Urteil des OLG Hamm vom 11.06.2003

OLG Hamm: entziehung, sperrfrist, haschisch, fahrzeug, verkehr, sorgfalt, jugendstrafrecht, gefahr, betäubungsmittel, entschädigung

Oberlandesgericht Hamm, 4 Ss 1140/02
Datum:
11.06.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 Ss 1140/02
Vorinstanz:
Landgericht Paderborn, 5 Ns 441 Js 1600/01 (12/02)
Tenor:
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten mit der Maßgabe
verworfen, dass die Anordnung der Maßregel gemäß §§ 69, 69 a StGB
entfällt.
Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Entschädigung für die
vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bleibt einem nachfolgenden
Beschlussverfahren vorbehalten.
G r ü n d e :
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I.
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Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Höxter vom 29. Mai 2002 wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Haschisch) in nicht geringer Menge
in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Das
Amtsgericht hat ferner die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des
Führerscheins angeordnet sowie eine Sperrfrist von noch einem Jahr für die Erteilung
einer neuen Fahrerlaubnis festgesetzt.
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Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten ist durch Urteil des Landgerichts
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- 5. Große Jugendkammer - Paderborn vom 10. Oktober 2002 mit der Maßgabe
verworfen worden, dass die Sperrfrist noch acht Monate betrage.
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Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils erwarb der gesondert verfolgte Y in
L mit eigenem Geld und mit Geld des Angeklagten T etwa 10 kg Haschisch für 25.000,-
DM, das er für 26.000,- DM dem Angeklagten überließ, der es mit weiterem Gewinn über
den bereits verurteilten Y2 an einen Y3 verkaufen wollte. Da der Angeklagte T zur
Tatzeit kein fahrtaugliches Fahrzeug besaß, fuhr er mit einem PKW des Y, der Beifahrer
war, von L nach I.
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Zur Anordnung der Maßregel hat das Landgericht ausgeführt, der Angeklagte habe ein
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Fahrzeug geführt und damit Betäubungsmittel transportiert, woraus sich seine
charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ergebe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit näherer
Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
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II.
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Das zulässige Rechtsmittel führt lediglich zu einem geringen Teilerfolg.
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Die landgerichtlichen Erwägungen tragen die Anordnung der Maßregel gemäß §§ 69,
69 a StGB nicht.
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Zwar ist § 69 Abs. 1 StGB nicht nur bei Verkehrsverstößen, sondern grundsätzlich auch
bei sonstigen strafbaren Handlungen anwendbar, sofern sie im Zusammenhang mit dem
Führen eines Kraftfahrzeuges begangen worden sind und sich daraus die mangelnde
charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergibt. Dieser
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- verkehrsspezifische - Zusammenhang ist aber nur gegeben, wenn durch das Verhalten
des Täters eine erhöhte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer eintritt. Der Anlasstat
müssen konkrete Hinweise dafür zu entnehmen sein, dass der Täter bereit ist, seine
kriminellen Ziele über die im Verkehr gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme zu stellen
(vgl. BGH StV 2003, 69, 70; BVerfG NZV 2002, 422, 424). Diese Annahme erfordert im
Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung eine nähere Begründung. Allein der
Umstand, dass der Täter ein Kraftfahrzeug zur Begehung von Straftaten benutzt,
begründet keine Regelvermutung für seine charakterliche Ungeeignetheit zum Führen
von Kraftfahrzeugen (vgl. BGH a.a.O.).
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Hinreichende Feststellungen zu einem derart verkehrsspezifischen Zusammenhang hat
die Strafkammer nicht getroffen. Auch sonstige Umstände, die zum Zeitpunkt des Urteils
(vgl. BGH StV 99, 18) auf eine Ungeeignetheit des Angeklagten hätten schließen lassen
können, sind, nachdem dieser nach den Feststellungen des Landgerichts keine Drogen
mehr konsumiert, nicht ersichtlich.
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Da nach allem ausgeschlossen werden kann, dass eine neue Hauptverhandlung
insoweit zu ergänzenden Feststellungen führen könnte, hat der Senat gemäß § 354
Abs. 1 StPO in der Sache selbst entschieden und den Maßregelausspruch aufgehoben.
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Im Übrigen war die Revision zu verwerfen, da die Nachprüfung des angefochtenen
Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
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Angeklagten hat erkennen lassen. Insbesondere hat die Jugendkammer rechtsfehlerfrei
aufgrund eigener Sachkunde die Voraussetzungen für die Anwendung von
Jugendstrafrecht verneint.
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III.
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Über die Frage der Entschädigungspflicht für die vorläufige Entziehung der Fahr-
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erlaubnis konnte noch nicht abschließend entschieden werden, da hierzu noch die
Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören sind. Daher war sie - analog § 8 I
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S. 2 StrEG - einem gesonderten Beschlussverfahren vorzubehalten. Dies ist auch
möglich, wenn die abschließende Entscheidung wie hier durch Beschluss außer-
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halb der Hauptverhandlung getroffen worden ist (vgl. OLG Hamm NJW 74, 374).
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IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 u. 4 StPO und berücksichtigt, dass das
Rechtsmittel des Angeklagten nur in geringem Umfang Erfolg hatte.
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