Urteil des OLG Hamm vom 02.03.1999

OLG Hamm (stille gesellschaft, gesellschaft, kläger, gesellschafter, anfang, täuschung, guter glaube, arglistige täuschung, gesellschaftsvertrag, stillen)

Oberlandesgericht Hamm, 27 U 257/98
Datum:
02.03.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 257/98
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 13 O 126/98
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. Juli 1998 verkündete
Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 34.200,00 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 23. Juni 1998 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Beklagten übersteigt nicht 60.000,00 DM.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der I (nachfolgend:
Gemeinschuldnerin), über das durch Beschluß des Amtsgerichts Hamburg vom 24. Juli
1997 das Konkursverfahren eröffnet worden ist.
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Die Gemeinschuldnerin ist eine Aktiengesellschaft, an der sich ca. 38.500 Anleger als
typische oder atypische stille Gesellschafter neben den Aktionären beteiligten.
Unternehmensgegenstand war das Betreiben von Heizkraftwerken in den neuen
Bundesländern und im asiatischen Ausland.
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Am 29. März 1996 zeichnete der Beklagte mit einem Betrag von 40.000,00 DM
zuzüglich eines Agio-Betrages von 5 % eine stille Beteiligung, wobei er den
"Vertragstyp S (mit Steuervorteil)" wählte.
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Auf die mit unvorhergesehenem Geldbedarf begründete Kündigung des Beklagten vom
27. August 1996 schloß dieser mit der Gemeinschuldnerin am 8./12. Oktober 1996 einen
"Vertrag zur vorfristigen Auflösung der Beteiligung", woraufhin der Beklagte eine
Rückzahlung von 34.200,00 DM erhielt.
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Diesen Betrag hat der Kläger von dem Beklagten gemäß § 237 Abs. 1 HGB
zurückverlangt. Er hat geltend gemacht, daß die Gemeinschuldnerin spätestens Anfang
1996 außerstande gewesen sei, die den stillen Gesellschaftern garantierten
Ausschüttungen zu verdienen. Aufwendige Auslandsprojekte, von denen keines
fertiggestellt worden sei, hätten keine Erträge, sondern Verluste von derzeit 30 Mio. DM
erwirtschaftet. Bereits Anfang 1996 sei das internationale Geschäft der
Gemeinschuldnerin im Kraftwerkbereich nicht mehr realisierbar gewesen. Auch
inländische Kraftwerke seien spätestens seit 1996 verlustbringend gewesen.
Geldeingänge seien in erster Linie durch die Einlagen der Anleger gespeist worden.
Überhöhte Vertriebskosten hätten dazu geführt, daß von eingezahlten 100,00 DM
lediglich 60,00 DM für operative Zwecke zur Verfügung gestanden hätten. Deshalb
seien die Gründe, die zum Konkurs der Gemeinschuldnerin geführt hätten, nicht erst
nach Vereinbarung der Rückzahlung, sondern spätestens Anfang 1996 eingetreten.
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Der Beklagte hat sich das Vorbringen des Klägers zur wirtschaftlichen Lage der
Gemeinschuldnerin Anfang 1996 zu eigen gemacht und hierauf gestützt die Anfechtung
des Beteiligungsvertrages vom 29. März 1996 wegen arglistiger Täuschung und
Betruges erklärt. Bei Vertragsschluß sei ihm erklärt worden, daß die Gemeinschuldnerin
ein absolut solides, weltweit arbeitendes Unternehmen sei; eine Rendite von 7 % aus
den Gewinnen sei auf die Dauer von mindestens fünf Jahren garantiert.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen aus im wesentlichen folgenden Gründen:
Da die Gemeinschuldnerin unstreitig seit Anfang 1996 nur noch Verluste erwirtschaftet
habe, die es ausgeschlossen hätten, entsprechend den Beitrittsvereinbarungen die dort
genannten Verzinsungsbeträge von 7 bis 9 % zu zahlen, habe sie durch die Zusage von
Renditen von zumindest 7 % die Anleger vorsätzlich getäuscht, so daß die Anfechtung
des Beklagten gerechtfertigt sei. Zugleich sei das Vertragsverhältnis als sittenwidrig und
damit nichtig im Sinne von § 138 BGB anzusehen. Deshalb könne es offen bleiben, ob
der für die Gemeinschuldnerin tätig gewesene Werber evtl. noch ergänzende Aussagen
über die Gefahrlosigkeit des Engagements des Beklagten gemacht habe. Da somit der
Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, Beiträge zu leisten, könne der Kläger um so
weniger zurückgezahlte Beiträge zurückfordern.
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Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen Klageanspruch
weiterverfolgt. Er stellt sich auf den Standpunkt, daß von einer garantierten
Gewinnausschüttung bei einer stillen Beteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag nicht
die Rede sein könne; anderes sei dem Beklagten auch nicht vorgespiegelt worden. Zum
Zeitpunkt des Abschlusses des Beteiligungsvertrages sei die Gemeinschuldnerin davon
ausgegangen, Renditen erzielen zu können. Überdies sei dem Beklagten
unzulässigerweise Haftkapital der Gemeinschuldnerin zurückgewährt worden.
Schließlich habe seine atypisch stille Gesellschaftseinlage auch deshalb die Funktion
von Eigenkapital, weil die hierdurch zu erbringenden Mittel zur Erreichung des
Gesellschaftszwecks unerläßlich gewesen seien.
9
Der Kläger beantragt,
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abändernd
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 34.200,00 DM nebst 4 % Zinsen
seit dem 23. Juni 1998 zu zahlen.
12
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
15
Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung und des Vorbringens der Parteien im
übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Der Senat hat den Kläger gemäß § 141 ZPO persönlich angehört. Wegen des
Ergebnisses der Parteianhörung wird auf den Vermerk des Berichterstatters zur
Senatssitzung verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
18
Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Seine Klage ist gemäß § 37 KO a.F.
i.V.m. § 237 HGB a.F. nach § 106 EGInsO finden die §§ 143 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 135
InsO hier noch keine Anwendung begründet.
19
1.
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts entfällt der Anspruch des Klägers nicht
deshalb, weil die auf Zustandekommen eines Vertragsverhältnisses mit der
Gemeinschuldnerin gerichtete Willenserklärung des Beklagten nach § 142 BGB als von
Anfang an unwirksam anzusehen wäre.
21
1.1.
22
Der Senat teilt allerdings im Ausgangspunkt die Auffassung des Landgerichts, daß der
Vertrag vom 29. März 1996 aufgrund einer arglistigen Täuschung des Klägers durch die
Gemeinschuldnerin zustandegekommen ist. Die arglistige Täuschung ergibt sich bereits
aus dem eigenen Vortrag des Klägers in der Klageschrift, wonach es so war, daß die
Gemeinschuldnerin spätestens Anfang 1996 außerstande war, die den stillen
Gesellschaftern garantierten Ausschüttungen zu verdienen, daß aufwendige
Auslandsprojekte, von denen keines fertiggestellt worden war, keine Erträge, sondern
Verluste von 30 Mio. DM erwirtschaftet haben, daß bereits Anfang 1996 das
internationale Geschäft der Gemeinschuldnerin im Kraftwerksbereich nicht mehr
realisierbar war, daß auch inländische Kraftwerke spätestens seit 1996 verlustbringend
waren, daß Geldeingänge in erster Linie durch die Einlagen der Anleger gespeist
worden sind, daß überhöhte Vertriebskosten dazu geführt haben, daß von eingezahlten
100,00 DM lediglich 60,00 DM für operative Zwecke zur Verfügung gestanden haben
sowie daß die Gründe, die zum Konkurs der Gemeinschuldnerin geführt haben,
spätestens Anfang 1996 eingetreten waren.
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Diese Umstände waren für die Willensbildung des Beklagten von ausschlaggebender
Bedeutung, so daß der Beklagte hierüber aufgeklärt werden mußte, ohne daß es einer
diesbezüglichen Frage seinerseits bedurft hätte. Damit liegt eine objektive Täuschung
durch Verschweigen vor. Entgegen dem Vorbringen der Berufungsbegründung ist auch
von einem arglistigen Handeln der Gemeinschuldnerin auszugehen, auch wenn diese
zum Zeitpunkt des Abschlusses des Beteiligungsvertrages mit dem Beklagten davon
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ausgegangen sein sollte, entsprechende Renditen erzielen zu können. Zwar schließt
guter Glaube in der Regel auch bei grober Fahrlässigkeit des Handelnden Arglist aus.
Jedoch trägt der Kläger nicht vor, welche tatsächlichen Anhaltspunkte den Glauben an
zukünftige Gewinne untermauert haben könnten. Er behauptet selbst nicht, daß die
vorerwähnten Tatsachen über die desolate Geschäftslage der Gemeinschuldnerin
dieser verborgen geblieben wären. Deshalb ist der Senat davon überzeugt, daß bei
einem derart grundlosen Optimismus trotz Kenntnis der Umstände, aus denen die
objektive Konkursreife folgte, zumindest ein Inkaufnehmen eines Ausfalls für den
Beklagten vorlag. Daß noch im Jahre 1996 Ausschüttungen vorgenommen worden sind,
ist unerheblich, weil der Kläger selbst in seiner Klageschrift vorgetragen hat, daß diese
Ausschüttungen nicht durch operative Geschäfte verdient wurden, sondern in erster
Linie den Einlagen anderer stiller Gesellschafter entstammten. Dieser Umstand belegt
im übrigen die Kenntnis der Gemeinschuldnerin von ihrem tatsächlichen wirtschaftlichen
Zustand.
1.2.
25
Jedoch führt das Vorliegen von Anfechtungsgründen nicht zur anfänglichen
Unwirksamkeit des Vertragsverhältnisses zwischen der Gemeinschuldnerin und dem
Beklagten.
26
Denn bei diesem Vertragsverhältnis handelt es sich um einen Gesellschaftsvertrag, der
bereits in Vollzug gesetzt worden ist, so daß sowohl Anfechtungs- als auch
Nichtigkeitsgründe nicht zu einer anfänglichen Unwirksamkeit führen. Zwischen der
Gemeinschuldnerin und dem Beklagten ist nach Maßgabe des § 4 Ziff. 1 des "Angebots
zum Abschluß eines Gesellschaftsvertrages als stiller Gesellschafter" eine stille
Gesellschaft zustandegekommen, so daß durch die Beteiligungserklärung des
Beklagten und die Annahmeerklärung der Gemeinschuldnerin der Beklagte stiller
Gesellschafter i.S.d. § 230 ff a.F. HGB geworden ist. Auch wenn es dem Kläger wie er
vor dem Senat glaubhaft dargelegt hat in erster Linie um eine Kapitalanlage gegangen
ist, läßt sich das Vertragsverhältnis nicht als Darlehensvertrag einordnen. Die Annahme
eines partiarischen Darlehens kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil der
Beklagte nicht nur am Gewinn, sondern auch am Verlust beteiligt war. Denn nach § 13
Abs. 2 Satz 1 des Vertragsinhalt gewordenen "Angebots" war der Beklagte bis zur Höhe
seiner Einlage an Verlusten beteiligt. Wer wie der Beklagte auch am Verlust beteiligt ist,
kann nur Gesellschafter sein (OLG Hamm NJW-RR 1994, 1382, 1383; vgl. auch
Palandt/Putzo Einf vor § 607 BGB Rdnr. 22; Palandt/Thomas § 705 BGB Rdnr. 51).
Auch die weitere Ausgestaltung der Vertragsbeziehung spricht hier gegen die Annahme
eines Darlehensvertrages. So legen z.B. das Fehlen jeder Kreditsicherung, die lange
Dauer der festen vertraglichen Bindung von sechs Jahren, die Einräumung von
Widerspruchs- und Kontrollrechten, die Verpflichtung, dem Beklagten u.a. den
Jahresabschluß zu übermitteln, und vor allem die in § 6 enthaltene Regelung, wonach
die Gemeinschuldnerin die dort genannten Grundlagenentscheidungen von der
Zustimmung der atypisch stillen Gesellschafter abhängig machte, hier die Verneinung
eines partiarischen Darlehens nahe. Danach kann hier keine Rede davon sein, daß die
Beziehung zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten ausschließlich durch
die Verschiedenheit ihrer eigenen Interessen bestimmt war; vielmehr hatten sich die
Gemeinschuldnerin und der Beklagte zur gemeinsamen Zweckverfolgung verbunden
(vgl. BGH NJW 1995, 192). Der Bejahung eines Gesellschaftsvertrages entspricht auch
der ausdrückliche Wunsch des Klägers, zumindest auch Steuervorteile zu erlangen,
was durch einen Darlehensvertrag nicht erreichbar gewesen wäre. Im übrigen ist der
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Beklagte selbst noch in seiner Berufungserwiderung davon ausgegangen, daß der
Vertrag auf die Begründung einer stillen Gesellschaft gerichtet war.
Damit war der Gesellschaftsvertrag nur mit Wirkung für die Zukunft vernichtbar (vgl.
Baumbach/Hopt § 105 HGB Rdn. 79 f; Palandt/Thomas § 705 BGB Rdn. 11 jeweils
m.w.N.). Die bloße Vernichtbarkeit für die Zukunft auch im Fall der arglistigen
Täuschung entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH (BGH NJW 1992, 2696,
2698; BGH NJWRR 1988, 1379).
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Abgesehen davon, daß die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch für den
fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft gelten (BGH NJW 1992, 1501, 1502), kommt
es hierauf noch nicht einmal an, weil der Beklagte sich entgegen der in der
"Beteiligungserklärung" in Überschrift und Text verwendeten Wortwahl nicht an einer
Gesellschaft beteiligt hat, sondern nach § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages mit der
Gemeinschuldnerin eine eigenständige stille Gesellschaft begründet hat. Die
Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft finden, wie der BGH in seiner
Entscheidung NJW 1992, 2696, 2698 ausdrücklich entschieden hat, auch auf die hier
gegebene atypische stille Gesellschaft Anwendung. Die fehlerhafte Gesellschaft ist
auch vollzogen worden, da der Beklagte seine Einlage geleistet hat (vgl. BGH NJW
1992, 1501, 1502; Baumbach/Hopt § 105 HGB Rdn. 82).
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Zwar läßt die Rechtsprechung von der Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften
Gesellschaft Ausnahmen zu, wobei die Grenze dort liegt, wo gewichtige Interessen der
Allgemeinheit oder einzelner schutzwürdiger Personen, insbesondere Minderjähriger,
entgegenstehen (vgl. BGHZ 55, 5, 9). Dies ist zum einen der Fall (vgl. BGH NJWRR
1988 1397), wenn der Zweck der Gesellschaft mit dem Gesetz (§ 134 BGB) oder den
guten Sitten (§ 138 BGB) unvereinbar ist. Eine Sittenwidrigkeit der Gesellschaft hat der
BGH a.a.O. für den Fall, daß Zweck der Gesellschaft der Betrieb eines Bordells war,
verneint, so daß der Schutz der Allgemeinheit auch vorliegend der Anerkennung der
fehlerhaften Gesellschaft ungeachtet der Umstände ihres Zustandekommens nicht
entgegensteht. Zum anderen hat der BGH eine Ausnahme bei arglistigen Täuschungen
in Fällen der besonders schwerwiegenden Folgen für möglich gehalten (vgl. die
Nachweise bei Baumbach/Hopt § 105 HGB Rdn. 80 und Ulmer, GbR, § 105 BGB
Rdn. 258). Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHZ 55, 5, 10) reicht hierfür
jedoch ein betrügerisches Verhalten bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages nicht aus,
wenn der Vorteil allein in dem Abschluß des stillen Gesellschaftsvertrages selbst liegt.
Denn hier wird, so die Rechtsprechung des BGH, der Schutz des Betrogenen dadurch
hinreichend gewahrt, daß diesem ein Schadensersatzanspruch zusteht, der bei der
Auseinandersetzung zu berücksichtigen ist. Auch in seiner Entscheidung NJW 1992,
2696, 2698 hat der BGH ausdrücklich entschieden, daß auch dann, wenn ein atypisch
stiller Gesellschafter durch Betrug zum Abschluß des Gesellschaftsvertrages bewogen
worden ist, die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anzuwenden sind.
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Danach besteht vorliegend keine Möglichkeit, von der Anwendung der Regeln über die
fehlerhafte Gesellschaft abzusehen.
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes, daß die Parteien des
Gesellschaftsvertrages diesen durch Vertrag vom 8./12. Oktober 1996 aufgelöst haben.
Zwar liegt danach kein noch in Vollzug befindliches Gesellschaftsverhältnis mehr vor,
so daß der vom BGH tragend herangezogene Gesichtspunkt des Bestandsschutzes
(BGHZ 55, 5, 9) des einmal in Vollzug gesetzten Gesellschaftsverhältnisses im
32
Innenverhältnis der Gesellschafter für die Zukunft nicht mehr greift. Wie jedoch die
Existenz des § 237 HGB zeigt, folgen innerhalb der dort genannten Jahresfrist auch aus
einem beendeten stillen Gesellschaftsvertrag noch Wirkungen. Dem Gesetz kann nicht
entnommen werden, daß diese Wirkungen allein auf einem fehlerfreien
Gesellschaftsvertrag beruhen sollen. Die Möglichkeit der Konkursanfechtung nach
§ 237 HGB a.F. ist damit eine Folge des zwar fehlerhaft begründeten, tatsächlich aber
vollzogenen Gesellschaftsverhältnisses. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist hierfür, daß der
Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger (vgl. dazu
Heymann/Horn § 237 HGB Rdn. 1) nicht nur bei fehlerfrei begründeten, sondern auch
bei fehlerhaft begründeten, aber tatsächlich vollzogenen Gesellschaftsverhältnissen
zum Tragen kommt. Die Anfechtbarkeit der Rückerstattung der Einlage an den
Beklagten ist eine Folge des in der Vergangenheit tatsächlich begründeten und
vollzogenen Gesellschaftsverhältnisses. Der Umstand, daß der Gesellschaftsvertrag für
die Zukunft vernichtbar ist, kann die aus § 237 HGB a.F. folgende Bindung als Folge
des vollzogenen Gesellschaftsvertrages nicht beseitigen. Einen Sachgrund, den
Beklagten gegenüber anderen Gesellschaftern allein deshalb zu privilegieren, weil ihm
ohne Bezugnahme auf das betrügerische Zustandekommen des Gesellschaftsvertrages
seine Einlage zurückgezahlt worden ist, besteht nicht (vgl. Heymann/Horn § 237 HGB
Rdn. 2). Nach der gesetzlichen Regelung des § 237 Abs. 1 S. 1 HGB a.F. ist allein das
Verstreichen der Jahresfrist ein Grund zur Differenzierung.
2.
33
Das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 237 Abs. 1 HGB a.F. ergibt sich aus
folgenden Erwägungen:
34
Wie dargelegt ist zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten eine stille
Gesellschaft zustandegekommen, so daß der Beklagte stiller Gesellschafter i.S.d.
§§ 230 ff HGB a.F. geworden ist, so daß § 237 HGB a.F. Anwendung findet. Angesichts
einer Konkurseröffnung am 24. Juli 1997 und einer im Oktober 1996 getroffenen
Vereinbarung über die Rückzahlung ist die Jahresfrist eingehalten. Die Parteien sind
sich auch darüber einig, daß die Gründe, die zum Konkurs der Gemeinschuldnerin
geführt haben, nicht erst nach Vereinbarung der Rückzahlung eingetreten sind.
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Der Rückzahlung von 34.200,00 DM an den Beklagten liegt auch eine besondere
Vereinbarung i.S.d. § 237 Abs. 1 S. 1 HGB a.F. zugrunde. Eine solche ist dann
gegeben, wenn diese freiwillig erfolgt und ihr Inhalt nicht bereits durch Gesetz oder
Gesellschaftsvertrag festliegt (vgl. Heymann/Horn § 237 HGB Rdn. 3). Hier war dem
Beklagten nach § 16 des Gesellschaftsvertrages eine Kündigungsmöglichkeit
gesellschaftsvertraglich erstmals zum Ende des sechsten vollen Geschäftsjahres
eingeräumt; die Einräumung weiterer ordentlicher Kündigungsmöglichkeiten ist hier
nicht ersichtlich. Ein vertragliches Kündigungsrecht hat der Beklagte auch nicht
ausgeübt, wie sein Schreiben vom 27. August 1996 zeigt. Zwar hat dem Beklagten wie
oben dargelegt ein gesetzliches Recht zur außerordentlichen Kündigung einer
fehlerhaften Gesellschaft aus dem Gesichtspunkt einer arglistigen Täuschung bei
Abschluß des Gesellschaftsvertrages zugestanden. Er hat jedoch ein solches
außerordentliches Kündigungsrecht ausweislich seines Schreibens vom 27. August
1996 nicht ausgeübt. Dem entspricht es, daß der Beklagte bei seiner persönlichen
Anhörung vor dem Senat ausdrücklich angegeben hat, daß sein vorgenanntes
Schreiben ausschließlich aus finanziellen Gründen heraus erfolgt ist. Vielmehr ist
ausdrücklich ein "Vertrag zur vorfristigen Auflösung der Beteiligung" geschlossen
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worden, der eine freiwillige Auflösungsvereinbarung darstellt, die von § 237 Abs. 1 S. 1
HGB erfaßt wird. Diese Auflösungsvereinbarung war deshalb nicht Folge der arglistigen
Täuschung des Beklagten, sondern erfolgte ohne Zusammenhang mit dieser.
Der Senat hat allerdings erwogen, ob das objektive Vorliegen eines gesetzlichen
Rechtes zur außerordentlichen Kündigung ausreichen könnte. Diese Auffassung
widerspräche jedoch dem Wortlaut des § 237 Abs. 1 S. 1 HGB a.F., der an eine
Vereinbarung über die Einlagenrückgewähr anknüpft, die als solche wesensmäßig
subjektive Gesichtspunkte in sich trägt, und nicht gänzlich durch das objektive Vorliegen
einer bestimmten Rechtslage ersetzt werden kann. Nach der Rechtsprechung des BGH
(BGHZ 55, 5, 10) ist demgemäß eine freiwillige Rückgewähr nur dann zu verneinen,
wenn ein gesetzliches Kündigungsrecht ausgeübt ist und aus diesem Grunde die
Rückzahlung erfolgen mußte. Eine solche Ausübung eines gesetzlichen
Kündigungsrechtes als eines Willensaktes des Kündigenden liegt hier nicht vor. Auch in
seiner insoweit im hier gegebenen Fall ähnlich gelagerten Entscheidung NJW 1993,
2107 hat der BGH den mit finanziellen Gründen motivierten Wunsch nach
Vertragsaufhebung nicht als außerordentliche Kündigung angesehen, sondern allein
die anwaltlich erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, die hier erst in der
Klageerwiderung erfolgt ist.
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Daß mit der Auflösungsvereinbarung nicht nur eine Abrede über die Rückgewähr der
Einlage getroffen wurde, sondern zugleich das Gesellschaftsverhältnis insgesamt
beendet werden sollte, ist nach der ausdrücklichen Regelung des § 237 Abs. 1 S. 2
HGB a.F. unerheblich.
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3.
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Der Kläger kann Rechtshängigkeitszinsen ab Zustellung der Klageschrift in gesetzlicher
Höhe verlangen, §§ 291, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Festsetzung des
Wertes der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.
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