Urteil des OLG Hamm vom 27.04.1988

OLG Hamm (dach, begriff, unterpächter, zpo, fläche, vertragspartner, vertrag, raum, abweichung, auslegung)

Oberlandesgericht Hamm, 30 U 16/88
Datum:
27.04.1988
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
30. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
30 U 16/88
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 4 O 122/87
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. November 1987
verkündete Teilurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen
teilweise abgeändert.
Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerinnen als
Gesamtgläubigerinnen 2.705,75 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 1. April
1986 zu zahlen.
Der weitergehende bereits bezifferte Zahlungsantrag (Klageantrag zu 1))
wird abgewiesen.
Die Beklagte bleibt weiter verurteilt, den Klägerinnen Auskunft über den
Frischwasserverbrauch der von der Beklagten im Hause ... in ...
angemieteten Räumlichkeiten für die Jahre 1983 bis 1985 zu erteilen.
Die Klageanträge zu 4) (Unterlassung) und zu 5) (Schlüsselübergabe)
werden abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägerinnen je zur
Hälfte auferlegt.
Die erstinstanzliche Kostenentscheidung bleibt dem landgerichtlichen
Schlußurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Klägerinnen liegt unter 40.000,- DM.
Tatbestand:
1
Von Darstellung des
Tatbestandes
2
Entscheidungsgründe
3
Die Berufung hat Erfolg.
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1.
5
Einen Anspruch auf Rückerstattung der 807,59 DM für die Wasserleitungsreparatur
haben weder die Klägerinnen gemeinsam, die diesen Anspruch geltend gemacht
haben, noch die Klägerin zu 1) allein, der das Landgericht ihn zugesprochen hat. Der
Rohrschaden fiel in den Verantwortungsbereich der Klägerinnen als Verpächterinnen,
denn er betraf "Dach und Fach" des Gebäudes und war auch nicht von der Beklagten
oder ihrem Unterpächter verschuldet.
6
a)
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Der Leitungsdefekt war ein Mangel, dessen Beseitigung nach dem Gesetz Sache der
Klägerinnen war (§§581 Abs. 2, 536 ff BGB). Diese gesetzliche Regelung ist im
Pachtvertrag vom 29.11.1966 nicht abbedungen. §§4 und 5 des Vertrages überwälzen
zwar Instandhaltungsarbeiten auf die Beklagte, nehmen davon aber Schäden "an Dach
und Fach" wieder aus. Für einen solchen Schaden hält der Senat den hier
interessierenden Leitungsdefekt.
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Der Begriff "Dach und Fach" ist allerdings nicht sehr klar umrissen. Es handelt sich um
eine alte Wendung (vgl. Künßberg, Deutsches Rechtswörterbuch, Bände 2 und 3, 1932
bis 1938; Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bände 2 und 3, 1860, 1862; jeweils zu den
Stichwörtern "Dach und Fach"), deren genauer Sinn vor allem wegen des mehrdeutigen
Wortes "Fach" nicht leicht zu bestimmen ist. Etymologisch scheint das Wort mit
"Fangen" zusammenzuhängen (Grimm a.a.O., Stichwort Fach, vor Ziffer 1), was für
Umfangen, Einfassung, Abgrenzung als ursprüngliche Bedeutung sprechen könnte. Als
architektonischer Begriff bezeichnet es neben "Wand, Mauer, Abteilung in Häusern"
(Grimm a.a.O., Stichwort Fach, Ziffer 4) auch das Fachwerksgebälk der Wände und
sowohl die leeren Räume dazwischen als auch die Füllung. Eine Beschränkung auf
Außenmauerwerk läßt sich nicht feststellen. Letztlich kann man unter "Dach und Fach"
auch "Wohnung und Gebäude" verstehen (Grimm a.a.O., Ziffer 4), zumindest deren
wesentliche Substanz. Anders als vielleicht zu der Zeit, aus der die Wendung stammt,
gehört dazu heute (und ebenso bei Vertragsschluß 1966) auch ein
Wasserleitungssystem, umso mehr soweit es, wie hier, unter Putz in der Wand verlegt ist
(vgl. auch Weimar, WM 1956, 85 (86), der zu den Arbeiten an Dach und Fach alle
Verrichtungen zählt, die der Erhaltung des Gebäudes in seinem Substanzwert dienen).
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Daß die Parteien bei Vertragsschluß den Begriff enger - etwa beschränkt auf Dach und
Außenmauerwerk - gesehen haben, vermag der Senat nicht festzustellen. Die
vertragliche Grundtendenz, der Beklagten in Abweichung von der gesetzlichen
Regelung überhaupt Instandhaltungspflichten zu überbürden, besagt für sich nichts über
das Ausmaß der gewünschten Abweichung. Eben weil von der gesetzlichen Regelung
abgewichen wird, verbietet sich insoweit eine Auslegung zum Nachteil des Pächters.
10
b)
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Daß für den Rohrbruch kein (von der Beklagten zu vertretender) Frostschaden
ursächlich war, steht nach der Auskunft des Deutschen Wetterdienstes, Wetteramt ...,
vom 21.04.1988 fest; danach gab es in der fraglichen Zeit in ... keine
Minustemperaturen.
12
2.
13
Auch die den "Innenhof" betreffenden Anträge der Klägerinnen sind unbegründet.
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Den Klägerinnen ist zuzugeben, daß §1 des Vertrages, der den Pachtgegenstand
schreibt, die fragliche Fläche nicht erwähnt. Das spricht zunächst gegen eine
Mitverpachtung dieser Fläche, obwohl auch ein Versehen der Vertragsschließenden
nicht auszuschließen ist: Immerhin liegt und lag die besagte Fläche inmitten von
umgebenden Pachträumen, deren Nutzung ohne sie nicht denkbar ist; andererseits
können die vertragsschließenden Parteien Formulierungsprobleme gehabt haben, weil
der frühere Lichthof nicht unter den in §1 des Vertrages gewählten Oberbegriff
"konzessionierte Räume" paßte, möglicherweise nicht einmal als "Raum" angesehen
worden ist. Wie der Vertrag damals gemeint war, ist nicht mehr zu klären, nach Ansicht
des Senats allerdings auch nicht klärungsbedürftig. Durch ihre spätere Handhabung
haben die Vertragspartner nämlich die Maßstäbe für die Auslegung gesetzt, die man
dem Vertrag jedenfalls jetzt zu geben hat.
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Noch der ursprüngliche Verpächter ... hat die Baugenehmigung der Stadt ... vom
11.05.1977 (Fotokopie Bl. 15 ff der Akten) für Umbaumaßnahmen "innerhalb der
Gaststätte" erwirkt, zu denen die Überdachung jenes Innenhofs und seine Absperrung
durch feuerhemmende Türen gehörten. Im Einklang damit haben der frühere
Unterpächter ... und der jetzige Unterpächter ... den Raum für ihre Zwecke in Anspruch
genommen und dem Mitmieter ... den Durchgang verweigert oder nur nach Gutdünken
gewährt (Aussagen ... und ...). Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat das bis zu ihrem
Tode 1982 nicht beanstandet (Erklärung der Klägerin zu 1) im Senatstermin). Mit
alledem haben beide Vertragspartner zu erkennen gegeben, daß sie den Innenhof als
mitverpachtet ansahen. Das können die Klägerinnen nun nicht einseitig revidieren.
16
3.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus §708 Ziffer 10 ZPO.
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