verbietet, geschützte Bäume zu entfernen, zu
zerstören, zu schädigen oder ihren Aufbau wesentlich zu verändern, so schränkt diese
Vorschrift die aus § 910 BGB folgende Befugnis ein, von einem Nachbargrundstück
über die Grundstücksgrenze herüberragende Zweige eines geschützten Baumes
abzuschneiden.
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Art. 111 EGBGB macht insoweit eine Ausnahme von dem Grundsatz des Art. 31 GG,
wonach Bundesrecht Landesrecht bricht. Der in Art. 111 EGBGB enthaltene Vorbehalt
gestattet eine landesrechtliche Regelung privatrechtlicher Eigentumsschranken, die die
allgemeinen Herrschaftsbefugnisse des Eigentümers begrenzen bzw. einer inhaltlichen
Verhaltensbindung unterwerfen (OLG Frankfurt, a.a.O.).
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Die in der Baumschutzsatzung der Stadt F vom 06.07.2001, zuletzt geändert durch
Satzung vom 06.10.2005, enthaltenen Regelungen beschränken das Eigentum im
öffentlichen Interesse. Das ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der einzelnen
Regelungen und der Präambel der Baumschutzsatzung. Danach dient der Schutz des
Baumbestandes dem Bodenschutz, dem Wasser- und Gewässerschutz, dem Schutz
des städtischen Klimas, dem Schutz vor Luftverunreinigungen und Lärmeinwirkungen,
dem Arten- und Biotopschutz sowie der naturbezogenen Erholung, also ausschließlich
öffentlichen Interessen im Sinne von Art. 111 EGBGB.
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Der räumliche Geltungsbereich der Baumschutzsatzung, der sich nach § 1 Abs. 1 der
Satzung auf die innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des
Geltungsbereichs der Bebauungspläne erstreckt, ist hinreichend bestimmt umschrieben.
Insoweit hält der Senat angesichts der Entscheidung des BGH vom 15.03.1996 (3 StR
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506/95; BGHSt 42, 79) und der Entscheidung des BVerwG vom 16.06.1994
(4 C 2/94; BVerwGE 96, 110) an der im Beschluss vom 25.02.1993 (3 Ss OWi 1060/92;
JMBl. 1993, 155) dargelegte Auffassung nicht fest.
16
2.
17
Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung ist ebenfalls nicht geboten.
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Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wird die Rechtsbeschwerde nur
dann zugelassen, wenn sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung
entstehen oder fortbestehen würden; dabei kommt es darauf an, welche Bedeutung die
angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung im Ganzen hat (vgl. Göhler, OWiG,
14. Auflage, § 80, Rdnr. 4 m.w.N.).
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Angesichts der – wie bereits dargelegt – hinreichend geklärten Rechtsfragen und
mangels ersichtlicher Fehlentscheidungen bedarf es der Zulassung der
Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht. Das Urteil
des Amtsgerichts Essen weicht jedenfalls nicht von der höchstrichterlichen und
obergerichtlichen Rechtsprechung ab.
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3.
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Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen eines Verstoßes gegen das rechtliche
Gehör nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zwar kann die
fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages eine Verletzung rechtlichen Gehörs
darstellen. Die Aufhebung eines Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs
kommt aber nur in solchen Fällen in Betracht, in denen es sich aufdrängt und nicht
zweifelhaft erscheint, dass ein Urteil einer Nachprüfung durch das
Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde. Das Gebot des rechtlichen Gehörs
soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben
wird, sich dem Gericht gegenüber zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern, Anträge zu
stellen und Ausführungen zu machen und dass das Gericht seine Ausführungen zur
Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss. So lässt § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG die
Ablehnung eines Beweisantrages zu, wenn das erkennende Gericht aufgrund der
Beweisaufnahme den Sachverhalt für so eindeutig geklärt hält, dass nach
pflichtgemäßem Ermessen die beantragte Beweiserhebung die eigene Beurteilung der
Sachlage nicht zu ändern vermöchte. Diese Auslegung und Anwendung des
Verfahrensrechts ist vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht zu überprüfen
(zu vgl. OLG Köln, VRS 83, 446 f.). Selbst wenn also das erkennende Gericht die
Beweisanträge des Betroffenen entgegen den Grundsätzen des § 77 Abs. 2 OWiG
zurückgewiesen hätte, läge darin noch nicht eine zur Zulassung der Rechtsbeschwerde
führende Versagung des rechtlichen Gehörs (vgl. OLG Hamm, 3. Senat für
Bußgeldsachen, Beschluss vom 09.05.2007, 3 Ss OWi 287/07; OLG Hamm, 2. Senat für
Bußgeldsachen, Beschluss vom 25.05.2005, 2 Ss OWi 335/05).
22
4.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.
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