Urteil des OLG Hamm vom 18.05.2006

OLG Hamm: form, bevollmächtigung, verwalter, gerichtsbarkeit, abrechnung, entlastung, verwaltung, öffentlich, genehmigung, ungültigerklärung

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 25/06
Datum:
18.05.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 25/06
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 23 T 509/05
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen
Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde werden
der Beteiligten zu 1) auferlegt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu
erstatten.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.800 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Beteiligten zu 1) und 2) bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft B 33 in C.
Derzeitige Verwalterin der Anlage ist die Beteiligte zu 3).
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In der Eigentümerversammlung vom 21.04.2004 wurden mehrheitlich u.a. folgende
Beschlüsse gefasst:
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Unter TOP 4 wurde die von der damaligen Verwalterin, Frau I, unter dem
01.03.2004 erstellte Jahresabrechnung 2003 genehmigt und der damaligen
Verwalterin für das Abrechnungsjahr 2003 die Entlastung erteilt.
Unter TOP 5 wurde beschlossen, die Abrechnungen auch zukünftig in der Form
der soeben genehmigten Abrechnung 2003 zu erstellen.
Unter TOP 6 wurde beschlossen, die Form der Abrechnung 2003 zu genehmigen,
Unter TOP 7 wurde der am 23.03.04 erstellte Wirtschaftsplan 2004 genehmigt.
Unter TOP 8 wurde der Sohn der Miteigentümerin L zum neuen Verwalter der
Anlage für 1 Jahr zu den "bestehenden Konditionen" bestellt.
Unter TOP 15 wurde beschlossen, die Zuführung zur Instandhaltungsrücklage von
bisher 7.000,00 € pro Jahr auf 8.000,00 € pro Jahr (das sind 8 € je 1.000stel Anteil)
anzuheben.
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6
In dem Wirtschaftsplan für 2004 finden sich die Positionen
7
Finanzamt 3 Mon für 2003* 260 €
8
Knappschaft Sozialversicherung* 1.250 €
9
* für Hausmeister und Verwalter
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Mit dem am 18.05.04 bei dem Amtsgericht eingegangenen Antrag hat die Beteiligte
zu 1) beantragt, die vorgenannten in der Eigentümerversammlung vom 21.04.2004
gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.
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Am 01.08.2004 fand eine weitere Eigentümerversammlung statt, in der folgende
Beschlüsse mehrheitlich gefasst wurden:
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Unter TOP 5 wurde die Genehmigung der Abrechnung 2003 durch die
Eigentümerversammlung vom 21.04.2004 aufgehoben.
Unter TOP 6 wurde die von der damaligen Verwalterin I unter dem 01.08.2004 neu
erstellte Jahresabrechnung 2003 genehmigt.
Unter TOP 7 wurde der in der Eigentümerversammlung vom 21.04.2004 zu TOP 5
gefasste Beschluss über die zukünftige Abrechnungsweise aufgehoben und
zugleich beschlossen, die Abrechnungen zukünftig in der Form der unter dem
01.08.2004 neu erstellten Jahresabrechnung 2003 zu erstellen.
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14
Im Hinblick auf die in der Eigentümerversammlung vom 11.08.04 erfolgte Genehmigung
der unter dem 01.08.04 neu erstellten Jahresabrechnung 2003 haben die Beteiligten
das Anfechtungsverfahren hinsichtlich der in der Eigentümerversammlung vom
21.04.2004 unter TOP 4 genehmigten Jahresabrechnung 2003 in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Hinsichtlich ihrer Anfechtungsanträge hat die Beteiligte zu 1), die die für das Jahr 2004
zu zahlenden Hausgeldvorauszahlungen entsprechend dem am 21.04.2004
beschlossenen Wirtschaftsplan geleistet hat, geltend gemacht: Der Beschluss über die
zukünftige Form der Abrechnung sei fehlerhaft, da es sich bei der zugrundeliegenden
Abrechnung vom 01.03.04 nicht um eine reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung
gehandelt habe. Der Wirtschaftsplan für das Jahr 2004 sei fehlerhaft, weil er
unberechtigt hinsichtlich der Vergütung des Verwalters Lohnnebenkosten, nämlich
Sozialversicherungsbeiträge und Pauschalsteuern berücksichtige, ohne dass dies
durch entsprechende Beschlüsse oder Vereinbarungen der Gemeinschaft gedeckt sei.
Der Verwalter L sei zu denselben Konditionen bestellt worden wie seine Vorgängerin
Frau I. In deren Verwaltervertrag heiße es:
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"Der Hausverwalter erhält für seine Tätigkeit 204,52 € monatlich. ..."
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Diese Regelung sei dahin auszulegen, dass die Pauschalsteuern und die
Sozialabgaben für den Verwalter von diesem selbst und nicht von der Gemeinschaft zu
tragen seien. Da solche Ausgaben fehlerhaft auch für die frühere Verwalterin I von der
Gemeinschaft getätigt und entsprechend in die Jahresabrechnung 2003 eingestellt
worden seien, komme eine Entlastung der früheren Verwalterin I für das
Abrechnungsjahr 2003 nicht in Betracht. Der Beschluss zur Erhöhung der
Instandhaltungsrücklage entspreche ebenfalls nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da
aufgrund einer erforderlichen Fassaden- und Balkonsanierung ein erheblicher
Finanzbedarf in einer Größenordnung von ca. 400.000,00 € bestehe, weshalb eine
weitaus höhere Instandhaltungsrücklage zu bilden sei. Erforderlich sei insoweit eine
Erhöhung auf mindestens 10.000,00 € jährlich.
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Die Antragstellerin hat insoweit mit ihrer Antragsschrift vom 17.05.2004 zusätzlich
beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, einer Erhöhung der
Instandhaltungsrücklage auf mindestens 10.000,-- € jährlich zuzustimmen.
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Nach Auffassung der Antragsgegner entsprechen die angefochtenen Beschlüsse
ordnungsgemäßer Verwaltung. Die in der Eigentümerversammlung vom 01.08.2004
beschlossene zukünftige Form der Jahresabrechnung orientiere sich nunmehr an der
neu beschlossenen Jahresabrechung 2003 vom 01.08.2004, welche den gesetzlichen
Anforderungen und den Vorstellungen der Antragstellerin entspreche. Der im
Wirtschaftsplan 2004 erfolgte Ausgabenansatz hinsichtlich der Pauschalsteuern und
Sozialversicherungsabgaben für den Verwalter sei richtig. Der Verwalter L sei - ebenso
wie die frühere Verwalterin I - als sog. "geringfügig Beschäftigter (Mini-Job)" tätig, für
den die Gemeinschaft als Arbeitgeber die entsprechenden Abgaben abzuführen habe.
Dies entspreche auch der Übung aus den vergangenen Jahren. Da der Verwalter "zu
den bisherigen Konditionen" bestellt worden sei und auch für die frühere Verwalterin I
entsprechende Abgaben abgeführt worden seien, bestehe auch hinsichtlich des neu
bestellten Verwalters eine Verpflichtung zur Abführung von
Sozialversicherungsbeiträgen und Pauschalsteuern. Schließlich sei auch die Höhe der
beschlossenen Instandhaltungsrücklage ausreichend, da in den vergangenen Jahren
bereits umfangreiche Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt worden seien und die
von der Antragstellerin begehrte Fassadenerneuerung nicht erforderlich sei.
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Mit Beschluss vom 23.06.2005 hat das Amtsgericht die Anträge der Antragstellerin,
soweit das Anfechtungsverfahren nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt
erklärt worden ist, zurückgewiesen und den Geschäftswert für das erstinstanzliche
Verfahren auf 2.500,00 € festgesetzt. In den Gründen hat es u.a. ausgeführt, der
Beschluss zur Erhöhung der Instandhaltungsrücklage sei nicht zu beanstanden, weil die
Erhöhung im beschlossenen Umfang zur Finanzierung der laufenden Reparaturen
ausreichend sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine umfassende
Fassadensanierung erforderlich sei; die Beteiligte zu 1) begehre insoweit eine
technische Verbesserung, die nicht zwingend erforderlich sei.
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Gegen die ihren Verfahrensbevollmächtigten am 01.07.2005 zugestellte Entscheidung
hat die Beteiligte zu 1) am 12.07.2005 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie
beantragt hat, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Beschlüsse der
Eigentümerversammlung vom 21.04.2004 zu TOP 4, 5, 7 und 15 für ungültig zu erklären.
Mit Schriftsatz vom 25.07.2005 hat sie klargestellt, dass sich die Anfechtung der
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Eigentümerbeschlüsse vom 21.04.2004 zu TOP 4, soweit es um die Genehmigung der
Jahresabrechnung 2003 gehe, und 6 erledigt habe, und sie die Anfechtung des
Beschlusses zu TOP 8 nicht weiterverfolge. Mit Schriftsatz vom 20.09.2005 bestritt sie
erstmals, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner von sämtlichen
Wohnungseigentümern beauftragt worden seien und beantragte unter Hinweis auf § 13
Satz 2, 2. Halbsatz FGG, dass die Verfahrensbevollmächtigten ihre Bevollmächtigung
durch Vorlage einer entsprechenden öffentlich beglaubigten Vollmacht nachweisen
mögen.
Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner überreichten daraufhin Vollmachten
der Beteiligten zu 2 a – q.
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Die Antragsgegner haben den angefochtenen Beschluss verteidigt.
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Die Beschwerdekammer hat mit dem Beteiligten am 15.11.2005 mündlich verhandelt
und mit Beschluss vom 05.12.2005 die Entscheidung des Amtsgerichts unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels dahin abgeändert, dass sie den
Eigentümerbeschluss vom 21.04.2004 zu TOP 4 für ungültig erklärt hat, soweit der
Verwalterin Entlastung erteilt worden ist. Den Gegenstandswert für das Verfahren 1.
Instanz hat sie auf 8.000,00 €uro und den Gegenstandswert für das
Beschwerdeverfahren auf bis zu 4.000,00 € festgesetzt. Die Gerichtskosten des
Beschwerdeverfahrens hat sie der Beteiligten zu 1) zu ¾ und den Beteiligten zu 2) zu ¼
auferlegt, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten hat sie nicht angeordnet.
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Gegen diese Entscheidung ihren Verfahrensbevollmächtigten am 29.12.2005
zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom eingelegte sofortige
weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die am 09.01.2006 bei dem Landgericht
eingegangen ist.
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II.
27
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG, 45 Abs. 1 WEG statthaft
sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten
zu 1) ergibt sich daraus, dass ihre erste Beschwerde in dem angefochtenen Umfang
ohne Erfolg geblieben ist. Soweit das Landgericht den Eigentümerbeschluss vom
21.04.2004 über die Entlastung der damaligen Verwalterin I für das Abrechnungsjahr
2003 für ungültig erklärt hat, ist dies nicht Gegenstand der sofortigen weiteren
Beschwerde.
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In der Sache hat die weitere Beschwerde keinen Erfolg, weil die Entscheidung des
Landgerichts jedenfalls im Ergebnis nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27
FGG.
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1) Das Landgericht war mit einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1)
befasst. Mit ihrer Rüge, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft davon abgesehen,
den Beteiligten zu 2) aufzugeben notariell beglaubigte Erklärungen zum Nachweis der
ordnungsgemäßen Bevollmächtigung ihrer Verfahrensbevollmächtigten vorzulegen,
macht die Beteiligte zu 1) der Sache nach den absoluten Beschwerdegrund der §§ 27
Abs. 1 S. 2 FGG, 547 Nr. 4 ZPO (fehlende ordnungsgemäße Vertretung eines
Beteiligten) im Verfahren geltend. Denn der gerügte Verfahrensmangel kann nur
(sachlich) in der fehlenden Bevollmächtigung selbst, nicht aber in der unterbliebenen
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Form des Nachweises der Bevollmächtigung liegen. Die Beteiligte zu 1) ist bereits
verfahrensrechtlich nicht berechtigt, den genannten absoluten Beschwerdegrund
geltend zu machen. Denn es entspricht für das Verfahren der ZPO gefestigter
Rechtsprechung, dass die Rüge dieses Beschwerdegrundes derjenigen Partei
vorbehalten ist, die dadurch betroffen ist, dass sie in dem gerichtlichen Verfahren nicht
ordnungsgemäß vertreten worden ist, und deren Schutz die gesetzliche Vorschrift
ausschließlich dient (BGHZ 63, 78 = NJW 1974, 2283), während der Verfahrensgegner
dadurch in seinen Rechten nicht berührt wird. Für das Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit gelten insoweit dieselben Grundsätze (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FG, 15.
Aufl., § 27, Rn. 37). Im Übrigen ist das Verfahren des Landgerichts auch sachlich nicht
zu beanstanden. Das Verlangen, die Bevollmächtigung in öffentlich-beglaubigter Form
nachzuweisen, kann im Hinblick auf die Mitwirkung eines Notars (§ 40 BeurkG)
inhaltlich nur gerechtfertigt sein, wenn Zweifel daran bestehen, ob eine erklärte
Bevollmächtigung tatsächlich dem Willen des betreffenden Verfahrensbeteiligten
entspricht. Auf die von der Beteiligten zu 1) erhobene Rüge sind privatschriftliche
Vollmachten der Beteiligten zu 2 a) bis q) vorgelegt worden. Die Echtheit der aus den
Erklärungen erkennbaren Unterschriften dieser Beteiligten ist von der Beteiligten zu 1)
zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen worden. Einwendungen gegen eine
hinreichende Bevollmächtigung der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2)
sind auch in den früheren Verfahren nicht erhoben worden. Deshalb wird ein
nachvollziehbarer Anlass, gem. § 13 S. 2 FGG den Nachweis der Vollmacht in
öffentlich-beglaubigter Form zu verlangen, nicht deutlich. Die Verpflichtung des
Gerichts, nach § 13 S. 2 FGG dem Verlangen eines anderen Beteiligten nach einem
Nachweis der Bevollmächtigung in öffentlich beglaubigter Form zu entsprechen, findet
ihre Grenze darin, wo das Gericht entgegen seiner Rechtsprechungsfunktion einem
rechtsmissbräuchlichen, erkennbar verfahrensfremden Zwecken dienenden Verhalten
eines Beteiligten die Hand reichen müsste (im Ergebnis ebenso Keidel/Zimmermann,
a.a.O., § 13 Rn. 20; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 13 Rn. 39). Davon durfte das Landgericht
schon im Hinblick darauf ausgehen, dass das gestellte Verlangen sachlich unbegründet
geblieben ist, ohne dass es auf Einzelheiten der in dem vorliegenden Verfahren
ausgetragenen Privatfehde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten noch
ankommt.
2) Zutreffend hat das Landgericht die Beschwerde als unzulässig angesehen, soweit mit
ihr die Anfechtungsanträge hinsichtlich des in der Eigentümerversammlung vom
21.04.2004 unter TOP 5 gefassten Beschlusses über die zukünftige Art und Weise der
Jahresabrechnung weiterverfolgt wurde. Denn diese Beschlussfassung kann keinerlei
Rechtswirkung mehr entfalten, nachdem er mit dem in der weiteren
Eigentümerversammlung vom 01.08.2004 unter TOP 7 gefassten Beschluss
aufgehoben worden ist. Soweit die Beteiligte zu 1) geltend macht, es habe insoweit
ursprünglich ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung gegeben, ist dem
zuzustimmen. Dieses Rechtsschutzinteresse war aber mit der Beschlussfassung vom
01.08.2004 entfallen, so dass sie hieraus die verfahrensrechtlich notwendigen
Konsequenzen hätte ziehen müssen. Sie hätte entweder den Antrag zurücknehmen
oder die Hauptsache für erledigt erklären dürfen, keinesfalls konnte sie ihren Antrag
weiterverfolgen.
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3) Zu Recht hat das Landgericht den Beschlussanfechtungsantrag der Beteiligten zu 1)
hinsichtlich des zu TOP 7 beschlossenen Wirtschaftsplans 2004 wegen fehlenden
Rechtsschutzinteresses im Hinblick darauf für unzulässig erachtet, dass
zwischenzeitlich eine weitere Beschlussfassung der Eigentümerversammlung über die
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Jahresabrechnung 2004 erfolgt ist. Die Begründung der weiteren Beschwerde hebt zwar
zutreffend hervor, dass der Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung
rechtsgestaltende Wirkung nur für die sog. Abrechnungsspitze entfaltet, den durch den
Wirtschaftsplan begründeten Anspruch auf Beitragsleistung in der Form von
Vorauszahlungen jedoch nicht berührt, insbesondere insoweit keine Novation bewirkt
(BGHZ 132, 228 = NJW 1996, 725; BayObLG NJW-RR 2001, 659; NJW-RR 1998, 334;
MünchKom/Engelhardt, BGB, 4. Aufl., § 28 Rn. 20). Aufgrund der besonderen Umstände
des vorliegenden Falles könnte eine (Teil- ) Ungültigerklärung des Wirtschaftsplanes
gleichwohl nicht zu einer irgendwie vorteilhaften Änderung der Rechtsposition der
Beteiligten zu 1) führen. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend
darauf hingewiesen, dass die Beteiligte zu 1) unstreitig sämtliche Vorauszahlungen
gemäß dem Wirtschaftsplan geleistet hat. Eine (Teil- )Ungültigerklärung des
Wirtschaftsplans ließe zwar rückwirkend die Vorauszahlungspflicht der Beteiligten zu 1)
entfallen. Gleichwohl könnte sie nunmehr keineswegs die von ihr geleisteten Zahlungen
teilweise auf bereicherungsrechtlicher Grundlage (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB)
zurückverlangen. Denn nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des KG (NJW-
RR 1993, 338)und des Senats (FGPrax 1998, 173; FGPrax 2004, 269) wird ein solcher
Erstattungsanspruch durch das Abrechnungssystem der
Wohnungseigentümergemeinschaft überlagert: Ein Erstattungsanspruch wegen
rechtsgrundloser Vorauszahlung kommt nur in dem Umfang in Betracht, in dem durch
die feststellende Wirkung der durch Eigentümerbeschluss genehmigten
Jahresabrechnung unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen ein
Guthaben des betreffenden Wohnungseigentümers ausgewiesen wird. Daraus folgt:
Nach vollständiger Erbringung der Vorauszahlungen hängt die abschließende
Verpflichtung der Beteiligten zu 1) zur Wohngeldzahlung ausschließlich von den
Ansätzen der Jahresabrechnung (Gesamt- und Einzelabrechnung) ab. Für einen
etwaigen Erstattungsanspruch der Beteiligten zu 1) müsste eine (Teil- )
Ungültigerklärung des Wirtschaftsplans ohne jede Bedeutung bleiben. Deshalb fehlt ihr
für diesen Anfechtungsantrag jedenfalls nunmehr das erforderliche
Rechtsschutzinteresse.
4) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Beschlussanfechtungsantrag der
Beteiligten zu 1) zu TOP 15 zulässig. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse der
Beteiligten zu 1) ergibt sich jedenfalls daraus, dass sich der dem Landgericht zur
Entscheidung angefallene Verfahrensgegenstand nicht nur auf die Ungültigerklärung
des genannten Eigentümerbeschlusses, sondern auch auf ihren Leistungsantrag
erstreckt, der im Ergebnis auf eine nach § 43 Abs. 2 WEG zu treffende gerichtliche
Festlegung einer Erhöhung der Rücklage auf einen Betrag von 10.000,00 € abzielt. Der
Senat kann dem Landgericht bereits in seiner Auffassung nicht folgen, aufgrund der
Erstbeschwerdeerklärung der Beteiligten zu 1) vom 12.07.2005 liege nur eine
Teilanfechtung der Entscheidung des Amtsgerichts vor, die sich hinsichtlich der
Instandhaltungsrücklage auf den Beschlussanfechtungsantrag beschränke. Die
Auslegung des Beschwerdebegehrens und damit die Feststellung des dem
Beschwerdegericht angefallenen Verfahrensgegenstandes kann im Verfahren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit nur aus dem Gesamtinhalt des Vorbringens zur Begründung
des Rechtsmittels entwickelt werden. Denn das Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit sieht – anders als das Berufungsverfahren der ZPO – weder die
Notwendigkeit einer Begründung des Rechtsmittels noch eine förmlichen Antragstellung
vor. Wenn deshalb – wie hier – der Beschwerdeführer in seiner Rechtsmittelerklärung
einen Beschwerdeantrag formuliert, sich jedoch gleichwohl eine nähere Begründung
des Rechtsmittels noch vorbehält, so wird hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht,
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dass er sich auch eine abschließende Bestimmung seines Beschwerdebegehrens noch
vorbehalten will. So hat die Beteiligte zu 1) im Rahmen der mit Schriftsatz vom
25.07.2005 vorgenommenen Begründung ihres Rechtsmittels hinreichend
hervorgehoben, dass sie ihr Verfahrenziel der Herbeiführung einer Regelung zur
Anhebung des Betrages der Instandhaltungsrücklage weiterverfolgen will. Im Übrigen
wäre die Beteiligte zu 1) auch auf der Grundlage der Annahme einer Teilanfechtung
durch das Landgericht nicht gehindert gewesen, ihr Beschwerdebegehren während des
Erstbeschwerdeverfahrens noch zu erweitern. Nach gefestigten
Rechtsprechungsgrundsätzen, die für das Verfahren der ZPO entwickelt worden sind
und für die fristgebundene Beschwerde im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit
entsprechende Geltung beanspruchen, hemmt die Einlegung des Rechtsmittels den
Eintritt der Rechtskraft der gesamten Entscheidung auch dann, wenn es zunächst auf
einen Teil des angefochtenen Urteils beschränkt ist (BGH NJW 1994, 657, 659). Dem
Berufungsführer steht uneingeschränkt das Recht zur Erweiterung einer zunächst auf
eine Teilanfechtung beschränkten Berufung zu, sofern er nicht auf das weitergehende
Rechtsmittel wirksam verzichtet hat (§ 515 ZPO). Lediglich das weitere
Zulässigkeitserfordernis der fristgerechten Berufungsbegründung (§ 520 ZPO) kann
einer solchen Erweiterung Grenzen setzen (BGH NJW 1990, 1171, 1173); diese weitere
Zulässigkeitsvoraussetzung hat im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit
unberücksichtigt zu bleiben. Eine solche zulässige Erweiterung ihres
Beschwerdebegehrens läge jedenfalls in dem Schriftsatz der Beteiligten zu 1) vom
18.11.2005, in dem sie unter Bezugnahme auf die Erörterung im Termin vor der Kammer
vom 15.11.2005 nochmals deutlich hervorgehoben hat, dass sie eine Entscheidung
über ihren Antrag auf Festlegung eines höheren Betrages der Instandhaltungsrücklage
anstrebt.
Die Entscheidung des Landgerichts kann daher insoweit keinen Bestand haben. Einer
Aufhebung und Zurückverweisung bedarf es indes nicht, weil der Sachverhalt geklärt ist,
sodass der Senat als Rechtsbeschwerdegericht selbst in der Sache entscheiden kann.
Die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses zu TOP 15 ist in der Sache unbegründet.
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Nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG gehört die Ansammlung einer angemessenen
Instandhaltungsrückstellung zur ordnungsgemäßen Verwaltung. Die Angemessenheit
bestimmt sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, insbesondere Alter,
Größe, bauliche Besonderheiten und Zustand. Die Höhe kann durch
Mehrheitsbeschluss festgesetzt und jederzeit geändert werden (vgl.
MünchKom/Engelhardt, a.a.O., § 21 Rn. 18 m.w.N.). Dabei haben die
Wohnungseigentümer einen weiten Ermessensspielraum; nur wesentlich überhöhte
Ansätze können gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoßen (OLG
Düsseldorf FGPrax 2002, 210 = ZWE 2002, 535). Anhaltspunkte für die Bemessung der
Instandsetzungsrückstellung bietet § 28 Abs. 2 der Verordnung über
wohnungswirtschaftliche Berechnungen (Zweite Berechnungsverordnung - II. BV) in der
Fassung vom 12. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2178). Hiernach dürfen pro Quadratmeter
Wohnfläche im Jahr bei zurückliegender Bezugsfertigkeit weniger als 22 Jahre
höchstens 7,10 €, mindestens 22 Jahre höchstens 9 € und mindestens 32 Jahre
höchstens 11,50 € als Instandhaltungskosten angesetzt werden. Solche Vorgaben
können allenfalls eine Orientierung für die Ermessensausübung darstellen, bedeuten
jedoch keineswegs eine Bindung der Eigentümerversammlung, den so beschriebenen
Ermessensspielraum auch bis zu seiner oberen Grenze ausschöpfen zu müssen.
Insbesondere besteht kein Anlass, der Beteiligten zu 1) die Möglichkeit zu eröffnen, den
Streit über eine von ihr angestrebte modernisierende Instandsetzung der
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Gebäudefassade bereits in die Auseinandersetzung über die Höhe der
Instandhaltungsrücklage vorzuverlagern.
Da das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) im Ergebnis nicht erfolgreich ist, entspricht es
der Billigkeit, die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde der
Beteiligten zu 1) aufzuerlegen, § 47 Satz 1 WEG.
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Im Hinblick auf die nach § 47 Satz 2 WEG zu treffende Entscheidung über die
außergerichtlichen Kosten folgt der Senat der in Wohnungseigentumssachen
anzuwendenden Regel, dass jeder Beteiligte seine Kosten zu tragen hat und eine
Kostenerstattung nur ausnahmsweise stattfindet. Für eine Ausnahme fehlen vorliegend
besondere rechtfertigende Gründe.
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Die mit den vom Landgericht angenommenen Wertansätzen übereinstimmende
Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.
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