Urteil des OLG Hamm vom 12.05.1999

OLG Hamm (gesellschafter, kläger, abweisung der klage, stimmrecht, 1949, gesellschaft, zeitlich befristet, tatsächliche vermutung, höhe, gesellschafterversammlung)

Oberlandesgericht Hamm, 8 U 242/98
Datum:
12.05.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 242/98
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 7 O 185/97
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. Mai 1998 verkündete
Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird
zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung des Klägers durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 17.000,00 DM abwenden, sofern der
Kläger vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung durch unbedingte
und unbefristete Bürgschaft einer deutschen Bank, Sparkasse oder
Genossenschaftsbank zu erbringen.
Die Beschwer der Beklagten liegt über 60.000,00 DM.
Tatbestand:
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Die Parteien sind Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die
ursprünglich als Kommanditgesellschaft unter der Firma "F2" gegründet worden war,
deren Gesellschaftszweck inzwischen aber auf die Verwaltung von Grundvermögen und
die Beteiligung an einer GmbH, an der auch die Parteien beteiligt sind, reduziert ist. Die
Parteien streiten darüber, in welchem Verhältnis sie an dem Festkapital der Gesellschaft
von 1,5 Mio. DM beteiligt sind. Der Kläger nimmt für sich eine Beteiligung in Höhe von
781.770,00 DM = 52,118 % in Anspruch, während auf die beiden Beklagten jeweils
359.115,00 DM entfielen. Die Beklagten vertreten hingegen die Auffassung, der Kläger
sei mit 750.000,00 DM = 50 % beteiligt, während auf sie selbst jeweils 375.000,00 DM =
25 % entfielen.
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Die Firmengeschichte und die damit verknüpften Beteiligungsverhältnisse stellen sich
im wesentlichen wie folgt dar:
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Nach dem Tode des Firmengründers N2 im Jahre 1944 waren Gesellschafter dessen
Ehefrau N (Großmutter des Klägers und Urgroßmutter der Beklagten), ihr Sohn N3
(Vater des Klägers), ihre Tochter N4, verheiratete T (Großmutter der Beklagten), und
deren Ehemann Dr. T2. N war Kommanditistin mit einer Einlage von 970.000
Reichsmark (RM), während ihr Sohn N3 persönlich haftender Gesellschafter mit einem
Kapitalkonto von 660.000,00 RM war. N4 hielt einen Kommanditanteil von 485.000 RM,
deren Ehemann Dr. T2 war persönlich haftender Gesellschafter mit einem Kapitalkonto
von 175.000 RM. N, die mit ihren Kindern N3 und N4 in fortgesetzter westfälischer
Gütergemeinschaft gelebt hatte, verstarb im Februar 1949. Zu diesem Zeitpunkt hatte
eine Aufteilung des Gesamtgutes der Gütergemeinschaft, zu dem ihre
Kommanditeinlage gehörte, noch nicht stattgefunden. Ihr Sohn N3 verstarb im April
1949. Sein alleiniger Erbe war der damals noch minderjährige Kläger.
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In einer Gesellschafterversammlung vom 9. September 1949 beschlossen die
Gesellschafter - der Kläger vertreten durch seine Mutter - einstimmig die Aufnahme
eines weiteren persönlich haftenden Gesellschafters, eines Herrn C, der kein eigenes
Kapitalkonto haben, aber an Gewinn und Verlust mit 10 % beteiligt sein und auch ein
Stimmrecht von 10 % bekommen sollte. In der notariellen Urkunde über diese
Gesellschafterversammlung (UR-Nr. #3/49 des Notars M aus F), auf deren Ablichtung
Bl. 8 bis 16 GA wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, heißt es hierzu
auszugsweise:
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1. a) Herr C tritt als persönlich haftender
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Gesellschafter ohne Kapitalkonto ein.
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b) Um Herrn C mit 10 % am Gewinn und Verlust zu
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beteiligen und ihm gleichzeitig ein Stimmrecht von
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10 % zu verschaffen, das ihm die ausschlaggebende
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Stimme bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den
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beiden Erbstämmen N und T gibt, wird
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folgendes vereinbart:
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Nach dem Testament von Frau N geb. M2
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steht von deren Kommanditeinlage von RM 970.000.--
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vorweg dem Erbstamm N ein Anteil von 10 %
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= RM 97.0000.-- zu. Es verbleibt dann im Gesamtgut
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ein restlicher Kommanditanteil von RM 873.000.--.
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Er wird hiermit je zur Hälfte, d.h. mit je
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RM 436.500.-- an Frau T geb.
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N4 und N5 aufgeteilt. Danach be-
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trägt das Kapitalkonto von N5
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RM 660.000.-- Kapitalkonto seines Vaters
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RM 97.000.-- gemäß Testament Frau
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N
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RM 436.500.-- gemäß Auseinandersetzung über das
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Gesamtgut
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RM 1.193.500.--
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Mit diesem Betrag tritt N5 unter Aus-
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scheiden aus der persönlichen Haftung mit Wirkung
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vom Tode seines Vaters als Kommanditist in die
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Gesellschaft ein.
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c) Die Kommanditeinlage von Frau T
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erhöht sich von RM 485.000.-- um RM 436.500.-- aus
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der Aufteilung des Gesamtguts auf RM 921.500.--.
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d) Von der Kommanditeinlage des N5
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werden RM 97.000.--, die er gemäß Testament von Frau
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N erhalten hat, sowie weitere
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RM 66.000.--, zusammen also RM 163.000.-- abgezweigt
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und einem Sonderkonto zugeführt, das eigentumsmäßig
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ihm verbleibt, das aber hinsichtlich des darauf ent-
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fallenden Stimmrechts Herrn C zustehen
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soll, solange er persönlich haftender Gesellschafter
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ist.
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In gleicher Weise wird von der Kommanditeinlage von
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Frau T, geb. N4, ein Teil-
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betrag von RM 66.000.-- abgezeigt und auf einem
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Sonderkonto verbucht, das eigentumsmäßig ihr ver-
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bleibt, das aber hinsichtlich des darauf entfallen-
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den Gewinnanteils, sowie des darauf entfallenden
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Stimmrechts Herrn C zustehen soll,
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solange er persönlich haftender Gesellschafter ist.
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Herr C verfügt damit hinsichtlich Gewinn-
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anteil und Stimmrecht über RM 163.0000,- +
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RM 66.000,- = RM 229.000,- = 10 % des Gesamt-
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kapitals.
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...
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1. ...
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N5 hat das Recht, mit Vollendung
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seines 30. Lebensjahres als persönlich haftender
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Gesellschafter einzutreten. Sein Kapitalkonto ist
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gleich dem ihm gehörenden Kommanditanteil. Mit
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seinem Eintritt, jedoch nicht vor dem Ableben des
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Herrn Dr. T2, steht ihm das Stimm-
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recht aus einem Teilbetrag von RM 97.000.-- des als
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Sonderkonto für Herrn C abgezweigten
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Kommanditanteils von RM 163.000.-- auch dann wieder
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zu, wenn Herr C noch als persönlich
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haftender Gesellschafter beteiligt ist. Der darauf
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entfallende Gewinnanteil verbleibt nach wie vor
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Herrn C oder zur Hälfte dessen Ehefrau.
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...
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1. ...
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Ist Erbin des Herrn C seine Ehefrau, so
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verbleibt ihr für ihre Lebenszeit die Hälfte des-
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jenigen Anteils am Reingewinn der Gesellschaft, der
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Herrn C bis zu seinem Ableben zustand.
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Ein Stimmrecht kann die überlebende Ehefrau C
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jedoch nicht ausüben, so daß nach dem Ableben des
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Herrn C das Stimmrecht aus den gemäß Ziffer 1 d
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eingerichteten Sonderkonten im vollen Umfange wieder
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den Eigentümern zusteht.
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Hiernach entfielen Anteile in Höhe von insgesamt 1.193.500.-- RM auf den vom Kläger
repräsentierten Familienstamm N und Anteile in Höhe von 1.096.500.-- RM auf den
Familienstamm T. Dies entspricht einer prozentualen Verteilung von 52,1179 % zu
47,8821 %. Im Hinblick auf die Gewinnbeteiligung und das Stimmrecht, von denen
jeweils 10 % dem neu eintretenden Gesellschafter C zustehen sollten, bestand
zwischen beiden Familienstämmen hingegen Parität, nachdem aus dem Anteil des
Stammes N insgesamt 163.000.-- RM und aus dem Anteil des Stammes T insgesamt
66.000.-- RM "abgezweigt" worden waren.
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Der persönlich haftende Gesellschafter Dr. T verstarb 1969, nachdem er schon 1962
aus der Geschäftsleitung ausgeschieden und der Kläger als persönlich haftender
Gesellschafter eingetreten war. Der persönlich haftende Gesellschafter C verstarb im
Jahre 1981.
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Die Jahresabschlüsse der Gesellschaft für die Geschäftsjahre 1983 bis 1986, die
gemeinsam in einer Gesellschafterversammlung im Jahre 1987 festgestellt wurden,
weisen jeweils einen Gewinnverteilungsschlüssel von 50:25:25 aus. Als die Beklagten
Anfang 1990 von dem Kläger die Bestätigung erbaten, daß dieser "unverändert" zu 50
% und sie selbst zu jeweils 25 % am Kapital der Gesellschaft beteiligt seien,
widersprach der Kläger mit Schreiben vom 02.03.1990 (Anlagehefter, Anlage 12) und
vertrat die Auffassung, daß er nach dem Gesellschaftsvertrag aus dem Jahre 1949 die
Mehrheit habe. Der davon abweichende Gewinnverteilungsschlüssel beruhe auf einem
Irrtum des Steuerberaters, der gegenüber den Finanzbehörden inzwischen auch
berichtigt worden sei.
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Gestützt auf diese Darstellung hat der Kläger Feststellungsklage erhoben und beantragt,
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festzustellen, daß er an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter der
Bezeichnung "F2" mit einem Kapitalanteil von 781.770,00 DM = 52,1179 %
beteiligt sei.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten haben behauptet, der Kläger habe im Rahmen von Verhandlungen mit
der Witwe des verstorbenen Gesellschafters C darauf gedrängt, " an einem Strang zu
ziehen", und u.a. ihnen gegenüber deshalb erklärt, er werde den Kapitalanteil des
verstorbenen Herrn C hälftig an die Familienstämme zurückübertragen, so daß diese an
der Gesellschaft paritätisch beteiligt seien. Damit hätten sie - die Beklagten - sich
einverstanden erklärt. In dem Umstand, daß die Jahresabschlüsse der Jahre 1983 bis
1986 eine paritätische Gewinnverteilung vorsehen, haben die Beklagten ein Indiz für
ihre Darstellung gesehen.
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Die Beklagten haben ferner hilfsweise Widerklage erhoben, die das Verfahren bei
Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Geschäftsführung betreffen. Da diese
Hilfswiderklage in zweiter Instanz nicht weiterverfolgt wird, wird auf die Darstellung der
Einzelheiten verzichtet.
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Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme, wegen deren Ergebnisses auf das
Protokoll vom 18.05.1998 (Bl. 166 bis 175) Bezug genommen wird, der Klage
antragsgemäß stattgegeben und die Hilfswiderklage abgewiesen. Wegen der
Einzelheiten der Begründung und zur ergänzenden Darstellung des Sach- und
Streitstandes erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 186 ff GA) verwiesen.
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Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Sie machen nunmehr geltend, bereits aus dem notariellen Vertrag vom 9. September
1949 ergebe sich im Wege ergänzender Vertragsauslegung, daß der neu eintretende
persönlich haftende Gesellschafter C einen Kapitalanteil von 229.000.-- RM erworben
habe, der bei Beendigung seiner Gesellschafterstellung den beiden Familienstämmen
paritätisch habe anwachsen sollen. Dies begründen sie damit, daß wegen des sog.
Abspaltungsverbots Stimmrecht und Gewinnbeteiligung nicht ohne Anteilsübertragung
hätten erfolgen können. Im übrigen vertreten die Beklagten die Auffassung, daß durch
einverständliche Handhabung der Gewinnverteilung in den Jahren 1983 bis 1986 eine
stillschweigende Einigung darüber erzielt worden sei, daß die Anteile den
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stillschweigende Einigung darüber erzielt worden sei, daß die Anteile den
Familienstämmen paritätisch zustehen sollten. Dies sei erforderlich gewesen, weil der
Vertrag aus dem Jahre 1949 eine Regelungslücke enthalten habe, die durch diese
einverständliche Handhabung geschlossen worden sei.
Die Beklagten beantragen,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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1. die Berufung zurückzuweisen;
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2. für den Fall der Zwangsvollstreckung ihm zu gestatten,
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Sicherheit durch Bankbürgschaft leisten zu dürfen.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Rechtsausführungen der
Beklagten zur Auslegung des Vertrages vom 9. September 1949 mit eingehender
Begründung entgegen.
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Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Sachvortrags wird auf die
Berufungsbegründung und auf die Berufungserwiderung Bezug genommen und auf die
in den nachstehenden Entscheidungsgründen ergänzend mitgeteilten Tatsachen
verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist nicht begründet.
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1.
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Die von den Beklagten für richtig gehaltene paritätische Verteilung der Geschäftsanteile
zwischen den beiden Familienstämmen läßt sich aus dem notariell beurkundeten
Gesellschafterbeschluß vom 9. September 1949 nicht ableiten. Zutreffend ist allerdings,
daß die Regelungen in Ziffer 1.a) und d) der Urkunde (Bl. 10/11 GA) gegen das sog.
Abspaltungsverbot (dazu Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 19 III 4)
verstießen, wenn der eintretende persönlich haftende Gesellschafter als Gesellschafter
ohne eigenen Kapitalanteil lediglich eine Gewinnbeteiligung und ein Stimmrecht
erhalten sollte, die beide aus den Kapitalkonten der bisherigen Gesellschafter abgeleitet
sein, diesen aber "eigentumsmäßig" verbleiben sollten. Zumindest die teilweise
Übertragung des Stimmrechts begegnet unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt
durchgreifenden Bedenken. Das sieht auch der Kläger im Ergebnis wohl nicht anders,
wenn er darauf hinweist, daß die das Verbot der Abspaltung des Stimmrechts
betreffende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 3, 354) seinerzeit noch nicht
vorgelegen habe.
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Folgt man daher den Beklagten darin, daß zumindest die Übertragung des Stimmrechts,
möglicherweise aber auch die der Gewinnbeteiligung, sofern damit das
Gewinnstammrecht gemeint gewesen sein sollte, gegen das Abspaltungsverbot
verstießen, folgt daraus zunächst aber nur, daß die Übertragung des Stimmrechts - und
möglicherweise auch die der Gewinnbeteiligung - unwirksam war. An den
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Beteiligungsverhältnissen ändert sich allein dadurch nichts. Allerdings wäre, wenn man
seinerzeit die Unwirksamkeit erkannt hätte, darüber nachzudenken gewesen, ob und
ggf. wie die dadurch entstandene Vertragslücke zu füllen gewesen wäre. Ob dies durch
eine im Wege der Umdeutung oder der ergänzenden Vertragsauslegung zu
begründende teilweise Anteilsübertragung auf den neuen Gesellschafter C hätte
erfolgen können und müssen, ist zweifelhaft, kann zugunsten der Beklagten aber als
richtig unterstellt werden. Denn dies würde nichts daran ändern, daß auch eine solche
denkbare Anteilsübertragung sich an dem im Vertragstext zum Ausdruck kommenden
Willen der Gesellschafter zu orientieren gehabt hätte. Dieser Wille der Gesellschafter
geht aber erkennbar dahin, daß C nur zeitlich befristet Stimmrecht (und Gewinnanteil)
haben sollte. Das folgt einmal aus Ziffer 1.d) des Vertrages ("... solange er persönlich
haftender Gesellschafter ist ...") und auch aus Ziffer 9 am Ende ("... so daß nach dem
Ableben des Herrn C das Stimmrecht ... im vollen Umfang wieder den Eigentümern
zusteht"). Wäre die Stimmrechtsübertragung - unter Umständen auch die Übertragung
des Gewinnanteils - auf C mit einer Anteilsübertragung zu überwinden gewesen, hätte
diese treuhänderisch mit der Maßgabe erfolgen können, daß die Anteile mit dem
Ausscheiden Büsers und mit dem damit verbundenen Wegfall des
Treuhandverhältnisses wieder an die Familienstämme zurückfielen. Da sich aus der
Regelung in Ziffer 1.d) ohne weiteres ergibt, daß die Familienstämme an ihren
Beteiligungsverhältnissen eigentlich überhaupt nichts ändern wollten, wäre daraus zu
folgern gewesen, daß die Anteile jeweils mit derselben Quote wieder an den
Familienstamm zurückfielen, von dem sie stammten. Für die Annahme der Beklagten,
daß die Anteile nunmehr paritätisch zwischen den Familienstämmen aufzuteilen
gewesen wären, spricht nichts.
Die danach wieder bestehende Disparität zugunsten des Klägers war von den
Gesellschaftern gewollt und ist in der Urkunde vom 9. September 1949 auch zum
Ausdruck gekommen. Sie findet ihren Niederschlag in der Sonderregelung der Ziffer 7.
des Vertrages, der § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages änderte. Denn danach sollte
der Kläger mit Vollendung seines 30. Lebensjahres als persönlich haftender
Gesellschafter eintreten, was er getan hat, und gleichzeitig das Stimmrecht in Höhe des
ihm von seiner Großmutter N vorab zugewandten Anteils in Höhe von 97.000.-- RM
zurückerlangen, und zwar auch dann, wenn C noch persönlich haftender Gesellschafter
war. Weitere Voraussetzung war nur, daß der persönlich haftende Gesellschafter Dr. T2
nicht mehr lebte. Diese Voraussetzung war aber mit dem Tode Dr. T2 im Jahre 1969
erfüllt, so daß bereits ab diesem Zeitpunkt der Kläger gegenüber dem Stamm T/L ein
Stimmenübergewicht hatte, wie es im übrigen auch im Jahresabschluß 1974
ausgewiesen ist (Anlage zur Berufungserwiderung, Bl. 250 GA).
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2.
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Die Übertragung von Anteilen des Gesellschaftsanteils des Klägers auf die Beklagten
zur Herstellung der Parität ist nicht festzustellen.
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Die vom Landgericht zu Recht als nicht bewiesen erachtete Behauptung der Beklagten,
der Kläger habe ihnen zur Herstellung der Parität die Übertragung von Anteilen
angeboten, wird von der Berufung nicht weiterverfolgt. Eine einverständliche
stillschweigende Änderung des Gesellschaftsvertrages und der darin festgelegten
Beteiligungsverhältnisse ist ebenfalls nicht festzustellen. Zwar können
Gesellschaftsverträge grundsätzlich auch stillschweigend geändert werden. An die
stillschweigende Änderung ausdrücklich geregelter Punkte durch tatsächliche Übung
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sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen. Eine einmalig oder nur vorübergehende
Abweichung genügt in aller Regel nicht, wenn sich der übereinstimmende
Änderungswille der Beteiligten nicht aus zusätzlichen Umständen ableiten läßt.
Anderes gilt für eine langjährige, vom Gesellschaftsvertrag abweichende Praxis; sie
begründet die tatsächliche Vermutung für eine entsprechende Änderung (so Ulmer in
MK, 3. Aufl., § 705 Rdnr. 49 unter Hinweis auf BGH NJW 66, 826).
Hier ist weder eine langjährige Übung noch ein übereinstimmender Änderungswille
festzustellen.
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Die Gewinnverteilung nach dem für die Beklagten günstigen Verteilungsschlüssel
betrifft zwar vier Geschäftsjahre (1983 bis 1986). Es ist aber unbestritten, daß die
Gesellschafterversammlung über alle vier Abschlüsse im Jahre 1987 "en bloc"
abgestimmt hat. Tatsächlich hat die Gesellschafterversammlung danach nur ein
einziges Mal Gewinne abweichend verteilt. Von einer langjährigen Übung und einer
daraus abzuleitenden Vermutung für einen Änderungswillen kann deshalb schon aus
diesem Grund keine Rede sein.
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Im übrigen ist die Einlassung des Klägers, es habe sich bei der abweichenden
Gewinnverteilung um einen von ihm unbemerkt gebliebenen Irrtum seines
Steuerberaters gehandelt, nicht widerlegt ist. Der Kläger hat der von den Beklagten
erbetenen Bestätigung der geänderten Beteiligungsverhältnisse im Jahre 1990 alsbald
widersprochen. Unbestritten hat er zudem gegenüber der Finanzverwaltung erfolgreich
die Änderung bereits auf der Grundlage der unrichtigen Gewinnverteilung ergangener
Steuerbescheide durchgesetzt und auch eine Änderung des Betriebsprüfungsberichts
erreicht, in dem die Beteiligungsverhältnisse ebenfalls abweichend vom
Gesellschaftsvertrag wiedergegeben waren. Danach ist jedenfalls auf seiten des
Klägers ein Änderungswille hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse nicht festzustellen.
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3.
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Die Berufung muß deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO ohne Erfolg
bleiben. Die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Anordnung der Sicherheitsleistung
beruhen auf §§ 708 Ziffer 10, 711, 108 ZPO.
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