Urteil des OLG Hamm vom 26.03.2009

OLG Hamm: erstellung, gebühr, vollzug, form, aufwand, daten, geschäft, software, registerführung, eng

Oberlandesgericht Hamm, 15 Wx 158/08
Datum:
26.03.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 Wx 158/08
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 5 T 991/07
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 28,56 Euro festgesetzt.
I)
1
Der Beteiligte zu 1) fertigte am 5. Juni 2007 den Entwurf einer Anmeldung zum
Genossenschaftsregister und beglaubigte unter Nr. 361/2007 seiner Urkundenrolle die
Unterschriften zweier Vorstandsmitglieder der Kostenschuldnerin.
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Die Anmeldung übermittelte er auftragsgemäß in elektronischer Form, nämlich als
Bilddatei, dem Genossenschaftsregistergericht. Mit der Anmeldung übersandte er
ebenfalls die Strukturdaten im sog. XML-Format. Diese XML-Strukturdaten sind
erforderlich, um die bereitgestellten Dokumente in elektronischer Form im
Registergericht verwertbar zu machen. Die Anmeldungsdokumente werden im Notariat
als Bilddatei erstellt. Bei dieser Bilddatei handelt es sich aus Sicht des edv-Systems um
graphische Daten, die nicht als Schrift erkannt werden. Die sog. XML-TAGS
ermöglichen die elektronische Bearbeitung der Anmeldung, indem sie die
anmelderelevanten Daten in elektronisch lesbarer Form zur Verfügung stellen.
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Der Beteiligte zu 1) stellte seine Tätigkeit der Kostenschuldnerin mit Kostenrechnung
vom 17. Oktober 2007 mit insgesamt 94,37 Euro in Rechnung. Unter anderem
berechnete er aus einem Geschäftswert von 25.000,00 Euro eine 5/10 Gebühr gemäß
§§ 145 Absatz 1 Satz 1, 38 Absatz 2 Nr. 7 KostO für die Anmeldung der
Vorstandsänderung zum Genossenschaftsregister. Für die Erstellung der Strukturdaten
stellte er eine 5/10 Gebühr gemäß § 147 Absatz 2 KostO nach einem Geschäftswert von
6.250,00 Euro in Höhe von 24,00 Euro in Rechnung.
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Der Präsident des Landgerichts hat den Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom 28.06.2007
gemäß § 156 Absatz 6 KostO angewiesen, die Frage, ob der Ansatz der
Betreuungsgebühr für die Erstellung der Strukturdaten gerechtfertigt ist, gerichtlich zu
klären. Der Beteiligte zu 1) hat weisungsgemäß Kostenbeschwerde beim Landgericht
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eingelegt. Mit der Beschwerde hat er eine in formaler Hinsicht korrigierte
Kostenrechnung vom 17. Oktober 2007 vorgelegt.
Der Beteiligte zu 1) hat die Auffassung vertreten, die Gebühr gemäß § 147 Absatz 2
KostO sei im Hinblick auf den mit der Erstellung der aufbereiteten Daten verbundenen
erheblichen Aufwand gerechtfertigt. Es handele sich auch um eine im Auftrag der
Beteiligten vorzunehmende Tätigkeit, nicht um eine pflichtige Vollzugsaufgabe der
Notare. Aus § 12 HGB ergebe sich, dass die Anmeldung zum Handelsregister auch
ohne die XML-Strukturdaten bewirkt werden könne.
6
Nach Anhörung des Präsidenten des Landgerichts und der Kostenschuldnerin hat die
Kammer die Kostenrechnung durch Beschluss vom 08.04.2008 abgeändert und um die
Betreuungsgebühr nebst anteiliger Umsatzsteuer reduziert. Gegen diese Entscheidung
wendet sich der Beteiligte zu 1) aus eigenem Recht mit der durch das Landgericht
zugelassenen weiteren Beschwerde.
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II)
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Die weitere Beschwerde ist infolge Zulassung durch das Landgericht gem. § 156 Abs. 2
S. 2 KostO statthaft sowie fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des
Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass das Landgericht die angefochtene
Kostenberechnung zu seinem Nachteil abgeändert hat.
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In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts
nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 156 Abs. 4 S. 4 KostO, 27 Abs. 1 S. 1
FGG).
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer gem. § 156
Abs. 6 KostO zulässigen Anweisungsbeschwerde des Beteiligten zu 1) ausgegangen.
Auch in der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung im
Ergebnis stand.
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Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Landgerichts, dass es bereits an
einer im Auftrag der Beteiligten ausgeübten Tätigkeit im Sinne des § 147 Abs.2 KostO
fehlt, weil der Notar kraft ausdrücklicher "gesetzlicher" Anordnung zur Erstellung der
XML-Datei verpflichtet wäre. Entgegen der Auffassung der Kammer enthält die
Bekanntmachung der Landesjustizverwaltung aufgrund § 10 der Verordnung über die
elektronische Registerführung in Ziffer 6 keine Verpflichtung, die anmelderelevanten
Strukturdaten in Form einer XML-Datei zu übermitteln. Nach der dortigen Regelung
muss vielmehr allein eine XML-Datei mit dem gerichtlichen Aktenzeichen, einer
Kurzbezeichnung des Vorgangs, dem Firmennamen und dem Namen des Einreichers
übermittelt werden, also eine Art elektronisches Deckblatt, damit der Vorgang überhaupt
eingeordnet werden kann. Die hier in Frage stehenden XML-Dateien sollen hingegen
sämtliche anmelderelevanten Informationen enthalten und die komplette elektronische
Steuerung und Bearbeitung des Anmeldevorgangs ermöglichen (vgl. im Einzelnen
Jeep, Wiedemann NJW 2007, 2439; Willer, Krafka DNotZ 2006, 885).
12
Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen als
richtig. Eine Gebühr nach § 147 Abs.2 KostO kann für das Erstellen der XML-Datei nicht
in Ansatz gebracht werden, da es sich bei dieser Tätigkeit um ein Nebengeschäft im
Sinne des § 147 Abs.3, 35 KostO handelt.
13
Bei dem Gebührentatbestand des § 147 Abs.2 KostO handelt es sich um eine
Auffangregelung, deren Anwendung voraussetzt, dass die Kostenordnung für die
betreffende Notartätigkeit keine Gebühr bestimmt und auch keine Regelung enthält, aus
der sich ergibt, dass dem Notar für diese Tätigkeit keine gesonderte Gebühr erwachsen
soll (BGH NJW 2006, 3428; 2007, 3212). Keine Gebühr kann danach für
Nebengeschäfte im Sinne der §§ 147 Abs.3 und 4, 35 KostO verlangt werden.
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Als Nebengeschäft i.S. des § 35 KostO ist alles anzusehen, was mit dem Hauptgeschäft
so eng zusammenhängt, dass es nicht als ein selbstständiges Geschäft in Erscheinung
tritt, sowie im Verhältnis zum Hauptgeschäft als minder wichtig erscheint und
vorgenommen wird, um das Hauptgeschäft vorzubereiten oder den Vollzug des bereits
vorgenommenen Hauptgeschäfts zu fördern und den mit diesem beabsichtigten Erfolg
herbeizuführen (vgl. etwa Senat FGPrax 2002, 40f; OLG Zweibrücken FGPrax 2001,
167; BayObLGZ 1979, 383). Nach dieser Definition zählt zweifelsfrei auch der rechtliche
Vollzug des beurkundeten Vorgangs selbst (unabhängig von den daneben bestehenden
Rechtsverhältnissen der Beteiligten) zu dem Tätigkeitsbereich, in dem der Notar nach
den §§ 147 Abs.3, 35 KostO keine gesonderte Vergütung verlangen kann.
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Vorliegend hat der Beteiligte zu 1) die Anmeldung der Bestellung eines neuen
Vorstandes entworfen und beglaubigt. Diese Anmeldung der nach § 28 GenG
eintragungspflichtigen Tatsache hatte der Notar nach § 53 Abs.1 BeurkG beim
Genossenschaftsregister einzureichen, mithin zum Vollzug vorzulegen. Dass die
Erstellung der XML-Datei, die erst einen edv-förmigen Vollzug der Anmeldung
sicherstellt
(
2006, 885), den Vollzug der Anmeldung fördert und neben dieser keine eigenständige
Bedeutung hat oder auch nur haben kann, wird man nicht ernstlich in Frage stellen
können. Die Erstellung der Datei ist integraler Bestandteil des elektronisch
ausgestalteten Vollzugsvorganges und macht ohne denselben keinerlei Sinn. Soweit in
der Literatur versucht wird, der Erstellung der XML-Datei eine Sonderstellung außerhalb
des Vollzugsvorgangs zuzuweisen, überzeugt dies den Senat aus den folgenden
Gründen nicht.
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Das Abstellen auf den Aufwand der Erstellung der Datei (so Tiedtke/Sikora MittBayNot
2006, 393, 396) ist als Auslegungsargument im Rahmen des § 147 KostO wenig
tragfähig. Schon grundsätzlich ist der Aufwand einer Tätigkeit kein tragfähiges Argument
für das Entstehen einer Gebühr (BGH NJW 2005, 3218). Hinzu kommt jedoch, dass der
bei Einführung des elektronischen Handelsregisters beklagte Aufwand stark von der
Ausgestaltung der Arbeitsabläufe abhängt, die ihrerseits durch die eingesetzte Software
vorgegeben werden. Aktuell sind insoweit bei der gängigen Software bereits
Umgestaltungen erfolgt, die zu einer Arbeitsersparnis führen sollen (vgl. Rundschreiben
8/2008 der Bundesnotarkammer). Bereits diese Entwicklung zeigt, dass in dem
vorliegenden Zusammenhang der Arbeitsaufwand eine variable Größe ist, die als
Argument der Gesetzesauslegung sachlich kaum tauglich erscheint.
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Soweit in der Literatur darauf abgestellt wird, dass der Notar nicht zur Erstellung der
Datei verpflichtet sei (Otto JurBüro 2007, 120, 123), ist dies zwar zutreffend (vgl. oben),
für die Beurteilung, ob ein sog. Nebengeschäft vorliegt, aber ohne Bedeutung. Denn §
147 Abs.3 KostO setzt gerade nicht voraus, dass es sich um ein pflichtgebundenes
Geschäft des Notars handelt (BGH NJW 2006, 3428; Rohs/Wedewer, KostO, Stand
2007, § 147 Rdn.26).
18
Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131
Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.
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