Urteil des OLG Hamm vom 28.07.2005

OLG Hamm: fahrverbot, geschwindigkeitsüberschreitung, höchstgeschwindigkeit, rechtskraft, führer, ordnungswidrigkeit, ausnahmefall, härte, firma, verwahrung

Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss OWi 374/05
Datum:
28.07.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ss OWi 374/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Lübbecke, 9 OWi 44 Js 205/05 (22/05)
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den
diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird
im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht
Lübbecke zurückverwie-sen.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Das Amtsgericht Lübbecke hat mit dem angefochtenen Urteil vom 18.03.2005 gegen
den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 75,- € sowie ein einmonatiges Fahrverbot
verhängt. Gleichzeitig hat es bestimmt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der
Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens
jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
3
Nach den Urteilsfeststellungen überschritt der Betroffene am 16.09.2004 um 17.22 Uhr
mit dem von ihm geführten PKW auf der L 770 in T außerhalb geschlossener Ortschaft
die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 34 km/h.
4
Gegen den Betroffenen war zuvor mit Bußgeldbescheid des Kreises I vom 09.02.2004,
rechtskräftig seit dem 28.02.2004, wegen Überschreitens der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h ein Bußgeld in Höhe von 50,- € verhängt worden.
5
Zu den beruflichen Verhältnissen des Betroffenen hat das Amtsgericht festgestellt, dass
dieser als Betriebsleiter der Firma X tätig ist und etwa 2.000, € netto monatlich verdient.
6
Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen
einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung für schuldig befunden und gegen
ihn die für einen solchen Verstoß nach der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehene
Regelgeldbuße von 75,- € verhängt. Es ist zudem vom Vorliegen eines Regelfalles
gemäß § 4 Abs. 2 BKatV ausgegangen und hat gegen den Betroffenen ein
einmonatiges Fahrverbot verhängt und dazu u.a. ausgeführt:
7
"Im vorliegenden Fall war es auch nicht angezeigt, von der Verhängung eines
Fahrverbots gegen Erhöhung der Geldbuße wegen besonderer Härten abzusehen.
8
Der Betroffene hat zwar vorgetragen, er sei zur Ausübung seines Berufes auf einen
Pkw angewiesen und benötige daher zwingend den Führerschein. Jedoch handelt
es sich vorliegend um den zweiten bußgeldrelevanten Geschwindigkeitsverstoß
des Betroffenen innerhalb eines Zeitraums von nur einem Jahr. Dies lässt darauf
schließen, dass der Betroffene allein durch die Verhängung von Bußgeldern nicht
zu verkehrsgerechten Verhalten bewegt werden kann. Die Verhängung eines
Fahrverbots erscheint daher zur Einwirkung auf den Betroffenen erforderlich. Daher
konnte selbst unter Berücksichtigung möglicher beruflicher Schwierigkeiten nicht
von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen werden. Darüber hinaus müsste
den Betroffenen die Tatsache, dass er beruflich auf den Führerschein angewiesen
ist, dazu bewegen, sich in besonderem Maße verkehrsgerecht zu verhalten. Ist dies
nicht der Fall, so hat der Betroffene die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu
tragen."
9
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er unter
näheren Ausführungen die Sachrüge erhebt.
10
II.
11
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat mit der erhobenen Sachrüge hinsichtlich
des Rechtsfolgenausspruches in der Sache auch einen zumindest vorläufigen Erfolg.
12
1.
13
Die Überprüfung des Schuldausspruches des angefochtenen Urteils hat keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Insoweit war daher die
Rechtsbeschwerde entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§
79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
14
2.
15
Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand
haben.
16
Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der Betroffene nach seiner Einlassung zur
Ausübung seines Berufes auf einen PKW angewiesen ist und daher zwingend seinen
Führerschein benötigt. Darüber hinaus ist in den Urteilsgründen die Rede von
möglichen beruflichen Schwierigkeiten des Betroffenen infolge des Fahrverbotes. Das
Amtsgericht hat sich aber weder näher mit der Einlassung des Betroffenen befasst, noch
in den Urteilsgründen ausgeführt, welche beruflichen Nachteile der Betroffene bei der
17
Verhängung eines Fahrverbotes zu befürchten hat, sondern ausschließlich darauf
abgestellt, dass es sich bei der hier in Rede stehenden Geschwindigkeits-
überschreitung des Betroffenen um dessen zweiten bußgeldrelevanten
Geschwindigkeitsverstoß innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr handele und
deshalb der Betroffene nur noch durch die Verhängung eines Fahrverbotes zu einem
verkehrsgerechten Verhalten bewegt werden könne. Dies erweist sich als
rechtsfehlerhaft. Denn für die Verhängung des Regelfahrverbotes gemäß § 4 Abs. 2 S. 2
BKatV ist es Voraussetzung, dass der Betroffene innerhalb eines Jahres, nachdem
gegen ihn als Führer eines Kraftfahrzeuges wegen einer
Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h eine Geldbuße festgesetzt
worden ist, er eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung in diesem Umfang begeht.
Dabei erfasst die gesetzliche Regelfallbeschreibung auch die Fallgestaltung, dass der
Betroffene beide Geschwindigkeitsüberschreitungen innerhalb eines Jahres begeht,
abgesehen davon, dass sich aus den Urteilsgründen ohnehin nur ergibt, dass der
Betroffene die hier in Rede stehende Ordnungswidrigkeit innerhalb eines Jahres seit
Rechtskraft des Bußgeldbescheides des Kreises I vom 09.02.2004 begangen hat, da
die Tatzeit des Verstoßes, die dem vorgenannten Bußgeldbescheid zugrunde liegt,
nicht mitgeteilt wird.
Die Erwägungen des Amtsgerichts zu den beiden von dem Betroffenen begangenen
Geschwindigkeitsüberschreitungen rechtfertigen daher zwar die Annahme eines
beharrlichen Verstoßes i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG. Die Ablehnung eines Absehens
von der Verhängung des Regelfahrverbotes wegen besonderer Härte kann jedoch auf
die diese Erwägungen, aus denen sich lediglich das vorliegender Voraussetzungen für
die Verhängung des Regelfahrverbotes gemäß § 4 Abs. 2 BKatV ergibt, nicht gestützt
werden. Vielmehr hätte das Amtsgericht sich mit der Einlassung des Betroffenen
auseinandersetzen und prüfen müssen, ob die Verhängung des Regelfahrverbotes
angemessen ist oder dessen Folgen den Betroffenen möglicherweise unzumutbar
belasten. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils im gesamten
Rechtsfolgenausspruch, da zwischen Geldbuße und Fahrverbot eine Wechselwirkung
besteht. Eine eigene Sachentscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG kommt
nicht in Betracht, da unter Berücksichtigung der in den Urteilsgründen wiedergegebenen
Einlassung des Betroffenen, er sei zwingend auf seinen Führerschein angewiesen und
habe bei der Verhängung eines Fahrverbotes berufliche Nachteile zu befürchten, ein
Ausnahmefall, der ein Absehen von dem Regelfahrverbot rechtfertigen könnte, nicht
völlig ausgeschlossen werden kann und die bisherigen Feststellungen des
Amtsgerichts, da jegliche Auseinandersetzung mit der Einlassung des Betroffenen fehlt,
keine abschließende Entscheidung ermöglichen.
18