Urteil des OLG Hamm vom 20.06.2002

OLG Hamm: abrechnung, verrechnung, einverständnis, ausnahme, aufspaltung, datum, sicherheitsleistung, bürgschaft, vollstreckung, ausführung

Oberlandesgericht Hamm, 23 U 50/01
Datum:
20.06.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 U 50/01
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. September 2001
verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des je-weils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien bleibt nachgelassen, Sicherheit durch
Prozeßbürgschaft ei-nes als Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts
zu erbringen.
Gründe:
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(gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F.)
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Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil, auf dessen Tatbestand und
Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat im Ergebnis keinen Erfolg, weil der
Klägerin ein durchsetzbarer Werklohnanspruch gegen die Beklagte nicht zusteht.
Jedoch hält die Begründung für die Klageabweisung der Überprüfung nicht stand. Die
Klageforderung ist weder teilweise verjährt noch im übrigen unsubstantiiert dargetan,
sondern vielmehr noch nicht fällig, weil es an einer prüfbaren Abrechnung gemäß § 14
VOB/B fehlt.
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Die Parteien haben die Geltung der VOB/B vereinbart. Das ergibt sich für den Auftrag
über die Erdarbeiten gemäß mündlicher Vereinbarung vom 16. Februar 1994 und
Festpreisvereinbarung vom 21. Februar 1994 (Bl. 86 d.A.) ohne weiteres aus den
schriftlichen Vorgaben der Beklagten, die ihrem Leistungsverzeichnis als
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"Vorbemerkungen Erdaushub" beigefügt waren und wo es unter Punkt 1) heißt, für "den
Auftrag, die Ausführung und das Aufmaß mit Abrechnung sind die Bestimmungen der
VOB ... maßgebend" (Anlagenordner zur Berufungsbegründung vom 9. Januar 2002).
Auch die Klägerin wollte die Anwendung der VOB, wie sich aus der Fußzeile ihres
Briefbogens ergibt, indem dort ausdrücklich festgehalten wird, "Geschäftsgrundlage ist
vereinbarungsgemäß die VOB, Teil A. und B." (vgl. Bl. 95 d.A.). Das sollte für jedes
Gewerk gelten, bezog sich also nicht nur auf die Erdarbeiten, sondern betraf auch die
Außenanlagen. Dem hat die Beklagte nicht widersprochen, was aufgrund ihres
vorausgegangenen Erklärungsverhaltens nur so ausgelegt werden kann, daß sie damit
einverstanden gewesen ist.
Gegen die Wirksamkeit der übereinstimmend erstrebten Einbeziehung der VOB
bestehen keine Bedenken, so daß die Klägerin für eine endgültige Abrechnung eine
Schlußrechnung gemäß § 16 Nr. 3 VOB/B zu legen hat, die den Anforderungen des §
14 VOB/B genügt. Das ist Fälligkeitsvoraussetzung für die verlangte Schlußzahlung
(vgl. Locher/Vygen, VOB, 14. Aufl. 2001, § 16 Rdnr. 12). Daran fehlt es jedoch. Die
Rechnung Nr. ###1 vom 29. Dezember 1999, auf die sich die Klageforderung stützt,
erfüllt nicht annähernd die Voraussetzungen des § 14 VOB/B. Sie verstößt bereits
gegen das Gebot der Übersichtlichkeit (Nr. 1 Satz 2). Nach ihrer Überschrift soll sie
"Aussenanlagen" gemäß Angebot vom 14. März und Ergänzungsangebot vom 3. Juli
1995 zum Gegenstand haben. Das ist irreführend. Denn tatsächlich verhält sie sich im
wesentlichen über das Gewerk Erdarbeiten, das jedoch als solches keine Erwähnung
findet.
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Zwischen den Gewerken "Außenanlagen" und "Erdarbeiten", die beide von der Klägerin
für die Beklagte ausgeführt wurden, besteht weder ein tatsächlicher noch ein rechtlicher
Zusammenhang. Die Erdarbeiten, beruhend auf der Vereinbarung vom 16. Februar
1994, der Festpreisabrede vom 21. Februar 1994 (Bl. 86 d.A.), dem Ergänzungsauftrag
vom 21. März 1994 (Bl. 90 d.A.) sowie auf weiteren - teils streitigen - Nachträgen (Bl. 91
bis 94 d.A.) waren gegen Ende 1994 sämtlich abgeschlossen und hätten noch in jenem
Jahr endgültig abgerechnet werden können, nachdem die Beklagte insoweit drei
Abschlagszahlungen (Bl. 35 bis 37 d.A.) gemäß jeweiliger Aufforderung der Klägerin
vom 4. März, 30. März und 15. Juli 1994 über insgesamt 314.755,00 DM brutto gezahlt
hatte. Das Erstellen der Außenanlagen ist hingegen von der Klägerin erst unter dem 14.
März 1995 angeboten worden (Bl. 95 d.A.), ohne daß die Beklagte insoweit verpflichtet
gewesen wäre, der Klägerin einen Auftrag zu erteilen.
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Nachdem ihr auch dieses Gewerk übertragen worden war, hätte die Klägerin zwecks
äußerer Übereinstimmung mit den Vertragsunterlagen (vgl. Locher/Vygen aaO, § 14
Rdnr. 18) aus Gründen der Klarheit beide Gewerke getrennt abrechnen müssen. Daß
sie von dieser Verpflichtung entbunden worden sein könnte, wie sie im Senatstermin hat
glauben machen wollen, ist nicht ersichtlich. Ihre erstmalig aufgestellte Behauptung, mit
der "vierten Abschlagsrechnung" vom 13. April 1995 (Bl. 38 d.A.) hätten sich die
Parteien darauf geeinigt, daß der Auftrag über die Erdarbeiten nun endgültig
abgerechnet sei, jedoch mit Ausnahme der Zusatzarbeiten, die noch der Abrechnung
bedürften, hat die Beklagte bestritten. Dafür geben die aktenkundigen Umstände auch
nichts her. Im übrigen hätte selbst eine solche Vereinbarung die Klägerin nicht davon
freigestellt, hinsichtlich der verbliebenen Erdarbeiten eine eigenständige
Schlußrechnung im Sinne des § 14 Nr. 1 VOB/B zu legen, wenn auch in geringerem
Umfang und ohne Verrechnung der erhaltenen Abschläge. Keinesfalls durfte sie die
noch offenen Positionen ohne Einverständnis der Beklagten in eine andere Rechnung -
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gleichsam versteckt - eigenmächtig einstellen.
Die Beklagte muß die Abrechnung vom 29. Dezember 1999 auch nicht als
Schlußrechnung lediglich der Außenanlagen gegen sich gelten lassen. Ihr ist nicht
zuzumuten, die als solche nicht gekennzeichneten Positionen betreffend das Gewerk
Erdarbeiten anhand der nur schlagwortartigen Beschreibung herauszufiltern und die
Rechnung mittels eigener Unterlagen auf das zurückzuführen, was sie nach ihrer
Überschrift inhaltlich vorgibt. Vor derartigen Ermittlungstätigkeiten soll der Auftraggeber
durch die formellen Erfordernisse einer Schlußrechnung gerade bewahrt werden.
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Abgesehen davon wäre die Rechnung auch dann nicht prüfbar, wenn sie nur Positionen
aus dem Gewerk Außenanlagen enthielte. Die Klägerin hat insoweit eine "erste
Abschlagsrechnung" vom 11. Mai 1995 erteilt (Bl. 98 d.A.), mit der offenbar beabsichtigt
gewesen ist, die Positionen 2, 14 und 5 (richtig wohl: 3) des Angebots vom 14. März
1995 (Bl. 95 d.A.) gesondert abzurechnen, wobei in zwei Fällen die Angebotsmengen
als Abrechnungsmengen übernommen werden, ohne daß insoweit ein Beleg für die
tatsächliche Übereinstimmung von angebotener und ausgeführter Menge beigefügt ist.
Auch für die abweichend angegebene Ausführungsmenge fehlen Unterlagen. Diese
Abschlagsrechnung qualifiziert sich nur als eine solche und nicht etwa als rechtlich
wirksame Teil-Schlußrechnung mit der Folge, daß die Klägerin nur noch über den Rest
des Gewerkes Rechnung legen müßte. Zu einer abrechnungstechnischen Aufspaltung
des einheitlichen Gewerks in mehreren Schlußrechnungen ist sie ebensowenig
berechtigt wie zu einer weiteren Teilabschlagsrechnung des insgesamt schon mehrere
Jahre abgeschlossenen Gewerks. Schließlich kann die Klägerin nicht das
Ergänzungsangebot vom 3. Juli 1995 zum Gegenstand einer Schlußrechnung machen,
wenn sie im Senatstermin selbst einräumen muß, ihre letzte Leistung am 13. Juni 1995
ausgeführt zu haben. -
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Das Urteil ist in entsprechender Auslegung des § 26 Nr. 7 EGZPO gemäß § 540 Abs. 1
ZPO n.F. abgesetzt worden, weil es der Überprüfung nach neuem Recht unterliegt. Der
Senat hat für eine Zulassung der Revision keine Veranlassung gesehen, da die Sache
keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur
Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht
erforderlich erscheint.
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Das Urteil beschwert die Klägerin mit mehr als 20.000,-- Euro.
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