Urteil des OLG Hamm vom 01.12.2008

OLG Hamm: fahrbahn, abkommen, betriebsgefahr, wiese, unfall, fahrzeug, kaufmann, kurve, gerät, beeinflussung

Oberlandesgericht Hamm, 6 U 102/08
Datum:
01.12.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 U 102/08
Vorinstanz:
Landgericht Siegen, 2 O 302/06
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.04.2008 verkündete Urteil
der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des zweiten Rechtszuges trägt der Kläger nach einem
Streitwert von 8.092,80 Euro.
G r ü n d e
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Zur Begründung wird zunächst auf den ausführlichen Hinweis vom 17.10.2008 Bezug
genommen.
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Die dagegen gerichteten Ausführungen des Klägers bieten keine Veranlassung für eine
anderweitige Entscheidung.
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Es verbleibt zunächst dabei, dass die vom Kläger behauptete Unfallursache nicht
bewiesen ist, die darin bestanden haben soll, dass der Beklagte zu 1) mit seinem
zunächst am rechten Fahrbahnrand stehenden Geländewagen angefahren und dann
immer weiter nach links hinüber geraten sein soll und dadurch den Kläger zum
Ausweichen nach links veranlasst haben soll. Da der Zeuge diese Behauptung des
Klägers nicht bestätigt hat, kommt es auf seine Glaubwürdigkeit nicht an.
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Dem Kläger kann auch nicht in seinem jetzigen Vorbringen gefolgt werden, dass
zumindest eine quotenmäßige Haftung der Beklagten aufgrund der Betriebsgefahr des
Geländewagens Platz greifen müsse, weil dieser sich zur Unfallzeit am Unfallort
befunden habe. Richtig ist zwar, dass eine Haftung aufgrund der Betriebsgefahr auch
dann in Betracht kommt, wenn es nicht zu einer Berührung zwischen dem Fahrzeug des
Geschädigten gekommen ist und demjenigen, dessen Fahrer und Versicherer auf Ersatz
der Unfallschäden in Anspruch genommen werden. Andererseits reicht aber allein ein
räumlich-zeitlicher Zusammenhang, wie er hier unstreitig bestanden hat, nicht als
Grundlage für eine Haftung aus (vgl. BGH NZV 88, 63 = VersR 88, 641 = MDR 88, 850;
OLG Düsseldorf NZV 06, 415; Kaufmann, bei: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl.,
2008, Kap. 25 Rdn. 66; BGH NZV 05, 455 = r + s 05, 348). Berühren sich die beteiligten
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Fahrzeuge nicht, so erfordert die psychische Kausalität zwischen dem Betrieb des einen
Fahrzeugs und dem Unfall des anderen geschädigten Versicherungsteilnehmers, dass
der Betrieb des ersten Fahrzeugs bei objektiver Betrachtungsweise geeignet ist, auf
andere Verkehrsteilnehmer einzuwirken, die konkrete Situation subjektiv als "gefährlich"
erscheint und dadurch eine plausible Reaktion anderer Verkehrsteilnehmer bewirken
kann, die ihrerseits den Unfall verursacht (vgl. Kaufmann, bei: Geigel a.a.O., m. w. N.).
Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Fall nicht zu einer Haftung der
Beklagten.
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Zunächst steht schon nicht einmal fest, dass das Abkommen des Klägers von der
Fahrbahn nach links überhaupt darauf zurückzuführen war, dass der Kläger das
Vorhandensein des vom Beklagten zu 1) geführten Geländewagens – sei es auf der
Fahrbahn oder sei es auf der rechts davon gelegenen Zufahrt zu der benachbarten
Wiese – als Gefahr empfunden und deswegen in der langgezogenen Rechtskurve sein
Motorrad so weit nach links gezogen hat, dass es dort in die Böschung geraten ist. Ein
solches Reaktionsverhalten – sei es nun objektiv erforderlich gewesen oder nicht –liegt
zwar als Ursache für das Abkommen des Klägers von der Fahrbahn nach links nicht
fern, sondern würde eine mögliche und auch plausible Erklärung für das
Unfallgeschehen bieten. Das reicht aber nicht aus, um hier auch eine entsprechende
Feststellung zu treffen, da es auch ohne eine entsprechende von einem anderen
Fahrzeug ausgehende psychologische Einwirkung immer wieder vorkommt, dass ein
Motorradfahrer in einer Kurve in den kurvenäußeren Bereich gerät und dort von der
Fahrbahn abkommt. Die angesprochenen Plausibilitätserwägungen haben sich im
vorliegenden Fall auch noch nicht so weit zu einer Typizität verdichtet, dass daraus ein
Anscheinsbeweis für einen wie auch immer gearteten Kausalzusammenhang zwischen
den Betriebsvorgängen des Geländewagens auf der einen und dem Abkommen des
Motorrades von der Fahrbahn auf der anderen Seite gegründet werden könnte.
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Letztlich hält der Senat auch an seiner im Hinweisschreiben vom 17.10.2008
geäußerten Auffassung fest, dass eine Haftung der Beklagten selbst dann nicht
bestünde, wenn entgegen den obigen Ausführungen das Abkommen des Klägers von
der Fahrbahn darauf zurückzuführen wäre, dass er auf den Geländewagen reagiert hat.
Denn in diesem Falle würde im Rahmen der Abwägung der Verursachungsanteile gem.
§ 17 StVG die von dem Geländewagen ausgehende Betriebsgefahr so weit hinter dem
vom Motorrad ausgehenden Verursachungsanteil zurücktreten, dass sie auch nicht mit
einer geringen Quote noch haftungsbegründend in Anschlag zu bringen wäre. Denn bei
der Abwägung können nur feststehende, d. h. unstreitige oder bewiesene Umstände
berücksichtigt werden. Demgemäß kann hier zu Lasten der Beklagten nicht mehr in die
Abwägung einfließen als dasjenige, was sie selbst vorgetragen haben und durch die
Beweisaufnahme nicht widerlegt worden ist. Danach würde sich ihr
Mitverursachungsanteil – wenn es sich denn überhaupt um einen solchen handeln
sollte – darauf beschränken, dass der Geländewagen während der Annäherung des
Klägers mit der Front zur Fahrbahn und rechtwinklig zu dieser in der Zufahrt zu der
Wiese gestanden hat, wo der Beklagte zu 1) zuvor gewendet hatte. In diesem Falle
würde nicht nur ein vorwerfbarer Fahrfehler des Beklagten zu 1) entfallen, sondern die
von dem Geländewagen ausgehende Gefahr einer psychologischen Beeinflussung des
Verkehrs auf der Fahrbahn wäre auch objektiv so gering gewesen, dass sie sich
gegenüber dem Verursachungsbeitrag des Klägers nicht mehr haftungsbegründend
ausgewirkt hätte.
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Das kann aber letztlich offen bleiben, da schon nicht festgestellt werden kann, dass
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das Abkommen des Klägers von der Fahrbahn überhaupt durch da Vorhandensein und
die Betriebsvorgänge des Geländewagens verursacht worden ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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