Urteil des OLG Hamm vom 10.06.2005

OLG Hamm: programm, software, anzahlung, rückzahlung, abnahme, verspätung, daten, nichterfüllung, vertragsschluss, verzug

Oberlandesgericht Hamm, 29 U 103/04
Datum:
10.06.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
29. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
29 U 103/04
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 6 O 149/02
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des
Landgerichts Essen vom 2. September 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
A.
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Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung der von ihr geleisteten Anzahlung
für die Entwicklung und Lieferung eines Datenverarbeitungsprogramms in Anspruch.
3
Am 2. 5. 2000 schlossen die Parteien einen Vertrag, in dem sich der Beklagte
verpflichtete, für die Klägerin ein Datenverarbeitungsprogramm mit der Bezeichnung "N"
zu planen, zu erstellen und es ihr zu liefern. § 1 Abs. 4 dieses Vertrages sieht vor, dass
das Programm den im Vertragsanhang "Produktbeschreibung" festgelegten
Anforderungen entsprechen müsse. Die Vergütung des Beklagten betrug nach § 7 des
Vertrages 60.000 DM nebst MwSt. § 4 des Vertrages enthält folgende Regelung:
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"1) Der Auftragnehmer liefert die vereinbarte Software spätestens 50 Arbeitstage nach
Vertragsabschluss.
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2) Nach dem 20. Arbeitstag der Verspätung ist der Aufraggeber berechtigt, den Auftrag
fristlos zu kündigen. Die bis zu diesem Zeitpunkt vom Auftraggeber getätigten
Zahlungen sind dann umgehend zu erstatten."
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Wegen des weiteren Vertragsinhalts wird auf die Kopie der Vertragsurkunde und der
Produktbeschreibung (Bl. 11 – 29 d. A.) Bezug genommen.
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In der Folgezeit leistete die Klägerin eine Anzahlung in Höhe von 54.000 DM an den
Beklagten.
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Nachdem der Beklagte der Klägerin bis Ende August 2000 keine lauffähige Version des
Programms überlassen hatte, vereinbarten die Parteien am 1. 9. 2000, dass er der
Klägerin eine lauffähige Version des Programmmoduls "Wertschöpfung" bis zum 21. 9.
2000 und eine lauffähige Version des Moduls "Zeitwirtschaft" bis zum 30. 10. 2000
liefern solle. Mit E-Mail vom 1. 11. 2000 teilte er der Klägerin mit, er werde ihr neue
Teilversionen des Programms in der 45., 46, 47. und 48. Kalenderwoche 2000 liefern.
Unter dem 21. 1. 2001 teilte er der Klägerin mit, er gehe davon aus, noch fehlende
Elemente in der nächsten Woche zu liefern. Alsdann könne die Abnahme der Software
vorbereitet werden. Er bemühe sich darum, eine stabil laufende, komfortablere Version
des Programms herzustellen. Diese Version werde er der Klägerin erst ausliefern, wenn
ihre Stabilität nachgewiesen sei.
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Am 25. 5. 2001 führte der Beklagte der Klägerin das Programm zum Zweck der
Abnahme vor. Die Klägerin stellte eine Reihe von Mängeln des Programms fest, teilte
sie dem Beklagten mit und verweigerte die Abnahme. Für die Darstellung der gerügten
Mängel im einzelnen wird auf die Aufstellung der Klägerin vom 28. 5. 2001 (Bl. 42 f. d.
A.) Bezug genommen.
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Am 23. 8. 2001 führte der Beklagte der Klägerin das überarbeitete Programm erneut
zum Zweck der Abnahme vor. Die Klägerin rügte wiederum zahlreiche Mängel und
lehnte die Abnahme ab.
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Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 10. 9. 2001 forderte die Klägerin den
Beklagten auf, ihr bis zum 19. 9. 2001 eine vollständige, ordnungsgemäß
funktionierende Fassung des Programms zu liefern. Im Fall fruchtlosen Fristablaufs
werde sie weitere Leistungen des Beklagten ablehnen und Schadensersatz wegen
Nichterfüllung geltend machen. Am 18. 9. 2001 überließ der Beklagte der Klägerin eine
überarbeitete Fassung des Programms. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 17.
10. 2001 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, die zuletzt gelieferte Programmversion
habe bei ihr nicht installiert werden können. Zugleich forderte sie den Beklagten auf, das
Programm bis zum 31. 10. 2001 bei ihr zu installieren und ihr vorzuführen. Am 18. 10.
und 6. 11. 2001 übersandte der Beklagte der Klägerin weitere überarbeitete Versionen
des Programms. Mit Anwaltsschreiben vom 14. 11. 2001 teilte die Klägerin dem
Beklagten mit, auch die zuletzt übersandten Versionen des Programms funktionierten
nicht. Deshalb lehne sie weitere Leistungen des Beklagten ab und verlange
Schadensersatz wegen Nichterfüllung, u. a. die Rückzahlung der Anzahlung in Höhe
von 54.000 DM. Der Beklagte antwortete mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 6.
12. 2001, das Programm funktioniere einwandfrei, und lehnte jedwede Zahlungen an
die Klägerin ab.
12
Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Rückzahlung der Anzahlung in Höhe
von 54.000 DM in Anspruch genommen. Sie hat behauptet: Keine der Versionen des
Programms, die der Beklagte ihr geliefert habe, habe ordnungsgemäß funktioniert.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 27.609,76 € nebst Zinsen in Höhe von
15
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2001 zu
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zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat behauptet: Er habe der Klägerin eine vollständige, ordnungsgemäß
funktionierende Version des Programms geliefert. Andere Kunden setzten dieses
Programm erfolgreich und ohne Beanstandungen ein. Insbesondere könnten mit dem
Programm bereits vorhandene Daten ohne weiteres bearbeitet werden. Dass das
Programm bei der Klägerin nicht zu deren Zufriedenheit funktioniere, beruhe darauf,
dass sie ihr EDV-System und vorhandene Daten nicht ordnungsgemäß vorbereitet und
das Programm nicht ordnungsgemäß administriert habe.
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Das Landgericht hat über die Behauptung des Beklagten, das Programm funktioniere
einwandfrei, Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens
erhoben. Mit Verfügung vom 13. 5. 2004 hat der Kammervorsitzende den Parteien das
Gutachten des Sachverständigen S übersandt, ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme
zum Gutachten binnen 4 Wochen gegeben und Termin zur Fortsetzung der mündlichen
Verhandlung auf den 2. 9. 2004 anberaumt. Das Gutachten und die Terminsladung sind
dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 18. 5. 2004
zugestellt worden. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten hat der
Kammervorsitzende mit Verfügung vom 8. 6. 2004 die Frist zur Stellungnahme zum
Sachverständigengutachten für den Beklagten um 4 Wochen verlängert. Mit Schriftsatz
vom 5. 7. 2004 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragt, diese Frist
nochmals stillschweigend bis zum 27. 7. 2004 zu verlängern. Mit Schriftsatz vom 26. 8.
2004, bei dem Landgericht eingegangen am 27. 8. 2004, hat der erstinstanzliche
Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragt, den Sachverständigen zum Termin
am 2. 9. 2004 zu laden, und eine Stellungnahme des Beklagten zum
Sachverständigengutachten nebst Anlagen, insgesamt 115 Bl., überreicht.
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Mit seinem am 2. 9. 2004 verkündeten Urteil hat das Landgericht den Beklagten
verurteilt, an die Klägerin 27.609,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit dem 1. 12. 2001 zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht
ausgeführt, der Beklagte sei nach § 326 BGB a. F. und § 4 Abs. 2 des Vertrages vom 2.
5. 2000 zur Rückzahlung der Anzahlung verpflichtet. Er habe sich in Verzug befunden,
da er der Klägerin bis zum 14. 11. 2001 keine funktionsfähige Version des Programms
"N" geliefert habe. Dass die gelieferten Programmversionen nicht funktionierten, stehe
aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen S fest. Insbesondere sei aufgrund
dieser Feststellungen davon auszugehen, dass der Beklagte das Programm "N" nicht im
EDV-System der Klägerin installiert habe. Der Datenbestand des Vorgängerprogramms
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"N" sei nicht vollständig in das neue Programm konvertiert worden. Benötigte
Druckausgaben seien nicht vorhanden. Der Beklagte habe weder eine System- noch
eine Anwenderdokumentation erstellt. Zudem habe er Schulungsergebnisse und Tests
nicht dokumentiert. Durchgreifende Einwendungen gegen die Feststellungen des
Sachverständigen habe der Beklagte nicht erhoben. Die mit Schriftsatz vom 26. 8. 2004
überreichte Stellungnahme des Beklagten zum Sachverständigengutachten habe
wegen des hier geltenden Anwaltszwanges nicht berücksichtigt werden können. Zudem
seien diese Einwände und der Antrag auf Ladung des Sachverständigen wegen
Verspätung zurückzuweisen.
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung begehrt der
Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der
Sache an das Landgericht, hilfsweise die Klageabweisung. Er trägt vor: Das
Landgericht habe mehrere schwerwiegende Verfahrensfehler begangen. Es hätte seine
mit Schriftsatz vom 26. 8. 2004 vorgelegte Stellungnahme berücksichtigen müssen.
Schriftsätzliche Darstellungen einer Partei seien im Anwaltsprozess zu berücksichtigen,
sofern sie geordnet und übersichtlich seien, was bei seiner Stellungnahme der Fall sei.
Das Landgericht habe diese Stellungnahme auch nicht als verspätet zurückweisen
dürfen. Zudem hätte das Landgericht seinem Antrag auf Ladung des Sachverständigen
zum Termin vom 2. 9. 2004 entsprechen müssen. Die Klage sei auch nicht begründet. §
4 Abs. 2 des Vertrages vom 2. 5. 2000 sei nicht einschlägig, denn die Klägerin habe den
Vertrag nicht gekündigt. Ebensowenig bestehe ein Zahlungsanspruch der Klägerin nach
§ 326 BGB a. F. Das Programm "N" funktioniere einwandfrei. In zwei anderen
Unternehmen werde es mit Erfolg eingesetzt. Auch die Klägerin habe es 10 Monate
genutzt. Die Rügen der Klägerin beträfen die Administrierung des Programms, für die
sie selbst verantwortlich sei. Die Konvertierung von Daten aus dem Programm "N" in die
neue Software sei erfolgt. Erforderliche Druckausgaben seien vorhanden und dem
Sachverständigen vorgestellt worden. Er, der Beklagte, habe auch eine System- und
eine Administratordokumentation erstellt und dem Sachverständigen vorgelegt. Der
Sachverständige habe den Begriff der "freien Administrierbarkeit" verkannt.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil das Landgerichts Essen vom 2. September 2004 aufzuheben und
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den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
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Landgericht zurückzuverweisen,
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hilfsweise, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
31
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, und
die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
32
B.
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I.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen
Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung in Höhe von 27.609,76 € gemäß
§ 4 Abs. 2 des Vertrages vom 2. 5. 2000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 1. 12. 2001 nach den §§ 284 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1
BGB a. F.
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1. Gemäß § 4 Abs. 1 des Vertrages vom 2. 5. 2000 hatte der Beklagte die Software
spätestens 50 Arbeitstage nach dem Vertragsschluss zu liefern. Nach § 4 Abs. 2 S. 1
des Vertrages ist die Klägerin berechtigt, den Vertrag nach dem 20. Arbeitstag der
Verspätung fristlos zu kündigen. Der Beklagte ist in diesem Fall nach § 4 Abs. 2 S. 2 des
Vertrages verpflichtet, sämtliche von der Klägerin erhaltenen Anzahlungen umgehend
zu erstatten. Die Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs der Klägerin nach
dieser Bestimmung liegen hier vor.
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a) Die Klägerin hat den Vertrag mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 14. 11. 2001
gekündigt. In diesem Schreiben hat sie erklärt, sie lehne weitere Leistungen des
Beklagten ab und fordere stattdessen Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Aus dieser
Erklärung ergibt sich unmissverständlich, dass sie den Vertrag mit Wirkung für die
Zukunft beenden, d. h. kündigen wollte.
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b) Am 14. 11. 2001 lagen die Kündigungsvoraussetzungen gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 des
Vertrages vor.
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Die Frist für die Lieferung der Software, nach deren Ablauf die Klägerin berechtigt war,
den Vertrag fristlos zu kündigen – Ablauf von 50 Arbeitstagen nach dem
Vertragsschluss, Ablauf von weiteren 20 Arbeitstagen – war seinerzeit längst
verstrichen, ohne dass der Beklagte der Klägerin eine funktionsfähige Fassung des
Programms geliefert hätte.
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Das Landgericht hat festgestellt, dass der Beklagte bis zum 14. 11. 2001 keine
funktionsfähige Version des Programms "N" in das EDV-System der Klägerin installiert
hat, die Daten der Klägerin aus der Vorgängersoftware "N" nicht in das neue Programm
konvertiert worden sind und der Beklagte erforderliche Druckausgaben nicht erstellt hat.
Diese Feststellungen hat der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung
zugrundezulegen. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der
Richtigkeit dieser Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten.
Neue zu berücksichtigende Tatsachen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) hat der Beklagte nicht
vorgetragen.
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Das Landgericht hat die genannten Feststellungen aufgrund der in jeder Hinsicht
nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S
getroffen. Durchgreifende Einwendungen gegen die Richtigkeit der gutachterlichen
Feststellungen hat der Beklagte nicht erhoben.
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aa) Die mit Schriftsatz vom 26. 8. 2004 überreichte Stellungnahme des Beklagten vom
25. 8. 2004 hat das Landgericht zu Recht nicht berücksichtigt. Diese Stellungnahme und
die Bezugnahme auf sie im Schriftsatz vom 26. 8. 2004 verstoßen gegen den hier
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geltenden Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Anwaltszwang gilt im
Anwaltsprozess auch für vorbereitende Schriftsätze. Zwar darf der Anwalt im
Anwaltsprozess auf Anlagen wie Stellungnahmen der Partei Bezug nehmen. Die
Bezugnahme darf jedoch nicht pauschal, sondern muss substantiiert erfolgen, denn es
ist nicht Aufgabe des Gerichts und des Prozessgegners, sich aus umfangreichen
Unterlagen das "Passende" herauszusuchen. Deshalb obliegt es im Anwaltsprozess
dem Rechtsanwalt, den Vortrag der Partei zu ordnen, Anlagen nach rechtlichen
Gesichtspunkten auszuwerten und entsprechend vorzutragen (OLG Düsseldorf MDR
1993, 798; OLG Schleswig MDR 1976, 50; OLG Hamm NJW-RR 1996, 593; Peters, in
MüKo zur ZPO, 2. Aufl., § 130 Rz. 3; Musielak-Stadler, ZPO, 4. Aufl., § 130 Rz. 10;
Leipold, in: Stein-Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 130 Rz. 9; Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 130
Rz. 2). Diesen Anforderungen genügen der Schriftsatz vom 26. 8. 2004 und die darin
enthaltene Bezugnahme auf die Stellungnahme des Beklagten vom 25. 8. 2004 nicht. In
dem – lediglich aus zwei Sätzen bestehenden – Schriftsatz vom 26. 8. 2004 sind die
Stellungnahme des Beklagten vom 25. 8. 2004 und die von ihm beigefügten Anlagen
nicht ansatzweise nach rechtlichen Gesichtspunkten ausgewertet und ihr Inhalt
entsprechend vorgetragen worden. Vielmehr ist in diesem Schriftsatz ganz pauschal auf
die Stellungnahme des Beklagten und die Anlagen Bezug genommen worden, was, wie
oben ausgeführt, im Anwaltsprozess nicht zulässig ist.
bb) Zudem lagen für den Schriftsatz vom 26. 8. 2004, die Stellungnahme des Beklagten
vom Vortag und den Antrag des Beklagten auf Ladung des Sachverständigen zum
Termin vom 2. 9. 2004 die Voraussetzungen für die Zurückweisung wegen Verspätung
gemäß den §§ 411 Abs. 4 S. 1, 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO vor.
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Nach § 411 Abs. 4 S. 1 ZPO hatte der Beklagte seine Einwendungen gegen das
Gutachten und seinen Antrag auf Ladung des Sachverständigen binnen angemessener
Frist mitzuteilen. Gemäß § 282 Abs. 2 ZPO, der für derartige Einwände und Anträge
ebenfalls gilt (Musielak-Huber, a. a. O., § 411 Rz. 8), hätte der Beklagte seine
umfangreichen Einwände gegen die Ausführungen des Sachverständigen so rechtzeitig
vor der mündlichen Verhandlung vom 2. 9. 2004 mitteilen müssen, dass die Klägerin die
erforderlichen Informationen hierzu rechtzeitig vor dem Termin hätte einholen können.
Gegen diese Verpflichtungen hat der Beklagte schwerwiegend verstoßen. Seine
Stellungnahme zum Sachverständigengutachten ist erst am 27. 8. 2004, 4 Werktage vor
dem Verhandlungstermin vom 2. 9. 2004, bei dem Landgericht eingegangen. Vor dem
30. 8. 2004 konnte die Klägerin diese Stellungnahme keinesfalls erhalten. Bis zu dem
Termin vom 2. 9. 2004 war es ihr und ihren Prozessbevollmächtigten nicht möglich,
diese Stellungnahme auszuwerten und sachgerecht zu ihr vorzutragen. Ebensowenig
konnte der Sachverständige diese Stellungnahme vor dem 30. 8. 2004 erhalten.
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Die Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 26. 8. 2004, der Stellungnahme des
Beklagten zum Sachverständigengutachten und des Antrages auf Ladung des
Sachverständigen zum Verhandlungstermin hätten zu einer Verzögerung der
Erledigung des Rechtsstreits geführt. Im Termin vom 2. 9. 2004 hätte die Klägerin nicht
sachgerecht zu den Einwänden des Beklagten gegen das Sachverständigengutachten
Stellung nehmen und den Sachverständigen nicht sachgerecht zu diesen Einwänden
befragen können. Ebensowenig hätte die Kammer den Sachverständigen abschließend
zu diesen Einwendungen befragen noch die entscheidungserheblichen Rechtsfragen
sachgerecht und erschöpfend mit beiden Parteien erörtern können. Daher hätte sie der
Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Einwendungen des Beklagten geben
und alsdann neuen Termin unter Ladung des Sachverständigen anberaumen müssen.
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Die verspätete Mitteilung der Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten
und des Antrages auf Ladung des Sachverständigen zum Termin vom 2. 9. 2004
beruhen auf grober Nachlässigkeit des Beklagten. Das Gutachten nebst der Ladung
zum Termin vom 2. 9. 2004 ist dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des
Beklagten am 18. 5. 2004 zugestellt worden. Die Kammer hat die dem Beklagten
gesetzte vierwöchige Frist zur Stellungnahme zum Gutachten zunächst um 4 Wochen
und sodann bis zum 27. 7. 2004 verlängert. Die verlängerte Frist war ausreichend
bemessen, um sachgerecht zu dem Gutachten Stellung nehmen zu können, zumal der
Beklagte als Diplom-Ingenieur und Softwareentwickler über die insoweit erforderliche
Fachkunde verfügt. Gründe, die entschuldigen könnten, dass er seine Stellungnahme zu
dem Gutachten erst 14½ Wochen nach dessen Erhalt und 4 Werktage vor dem
Verhandlungstermin vom 2. 9. 2004 vorgelegt hat, sind weder vorgetragen noch
ersichtlich. Gleiches gilt für den Antrag auf Ladung des Sachverständigen zum Termin
vom 2. 9. 2004. Unter diesen Umständen stellen sich die verspätete Mitteilung der
Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten und des Antrages auf Ladung
des Sachverständigen als grob nachlässig i. S. des 296 Abs. 2 ZPO dar.
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c) Die Einwände, die der Beklagte in zweiter Instanz gegen die Richtigkeit der
gutachter-lichen Feststellungen erhebt, sind nicht zuzulassen. Bei ihnen handelt es sich
um neue Verteidigungsmittel i. S. des § 531 Abs. 2 ZPO, denn in der ersten Instanz hat
der Beklagte, wie oben unter aa) und bb) ausgeführt, keine zu berücksichtigenden
Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten erhoben. Die Voraussetzungen
des § 531 Abs. 2 ZPO liegen für die neuen Einwände gegen das
Sachverständigengutachten nicht vor. Insbesondere sind § 531 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3
ZPO nicht einschlägig. Das Landgericht hat dadurch, dass es den Schriftsatz vom 26. 8.
2004 sowie die Stellungnahme des Beklagten vom 25. 8. 2004 nicht berücksichtigt und
den Sachverständigen nicht zu dem Termin vom 2. 9. 2004 geladen hat, keine
Verfahrensfehler begangen, wie oben unter aa) und bb) ausgeführt. Ebensowenig kann
der Senat feststellen, dass den Beklagten bzw. seinen erstinstanzlichen
Prozessbevollmächtigter daran, dass sie die Einwände gegen die Feststellungen des
Sachverständigen in erster Instanz nicht entsprechend den im Anwaltsprozess
maßgeblichen Anforderungen und nicht rechtzeitig mitgeteilt haben, kein Verschulden
trifft (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
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d) Auch im übrigen rechtfertigt das Berufungsvorbringen keine Abänderung der
erstinstanzlichen Entscheidung.
48
Wie oben unter 1. a) ausgeführt, hat die Klägerin den Vertrag vom 2. 5. 2000 mit
Anwaltsschreiben vom 14. 11. 2001 gekündigt. Davon, dass diese Erklärung nicht
eindeutig und unmissverständlich auf die Beendigung dieses Vertrages gerichtet sei,
kann nicht die Rede sein.
49
Dass seine Leistungen für die Klägerin werthaltig sind, hat der Beklagte nicht bewiesen.
Nach den gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrundezulegenden Feststellungen des
Landgerichts ist die Software, die er der Klägerin geliefert hat, weder vollständig noch
bei der Klägerin installiert. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie diese Software nicht
einsetzt. Konkrete Anhaltspunkte, diese Erklärung sei unrichtig, liegen nicht vor. Ein
Zahlungsanspruch des Beklagten, der mit der Forderung der Klägerin zu saldieren
wäre, besteht deshalb nicht.
50
Das Landgericht hat die Vereinbarungen der Parteien hinsichtlich der Beschaffenheit
des zu liefernden Programms nicht verkannt. Das Landgericht hat die Sollbeschaffenheit
der zu liefernden Software zu Recht nach dem Vertrag vom 2. 5. 2000 bestimmt und
dabei die maßgeblichen Vertragsbestimmungen zutreffend ausgelegt.
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e) Rechtsfolge der fristlosen Kündigung ist gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 des Vertrages vom 2.
5. 2000 die Verpflichtung des Beklagten, sämtliche von der Klägerin erhaltenen
Zahlungen umgehend zu erstatten. Mithin hat er der Klägerin nach dieser Bestimmung
die erhaltene Anzahlung in Höhe von 27.609,76 € (54.000 DM) zurückzuzahlen.
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2. Die Gegenforderungen, die der Beklagte zunächst im Wege der Hilfsaufrechnung
geltend gemacht hat, hat er im Termin vom 10. 6. 2005 fallen lassen.
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3. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz aus 27.609,76 € seit dem 1. 12. 2001 ergibt sich aus den §§
284 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB a. F. i. V. mit Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB. Mit Schreiben
vom 14. 11. 2001 hat die Klägerin den Beklagten zur Rückzahlung der 54.000 DM bis
zum 30. 11. 2001 aufgefordert und damit gemahnt, so dass der Beklagte am 1. 12. 2001
durch Nichtzahlung in Verzug geraten ist.
54
II.
55
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
56
III.
57
Die Revision war nicht zuzulassen. Der Rechtsstreit weist keine Fragen von
grundsätzlicher Bedeutung auf. Der Streit der Parteien liegt ganz überwiegend auf
tatsächlichem Gebiet. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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