Urteil des OLG Hamm vom 20.01.2009

OLG Hamm: stadt, öffentlich, abfallentsorgung, satzung, deckung, abwasserentsorgung, verbindlichkeit, grundstück, einheit, auflage

Oberlandesgericht Hamm, 15 Wx 164/08
Datum:
20.01.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 Wx 164/08
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 9 T 472/06
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die Wertfestsetzung für die Vorinstanzen
abgeändert wird.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt die
Beteiligte zu 6).
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten findet
auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde nicht statt.
Der Gegenstandswert für das Verfahren in allen Instanzen wird auf
13.620,23 € festgesetzt:
I.
1
Durch notarielle Erklärung vom 22.12.1994 teilte der Beteiligte zu 7) das in seinem
Eigentum stehende und mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück B-Straße in E
derart in Wohnungs- und Teileigentum auf, dass die Miteigentumsanteile verbunden
waren mit dem Sondereigentum an sieben Wohnungen und Teileigentum an vierzehn
Tiefgarageneinstellplätzen und Garagen (UR-Nr #####/####des Notars T in E).
2
In der Folgezeit veräußerte der Beteiligte zu 7) in den Jahren 1997 und 1998 die
Tiefgaragenplätze und Garagen an die Beteiligte zu 6) und die Wohnung im dritten
Obergeschoss an den Beteiligten zu 5). Es fanden weder Versammlungen der
Wohnungseigentümer statt noch wurden Wirtschaftspläne aufgestellt oder
Jahresabrechnungen angefertigt. Die Beteiligten zahlten auch kein Hausgeld.
3
Die Beteiligte zu 1) erwarb das Eigentum an der Dachgeschosswohnung mit Wirkung
zum 4.2.2003. Die weiteren Beteiligten zu 2), 3) und 4) erwarben ihr Eigentum in den
Jahren 2004 und 2005.
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Mit Beschluss vom 20.6.2002 hatte das Amtsgericht Dortmund die Beteiligte zu 8) als
Notverwalterin bestellt. In der Eigentümerversammlung vom 29.9.2003 wurde die
Beteiligte zu 8) zur Verwalterin bestellt.
5
Die Stadt E setzte mit Bescheiden vom 31.1.2000, 15.1.2001, 21.1.2002, 4.8.2003,
20.1.2004 und 20.01.2005 die Gebühren für Abwasser, Straßenreinigung und
Abfallentsorgung fest. Die Bescheide für die Jahre 2000 und 2001 sind an die
Hausverwaltung des Beteiligten zu 7), des damaligen Mehrheitseigentümers, adressiert,
die folgenden Bescheide an die Wohnungseigentümer der Eigentümergemeinschaft B-
Straße z. Hd. des Verwalters. Die Grundbesitzabgaben wurden ab dem dritten Quartal
2000 nicht mehr bezahlt. Bereits mit Beschluss vom 29.9.2003 hatten die
Wohnungseigentümer eine Sonderumlage in Höhe von 500,00 € je Einheit zur Tilgung
der aufgelaufenen Verbindlichkeiten für Versicherungen und Grundbesitzabgaben
beschlossen. Es wurden jedoch nur 1.000,00 € gezahlt. Zahlungen auf die
Grundbesitzabgaben nahm die Verwalterin nicht vor.
6
Die Stadt E forderte mit Schreiben vom 9.3.2005 die Beteiligte zu 6) auf, die
rückständigen Benutzungsgebühren für die Teil/-Wohnungseigentumsanlage B-Straße
für den Zeitraum vom 3. Quartal 2000 bis zum 1. Quartal 2005 in Höhe von 10.833,58 €
zuzüglich Mahngebühren und Säumniszuschlägen, und damit insgesamt 13.525,73 € zu
zahlen. In dem Schreiben wurde darauf verwiesen, dass die Benutzungsgebühren durch
die Gebührenbescheide rechtskräftig festgesetzt worden seien und jeder
Wohnungseigentümer für diese Verbindlichkeiten als Gesamtschuldner in voller Höhe
hafte.
7
Mit Schreiben vom 3.5.2005 lud die Verwalterin zu einer Eigentümerversammlung, bei
der unter TOP 2 behandelt werden sollte "Ausgleich des Zahlungsrückstandes bei der
Stadt E – Festsetzung einer Sonderzahlung". Der Einladung war der Entwurf einer
Berechnung beigefügt, nach dem der Gesamtrückstand in Höhe von mittlerweile
13.620,23 € im Verhältnis der Miteigentumsanteile aufgeteilt werden sollte. Die
Berechnung wies die auf jede Einheit entfallenden Zahlungsanteile aus.
8
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 19.5.2005 wurde unter TOP 2 mit
einfacher Mehrheit folgender Beschluss gefasst:
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"Die Versammlung beschließt eine einmalige Sonderzahlung der Eigentümer zum
Ausgleich des bei der Stadt E bestehenden Zahlungsrückstands in Höhe 13.620,23 €.
Die einmalige Sonderzahlung wird ermittelt auf der Grundlage der Miteigentumsanteile
und ist zur sofortigen Zahlung fällig."
10
Mit Antrag vom 14.6.2005 haben die Beteiligten zu 2) und 3) beantragt, den zu TOP 2
gefassten Beschluss für ungültig zu erklären.
11
Mit Antrag vom 17.6.2005 hat die Beteiligte zu 1) beantragt, den zu TOP 2 gefassten
Beschluss für ungültig zu erklären. Ein weiterer von der Beteiligten zu 1) gestellter
Antrag ist rechtskräftig zurückgewiesen worden.
12
Das Amtsgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 30.5.2006 zurückgewiesen.
13
Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 19.6.2006, die
14
Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz vom 22.6.2006 und der Beteiligte zu 3) mit Schriftsatz vom
23.6.2006 sofortige Beschwerde eingelegt. Der Beteiligte zu 3) hat seine Beschwerde
später zurückgenommen. Mit Beschluss vom 16.5.2008 hat der Einzelrichter der 9.
Zivilkammer den zu TOP 2 gefassten Beschluss der Eigentümerversammlung für
ungültig erklärt.
Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 6).
15
II.
16
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 62 Abs. 1 WEG n.F., 45 Abs. 1, 43 Abs. 1
WEG a.F., 27, 29 FGG statthaft sowie frist – und formgerecht eingelegt.
17
Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 6) folgt daraus, dass das Landgericht den
amtsgerichtlichen Beschluss zu ihrem Nachteil abgeändert hat.
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Das Rechtsmittel ist nicht begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf
einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG).
19
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von nach § 45 Abs. 1
WEG zulässigen Erstbeschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) ausgegangen.
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Das Landgericht hat auch im Ergebnis zu Recht den zum TOP 2 in der
Eigentümerversammlung vom 19.5.2005 gefassten Beschlusses für unwirksam erklärt.
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Das Landgericht ist dabei zutreffend von dem Ansatz ausgegangen, dass der rechtzeitig
angefochtene Beschluss über die Sonderumlage nur dann Bestand haben kann, wenn
er ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
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Die Sonderumlage ist rechtlich eine Ergänzung des Wirtschaftsplans, § 28 Abs. 1 WEG
(BGH NJW 1989, 3018). Zu überprüfen ist daher, ob die Beträge zur Deckung
voraussichtlicher Ausgaben der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erhoben
werden. Die Erforderlichkeit der zu deckenden Ausgaben muss sich an den Maßstäben
ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs. 4 WEG) orientieren.
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1. Die Erforderlichkeit der Mittelaufbringung ergibt sich hier zunächst nicht daraus, dass
es sich bei den in den Gebührenbescheiden der Stadt E für die Jahre 2000 – 2005
festgesetzten Grundbesitzgebühren für Abwasser, Abfallentsorgung und
Straßenreinigung um eine Verbindlichkeit der teilrechtsfähigen
Wohnungseigentümergemeinschaft handeln würde, zu deren Deckung jeder
Wohnungseigentümer im Rahmen seiner Verpflichtung zur erforderlichen finanziellen
Ausstattung der Gemeinschaft (BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061, im Folgenden zitiert
nach juris, hier Rn. 45) heranzuziehen wäre. Denn die Zahlungspflicht aufgrund der
Gebührenbescheide trifft hier nicht die teilrechtsfähige
Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern die Wohnungseigentümer persönlich.
24
Mit der Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähiges
Subjekt durch den BGH in seinem Beschluss vom 2.6.2005 (a.a.O.) ist eine Abgrenzung
der Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer von denen der
Wohnungseigentümergemeinschaft als Rechtssubjekt erforderlich geworden. Diese
Differenzierung ist auch für Sachverhalte durchzuführen, die zeitlich vor dem Beschluss
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des BGH liegen. Nach dem Ansatz des BGH bleiben Inhaber der Rechte und Pflichten
nach den Vorschriften des WEG, des sonstigen privaten und öffentlichen Rechts oder
aus den von ihnen abgeschlossenen Verträgen die Wohnungseigentümer, soweit etwas
anderes nicht ausdrücklich bestimmt ist. Der BGH hat in seinem Beschluss zur
Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft den Bereich der der
Wohnungseigentümergemeinschaft zugewiesenen Rechte und Pflichten auf den
Bereich beschränkt gesehen, "soweit sie (die Wohnungseigentümergemeinschaft) bei
der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt" (BGH,
Beschluss vom 2.6.2005, Rn. 50). Die Rechtsfähigkeit der
Wohnungseigentümergemeinschaft – und damit auch ihre Fähigkeit, Schuldner von
Verbindlichkeiten zu werden – ist damit auf die Teilbereiche des Rechtslebens
beschränkt, bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des
gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsverkehr teilnehmen.
Soweit es um rechtsgeschäftlich begründete Pflichten geht, die gemeinschaftsbezogen
sind, wird regelmäßig von einem Handeln des Verwalters für die teilrechtsfähige
Wohnungseigentümergemeinschaft ausgegangen (BGH NZM 2007, 363, Rn. 22 – zitiert
nach juris).
26
Die Zahlungspflicht beruht hier demgegenüber auf den Gebührenbescheiden der Stadt
E, die in diesen die Gebühren für Abwasser, Abfallentsorgung und Straßenreinigung
festgesetzt hat.
27
Bei den hier erhobenen Gebühren handelt es sich um sogenannte
Benutzungsgebühren, für deren Erhebung in Nordrhein-Westfalen § 6 des
Kommunalabgabengesetzes (im Folgenden: KAG NW) die Grundlage schafft. Es ist den
Gemeinden dabei grundsätzlich frei gestellt, ob sie die zu erhebenden Gebühren
öffentlich-rechtlich im Wege einer Satzung regeln oder den Weg eines privat-rechtlichen
Vertrages mit dem Gebührenpflichtigen wählen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KAG NW). Für
letzteren gilt jedoch, dass es eines ausdrücklichen Vertragsschlusses nicht zwingend
bedarf und sich die Verpflichtung zur Bezahlung der Gebühren ohne individuellen
Begründungsakt aufgrund der gesetzlichen Vorgaben des Anschluss- und
Benutzungszwangs im Wege der tatsächlichen Inanspruchnahme bei der Abfall- und
Abwasserentsorgung und der tatsächlichen Leistungsgewährung bei der
Straßenreinigung vollziehen kann (Wolf/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, 11. Auflage, §
23 Rn. 34).
28
Die Stadt E hat die von ihr zu erhebenden Gebühren öffentlich-rechtlich ausgestaltet.
Sie erhebt die Gebühren auf der Grundlage von Satzungen, die öffentlich bekannt
gemacht werden (Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Abfallentsorgung in
der Stadt E – im folgenden AbfGS, Satzung über die Straßenreinigung und Erhebung
von Straßenreinigungsgebühren in der Stadt E – im folgenden StrRGS und
Abwassergebührensatzung der Stadt E – im folgenden AbwGS). Diese Satzungen
finden ihre Grundlage in den Landesgesetzen des Landes Nordrhein-Westfalen (§ 9
Abfallgesetz, § 3 des Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Straßen und § 65
Wassergesetz), die ihrerseits für die Erhebung von Gebühren auf das KAG NW Bezug
nehmen. Dort wird in § 6 Abs. 5 bestimmt, dass diese grundstücksbezogenen
Benutzungsgebühren als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen.
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Die Gebührentatbestände knüpfen damit die Gebührenpflicht daran an, wer Eigentümer
des Grundstücks ist. Eigentümer eines Grundstücks, an dem Wohnungseigentum
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begründet ist, sind aber die einzelnen Wohnungseigentümer und nicht die
teilrechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft. So wird auch in der grundlegenden
Entscheidung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft
ausdrücklich hervorgehoben, dass das Sondereigentum und das
Gemeinschaftseigentum als echtes Eigentum ausschließlich in den Händen der
Miteigentümer verbleiben und nicht Teil des Vermögens des rechtsfähigen Verbandes
wird (Beschluss vom 2.6.2005, Rn. 48).
Dieses spricht eindeutig für eine Verpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer als
Inhabern des Gemeinschafts- und Sondereigentums. Da die
Wohnungseigentümergemeinschaft selbst nicht Eigentümerin des Grundstücks ist, kann
die Gebührenpflicht ihr gegenüber zumindest dann nicht bejaht werden, wenn die
Gebührenpflicht ausschließlich öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist.
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Die Satzungen der Stadt E verstärken die Zuordnung der Gebührenpflicht zu den
Pflichten der einzelnen Wohnungseigentümern noch, indem sie die persönliche und
gesamtschuldnerische Haftung jedes Miteigentümers auf den Zeitraum beschränken, in
dem die Eigentümerstellung besteht.
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Die relevanten Satzungen der Stadt E lauten in ihren Bestimmungen zum
"Gebührenschuldner" inhaltlich gleich:
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"Die persönliche Gebührenpflicht des Grundstückseigentümers entsteht mit Beginn
des Monats, der auf den Erwerb des Eigentums oder Nutzungsrechts folgt und
endet am Schluss des Monats, in dem das Eigentum oder Nutzungsrecht auf einen
anderen übertragen wird" (§ 5 Abs. 1 Satz 2 AbfGS; § 9 Abs. 2 StrRGS und § 7
Abs. 3 AbwGS).
34
Auf die Wohnungseigentümergemeinschaft wäre diese Beschränkung der persönlichen
Gebührenpflicht nicht anzuwenden, da sie ja gerade nicht Eigentümerin des
Grundstücks wird oder diese Eigentümerstellung aufgeben könnte. Die
Haftungstatbestände sind damit auf den einzelnen Wohnungseigentümer zugeschnitten.
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Dass die in den kommunalen Gebührenregelungen vorgesehene gesamtschuldnerische
Haftung der Wohnungseigentümer nicht durch die Rechtsprechung des BGH zur
Teilrechtsfähigkeit verdrängt wird, ist in der höchstrichterlichen
Verwaltungsrechtsprechung anerkannt (BVerwG NJW 2006, 791).
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Eine eigene Verbindlichkeit der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft
ließe sich damit nur dann bejahen, wenn diese durch eine ihr zurechenbare Erklärung
gegenüber der Stadt E eine eigenständige Haftung neben derjenigen der
Wohnungseigentümer eingegangen wäre. Für eine derartige Erklärung ist für die hier
relevanten Zeiträume von 2000 bis 2005 nichts ersichtlich.
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Im Unterschied zu den durch Rechtsgeschäft eingegangenen Verpflichtungen fehlt es
bei der Gebührenpflicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Satzung in der Regel an einem
nach außen erkennbaren Handeln der Wohnungseigentümergemeinschaft, aufgrund
dessen der Gläubiger – hier die Stadt E – von einer Verpflichtung der teilrechtsfähigen
Wohnungseigentümergemeinschaft ausgehen könnte.
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Etwas anderes kann gelten, wenn die Kommune die Inanspruchnahme der kommunalen
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Leistung nicht öffentlich-rechtlich durch Satzung, sondern durch privat-rechtlichen
Vertrag ausgestaltet hat (so KG Berlin Beschluss vom 12.2.2008 – 27 U 36/07 - ZMR
2008, 557/558 auf der Grundlage des in Berlin privatrechtlich ausgestalteten Entgelts für
die Abwasserentsorgung). Denn bei privatrechtlichen Verträgen ist es im Wege der
Vertragsauslegung möglich, alleine die Wohnungseigentümergemeinschaft, die im
Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums für die Abwasser- und
Abfallentsorgung sowie die Straßenreinigung Sorge zu tragen hat, als Vertragspartner
anzusehen. Einer derartigen Auslegung sind öffentlich-rechtliche Gebührentatbestände
aber nicht zugänglich.
In der Literatur wird zum Teil eine Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft auch
für öffentliche Gebühren bejaht (so ausdrücklich Sauren ZMR 2006, 750/751). Die dort
angeführten Argumente vermögen aber nach Ansicht des Senats nicht zu überzeugen.
Soweit dort angeführt wird, dass zwar der Benutzungszwang öffentlich-rechtlicher Natur
sei, die aufgrund dieses Zwangs begründeten, auf Austausch von Leistungen
gerichteten Benutzungsverhältnisse aber nicht, kann dieses nur für die
Zahlungsverpflichtungen gelten, die der kommunale Träger aufgrund von dem privaten
Recht zuzuordnenden Entgeltregelungen erhebt. Jedenfalls beziehen sich die vom
Autor zitierten Entscheidungen des BGH (MDR 1984, 558 und NJW 2005, 1772) auf
eine derartige Konstellation und nicht auf die hoheitliche Erhebung von Gebühren.
Zudem wird in der Argumentation entgegen dem ausdrücklichen Dictum des BGH der
teilrechtsfähige Verband als Grundstückseigentümer angesehen. Letztlich kann auch
aus der Adressierung des Gebührenbescheides kein zwingender Rückschluss gezogen
werden. Angesichts der kommunalabgabenrechtlich zwingenden persönlichen Haftung
nur der Wohnungseigentümer kann die oben dargestellte Adressierung der
Gebührenbescheide nicht anders verstanden werden, dass der Verwalter lediglich als
Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümer (§ 27 Abs. 2 Ziffer 3 WEG a. F.)
herangezogen worden ist.
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2. Die Ordnungsmäßigkeit der Sonderumlage folgt auch nicht aus § 16 Abs. 2 WEG.
41
Danach ist zwar jeder Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern
gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem
Verhältnis seines Anteils zu tragen. Dementsprechend hat der einzelne
Wohnungseigentümer allerdings einen Anspruch darauf, dass die öffentlichen Lasten
des Grundstücks in das System der gemeinschaftlichen Mittelaufbringung,
Mittelverwendung und Abrechnung einbezogen werden. Im Grundsatz zwingender
Gegenstand ordnungsgemäßer Verwaltung ist es daher, den einzelnen
Wohnungseigentümer von seiner gesamtschuldnerischen Gebührenschuld zu entlasten,
indem die rechtzeitige Zahlung der Gebühren aus Mitteln der Gemeinschaft
sichergestellt wird. Dieses hat durch Einstellung der Gebühren in den Wirtschaftsplan
und die Jahresabrechnungen unter anteiliger Belastung der einzelnen
Wohnungseigentümer zu geschehen.
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Der Gemeinschaft steht insoweit kein Ermessensspielraum zu, ob sie diese
Angelegenheit an sich ziehen will, weshalb es der Senat für problematisch hält, in
diesem Zusammenhang von einer "gekorenen Wahrnehmungsbefugnis" zu sprechen
(Bärmann – Wenzel, Kommentar zum WEG, 10. Auflage, § 10 Rn. 310).
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Die dargestellten Grundsätze können uneingeschränkt allerdings nur für die
Mittelaufbringung zur Deckung der Gebührenschuld des laufenden Wirtschaftsjahres
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bzw. für bereits aus Mitteln der Gemeinschaft erfolgte Zahlungen durch die
Jahresabrechnung gelten. Handelt es sich demgegenüber – wie hier – um eine
gemeinsame Mittelaufbringung für eine in der Vergangenheit entstandene
Gebührenschuld, die nur deshalb fortbesteht, weil eine gemeinschaftliche Verwaltung
insoweit nicht durchgeführt worden ist, ist die Ordnungsmäßigkeit dieser Maßnahme am
allgemeinen Maßstab des § 21 Abs. 4 WEG zu messen, also daran, ob sie dem
Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.
Danach entspricht der Beschluss zum TOP 2 unter Berücksichtigung der Interessen der
in die Gemeinschaft neu eingetretenen Wohnungseigentümer nicht billigem Ermessen.
Denn jeden Wohnungseigentümer trifft im eigenen Interesse eine
Mitwirkungsobliegenheit, auf eine ordnungsgemäße Verwaltung, insbesondere die
regelmäßige Beschlussfassung über die Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen,
hinzuwirken. Verletzt er diese Obliegenheit, kann er nicht erwarten, dass später in die
Gemeinschaft eintretende Wohnungseigentümer sich an dem Ausgleich der finanziellen
Folgen seiner Nachlässigkeit beteiligen. Umgekehrt muss ein in die Gemeinschaft neu
eintretender Wohnungseigentümer zwar damit rechnen, sich im Rahmen des
Rechnungswesens der Gemeinschaft an der Abdeckung bereits geleisteter Ausgaben
und entstandener Verbindlichkeiten der Gemeinschaft beteiligen zu müssen. Dies gilt
jedoch nicht für die Erhebung von Beiträgen, die allein dem Zweck dienen, eine in der
Vergangenheit entstandene, aus Gemeinschaftsmitteln nicht gedeckte Gebührenschuld
entsprechend dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel anteilig auf Neueigentümer
abzuwälzen, zumal diese nach den kommunalrechtlichen Gebührenbestimmungen für
die vor ihrem Eigentumserwerb entstandenen Gebühren gerade nicht aufkommen
müssen.
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Nach diesen Kriterien käme hier eine Beschlussfassung über eine gemeinsame
Mittelaufbringung allein für die anteilige Gebührenschuld für das erste Quartal 2005 in
Betracht. Nach dem Vorbringen der Beteiligten ist jedoch nicht ersichtlich, dass es dazu
überhaupt der Erhebung einer Sonderumlage bedarf, und dieser Betrag nicht vielmehr
in den regulären Wirtschaftsplan eingestellt werden kann bzw. dort bereits eingestellt
worden ist.
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Die Kostenentscheidung für die sofortige weitere Beschwerde beruht auf § 47 WEG.
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Es entspricht billigem Ermessen, dass die in der Hauptsache unterliegende Beteiligte zu
6) die Gerichtskosten dieser Instanz zu tragen hat. Angesichts der unterschiedlichen
Entscheidungen in den beiden Tatsacheninstanzen besteht auch kein Grund von dem
gesetzlichen Regelfall abzuweichen, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen
Kosten jeweils selbst tragen.
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Die Kostenentscheidung des Landgerichts berücksichtigt hinsichtlich der anteiligen
Kostentragungspflicht der Beteiligten zu 1) und 3) an den Gerichtskosten deren
Unterliegen mit ihrem Verpflichtungsantrag bzw. der vorgenommenen Rücknahme der
Beschwerde und entspricht daher billigem Ermessen.
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Die Wertfestsetzung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf §
48 Abs. 3 WEG. Nach S. 1 der Vorschrift ist das Interesse sämtlicher Beteiligter der
Wertberechnung zugrundezulegen, das hier dem Betrag der beschlossenen
Sonderumlage von 13.620,23 Euro entspricht. Von diesem Betrag weicht das
wirtschaftliche Eigeninteresse der Beteiligten zu 1) bis 3) in seiner Summe nicht so
50
signifikant ab, dass eine Herabsetzung des Wertes nach § 48 Abs. 3 S. 2 WEG geboten
wäre. Dementsprechend hat der Senat gleichzeitig gem. § 31 Abs. 1 S. 2 KostO die
Wertfestsetzungen beider Vorinstanzen abgeändert.