Urteil des OLG Hamm vom 19.03.2001

OLG Hamm: stand der technik, rationalisierung, abkommen, kreditinstitut, sicherheit, vollstreckbarkeit, name, vertragsinhalt, quote, aufteilung

Oberlandesgericht Hamm, 31 U 204/00
Datum:
19.03.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
31. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
31 U 204/00
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 6 O 366/00
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des
Landgerichts Essen vom 14. September 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,00 DM nicht.
Entscheidungsgründe:
1
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
2
Zu Recht hat das Landgericht der Zahlungsklage der Kläger in dem ausgeurteilten
Umfang stattgegeben, weil der von der Beklagten nicht ordnungsgemäß durchgeführte
Kontonummer-Namens-
3
vergleich sich als positive Verletzung des zwischen den Parteien bestehenden
Girovertrages darstellt.
4
Die von der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung vom 21.11.2000 (Seite 2 = Bl. 68
GA) zugrunde gelegte Prämisse ist rechtsirrig, wonach sie als sogenannte
"Empfängerbank im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr" zunächst einmal keine
Pflichten gegenüber den Klägern als den Empfängern der Steuerrückerstattung des
Finanzamts P-Nord, sondern lediglich die Pflicht zu erfüllen gehabt habe, den ihr – der
Beklagten – von der Westdeutschen Landesbank als vorgeschalteter Bank erteilten
Überweisungsauftrag korrekt auszuführen.
5
Denn im Verhältnis zu den Klägern hatte grundsätzlich die namentliche
Empfängerbezeichnung – und nicht die von deren Inhaberschaft abweichende Konto-
Nr.-Vorrang (BGH WM 1991/1912). Im Verhältnis zu den Klägern war es der Beklagten
6
nicht gestattet, den Inhalt und Umfang ihrer Kontrollpflichten durch die Wahl des
Übermittlungsweges – beleggebundener Überweisungsverkehr oder belegloser
Datenträgeraustausch – zu verkürzen, ohne gleichzeitig Pflichten aus dem mit den
Klägern geschlossenen Girovertrag zu verletzen.
Dies gilt sowohl für das DTA-Verfahren (2), in dem die Aufträge bereits von den Kunden
beleglos eingereicht werden, als auch für das EZÜ-Verfahren (1), bei dem zunächst ein
beleghaft erteilter Auftrag der Kunden vorliegt.
7
1.)
8
Für das EZÜ-Verfahren ergibt sich diese Rechtslage bereits aus dem zwischen den
Spitzenverbänden des Kreditgewerbes vereinbarten "Abkommen zum
Überweisungsverkehr". Nach dessen Nr. 1 Abs. 2 sind die in Belegform eingereichten
Überweisungsaufträge vom erstbeauftragten Kreditinstitut auf EDV-Medien zu erfassen
und beleglos weiterzuleiten, wodurch die manuelle Bearbeitung von Überweisungen
und der körperliche Belegtransport im zwischenbetrieblichen Verkehr entfällt.
9
Keineswegs sollten damit allerdings die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten in der
Kette der nachfolgenden Banken herabgesetzt werden, indem der im beleggebundenen
Überweisungsverkehr übliche Kontonummer-Namensvergleich entfiel; denn der
Bankkunde hat keinen Einfluß darauf, ob der von ihm erteilte Auftrag im
Interbankenverhältnis beleglos oder beleghaft abgewickelt wird (Hellner in BuB Rn. 6/98
und Rn. 6/168 und 169).
10
Dementsprechend schreibt das "Abkommen zum Überweisungsverkehr" in Nr. 3 Abs. 2
Satz 1 auch vor, dass das endbegünstigte Kreditinstitut grundsätzlich einen
Kontonummer-Namensvergleich durchzuführen hat.
11
2.)
12
Nichts anderes gilt im Ergebnis für das DTA-Verfahren, dessen sich die Beklagte
ausweislich ihres vorgerichtlichen Schreibens vom 06.06.2000 (Bl. 7, 8 GA) an die
Kläger bedient hat. Demzufolge hatte das Finanzamt P-Nord als Auftraggeberin der
Überweisung vom 01.07.1997 über 19.949,06 DM selbst unmittelbar am Datenträger-
Austausch im beleglosen Überweisungsverkehr teilgenommen.
13
Auch wenn im beleglosen Überweisungsverkehr ein Namensabgleich in der Regel nicht
üblich ist, so hat diese Tatsache allein Bedeutung für das Verhältnis der Beklagten zu
ihrer Auftraggeberin – der Westdeutschen Landesbank – als dem vorletzten Glied in der
Überweisungskette, lässt hingegen die Pflichten der Beklagten aus dem Giroverhältnis
zu den Klägern als Empfängern der Überweisung unberührt.
14
Auch im Rahmen des beleglosen Überweisungsverkehrs ging nämlich der Auftrag des
Finanzamts P-Nord nicht etwa dahin, den Überweisungsbetrag unabhängig von der
Person des Kontoinhabers auf jeden Fall dem Konto-Nr. ####7 – dessen Inhaberin seit
dem 06.11.1996 die Sozialhilfe-Empfängerin L geworden ist – gutzuschreiben. Vielmehr
hat auch in diesem Fall die Konto-Nr. lediglich als Synonym für den Kontoinhaber
gestanden. Das Finanzamt P-Nord hat mit ihr die Kläger als Zahlungsempfänger
identifiziert. Allein die Kläger – und nicht etwa Frau L als anonyme Inhaberin des
nummernmäßig bezeichneten Kontos ####8 – haben daher den Anspruch auf die
15
Gutschrift des Überweisungsbetrages erworben. Nach Auswechselung der Kläger als
Kontoinhaber hat die streitgegenständliche Gutschrift auf dem Girokonto Nr. ####8
mithin auch im beleglosen Überweisungsverkehr keine wirksame Erfüllung des an die
Beklagte weitergeleiteten Überweisungsauftrags dargestellt (Schimansky in
"Bankrechts-Handbuch", 1997, § 49 Rn. 19 und 41; Baumbach-Hopt "HGB", 30. Aufl.
2000, § 11 AGB-Banken Rn. 6).
3.)
16
Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung (Seite 4 = Bl. 70 GA) den Standpunkt
vertritt, der beleglose Datenträgeraustausch würde ad absurdum geführt, wenn
tatsächlich im Verhältnis zum Kunden ein Abgleich zwischen Name und Kontonummer
vorgenommen werden müsste, ist ihr die Argumentation von Schimansky (a.a.O., § 49
Rn. 18) entgegenzuhalten, der wörtlich folgendes ausführt:
17
"Rationalisierung zur Kostensenkung kann nicht auf Kosten der Sicherheit des
Zahlungsverkehrs gehen. Die Kreditwirtschaft hat es nicht in der Hand, nach dem
Vertragsinhalt geschuldete Prüfungen mit der Begründung entfallen zu lassen, sie
ließen sich nach dem Stand der Technik nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand
im Wege der EDV erledigen. Sie kann nicht die erheblichen Vorteile dieser
Technik nutzen und die Risiken unter Hinweis auf die Notwendigkeit der
Rationalisierung auf den Kunden abwälzen, der auf ihre Entscheidung keinen
Einfluss hat und durch die Verwirklichung des damit verbundenen Risikos im
Einzelfall weit schwerer getroffen wird, als sie selbst."
18
4.)
19
Wegen der vom Landgericht vorgenommenen Aufteilung des Mitverschuldens nach §
254 BGB verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in den
Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Seiten 7,8 = Bl. 58,59 GA), denen er
vollumfänglich beitritt (§ 543 Abs. 1 ZPO). Er verhehlt indessen nicht, dass er die vom
Landgericht den Klägern zugewiesene Mitverschuldens-Quote von 1/3 eher zu hoch als
zu gering bewertet.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
21