Urteil des OLG Hamm vom 18.08.2005

OLG Hamm: fahrverbot, geschwindigkeitsüberschreitung, geständnis, höchstgeschwindigkeit, ortschaft, beweiswürdigung, verfolgungsverjährung, gerät, fahrzeug, datum

Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss OWi 417/05
Datum:
18.08.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ss OWi 417/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Minden, 15 OWi 63 Js 943/04 (264/04)
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des
Amtsgerichts Minden zurückverwiesen.
G r ü n d e :
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I.
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Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Minden vom 2. März 2005 wegen
fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung mit einer Geldbuße in Höhe von
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150,- € belegt worden; ferner ist ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats gegen ihn
verhängt worden.
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Die Gründe des angefochtenen Urteils führen Folgendes aus:
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"Der Betroffene hat ein geregeltes Einkommen.
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Am 21.05.2003 befuhr er in I außerhalb geschlossener Ortschaft die
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L 770 in Fahrtrichtung Q mit dem Fahrzeug ##########. In einem 70 km/h-
Bereich, der durch eine 70 km/h Beschilderung gekennzeichnet war und die vor
und während der Mewssung kontrolliert wurde, wobei kein
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Abkleben der Schilder vorlag, wurde der Betroffene mittels Laser-Gerät X
#########, geeicht bis 12/2003, gemessen. Der Meßwert ergab 131 km/h, so dass
unter 4 km/h Toleranz eine vorwerfbare Geschwindigkeit von
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127 km/h zugrunde zu legen war.
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Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Einlassung des Betroffenen, der den
Messwert letztlich nicht bestritten und eingeräumt hat.
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Der Betroffene meint, seine berufliche Situation rechtfertige kein Fahrverbot. Als
Steinmetzmeister sei er zwingend auf den Führerschein angewiesen.
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Aufgrund des festgestellten Sachverhalts war der Betroffene, wie im Tenor
niedergelegt, wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung um 57 km/h
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außerhalb geschlossener Ortschaft zu verurteilen. Eine Buße von 150,00 Euro und
ein Fahrverbot von einem Monat erschien geboten. Berufliche Schwierigkeiten
allein können kein Grund sein, vom Fahrverbot abzusehen.
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Kosten: § 466 StPO."
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die er mit
näheren Ausführungen begründet hat.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe
zu verwerfen, dass das angeordnete Fahrverbot entfalle.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde hat einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an
eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden.
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Das angefochtene Urteil hält einer materiell-rechtlichen Überprüfung nicht Stand. An die
Urteilsgründe in Bußgeldsachen sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie
müssen aber so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung
der richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Hinsichtlich der Beweiswürdigung
müssen die Urteilsgründe in der Regel auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen
das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, wie sich der Betroffene eingelassen hat
und ob sowie ggf. aus welchen Gründen das Gericht dieser Einlassung folgt und ob und
inwieweit es seine Einlassung als widerlegt ansieht (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71
Randziffern 42, 43 m.w.N.).
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Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
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Aus den Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass der Amtsrichter seine Überzeugung,
dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 57 km/h überschritten hat,
auf dessen wohl als "Geständnis" angesehene Einlassung gestützt hat, "der den
Messwert letztlich nicht bestritten und eingeräumt habe".
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1993, 3081 ff.) kann
eine Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
grundsätzlich auf ein Geständnis des Betroffenen gestützt werden. Erforderlich ist
allerdings ein uneingeschränktes und glaubhaftes Geständnis (BGH a.a.O., 3084),
wobei in den Urteilsgründen nicht nur die Einlassung des Betroffenen mitzuteilen ist,
sondern auch Ausführungen dazu erforderlich sind, aus welchen Gründen der
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Amtsrichter von der Richtigkeit der Einlassung des Betroffenen überzeugt ist
(Senatsbeschluß vom 06.04.2004 - 3 Ss OWi 749/03 m. w. N.).
Im vorliegenden Verfahren ist bereits zweifelhaft, ob der Betroffene uneingeschränkt
eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 57 km/h gestanden hat, da er nach den
Urteilsausführungen "den Messwert letztlich nicht bestritten und eingeräumt" habe. Das
bloße Nichtbestreiten einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Betroffenen ist
regelmäßig keine ausreichende Grundlage der Überzeugungsbildung; inwieweit der
Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung "eingeräumt" hat, ist den Urteilsgründen
gerade nicht zu entnehmen. Auch lassen die Ausführungen vermissen, aus welchen
Gründen der Amtsrichter dieser Einlassung des Betroffenen gefolgt ist.
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Auch die Ausführungen zum Rechtsfolgenausspruch, soweit hier ein Fahrverbot
verhängt worden ist, halten einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Insoweit wird auf
die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme
vom 05.08.2005 verwiesen, die dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger mitgeteilt
worden sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat ferner auf die
zutreffenden Ausführungen in der vorgenannten Stellungnahme, soweit diese sich zu
der (nicht eingetretenen) Verfolgungsverjährung und zu den erhobenen
Verfahrensrügen verhalten. Auch insoweit schließt sich der Senat nach eigener Prüfung
den Ausführungen an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
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Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler war das Urteil aufzuheben und das Verfahren
zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des
Amtsgerichts Minden, die auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu
entscheiden haben wird, zurückzuverweisen.
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