Urteil des OLG Hamm vom 13.09.2007

OLG Hamm: mobiltelefon, beweiswürdigung, begriff, daten, datum, gerät, ausnahme, verwertung, rechtskraft, zukunft

Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss OWi 606/07
Datum:
13.09.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss OWi 606/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Schwerte, 10 OWi 23/07
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des
Betroffenen verworfen.
Gründe
1
I.
2
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "fahrlässiger unbefugter Benutzung eines
Mobiltelefons zu einer Geldbuße von 70 € verurteilt". Das Amtsgericht hat folgende
tatsächliche Feststellungen getroffen:
3
"Der Betroffene befuhr mit der Sattelzugmaschine nebst Anhänger am 20.11.2006
die A 1 in T in Fahrtrichtung L2. Dabei benutzte er verbotswidrig ein Mobiltelefon, in
dem er sich dieses während der Fahrt an das linke Ohr hielt."
4
Der Betroffene hat den Vorwurf bestritten und erklärt, er habe sich nicht ein Mobiltelefon,
sondern einen Wärmeakku an das linke Ohr gehalten. Er habe nämlich
Ohrenschmerzen gehabt. Diese Einlassung hat das AG aufgrund der durchgeführten
Beweisaufnahme als widerlegt angesehen. Die als Zeugin gehörte Polizeibeamtin X
habe bekundet, dass sie während der Vorbeifahrt an dem Sattelzug des Betroffenen
eindeutig gesehen habe, dass der Betroffene sich ein Mobiltelefon an das linke Ohr
gehalten habe.
5
Im Zusammenhang mit der rechtlichen Würdigung hat das AG ausgeführt, dass auch
das bloße Halten des Handys an das Ohr als Benutzung im Sinne des § 23 Abs. 1a
StVO zu werten sei, da dann zumindest eine Hand für das Führen des Fahrzeugs nicht
frei sei. Es komme nicht darauf an, ob der Betroffene tatsächlich während der Fahrt
telefoniert oder sich nur das Ohr gewärmt habe.
6
Dagegen richtet sich der Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde,
mit der er sich insbesondere dagegen wendet, dass der Tatrichter die Nutzung des
Mobiltelefons als Wärmeakku als Benutzung i.S. des § 23 Abs. 1a StVO angesehen
habe. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag zu verwerfen.
7
II.
8
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zwar rechtzeitig gestellt und form-
und fristgerecht begründet worden, hat in der Sache aber keinen Erfolg haben.
9
Da die verhängte Geldbuße nicht mehr als 100 € beträgt, richten sich die
Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1
OWiG. Danach ist die Rechtsbeschwerde in den Verfahren mit den so genannten
weniger bedeutsamen Fällen nur zulässig zur Fortbildung des materiellen Rechts (§ 80
Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 80 Abs. 2 OWiG) oder, wenn das Urteil wegen
Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
10
Die Versagung rechtlichen Gehörs wird nicht geltend gemacht. Es sind aber auch die
Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 in
Verbindung mit § 80 Abs. 2 OWiG nicht gegeben. Die Überprüfung des angefochtenen
Urteils führt nicht zur Aufdeckung einer materiellen Rechtsfrage, die die Zulassung der
Rechtsbeschwerde unter diesem Gesichtspunkt gebieten würde.
11
1.
12
Die Rechtsbeschwerde übersieht zunächst, dass das Amtsgericht aufgrund der
Bekundungen der den Vorfall beobachtenden Polizeibeamtin davon ausgegangen ist,
dass der Betroffene sich ein Mobiltelefon während der Fahrt an das linke Ohr gehalten
hat. Das Amtsgericht ist insoweit den Angaben der Polizeibeamtin gefolgt. Soweit mit
der Rechtsbeschwerde nun geltend gemacht wird, der Betroffene habe sein Mobiltelefon
"benutzt, da er während der Fahrt plötzlich unter heftigen Ohrenschmerzen litt und diese
durch die vom Akku ausstrahlende Wärme lindern wollte", ist zunächst anzumerken,
dass dem Senat die Ernsthaftigkeit dieses Vortrags höchst fraglich erscheint.
Unabhängig davon übersieht die Rechtsbeschwerde aber auch, dass das
Rechtsbeschwerdegericht an die tatsächlichen Feststellungen und die tatrichterliche
Beweiswürdigung gebunden ist. Die tatsächlichen Feststellungen sind aber
rechtsfehlerfrei getroffen. Die amtsgerichtliche Beweiswürdigung ist aus Rechtsgründen
nicht zu beanstanden. In dem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der
Betroffene sich beim Tatgericht dahin eingelassen hat, "dass er sich nicht ein
Mobiltelefon, sondern einen Wärmeakku an das linke Ohr gehalten" hat. Dem
widerspricht der Vortrag in der Rechtsbeschwerde, wonach es das Mobiltelefon des
Betroffenen gewesen sein soll, dass er sich an das linke Ohr gehalten haben will, um
die plötzlich auftretenden Ohrenschmerzen durch die vom Akku ausstrahlende Wärme
zu lindern.
13
Entgegen der Auffassung des Betroffenen ist die Rechtsbeschwerde auch nicht deshalb
zuzulassen, um zum Begriff der "Benutzung" im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO Stellung
zu nehmen. Der Begriff "Nutzung" des Mobiltelefons ist in der obergerichtlichen
Rechtsprechung, worauf der Senat bereits wiederholt hingewiesen hat, inzwischen
ausreichend geklärt (vgl. zuletzt u.a. Senat im Beschluss vom 20. April 2007, in 2 Ss
OWi 227/07, StRR 2007, 76 = VRR 2007, 317 = NZV 2007, 483; siehe auch noch Senat
in NJW 2007, 1078 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des OLG Hamm
und der übrigen Obergerichte). Danach ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines
Mobiltelefons untersagt ist, wenn er "hierfür das Mobiltelefon aufnimmt oder hält". Nicht
erforderlich ist, dass tatsächlich eine Telefonverbindung hergestellt wird. Unter das
Verbot des § 23 Abs. 1a StVO fallen im Übrigen auch die Tätigkeiten, die (nur) die
14
Vorbereitung der Nutzung gewährleisten sollen, da es sich auch dabei um
bestimmungsmäßige Verwendung bzw. deren Vorbereitung handelt (vgl. Senat, a.a.O.,
unter Hinweis auf OLG Düsseldorf StraFo 2006, 509 und die zusammenfassenden
Darstellungen von Burhoff VA 2006, 28 und PA 2007, 14). Zuzustimmen ist der
Rechtsbeschwerde allerdings insoweit, als die Nutzung des Mobiltelefons als
Wärmeakku keine Nutzung i.S. des § 23 Abs. 1a StVO wäre, wovon aber offenbar das
AG ausgeht. Das würde eine mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbare Ausdehnung der
Bußgeldbewehrung zu Lasten des Betroffenen darstellen (vgl. dazu auch OLG Bamberg
DAR 2007, 95 = NJW 2006, 3732 = NZV 2007, 49 = VRR 2006, 431). Sie wäre zudem
auch nicht mehr vom Sinn und Zweck der Vorschrift gedeckt. Der Begriff der Benutzung
wird zwar von der Rechtsprechung. weit ausgelegt (krit. Hentschel,
Straßenverkehrsrecht, § 23 Rn. 13 b ["zu weit"]; Hufnagel NJW 2006, 3665; Keerl NZV
2006, 181, Scheffler NZV 2006, 128), da unter "Benutzung" nach Auffassung der
Obergerichte nicht nur das Telefonieren zu verstehen ist. Das Verbot des § 23 Abs. 1a
StVO gilt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung aber nur für alle
(Bedien)Funktionen des Mobiltelefons, wenn dazu das Mobiltelefon in der Hand
gehalten wird. Unter Benutzung i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO wird jegliche Nutzung eines
Mobiltelefons verstanden (vgl. dazu aus der Rechtsprechung OLG Hamm StraFo 2006,
123 = NStZ 2006, 358 = VRR 2006, 108 [Nutzung als Telefon]), wobei unerheblich ist,
ob eine Verbindung zustande gekommen ist [OLG Hamm, a.a.O.; OLG Hamm StRR
2007, 76 = VRR 2007, 371 = NZV 20007, 483]; OLG Hamm NJW 2005, 2469 = VRR
2005, 269 [Organisator]); OLG Hamm NZV 2003, 98 = NJW 2003, 912 = VRS 104, 222
[Notizbuch]; OLG Hamm NJW 2006, 2870 = NZV 2006, 555 = VRS 111, 213 = VRR
2006, 363 [zum Auslesen von Daten, wie z.B. einer Telefon-Nr.]; OLG Jena NJW 2006,
3734 = VRS 111, 215 = NZV 2006, 664 und OLG Hamm, Beschl. v. 24. März 2006, 3 Ss
OWi 1/06 [Diktiergerät]; OLG Karlsruhe NJW 2007, 240 = DAR 2007, 99 = VRR 2007, 34
[Abfragen von Daten auf einem "Palm-Organizer", wenn die Mobilfunkkarte eingelegt
ist]; AG Ratzeburg NZV 2005, 431 [Versenden einer SMS]; siehe auch noch OLG
Düsseldorf StraFo 2006, 509 für Vor- bzw. Nachbereitungsarbeiten). Entscheidend ist
aber, dass der Nutzungsvorgang immer im weitesten Sinne mit Kommunikation zu tun
haben muss (vgl. dazu auch OLG Hamm, Beschl. v. 18. Dezember 2006, 1 Ss OWi
842/06; Beschl. v. 19. Oktober 2006, 3 Ss OWi 681/06). Um Benutzung eines
Mobiltelefons handelt es sich demgemäß daher nicht (mehr), wenn das Gerät z.B.
während der Autofahrt lediglich aufgenommen wird, um es woanders hinzulegen (so
zutreffend OLG Köln NJW 2005, 3366 = NZV 2005, 547 = zfs 2005, 569). Das bloße in
die Hand Nehmen, um das Gerät woanders hinzulegen, ist ebenso wenig "Gebrauch"
im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO wie es die Verwendung des Mobiltelefons als
Wärmeakku wäre, die Ernsthaftigkeit dieses Vortrags der Rechtsbeschwerde unterstellt.
Obwohl demgegenüber das AG davon ausgegangen, dass es nicht darauf ankomme, ob
der Betroffene tatsächlich während der Fahrt telefoniert oder sich nur das Ohr gewärmt
hat, da beides Benutzung i.S. des § 23 Abs. 1a StVO wäre, besteht aber dennoch kein
Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts.
Den vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen lässt sich nämlich unter
Berücksichtigung der tatrichterlichen Beweiswürdigung noch ausreichend sicher
entnehmen, dass der Betroffene das Mobiltelefon im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO
benutzt hat. Zwar hat das Amtsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, dass der
Betroffene durch Telefonieren am Kommunikationsverkehr Teil genommen hat. Nach
den getroffenen Feststellungen "benutzte" der Betroffene das Mobiltelefon jedoch,
indem er es sich während der Fahr an das linke Ohr hielt. Der Senat hat bereits darauf
hingewiesen, dass das Halten ans Ohr den eindeutigen Schluss zulässt, dass der
15
Betroffene mit dem Mobiltelefon telefoniert hat (Senat in StRR 2007, 65 = VRR 2007,
361 = NZV 2007, 483). Es ist nicht ersichtlich, aus welchem anderen verständigen
Grund als zum Führen oder Vorbereiten eines Telefonats der Betroffene sonst das
Mobiltelefon "an das linke Ohr" gehalten haben sollte. Die Nutzung eines "Wärmeakku"
- wie vom Betroffenen behauptet - scheidet nach der amtsgerichtlichen
Beweiswürdigung aus.
Für zukünftige Fälle weist der Senat nochmals darauf hin (vgl. dazu schon Senat,
a.a.O.), dass es sich empfehlen dürfte, wenn das Tatgericht nach Möglichkeit
ausdrücklich feststellt, welche konkrete Funktion des Mobiltelefons vom Betroffenen
benutzt worden ist. Dabei wird ggf. die Einlassung des Betroffenen, mit der das
Vorliegen einer Bedienfunktion des Mobiltelefons bestritten wird, auf ihre Ernsthaftigkeit
und Glaubhaftigkeit zu untersuchen sein. Im Übrigen weist der Senat ebenfalls erneut
darauf hin, dass nach zutreffender Ansicht der Obergerichte der Verstoß gegen § 23
Abs. 1a StVO regelmäßig vorsätzlich verwirklicht wird und damit eine Verurteilung
wegen Fahrlässigkeit - wie vorliegend geschehen - die Ausnahme bildet (vgl. auch dazu
schon Senat, a.a.O.).
16
2.
17
Auch die vom Amtsgericht vorgenommene Erhöhung der Regelgeldbuße von 40 € auf
70 € ist nicht zu beanstanden. Das hat das Amtsgericht damit begründet, dass der
Betroffene in straßenverkehrsrechtlich relevanter Weise fünfmal in dem Zeitraum
14.10.2002 bis 15.02.2005 in Erscheinung getreten ist. Zutreffend weist die
Generalstaatsanwaltschaft darauf hin, dass bei der Verwertung von Voreintragungen
eines Betroffenen grundsätzlich das Datum des Erlasses und das seiner Rechtskraft
anzugeben ist (vgl. u.a. Senat im Beschl. v. 9. 2. 2004 - 2 Ss OWi 35/04 m.w.N.) und das
angefochtene Urteil diesen Anforderungen nicht genügt. Das führt jedoch nicht zur
Zulassung der Rechtsbeschwerde, da insoweit eine Fortbildung des Rechts nicht in
Betracht kommt. Die Frage ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Zudem
geht der Senat davon aus, dass das Amtsgericht die obergerichtlichen Vorgaben in
Zukunft beachten wird.
18
III.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1
StPO.
20