Urteil des OLG Hamm vom 02.11.2000

OLG Hamm: irreführende angabe, internet adresse, behinderung, anbieter, irreführung, gattungsbezeichnung, mitbewerber, verfügung, markt, registrierung

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 95/00
Datum:
02.11.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 95/00
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 23 O 60/00
Tenor:
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 14. April 2000
verkündete Urteil der III. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Münster wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Beide Parteien vertreiben bundesweit Einbau- und Gartensaunen sowie Saunazubehör.
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Die Antragsgegnerin tritt im Internet unter der Domain-Bezeichnung "www.s.de." auf und
wirbt auf diese Weise für ihre Produkte.
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Die Antragstellerin hält die Verwendung dieses Gattungsbegriffs als Internetadresse für
wettbewerbswidrig und nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung in Anspruch.
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Das Landgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung
zurückgewiesen. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich nicht aus analoger
Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Markengesetz. Es liege auch weder eine
Irreführung i.S.v. § 3 UWG noch eine wettbewerbswidrige Behinderung nach § 1 UWG
vor.
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Mit der Berufung macht die Antragstellerin geltend, daß die faktische Monopolisierung
der Gattungsbezeichnung "Sauna" durch die Antragsgegnerin zu einer Irreführung der
Verbraucher führe. Diese erwarteten unter einer solchen beschreibenden Angabe einen
Überblick über eine zumindest repräsentative Zahl von Anbietern auf dem betreffenden
Gebiet und nicht nur die Werbung eines einzigen Herstellers. Der in § 8 Abs. 2 Nr. 1 und
2 Markengesetz normierte Gedanke des Freihaltebedürfnisses müsse, wenn nicht über
eine analoge Anwendung dieser Vorschrift, jedenfalls über § 1 UWG berücksichtigt
werden. Es sei der Tatbestand der Behinderung erfüllt, denn die Antragsgegnerin
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kanalisiere durch die Monopolisierung der Gattungsbezeichnung die Kundenströme auf
sich. Potentielle Kunden würden bei dem Angebot, das am einfachsten gefunden
werden könne, hängenbleiben.
Die Antragstellerin beantragt,
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das am 14.04.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Münster abzuändern und
die Antragsgegnerin zu verurteilen, bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu
Wettbewerbszwecken unter der alleinigen Domain "www.s.de" im Internet
aufzutreten.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten
Schriftsätze und vorgelegten Unterlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung der Antragstellerin ist unbegründet.
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Das Landgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung mit Recht
zurückgewiesen, weil ein Verfügungsanspruch nicht ersichtlich ist.
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Ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG liegt nicht vor. Die
Antragsgegnerin macht mit der Verwendung der Gattungsbezeichnung "Sauna" ohne
weitere Zusätze als Internet-Domain keine irreführende Angabe über ihre geschäftlichen
Verhältnisse oder ihr Warenangebot. Mit dem Begriff "Sauna" ist das Leistungsangebot
der Antragsgegnerin vielmehr thematisch zutreffend beschrieben. Sie bietet tatsächlich
Produkte aus dem Saunabereich an.
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Eine Erwartung des angesprochenen Verkehrs dahingehend, daß unter der
verwendeten Bezeichnung eine Übersicht über die wesentlichen Anbieter des
betreffenden Marktes geboten würde, ist nicht anzunehmen, zumindest nicht glaubhaft
gemacht. Unter den Oberbegriff "Sauna" fallen so unterschiedliche Bereiche wie das
Betreiben von Saunaanlagen zur Benutzung durch einzelne Besucher einerseits und
der Verkauf von Saunaeinrichtungen andererseits. Schon wegen dieses weitgestreckten
Feldes von Dienstleistungs- und Warenangeboten kann ein bestimmtes
Verkehrsverständnis mit der angegriffenen Domain nicht verbunden werden. Internet-
Nutzer wissen zudem regelmäßig, daß die Domains ohne sachliche Prüfung des
dahinterstehenden Programmangebots vergeben werden. Vor allem aber enthält die
hier beanstandete Domain der Antragsgegnerin keinerlei Anhaltspunkte dahin, daß
etwa ein allgemeiner Überblick zu dem betreffenden Thema geboten würde. Bei einem
Gattungsbegriff ohne weitere Zusätze, wie er hier verwendet wird, erwartet der Internet-
Nutzer eine Präsentation aus diesem Bereich, nicht aber einen übergeordneten
Informationsdienst (so auch OLG Frankfurt, WRP 1997, 341, 342 zu "wirtschaft-
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online.de").
Zumindest fehlt es an der wettbewerbsrechtlichen Relevanz einer möglicherweise
eingetretenen Irreführung. Selbst wenn ein Internet-Nutzer die von der Antragstellerin
behauptete Vorstellung haben sollte, wird er seinen Irrtum bei einem Zugriff auf die
Seiten der Antragsgegnerin sofort erkennen. Gerade derjenige, der eine repräsentative
Marktübersicht erwartet, wird dann nicht bei dem Angebot eines einzelnen Herstellers
verbleiben, sondern seine Suche auf anderen Wegen, etwa über Suchmaschinen,
fortsetzen. Die etwaige Fehlvorstellung wird die Kaufentschließung eines potentiellen
Kunden danach letztlich nicht beeinflussen.
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Ein Verstoß gegen § 1 UWG ist ebenfalls nicht gegeben. Ein Fall einer
wettbewerbswidrigen Behinderung liegt nicht vor.
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Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Markengesetz hat das Landgericht
mit zutreffender Begründung abgelehnt. Es handelt sich um nicht vergleichbare
Regelungsbereiche. Im Markenrecht ist vor der Eintragung ein Verfahren vor einer
staatlichen Behörde zu durchlaufen, in dem u.a. eine Prüfung der Unterscheidungskraft
und des Freihaltebedürfnisses erfolgt. Wird eine Markeneintragung vorgenommen, so ist
der Berechtigte nicht nur gegen identische Verwendungsformen, sondern auch gegen
die Benutzung ähnlicher verwechselungsfähiger Bezeichnungen geschützt. Die
Registrierung von Internet-Adressen erfolgt dagegen ohne vergleichbare
Kontrollbehörde und ohne inhaltliche Überprüfung allein danach, ob die gewünschte
Bezeichnung belegt ist. Die aus einer Belegung folgende Sperrwirkung kann schon
durch geringfügigste Abwandlungen überwunden werden. Grenzen für die Wahl einer
beschreibenden Internet-Domain können sich daher nur aus allgemeinen
wettbewerbsrechtlichen Vorschriften ergeben (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.; Kur, CR 1996,
325, 328; Ubber, WRP 1997, 497, 510; Hartmann, CR 1999, 782).
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Eine unlautere Behinderung der Mitbewerber durch die Verwendung der Internet-
Domain der Antragsgegnerin ist nicht erkennbar. Ein verständiger Sauna-Interessent
weiß, daß es mehrere Anbieter auf diesem Markt gibt. Er erkennt bei Nutzung der
Internet-Adresse der Antragsgegnerin sofort, daß es sich hier nur um das Angebot eines
einzelnen Herstellers handelt. Angesichts der Höhe der Investition, die mit dem Erwerb
einer Sauna verbunden ist, wird er sich nicht davon abhalten lassen, sich auch
anderweitig zu informieren, z.B. über eine Suchmaschine. Es kann nicht davon
ausgegangen werden, daß es ein Kaufinteressent aus Bequemlichkeit unterläßt, nach
weiteren Anbietern zu suchen.
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Der danach aus der Verwendung der beanstandeten Internet-Domain folgende
Kanalisierungseffekt ist von fraglicher Bedeutung, jedenfalls aber nicht sittenwidrig i.S.v.
§ 1 UWG. Die Antragsgegnerin hat lediglich den Vorteil eines ersten Zugriffs potentieller
Interessenten. Dieser Vorteil beruht darauf, daß sie sich als Erste unter dem
Gattungsbegriff hat registrieren lassen. Das aber ist grundsätzlich wettbewerbskonform,
wie es etwa auch die Eröffnung des ersten Geschäfts einer bestimmten Branche in einer
speziellen verkehrsgünstigen Lage ist. Soweit daraus eine Behinderung anderer
Anbieter folgt, ist das eine normale Erscheinung des Leistungswettbewerbs (vgl. Renck,
WRP 2000, 264, 267; Hartmann, CR 1999, 782, 783).
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Die von der Antragstellerin zur Stützung ihrer gegenteiligen Auffassung angeführte
Entscheidung des OLG Hamburg (CR 1999, 779) läßt sich auf den vorliegenden
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Sachverhalt nicht übertragen. Im Fall des OLG Hamburg wurden unter der Domain
"m.de" von einem bestimmten Verband ein ihm angeschlossener größerer Kreis von
Anbietern über "links" präsentiert. Ausgeschlossen waren zahlreiche einem
konkurrierenden Verband angehörende Mitbewerber. In jener Situation konnte von einer
nachhaltigen Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch Abfangen von Kunden
gesprochen werden, zumal Interessenten regelmäßig über die Existenz eines weiteren
Mitbewerberkreises im Unklaren waren und ihnen bereits eine umfangreiche Palette
verschiedener Anbieter unterbreitet wurde, so daß eine weitere Suche nach Alternativen
häufig unterblieb. In diesem maßgeblichen Punkt liegt der vorliegende Fall ganz anders.
Hier werden Interessenten gerade nicht abgehalten, andere Angebote einzuholen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
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