Urteil des OLG Hamm vom 25.10.2000

OLG Hamm: verwahrung, firma, werkzeug, öffentlich, körperschaft, hoheitsakt, eingriffsverwaltung, fahrzeug, abschleppen, behörde

Oberlandesgericht Hamm, 11 U 65/00
Datum:
25.10.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 65/00
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 4 O 599/97
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. Dezember 1999
verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen
abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer übersteigt bei keiner Partei 60.000,00 DM.
Von der Darstellung des
T a t b e s t a n d e s
abgesehen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung der Beklagten ist sachlich gerechtfertigt.
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Die gegen die beklagte Stadt gerichtete Klage ist unbegründet.
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A
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Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 3.132,22 DM
gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG nicht zu.
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Die Beklagte ist nicht passivlegitimiert.
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Unstreitig haben Bedienstete der Beklagten die von der Klägerin behaupteten Schäden
nicht herbeigeführt.
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Eine Haftung der Beklagten kommt deshalb nur in Betracht, wenn Mitarbeiter der von ihr
eingeschaltete Firma D. in Ausübung eines ihnen anvertrauten hoheitlichen Amtes, also
hoheitlich, gehandelt haben. Nur dann kann die Verantwortlichkeit für das - dann
ausschließlich als Amtspflichtsverletzung im Sinne des § 839 BGB zu beurteilende -
Fehlverhalten die Körperschaft nach Art. 34 GG treffen ( vgl. dazu BGH NJW 1993, 1258
= BGHZ 121, 161 ff ). Zu der Frage, ob bei pflichtwidrigem Handeln des
Verwaltungshelfers dieser selbst oder an seiner Stelle der Staat haftet, vertritt der
Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, der sich der Senat in ständiger
Rechtsprechung angeschlossen hat, die sog. Werkzeugtheorie. Danach haftet die
auftraggebende Körperschaft für pflichtwidriges Handeln des Verwaltungshelfers, wenn
sie in so weitgehendem Maße auf die Durchführung des Auftrags Einfluß genommen
hat, daß sie das Handeln der Privatperson wie eigenes gegen sich gelten lassen muß
und es so angesehen werden muß, als wäre die Privatperson lediglich als Werkzeug (
Erfüllungsgehilfe ) der auftraggebenden Behörde bei der Durchführung ihrer
hoheitlichen Aufgaben tätig geworden ( BGH a.a.O., Sandkühler, Amtshaftung, Rn. 24,
27; Ossenbühl, Staatshaftung, 5. Aufl., Seite 20 ff; Bergmann / Schumacher, Die
Kommunalhaftung, 2. Aufl., Rn. 880 ff ). An dieser Rechtsprechung hat der
Bundesgerichtshof auch angesichts der unter dem Schlagwort "Flucht ins Privatrecht"
geäußerten Kritik festgehalten und ausgeführt: "Je stärker der hoheitliche Charakter der
Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen
Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je
begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist, desto näher liegt es, ihn
als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Danach kann sich die öffentliche
Hand jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung der Amtshaftung für fehlerhaftes
Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, daß sie die
Durchführung einer von ihr angeordneten Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf
einen privaten Unternehmer überträgt."
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Überträgt man die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze auf den
vorliegenden Fall, besteht gegen die Beklagte kein Anspruch.
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Die Firma D. ist allerdings als selbständiger Verwaltungshelfer tätig geworden. Sie ist
mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut worden. Mit dem Abschleppen und
der anschließenden Verwahrung eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs ordnete
die Beklagte ein hoheitliches Zwangsmittel zur Wahrnehmung einer öffentlichen
Aufgabe an. Die Beamten wurden mit der Anordnung im Interesse der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung tätig. Der tatsächliche Vollzug der Anordnung unterfällt der
Eingriffsverwaltung, soweit es um den Abschleppvorgang geht. Als das Fahrzeug der
Klägerin aufgeladen wurde, war auch noch die Politesse, die Zeugin K., zugegen. Es
spricht viel dafür, daß während dieses Vorgangs der Mitarbeiter der Firma D. als
Werkzeug der Beklagten anzusehen ist. Während dieses Zeitraums sind aber nach dem
insoweit von der Klägerin ausdrücklich hingenommenen Sachverständigengutachten
die von der Klägerin behaupteten Schäden nicht entstanden.
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Sollten aber die Schäden im Zeitraum der Verwahrung entstanden sein, haben die
Mitarbeiter der Firma D. (mehr) nicht als Werkzeug der Beklagten gehandelt. Während
dieser Zeit haben Beamte nämlich keinen tatsächlichen Einfluß auf die Verwahrung
genommen. Sie haben einen solchen Einfluß auch nicht amtspflichtwidrig unterlassen.
Sie waren nämlich nicht verpflichtet, das Abstellen des Fahrzeugs auf dem Gelände der
Firma D. zu überwachen. Ebenso waren sie nicht gehalten, selbst die Aufsicht über das
abgestellte Fahrzeug auszuüben. Die Art und Weise der Verwahrung und ihre
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Durchführung hat vielmehr allein in den Händen der Firma D. gelegen.
B
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Die Klageforderung kann auch nicht mit Erfolg auf eine analoge Anwendung der
positiven Forderungsverletzung eines öffentlich rechtlichen Verwahrungsverhältnisses
gestützt werden. Allerdings kann ein derartiges Verwahrungsverhältnis durch Hoheitsakt
entstehen. Es kann hier offen bleiben, ob der Hoheitsakt nur das Abschleppen und
Abstellen des Fahrzeugs an einem anderen Ort betrifft, nicht aber die Verwahrung. Es
fehlt nämlich an einer weiteren Anspruchsvoraussetzung. Das Institut der öffentlich-
rechtlichen Verwahrung hat seinen inneren Grund in der infolge der Inbesitznahme von
Gütern begründeten besonders engen Beziehung der betreffenden öffentlich-rechtlichen
Körperschaft zu diesen Gütern im Sinne einer besonderen Fürsorge- und Obhutspflicht
für die in Besitz genommenen Güter und damit für den Betroffenen selbst ( BGHZ 21,
214, 219 ). Eine solche Fürsorgepflicht ist angenommen worden im Falle der
zwangsweisen Unterbringung eines Geisteskranken in einer staatlichen Heil- und
Pflegeanstalt und im Verhältnis des Staates zu seinen Beamten ( BGH, a.a.O., Seite
219, 220 ). Es ist indes für die Begründung und Aufrechterhaltung des Strafgefangenen-
Gewaltverhältnisses verneint worden. Erst recht fehlt es im vorliegenden Fall an dieser
zu fordernden besonderen Fürsorge- und Obhutspflicht zwischen der Klägerin und der
beklagten Stadt.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713, 546
ZPO.
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