Urteil des OLG Hamm vom 09.02.1990

OLG Hamm (wohnung, widerklage, hauptsache, obhut, zeitpunkt, elternteil, anfang, klageerhebung, vertretungsbefugnis, vertretungsmacht)

Oberlandesgericht Hamm, 5 UF 352/89
Datum:
09.02.1990
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
5. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 UF 352/89
Vorinstanz:
Amtsgericht Iserlohn, 14 F 245/84
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 5. Juli 1989 verkündete
Teilurteil des Amtsgerichts Iserlohn teilweise abgeändert und wie folgt
neu gefaßt:
Die Klage der Klägerin wird abgewiesen.
Hinsichtlich der Widerklage des Beklagten bleibt es bei der Feststellung,
daß die Hauptsache erledigt ist.
Die Kostenentscheidung - auch hinsichtlich der Kosten der Berufung -
bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Tatbestand:
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Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Ihre Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts
Iserlohn (Aktenzeichen 14 F 20/86) vom 20.05.1987, rechtskräftig seit dem 30.06.1987,
geschieden. Aus der Ehe der Parteien sind die beiden Söhne ... geboren am 20.03.1969
und ..., geboren am 11.01.1973, hervorgegangen. Die Parteien hatten zunächst in der
Zeit von Oktober 1984 bis August 1985 in der ehelichen Wohnung getrennt gelebt.
Streitig ist, wer von den Eheleuten in diesem Zeitraum überwiegend für die Kinder
gesorgt hat. Ende August 1985 zog die Klägerin aus der ehelichen Wohnung aus,
während der Beklagte mit den Kindern in der Wohnung verblieb. Das elterliche
Sorgerecht für die beiden Söhne wurde später auf den Beklagten übertragen.
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In diesem Verfahren hatten zunächst die Klägerin und die beiden Söhne, letztere
vertreten durch die Klägerin, Klage auf Trennungsunterhalt und Kindesunterhalt
erhoben. Nachdem die Klägerin im August 1985 aus der ehelichen Wohnung
ausgezogen war, machte sie mit Schriftsatz vom 06.05.1986 (Bl. 109/110) im Wege der
Prozeßstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB rückständigen Kindesunterhalt für die
Monate Oktober 1984 bis einschließlich August 1985 geltend. Nachdem dem Beklagten
das Sorgerecht für die Kinder übertragen worden war, hatte dieser seinerseits
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Widerklage auf Zahlung von Kindesunterhalt erhoben (Bl. 154). Die Klägerin hat
bezüglich der von ihr geltend gemachten Kindesunterhaltsansprüche die Hauptsache
für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und hat
Klageabweisung beantragt. Der Beklagte hat seinerseits bezüglich der Widerklage die
Hauptsache für erledigt erklärt, während die Klägerin Abweisung der Widerklage
beantragt hat (Bl. 433). Durch das angefochtene Teilurteil hat das Amtsgericht
festgestellt, daß sowohl bezüglich der von der Klägerin geltend gemachten
rückständigen Kindesunterhaltsansprüche für die Zeit von Oktober 1984 bis
einschließlich August 1985 als auch bezüglich der im Wege der Widerklage vom
Beklagten geltend gemachten Kindesunterhaltsansprüche die Hauptsache erledigt ist.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten mit dem Antrag, die Klage
bezüglich des von der Klägerin geltend gemachten rückständigen Kindesunterhalts für
die Zeit bis einschließlich August 1985 insgesamt abzuweisen. Der Beklagte macht
geltend, die von der Klägerin erhobene Kindesunterhaltsklage sei von Anfang an
unzulässig gewesen, da der Klägerin die erforderliche Vertretungsmacht gefehlt habe.
Denn die Kinder hätten sich auch in der Zeit von Oktober 1984 bis einschließlich August
1985 nicht, in der Obhut der Klägerin befunden, sondern seien vielmehr vom Beklagten
versorgt und betreut worden. Im übrigen sei er, der Beklagte, auch zur Zahlung von
Kindesunterhalt nicht leistungsfähig gewesen. - Die Klägerin verteidigt das
angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Parteien und die
Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung des Beklagten ist begründet.
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Der Beklagte hat der gegnerischen Erledigungserklärung zu Recht widersprochen.
Denn die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 06.05.1986 im eigenen Namen für die
Kinder erhobene Unterhaltsklage war von Anfang an unzulässig, da die
Voraussetzungen für die gesetzliche Prozeßstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB
bereits bei Klageerhebung nicht mehr vorgelegen haben. Die Befugnis nach § 1629
Abs. 3 BGB, Unterhaltsansprüche der Kinder im eigenen Namen gerichtlich geltend zu
machen, knüpft an die allgemeine Vertretungsbefugnis gemäß § 1629 Abs. 2 BGB an
(Palandt, 49. Aufl.; Anm. 7 zu § 1629 BGB). Diese bestand jedoch bei Klageerhebung
nicht mehr, da die Klägerin bereits im August 1985 aus der ehelichen Wohnung
ausgezogen ist, so daß spätestens von diesem Zeitpunkt an ein Obhutsverhältnis der
Klägerin im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht mehr bestanden hat. Geht das
Obhutsverhältnis nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den anderen Elternteil über, so
endet auch die gesetzliche Vertretungsmacht des bisherigen Inhabers der elterlichen
Obhut und die darauf beruhende Prozeßstandschaft gemäß § 1629 Abs. 3 BGB. Die von
dem bisherigen Obhutsinhaber in eigenem Namen erhobene Klage auf Kindesunterhalt
wird unzulässig, und zwar nicht nur für den Unterhaltszeitraum ab dem Übergang des
Obhutsverhältnisses, sondern insgesamt, auch für die bis dahin aufgelaufenen
Unterhaltsrückstände. Schon aus dem Wortlaut des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB
("befindet"), aber auch aus dem Sinn dieser Bestimmung als einer Regelung der
gesetzlichen Vertretung ergibt sich, daß es für die Vertretungsbefugnis auf den Zeitpunkt
der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs ankommt und nicht auf den Zeitraum, für
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den die Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden (ebenso
Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, Anm. 4 zu § 1672 BGB für den
gleichzubehandelnden Fall einer nachträglichen Übertragung der Personensorge auf
den anderen Elternteil). Der Elternteil, in dessen Obhut sich die Kinder früher befunden
haben, kann seine Aufwendungen für den Kindesunterhalt in dem zurückliegenden
Zeitraum allenfalls im Wege des sog. "familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs"
geltend machen, der jedoch im Hinblick auf die Darlegung der getätigten Aufwendungen
von anderen Voraussetzungen abhängig ist als der gesetzliche
Kindesunterhaltsanspruch. Im übrigen hätte bezüglich des Kindesunterhalts die
Hauptsache schon im August 1985 für erledigt erklärt werden müssen, und zwar durch
die Kinder selbst, die zu diesem Zeitpunkt noch Verfahrensbeteiligte waren. Die von der
Klägerin später im eigenen Namen erhobene Klage war dagegen aus den genannten
Gründen von Anfang an unzulässig, so daß der Beklagte insoweit zu Recht
Klageabweisung beantragt hat. Auf die Frage, welche der Parteien in der Zeit vor
August 1985 das elterliche Obhutsverhältnis innehatte, kommt es daher letztlich nicht
an.
Die Kostenentscheidung war dem Schlußurteil vorzubehalten, da die endgültige
Kostenverteilung von dem Ausgang des Rechtsstreits im übrigen abhängt.
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