Urteil des OLG Hamm vom 02.03.2006

OLG Hamm: abnahme, fälligkeit, rate, mangel, verzug, sanierung, begriff, mahnung, rechtshängigkeit, aufwand

Oberlandesgericht Hamm, 21 U 46/05
Datum:
02.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 U 46/05
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 17 O 79/03
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels – das am 19.11.2004 verkündete Urteil
des Landgerichts Essen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin
1.556,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 24.4.2003 zu zahlen.
Die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an die
Klägerin weitere 4.800,00 € Zug um Zug gegen Beseitigung folgender
Mängel an der Doppelhaushälfte I-Straße 5 in E zu zahlen:
– Riß an der Verblendung im Wohnzimmerbereich,
– mangelhafte Abdichtung des Klinkeraufstandsbereiches linksseitig des
Garagenzufahrtstores im erdberührten Bereich,
– Undichtigkeiten des Kellerraumes unterhalb der Garage einschließlich
der dadurch bisher verursachten Feuchtigkeitsauswirkungen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen einschließlich derer des
selbständigen Beweisverfahrens 8 H 2/02 AG Dorsten werden
gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
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(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
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Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die
Beklagten noch einen Restwerklohnanspruch gemäß § 631 BGB in Höhe von 6.356,51
€, der entgegen dem landgerichtlichen Urteil auch fällig ist. Dieser Anspruch ist nicht
ganz oder teilweise durch Aufrechnung mit Schadensersatzforderungen der Beklagten
erloschen, weil solche Forderungen der Beklagten bereits dem Grunde nach nicht
bestehen. Gegenüber einem Teil des Restwerklohnanspruchs in Höhe von 4.800,00 €
steht den Beklagten jedoch ein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil die Klägerin
gemäß § 633 Abs. 2 S. 1 (a. F.) BGB noch – und zwar mit einem voraussichtlichen
Aufwand von 1.600,00 € – Mängel beseitigen muß.
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1.
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Aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag vom 7.12.2000 stand, wie in
erster Instanz unstreitig geworden ist, noch ein Betrag von 13.967,57 DM = 7.141,51 €
zur Zahlung offen. Hierbei handelt es sich um die 7. Rate gemäß § 13 des Vertrages
unter Berücksichtigung unstreitiger Mehr- und Minderleistungspositionen sowie
unstreitiger Abzüge für Mängel.
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Noch nicht abgezogen, jedoch ebenfalls unstreitig abzuziehen und auch im
Berufungsantrag der Klägerin bereits berücksichtigt ist ein Betrag von 285,00 € als
Abgeltung für Lotabweichungen des Wandbereiches rechtsseitig der Tür zum Gäste-
WC, die der Sachverständige Dipl.-Ing. N in dem selbständigen Beweisverfahren 8 H
2/02 AG Dorsten festgestellt hatte.
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Ferner haben sich die Parteien im Senatstermin vom 2.3.2006 darüber geeinigt, daß ein
weiterer Betrag in Höhe von 500,00 € für die von der Klägerin nicht ausgeführte
Terrassenplattierung abzuziehen ist.
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Es verbleibt der oben genannte Restanspruch von 6.356,51 €.
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2.
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Dieser Restanspruch ist auch fällig.
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Die Fälligkeitsvoraussetzung für die Schlußrate gemäß § 13 des notariellen Vertrages
vom 7.12.2000, die vollständige Fertigstellung des Bauvorhabens, ist trotz der noch
vorliegenden Mängel gegeben.
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Was unter dem Begriff der vollständigen Fertigstellung, der sich an die Makler- und
Bauträgerverordnung anlehnt, zu verstehen ist, wird in der Rechtsprechung im
einzelnen uneinheitlich beurteilt. Teilweise wird verlangt, daß "wesentliche" Mängel
beseitigt worden sind (vgl. BGH BauR 1998, 783); teilweise wird eine vollständige
Mängelbeseitigung gefordert, wobei unwesentliche Mängel dann jedoch ggf. über § 242
BGB unberücksichtigt bleiben (vgl. OLG Naumburg IBR 1999, 532; ähnlich OLG Hamm
BauR 2002, 641).
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Ob die an dem Bauvorhaben noch vorhandenen Mängel, wie das Landgericht
ausgeführt hat, in diesem Sinne wesentlich sind, ist jedoch im vorliegenden Fall nicht
entscheidend. Die Beklagten haben nämlich ausdrücklich und schriftlich die Abnahme
des Bauvorhabens erklärt.
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Da die Abnahme unter dem Vorbehalt im einzelnen bezeichneter Mängel und
Restarbeiten erklärt worden ist, ist sie zwar als solche noch nicht mit der vollständigen
Fertigstellung gleichzusetzen. Hätten die Parteien nämlich eine solche Gleichsetzung
gewollt, so hätten sie den Begriff der vollständigen Fertigstellung im Vertrag nicht zu
verwenden brauchen, sondern es bei der Abnahme als gesetzlicher
Fälligkeitsvoraussetzung für die Schlußabrechnung bewenden lassen können. Die
Gleichsetzung von Abnahme und vollständiger Fertigstellung würde nach dem
vertraglichen Ratenplan auch zu einer – bei normalem Ablauf – gleichzeitigen Fälligkeit
der vorletzten und der letzten Rate führen, weil die vorletzte Rate mit "Besitzübergabe"
fällig werden sollte und diese, wie die Überschrift in dem vorformulierten
"Abnahmeprotokoll/Bezugsfertigkeit und Besitzübergabeprotokoll" zeigt, regelmäßig
zusammen mit der Abnahme durchgeführt wird. Es wäre aber nicht einsichtig, warum die
Vertragsparteien zwei getrennte Raten hätten vorsehen wollen, wenn diese dann doch
absehbar gleichzeitig fällig werden sollten (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2003, 93).
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In der Abnahme unter Mängelvorbehalt ist jedoch die Erklärung der Beklagten zu
erblicken, das Bauvorhaben dann als vollständig fertiggestellt anzusehen, wenn die
vorbehaltenen Mängel beseitigt bzw. die aufgeführten Restarbeiten erledigt sind. Da im
vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich über Mängel gestritten wird, die nicht zu den
im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängeln bzw. Restarbeiten gehören, ist davon
auszugehen, daß diese Voraussetzung erfüllt ist.
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Die nunmehr streitigen, erst nach der Abnahme zutagegetretenen oder jedenfalls
gerügten Mängel hingegen können, auch wenn sie als wesentlich zu qualifizieren sein
sollten, die Bejahung der "vollständigen Fertigstellung" nicht mehr hindern (vgl. auch
Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2004, Rn. 564 ff.: "wesentliche Mängel
stehen entgegen, soweit keine Abnahme erfolgt ist"). Da eine einmal eingetretene
Fälligkeit nicht nachträglich wieder entfallen kann, wäre ansonsten der Fälligkeitseintritt
auch von dem zufälligen Umstand abhängig, ob zum Zeitpunkt der Entdeckung des
neuen Mangels der letzte "Protokollmangel" schon beseitigt war oder nicht. In der
Abnahmeerklärung kommt hingegen der Wille der Parteien zum Ausdruck, die zur
Herbeiführung der Schlußfälligkeit noch zu schaffenden Voraussetzungen klar
festzulegen und sie nicht von Zufällen abhängig zu machen.
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3.
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Ansprüche auf Ersatz von Verzugsschäden gemäß § 286 Abs. 1 (a. F.) BGB, mit denen
die Beklagten gegen die Restwerklohnforderung hätten aufrechnen können, bestehen
nicht. Die Klägerin ist nämlich mit der Fertigstellung nicht in Verzug geraten.
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Dabei kann offenbleiben, ob und in welchem Umfang die Klägerin den in § 10 des
notariellen Vertrages vereinbarten Fertigstellungstermin, den 31.5.2001, überschritten
hat. Dieser ursprüngliche Fertigstellungstermin, der als kalendermäßig bestimmter
Leistungszeitpunkt im Sinne von § 284 Abs. 2 S. 1 (a. F.) BGB anzusehen war, ist
nämlich als nachträglich stillschweigend abbedungen anzusehen, und zwar dadurch,
daß die Parteien den vertraglichen Leistungsumfang der Klägerin einvernehmlich
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abgeändert haben und die Aufrechterhaltung des vereinbarten Termins angesichts
dieser Änderungen nicht mehr redlicherweise zu erwarten war (vgl. Kniffka/Koeble,
Kompendium des Baurechts, 2. Aufl. 2004, Rn. VII/6). Dabei genügt schon eine zu
erwartende ganz geringfügige Bauzeitverlängerung (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2000,
1336: ein Tag), weil der sich ergebende neue Fertigstellungszeitpunkt dann jedenfalls
nicht mehr kalendermäßig bestimmt ist und Verzug daher nunmehr nur noch durch eine
Mahnung eintreten kann (vgl. OLG Düsseldorf aaO sowie BGH BauR 1999, 645), die
hier nicht ersichtlich ist.
Die Änderung des Leistungsumfangs, die zur stillschweigenden Abbedingung des
vertraglichen Fertigstellungstermins geführt hat, lag vor allem in der Herausnahme des
Fenstergewerks aus dem Vertrag, die aus der handschriftlichen
Minderkostenaufstellung (Anlage zum Schriftsatz vom 12.5.2003) ersichtlich wird.
Obwohl es sich hier nicht um eine Vergrößerung, sondern um eine Verringerung des
Leistungsumfangs der Klägerin handelte, führte sie zu einer zu erwartenden
Bauzeitverlängerung. Das Fenstergewerk wirkt sich nämlich auf die Organisation des
Bauablaufs in erheblichem Maße aus. Bereits der Zeitpunkt, zu dem die endgültigen
Maße für die Fertigung der Fenster genommen werden können, hängt vom Baufortschritt
ab, und der Einbau der Fenster hat seinerseits Einfluß auf den weiteren Baufortschritt.
So müssen nach dem Fenstereinbau zumindest noch die Laibungen beigeputzt werden
– bei manchen Bauten werden sogar die gesamten Putzarbeiten erst nach dem
Fenstereinbau ausgeführt –, und ohne Fenster ist ein Haus auch nicht geschlossen, so
daß insbesondere Heizungs- und Sanitärgegenstände wegen der Diebstahlsgefahr
nicht angeliefert werden können. Gehört das Fenstergewerk zum Leistungsumfang des
Bauträgers, so sind seine Erfahrungen und Abstimmungen mit dem für ihn tätigen
Subunternehmer daher ein wichtige Grundlage für seine Bauablaufsplanung und damit
auch für seine Terminzusage an den Bauherrn. Wird das Fenstergewerk dann jedoch
vom Bauherrn in Eigenleistung übernommen, so hat der Bauträger diese zeitliche
Abstimmung nicht mehr in der Hand, sondern muß nunmehr das Arbeitstempo und die
terminliche Verfügbarkeit eines fremden Handwerkers oder gar des Bauherrn selbst
hinnehmen. Der Bauherr kann daher nicht redlicherweise davon ausgehen, daß der
Bauträger trotz dieses nicht vorhergesehenen Umstandes seine ursprüngliche
Terminzusage aufrechterhalten will.
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4.
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Den Beklagten steht jedoch ein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil die Werkleistung
der Klägerin mit Mängeln behaftet und die Klägerin daher zur Nachbesserung
verpflichtet ist.
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen N, denen sich der Senat anschließt, ist
die Bauleistung der Klägerin gegenwärtig noch mit den in der Urteilsformel aufgeführten
Mängeln behaftet. Gemäß § 633 Abs. 2 S. 1 (a. F.) BGB ist die Klägerin zu ihrer
Beseitigung verpflichtet. Das gilt insbesondere auch für den Riß an der Verblendung im
Wohnzimmerbereich, von dem sie zuletzt behauptet hatte, sie habe sich mit den
Beklagten darauf geeinigt, ihn durch eine Verlängerung der Gewährleistungszeit
abzugelten. Diese von den Beklagten bestrittene Behauptung hat die Klägerin nicht
bewiesen. Für den im Schriftsatz vom 8.9.2005 benannten Zeugen U hat sie keine
ladungsfähige Anschrift angegeben; auf den zum Termin geladenen Zeugen M hat sie,
als er zunächst nicht erschienen war, verzichtet.
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Die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten betragen für den Riß 150 €, für die
Abdichtung des Klinkeraufstandsbereichs am Garagentor weitere 150 € und für die
Sanierung des Kellers 1.300 €. Hierbei ist davon auszugehen, daß die Beklagten
Anspruch auf eine Abdichtung von außen her haben und nicht nur auf die geringfügig
preiswertere Verpressung von innen. Zwar mag, wie der Sachverständige N dargelegt
hat, die Verpressungsmethode das Durchdringen von Feuchtigkeit nach innen ebenso
zuverlässig verhindern. Zu berücksichtigen ist aber, daß die Beklagten vertraglich
Anspruch auf ein Bauwerk haben, das gemäß den Regeln der Technik außenseitig
ordnungsgemäß abgedichtet ist und in das Feuchtigkeit daher erst gar nicht eindringt,
auch nicht nur äußerlich. Zumindest wenn der Aufwand dafür, wie hier, nicht erheblich
höher ist als bei der Verpressungsmethode, können sie die Herstellung des vollständig
vertragsgemäßen Zustandes daher auch verlangen. Den Kostenaufwand für die
Abdichtung hat der Sachverständige im Termin nachvollziehbar aufgeschlüsselt. Zu
berücksichtigen sind dabei nur die notwendigen Kosten, also z. B. nicht zusätzliche
Fahrtkosten, die entstehen, wenn ohne sachliche Notwendigkeit eine nicht
ortsansässige Firma mit der Sanierung beauftragt wird.
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Der Betrag, den die Beklagten mit Hinblick auf die Nachbesserungspflicht der Klägerin
zurückhalten können, beläuft sich wegen der Funktion als Druckmittel auf das Dreifache
der Mängelbeseitigungskosten.
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5.
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Der von dem Leistungsverweigerungsrecht nicht erfaßte Teil der Restwerklohnforderung
ist gemäß § 291 BGB seit Rechtshängigkeit zu verzinsen. Ein zeitlich früherer
Verzugsbeginn kann nicht festgestellt werden. Die von der Klägerin vorgetragene
Mahnung vom 8.11.2001 ist zeitlich noch vor der Einleitung des selbständigen
Beweisverfahrens erfolgt. Jedenfalls während des selbständigen Beweisverfahrens war
der Werklohnanspruch jedoch noch nicht fällig. Der Sachverständige N hatte nämlich in
seinem Beweissicherungsgutachten u. a. (S. 11-13) einen Mangel des Garagendachs –
unzureichende Fixierung der Abdichtungsfolie durch Begrünung oder Kies – festgestellt,
der bereits im Abnahmeprotokoll festgehalten worden war (Punkt 11: "Dachbegrünung –
Kies?"). Dieser Mangel war auch von der Klägerin zumindest insoweit zu vertreten, als
der Zustand der Abdichtungsfolie nicht ordnungsgemäß war; ob die Klägerin auch die
Bekiesung bzw. Begrünung schuldete, wäre allenfalls für die Frage sog. Sowiesokosten
von Bedeutung gewesen. Es war also noch ein sog. Protokollmangel vorhanden, der
nach den obigen Ausführungen die Fälligkeit hinderte. Erst für den Zeitpunkt der
Rechtshängigkeit des Klageverfahrens kann davon ausgegangen werden, daß dieses
Fälligkeitshindernis nicht mehr bestand, weil der Mangel im Rechtsstreit von den
Beklagten nicht mehr gerügt worden ist.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Angesichts des beiderseitigen Teilunterliegens und insbesondere der Zug-um-Zug-
Verurteilung, die einen wesentlichen Teil der Klageforderung betrifft, erschien eine
Kostenaufhebung insgesamt angemessen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine
Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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