Urteil des OLG Hamm vom 18.11.2008

OLG Hamm: irreführende werbung, widerruf, auflage, irreführung, quelle, vollstreckbarkeit, verfügungsgewalt, zumutbarkeit, unternehmen, zukunft

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 99/08
Datum:
18.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 99/08
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 43 O 127/07
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. April 2008 verkündete
Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen
teilweise abge-ändert.
Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte zum Widerruf der von
ihr ver-gebenen Auszeichnung verurteilt worden ist.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander
aufgeho-ben.
Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Beklagte
2/3 und die Klägerin 1/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
1
Soweit die Berufung der Beklagten nicht zurückgenommen worden ist, ist sie begründet.
Der Klägerin steht der Anspruch auf Widerruf der von der Beklagten vergebenen
Auszeichnung gegenüber den ausgezeichneten Unternehmen nämlich nicht zu.
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1) Nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG besteht bei wettbewerbsrechtlichen
Verletzungshandlungen neben dem Unterlassungsanspruch zwar grundsätzlich auch
ein gegen bereits eingetretene Beeinträchtigungen gerichteter Beseitigungsanspruch.
Es geht dabei um die Beseitigung eines durch die Verletzungshandlung, die den
Unterlassungsanspruch rechtfertigt, bewirkten gegenwärtigen Störungszustandes, der
noch in die Zukunft fortwirkt. Bedenken bestehen schon gegen die Antragsfassung und
dabei insbesondere, dass zu einem Widerruf der Auszeichnung verurteilt werden soll.
Der zur Beseitigung verpflichteten Verletzerin kann aber nicht vorgeschrieben werden,
wie sie einen eventuellen aktuellen Störungszustand beseitigt, wenn es verschiedene
Möglichkeiten der Beseitigung gibt. Das ist hier der Fall. Die irreführende Werbung kann
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etwa auch durch eine berichtigte, weil hinreichend aufklärende Werbung beseitigt
werden. Ein Widerruf der Auszeichnung ist, selbst wenn er möglich und wirksam wäre,
nicht die einzige Möglichkeit.
2) Der Beseitigungsanspruch besteht hier aber auch in der Sache nicht. Im Rahmen
eines Beseitigungsanspruchs ist der Verletzer nämlich nur zur Vornahme derjenigen
Maßnahmen verpflichtet, die im Einzelfall zur Beseitigung der Störung geeignet und
erforderlich sind. Dabei ist insbesondere auch der Gesichtspunkt der
Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit der Beseitigungsmaßnahmen zu
berücksichtigen (vgl. Ahrens/Loewenheim, Der Wettbewerbsprozeß, 5.Auflage, Kap. 73,
Rdn. 4). Dieser setzt voraus, dass die Beseitigung des Störungszustands dem Verletzer
überhaupt möglich ist. Das ist im Falle einer irreführenden Werbung aber nur
ausnahmsweise der Fall, insbesondere wenn es um die Beseitigung einer bereits
durchgeführten Werbemaßnahme geht. Hier gehen die Störungen, soweit sie nach dem
Zeitablauf überhaupt noch fortwirken, von der fortdauernden Werbung der
ausgezeichneten Betriebe aus, die das ihnen verliehene Logo noch im Fenster des
Geschäftslokal hängen haben und es auf Briefbögen verwenden. Sie gehen dagegen
nicht von der in sich abgeschlossenen Verleihung der Auszeichnung durch die Beklagte
aus. Der Beklagten fehlt die Verfügungsgewalt über die vertragsgemäß ausgelieferten
Werbemittel (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 8 Rdn. 1.91). Selbst
wenn sie die Auszeichnung widerruft, kann sie nicht erzwingen, dass die
ausgezeichneten Betriebe die Werbung damit einstellen. Außerdem wäre im Rahmen
der Prüfung der Verhältnismäßigkeit noch eine Abwägung der beteiligten Interessen
erforderlich. Hier ist in diesem Rahmen zu berücksichtigen, dass die Auszeichnung
"TOP 100 Akustiker 2007" inzwischen immer weniger aktuell geworden ist. Die
Beklagte wird inzwischen schon mit der Bewerbung einer neuen Aktion für 2009
begonnen haben. Die Irreführung kann –wie ausgeführt- ohnehin nicht an der Quelle
gestopft werden, da die ausgezeichneten Betriebe den Widerruf nicht zu beachten
brauchen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92, 516 Abs. 3 ZPO, wobei der Senat
berücksichtigt hat, dass die Urteilsgebühren nur noch nach dem geringeren Streitwert
anfallen und die Beklagte insoweit voll obsiegt.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10. 711, 713
ZPO.
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