Urteil des OLG Hamm vom 23.08.2007

OLG Hamm: halle, firma, geschäftsführer, aufnehmen, massivbau, nachbesserung, erlöschen, aufrechnung, insolvenz, feststellungsklage

Oberlandesgericht Hamm, 23 U 10/06
Datum:
23.08.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
23. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 U 10/06
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 8 O 180/05
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 23. Dezember 2005
verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Arnsberg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als
unbegründet abgewiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht
die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e
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I.
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Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der D GmbH &
Co. KG (fortan: Schuldnerin), das am 27. Mai 2005 eröffnet wurde. Der Kläger nimmt die
Beklagte in dieser Funktion auf Gewährleistung und Schadensersatz wegen
mangelhafter Werkleistung in Anspruch.
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Die Schuldnerin war als Generalunternehmerin von der Firma F GmbH mit der
Errichtung einer Lagerhalle für Getreide in B beauftragt. Entgegen der genehmigten
Planung sollte auf Wunsch der Bauherrin aus Kostengründen die
Hallendachkonstruktion nicht mehr auf gesonderten Stahlstützen außerhalb der
Schüttwände errichtet, sondern unmittelbar auf den Schüttwänden aufgesetzt werden.
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Nach einer vor Ort durchgeführten Vorbesprechung, an der für die Schuldnerin der
Geschäftsführer Y der Beteiligungs- GmbH und für die Beklagte der Mitarbeiter Y2 der
Vertriebspartnerin der Beklagten in Deutschland, der Firma I in N2, teilnahmen, deren
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Inhalt zwischen den Parteien ebenso streitig ist wie der Bautenstand der zu errichtenden
Halle, faxte die Beklagte ihr Angebot vom 16. April 2004, auf dessen Inhalt
einschließlich der in Bezug genommenen und von der Klägerin ebenfalls überreichten
Anlagen (Anlagenheft zur Klage vom 18. Oktober 2005) verwiesen wird. Dieses, den
allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unterliegende Angebot sieht die
Planung und Lieferung einer Stahltragkonstruktion inklusive Hallendachstatik zu eine
Gesamtpreis von 228.965,-- Euro netto vor. Die Angebotsgrundlagen sind im Einzelnen
aufgelistet. Unter Normen und Lastannahmen enthält es unter anderem die Hinweise:
"Zusatzlast: keine" und, dass es keine abgehängte Unterkonstruktion für die
Förderbänder beinhalte.
Unter Stahlspezifikation ist u.a. aufgeführt:
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Stützenfuß statisch gelenkig gelagert und mit Ankerbolzen verankert. Stützenfuß
(Außen- und Innenstützen) auf Betonsockel 6000 mm über der Oberkante
Fertigfußboden.
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Das Angebot beinhaltet nur die Anlieferung, die Aufstellung der Halle sollte der
Schuldnerin obliegen.
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Die Schuldnerin nahm das Angebot der Beklagten an.
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Auf Veranlassung der Beklagten wurde sodann unter dem 23. April 2004 die Statik für
die Stahlkonstruktion von Dipl.-Ing. N der Firma X GmbH erstellt (Anlage K 3).
Ausweislich der Objektbeschreibung lag der Statik für die Stahlkonstruktion die
Annahme zugrunde, dass die Halle bei 6 m auf einem Massivbau steht. Zudem enthält
sie den ausdrücklichen Hinweis, dass die Berechnung für die Stahltragkonstruktion
erfolgt, die Fundamente bzw. der darunter liegende Massivbau werden nicht berechnet.
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Aufgrund der Bedenkenanzeige des von der Schuldnerin mit der Bauausführung der
Lagerhalle beauftragten Montagebetriebs erfolgte mit Ordnungsverfügung des
Landkreises Ostvorpommern vom 24. August 2004 gegenüber der F GmbH die
Anordnung, die Baumaßnahme still zu legen und die Bauarbeiten sofort einzustellen.
Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Dachkonstruktion selbst sowie
deren Auflagerungen in erheblicher Weise von der Genehmigungsstatik abwichen. Eine
vorläufige Prüfung habe ergeben, dass ausschließlich die Stahlkonstruktion berechnet
worden sei; die Lastweiterleitung durch die vorhandenen Schüttwände und die
eventuellen Auswirkungen einer nachgiebigen Stützung der Stahlrahmen auf deren
Standsicherheit sei nicht nachgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den
Inhalt der Ordnungsverfügung vom 24. August 2004 sowie die Berichte vom 20. August
2004, 24. Februar und 12. April 2005 (Anlagen K 4, K 6 und 7 zur Klageschrift)
verwiesen.
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Inzwischen ist die Lagerhalle wieder in Betrieb, jedoch nur mit eingeschränkter
Betriebserlaubnis durch den Landkreis Ostvorpommern. Die Außenlängswände der
Halle dürfen nicht mit Schüttgut belastet werden, wie dem Schreiben des Landkreises
Ostvorpommern vom 20. Januar 2005 an die Bauherrin (Anlage K 8 zur Klageschrift) zu
entnehmen ist.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass eine statische Fehlauslegung der
Hallenkonstruktion durch die Beklagte ursächlich für die eingetretene Einsturzgefahr der
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Halle sei. Die statische Berechnung der Beklagten gehe bei der Objektbeschreibung
davon aus, dass die Hallenkonstruktion auf einer 6 m hohen Massivwand zu errichten
sei. Die Berechnung werde jedoch durch den Statiker der Beklagten dann so vollzogen,
als ob die Halle in einer Höhe von 0 m fest auf Fundamenten in der Erdoberfläche ruhe.
Die statische Berechnung gehe davon aus, dass ohne Probleme auch vertikale
Verkehrslasten durch die Fußpunkte der Hallenkonstruktion aufgenommen würden, da
nach dieser statischen Berechnung an dieser Stelle unverschiebbare Fundamente
säßen, die ohne Lageänderung auch Spreizlasten aufnehmen könnten. Dies sei der
Grundfehler der statischen Berechnung der Beklagten. Es sei Sache des Betriebes, der
letztendlich aufstocke, diese Problemstellung des Untergrundes zu berücksichtigen. Für
die erforderlichen Berechnungen habe die Beklagte auch die technischen Unterlagen
für die Schüttwände (Zeichnungen und Statik) bei dem Ortstermin am 15. April 2004
erhalten.
Die Beklagte wies mit Schreiben vom 26. November 2004 (Anlage K 5 zur Klageschrift)
an die Schuldnerin eine Verantwortung für die statischen Probleme der Stützmauern
zurück. Weil die Schuldnerin der Aufforderung der Bauherrin zur Mängelbeseitigung
nicht nachkam, kündigte diese den Vertrag mit der Schuldnerin.
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Der Kläger hat unter Hinweis auf die als Anlage K 9 zur Klageschrift überreichte
Aufstellung, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, vorgetragen, die Bauherrin habe
Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 325.052,50 Euro (Stand Mai 2005)
gegenüber der Schuldnerin angekündigt. Aufgrund der Insolvenz habe der ehemalige
Geschäftsführer der Schuldnerin bisher eine prüffähige Schlussrechnung der erbrachten
Leistungen nicht vorgelegt. Es bestünden voraussichtlich noch Restwerklohnansprüche
der Schuldnerin in Höhe von geschätzten 150.000,--Euro gegenüber der Bauherrin.
Eine konkrete Schadensberechnung könne also nicht vorgelegt werden, diese werde
sich erst im Ergebnis einer abschließenden Feststellung der Schlussrechnung der
Schuldnerin ergeben. Soweit dann berechtigte Restwerklohnforderungen der
Schuldnerin durch Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen seitens der Bauherrin
erlöschen, hätte die Klägerin in dieser Höhe eine Schadensersatzanspruch gegenüber
der Beklagten. Der Kläger schätze, dass bei realistischer Betrachtung der bislang
geltend gemachten Schadensersatzansprüche auch unter Einrechnung eines
Betriebsausfallschadens durch die zeitweise Nichtnutzbarkeit der Anlage und deren
hiernach nur eingeschränkt gegebene Nutzbarkeit ein Schadensbetrag in Höhe von
100.000,-- Euro in Rede stehe, der gegen die Restwerklohnforderung, soweit begründet,
aufgerechnet und überschießend von der Schuldnerin als Tabellenanspruch von der
Firma F GmbH gefordert werden könne.
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Das Landgericht hat den Antrag des Klägers,
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es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche
Schäden zuzüglich 8 % Zinsen auf den Basiszins seit dem 28. November 2004 zu
erstatten, soweit sich diese aus der fehlerhaften Konstruktion der von der Beklagten
an die Gemeinschuldnerin zu liefernden Hallendachkonstruktion für das
Bauvorhaben Schüttgut- und Lagerhalle B, deren statisch falscher Auslegung,
deren Nachbesserung und hieraus resultierendender sonstiger
Schadensersatzansprüche, insbesondere Schadensersatzansprüchen der
Auftraggeberin, der Firma F GmbH, gegenüber der Gemeinschuldnerin ergeben,
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im schriftlichen Verfahren ohne rechtlichen Hinweis durch unechtes Versäumnisurteil
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als unzulässig abgewiesen.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung
des Klägers, der seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter verfolgt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivortrages in der Berufungsinstanz wird auf die
Berufungsbegründung vom 5. April, den Schriftsatz des Klägers vom 5. Dezember 2006
und die Berufungserwiderung vom 14. September 2006 sowie auf die aufgrund des
rechtlichen Hinweises des Senats im Senatstermin vom 18. Januar 2007 erfolgten,
ergänzenden Stellungnahmen des Klägers vom 22. Februar und 14. April 2007 nebst
überreichter Anlagen und der Beklagten vom 16. März 2007 Bezug genommen.
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II.
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Die Berufung hat keinen Erfolg, die zulässige Feststellungsklage ist unbegründet.
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Der Kläger hat eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten dem Grunde nach nicht
dargetan; es fehlt an einer Pflichtverletzung der Beklagten.
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Der Senat kann weder eine Leistungs- noch eine Sorgfaltspflichtverletzung der
Beklagten feststellen. Die Beklagte musste entgegen dem Vorbringen des Klägers die
statischen Lasten der Hallenwände für die Auslegung des Daches nicht beachten, weil
die Beklagte insoweit keine Verantwortung für das Gesamtbauwerk übernommen hatte.
Vielmehr war es Sache der Schuldnerin und nicht der Beklagten, die Dachstatik in die
Gesamtstatik einzubeziehen. Denn die Schuldnerin konnte das Angebot der Beklagten,
auf dessen durch den Senat festgestellten Inhalt verwiesen wird, nur so verstehen, dass
die Standfestigkeit der Wände in den Aufgabenbereich der Schuldnerin fiel und die
Beklagte hierfür nicht einstehen wollte.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob bei den Erörterungen am 15. April 2004 mit dem
Mitarbeiter der Beklagten Y2 der ehemalige Geschäftsführer der Komplementärin der
Schuldnerin gefordert bzw. gewünscht hat, die Beklagte solle die Konstruktion der
Schüttwände in ihre Statik aufnehmen und in ihre Berechnungen mit einbeziehen. Dem
Vertreter der Beklagten seien deshalb weitergehende Planungsunterlagen,
insbesondere die Statik der Schüttgutwände nebst erstem Nachtrag überreicht worden.
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Denn die Beklagte hat – für die Schuldnerin offensichtlich - diesen Vorschlag in ihrem
Angebot vom 16. April 2004 nicht aufgegriffen. Auf Seite 2 des Anlagenbandes zum
Schriftsatz vom 22. Februar 2007 = Anlage K 2 folgt, welche Unterlagen Grundlagen
ihres Angebots sind. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass Zeichnungen und
Statik für die Schüttwände nicht aufgeführt sind. Aus der Besprechung vom 15. April
2004 hatte die Beklagte – ersichtlich aus dem Schreiben vom 16. April 2004
(Anlagenband zum Schriftsatz vom 22. Februar 2007 – Bl. 1) des Mitarbeiters Y2 ihrer
Vertriebsgesellschaft an den Geschäftsführer Y - nur das Vordach in der Achse B/1 bis
13 in ihr überarbeitetes Angebot aufgenommen.
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Für die Schuldnerin war damit offensichtlich, dass sich die Beklagte ihre weiteren
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Vorstellungen zur Änderung des Angebots nicht zu Eigen gemacht hat. Angenommen
hat die Schuldnerin dieses Angebot der Beklagten vom 16. April 2004, so dass die von
ihr weiter gewünschte Änderung nicht Gegenstand des Auftrags wurde.
Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass sich der Beklagten hätte aufdrängen müssen,
die Dachkonstruktion habe zusätzliche Querkräfte aufzunehmen, weil die Wände als
Schüttgutwände genutzt werden sollten. Aus dem von der Schuldnerin angenommenen
Angebot der Beklagten sowie den hierzu überreichten Unterlagen ist nichts dafür
ersichtlich, dass die Beklagte gewusst hat oder hätte erkennen müssen, dass die
Schuldnerin ihrer Verantwortung für die Gesamtstatik nicht gerecht werde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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III.
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Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts
erfordert, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.
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