Urteil des OLG Hamm vom 16.02.2006

OLG Hamm: vertrag mit schutzwirkung zugunsten dritter, treu und glauben, vertrag zugunsten dritter, treuhandverhältnis, anzahlung, treuhandvertrag, verfügung, auszahlung, verkehr, sorgfalt

Oberlandesgericht Hamm, 28 U 173/05
Datum:
16.02.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
28. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 U 173/05
Vorinstanz:
Landgericht Detmold, 1 O 192/05
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das am 30. September verkündete
Urteil der Zivilkammer I des Landgerichts Detmold aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 8.654,00 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 7. Mai 2005
zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) einen Betrag von
7.508,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit
dem 7. Mai 2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klageabgewiesen und die Berufung
zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
1
A.
2
Die Kläger verlangen von der Beklagten Ersatz für von dieser in Empfang genommene
und an die Fa. D GmbH (im Folgenden Fa. D) weitergeleitete Gelder in Höhe von
8.654,- € (so die Klägerin zu 1) und 7.508,- € (Kläger zu 2) für den Kauf zweier
Kraftfahrzeuge Volvo XC 90 D 5 + Volvo V 70 2,4 D, die zu einem Preis von 58 % des
Bruttolistenpreises angeboten wurden. Voraussetzung für den Kauf war eine
Clubmitgliedschaft, die gegen Zahlung einer einmaligen Aufnahmegebühr von 50,- €
und eines Jahresbeitrags von 200,- € erworben werden konnte, ferner eine Anzahlung
von 20 % des Kaufpreises, die wahlweise direkt an den Club oder gegen Gebühr auf ein
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von der Beklagten (die Rechtsanwältin und Notarin war) bereitgestelltes
Anwaltsanderkonto gegen eine Gebühr von 50,- € geleistet werden konnte. Die Kläger
unterzeichneten das Formular "Technischer Ablauf von der Clubmitgliedschaft bis zur
Fahrzeug-Übergabe" sowie eine entsprechende Fahrzeugbestellung und erbrachten am
27.05.2004 sowie am 09.06.2004 die Anzahlungen einschließlich der
Anderkontogebühr in der jeweils genannten Höhe auf das angegebene Anderkonto.
Die Kläger haben behauptet, die Beklagte habe dem Zeugen L vor der Überweisung auf
telefonische Anfrage persönlich versichert, dass die Anzahlung der Kläger zu 1) nur Zug
um Zug gegen Lieferung der Fahrzeuge an die D ausgezahlt werde, und gemeint, die
Beklagte habe gegen die sich aus einem begründeten Treuhandverhältnis für sie
ergebenden Pflichten verstoßen, indem sie die Gelder ohne ihre Einwilligung an die D
ausgezahlt habe.
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Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass ein Treuhandverhältnis
mit ihr nicht bestanden habe und eine gesonderte Treuhandvereinbarung nicht getroffen
worden sei. Sie habe erst später davon erfahren, dass das Konto von der Fa. D
gegenüber den Kunden anders dargestellt worden sei.
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Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen L abgewiesen, mit der
Begründung, dass rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zwischen den Parteien könnten
nicht festgestellt werden könnten. Ein Treuhandverhältnis zwischen den Parteien sei
auch konkludent nicht vereinbart worden. Ebenso wenig ergebe sich ein
Schadensersatzanspruch der Kläger nach den Grundsätzen mit Schutzwirkung
zugunsten Dritter.
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Hinsichtlich des Sachverhalts sowie der Gründe wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils sowie die Entscheidungsgründe Bezug genommen. Von einer
weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 II i.V.m. § 313
a I 1 und § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
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Die Kläger verfolgen ihre Klageanträge mit der von ihnen eingelegten Berufung weiter.
Sie machen – auf der Grundlage weiterer, aus den Ermittlungsakten gewonnener
Erkenntnisse – ein kollusives Zusammenwirken der Beklagten und der für die D
handelnden Personen geltend. Die Beklagte habe gebilligt und dabei mitgewirkt, dass
das von ihr eingerichtete Treuhand- bzw. Anderkonto den Kunden der D angedient und
in einer Weise verwendet worden sei, die bei laienhaftem Verständnis der Adressaten
den Eindruck erweckt habe, es handele sich um ein amtlich anerkanntes
Sicherungsinstrument, das diejenigen, die sich dessen bedienten, vor einem Verlust
ihrer Auszahlung schütze. Zwischen der Beklagten und dem seinerzeitigen
Geschäftsführer der D, dem Zeugen T, sei vereinbart gewesen, dass die Anzahlungen
der Käufer treuhänderisch auf ihrem Anderkonto verwaltet würden und so sicher gestellt
würde, dass die Auszahlungen erst und nur dann erfolgten, wenn der Nachweis durch
Vorlage einer Übergabebestätigung erbracht worden sei. Auch diversen Zeugen
gegenüber habe die Beklagte ausdrücklich eine entsprechende Sicherung bestätigt. Es
seien Ansprüche wegen Verletzung des Treuhandauftrags, aus Auskunftsvertrag,
Vertrag zugunsten Dritter, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, wegen
Amtspflichtverletzung, § 19 I BNotO, sowie aus Delikt, §§ 823 II i.V.m. §§ 263, 266 StGB,
begründet.
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Die Beklagte verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen: Sie habe keinerlei
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Pflichten aus einem Treuhandverhältnis gehabt. Die Anderkonten seien ausschließlich
für die Fa. D geführt worden. Soweit im Einzelfall Treuhandabreden getroffen worden
seien, sei dies immer schriftlich erfolgt und von ihr auch schriftlich bestätigt worden.
Amtspflichten gegenüber den Klägern habe sie nicht gehabt, da sie nicht als Notarin
tätig geworden sei. Eine anwaltliche Haftung bestehe nicht. Aus der bloßen Nennung
des Anderkontos hätten die Kunden nicht herleiten können, dass sie
Treuhandtätigkeiten für diese habe übernehmen wollen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
10
B.
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Die zulässige Berufung der Kläger ist begründet.
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Sie können von der Beklagten aus der Verletzung eines konkludent abgeschlossen
Treuhandvertrags wegen weisungswidriger Auszahlung der auf ihr Anderkonto
gezahlten Gelder Zahlung in Höhe von 8.654,- € (Klägerin zu 1) und 7.508,- € (Kläger zu
2) verlangen, § 280 I BGB.
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Andere mögliche Ansprüche, so aus § 667 1. Alt. BGB, aus einer vertraglichen
Dritthaftung (§ 328 I BGB; Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) oder aus Delikt,
§§ 823 II i.V.m. §§ 263, 266 StGB, können daneben dahinstehen.
14
I.
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Eine notarielle Tätigkeit der Beklagten, die zu einer notariellen Haftung ihrerseits nach §
19 I BNotO führen könnte, ist zunächst nicht festzustellen, da die Beklagte nach den
Gesamtumständen nicht als Notarin aufgetreten ist. Zum einen ging es nicht um die
Vorbereitung oder Ausführung von Amtsgeschäften nach §§ 20 ff. BNotO. Auch eine
notarielle Verwahrung, § 23 BNotO, lag nach den Gesamtumständen nicht vor, zumal
das fragliche Konto, auch wenn die Beklagte gleichzeitig Notarin war, ausdrücklich – so
in der Erklärung zur Clubmitgliedschaft – als "Anwaltskonto" bezeichnet war. Nach § 24
II 2 BNotO ist sodann im Zweifel anzunehmen, dass der Anwaltsnotar als Rechtsanwalt
tätig geworden ist (vgl. dazu BGH NJW-RR 2001, 1639, 1640; Fahrendorf, in: Rinsche
u.a., Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Aufl. 2005, Rn. 1692). Die Gesamtumstände
rechtfertigen die Annahme einer notariellen Tätigkeit im Streitfall nicht. Abgesehen von
der Bezeichnung als Anwaltsanderkonto und dem Umstand, dass das Anderkonto
keinen Bezug etwa zu einem vom Notar beurkundeten Geschäft hatte, bestand auch aus
Sicht der Kläger (§§ 133, 157 BGB) kein hinreichender Anhalt dafür, dass die Beklagte
die Anzahlungen in ihrer Funktion als Notarin treuhänderisch verwahren sollte, zumal
ihre Beauftragung und die Einrichtung des Anderkontos im Vorfeld der Bestellungen
allein im Zusammenwirken mit der Fa. D erfolgt sind und die Beklagte insofern
schwerpunktmäßig jedenfalls zunächst für die Fa. D tätig geworden ist.
16
II.
17
Vorliegend ist – anders als das Landgericht es gemeint hat und was im Senatstermin
ausführlich erörtert worden ist – von einem konkludent abgeschlossenen
Treuhandvertrag mit den Klägern (im Sinne einer doppelten Treuhand) auszugehen, der
nach dem erkennbaren Sinn und Zweck der Anzahlungen auf das Anderkonto der
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Beklagten die Sicherung von Zug-um-Zug-Leistungen zum Gegenstand hatte. Die
Beklagte hat mit der sofortigen Auszahlung der Gelder an die Fa. D ohne Bestätigung
der Lieferung der Fahrzeuge ihre sich hieraus ergebenden Pflichten schuldhaft verletzt.
1. a)
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Nach den Gesamtumständen ist zwischen den Parteien ein Treuhandverhältnis
zustande gekommen, ohne dass es zur Feststellung dessen einer weiteren
Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen L u.a. bedarf. Ein solches bedarf zu
seiner Begründung übereinstimmender Vertragserklärungen. Für sein Vorliegen wie
auch für seinen Inhalt gelten die allgemeinen Regeln des BGB (vgl. Fahrendorf, a.a.O.,
Rn. 1679). Einen typischen Treuhandvertrag gibt es dabei nicht. Ein typischer Inhalt
hierfür ist nicht anerkannt. Die Rechtsbeziehungen richten sich grundsätzlich nach dem
Recht des Auftrags (§§ 662 ff.), beispielsweise nach § 667 BGB (BGH NJW 2002, 2459,
2460 = BB 2002, 1446, 1447). Ansonsten ist der Inhalt nach dem ausdrücklich
Vereinbarten oder einer Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157
BGB) zu bestimmen (vgl. BGH NJW 1966, 1116; OLG Hamm AnwBl. 1987, 42, 43;
Fahrendorf, a.a.O., Rn. 1681; Vollkommer/Heinemann, 2. Aufl. 2003, Rn. 113, Fn. 511).
Je nach der speziellen Eigenart der jeweiligen Treuhandaufgaben können die Pflichten
und Befugnisse unterschiedlich weit gehen. Als typische Fallgestaltung kommt – wie
hier – die Sicherung von Zug-um-Zug-Leistungen (Fahrendorf, a.a.O. Rn. 1683;
BorgmannJungk/Grams, 4. Aufl. 2005, Kap. VI Rn. 34; Vollkommer/Heinemann,
Rn. 113) in Betracht. Eine Haftung des Anwalts kann sich zudem auch gegenüber
Dritten, u. a. gegenüber dem Gegner des Mandanten, aus der Begründung eines
Treuhandverhältnisses ergeben (vgl. Terbille, in Rinsche u.a., a.a.O., Rn. 338 ff., 349),
so etwa wenn der Anwalt für seinen Mandanten bestimmte Beträge von dessen Gegner
in Empfang nimmt und der Geldgeber dem Anwalt zu erkennen gibt, dass er ihn nicht
lediglich als Vertreter oder Boten des Mandanten ansieht, sondern als Treuhänder mit
der Wahrnehmung seiner eigenen Interessen betraut (Senat, Urt. v. 08.11.1984, Az. 28
U 94/84), oder wenn ein Rechtsanwalt sich vom Gegner seines Mandanten eine
bestimmte Geldsumme mit dem Versprechen auszahlen lässt, über diese in bestimmter
Weise zu verfügen. Auch hier haftet dieser, sofern er das Versprechen nicht einhält.
Eine Treuhand kann fernerhin mehrseitig, insbesondere doppelseitig sein, wobei an den
konkludenten Abschluss eines Treuhandvertrages neben der ausschließlichen
Interessenwahrnehmung der Interessen aus einem bestehenden Mandat besondere
Anforderungen zu stellen sind (BGH NJW 2004, 3630; Senat, Urt. v. 01.12.2005, Az. 28
U 29/05; Fahrendorf, a.a.O., Rn. 1688, jew. m.w.N.).
20
b) aa)
21
Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Auch wenn die Beklagte, worauf die
Berufungserwiderung abstellt, das Anderkonto (zunächst) für die D GmbH geführt und
für diese die Gelder eingezogen hat, ergab sich aus den Gesamtumständen, und zwar
der Beklagten uneingeschränkt zurechenbar, für die Kunden nach objektivem
Empfängerhorizont eine Treuhandbeauftragung. Es bestand für die Fahrzeugkäufer,
somit auch für die Kläger, angesichts der Vorleistungen auf den Kaufpreis auch unter
Berücksichtigung des auffälligen und überaus ungewöhnlichen Fahrzeugrabatts von 42
%, der klar Anlass zu Misstrauen gegen die fragliche Geschäftsgestaltung gab oder
geben konnte, ein nicht zu verkennendes, objektives Sicherungsbedürfnis, dem sich die
Beklagte nicht verschließen konnte und durfte. Hiermit und mit gleichzeitiger
Involvierung der Beklagten wurde, wie auch die weiteren hier anhängigen
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Parallelverfahren zeigen (ohne dass es hierauf ankommt), ein besonderer
Vertrauenstatbestand in die Seriosität des Geschäfts und die Beklagte selbst begründet.
Ansonsten machten das Anderkonto und die Zahlungen hierauf überhaupt keinen Sinn.
Andernfalls hätte offen und direkt an die Fa. D gezahlt werden müssen, wobei die
ungesicherte Vorleistung indes deutlich zu Tage getreten wäre. Eine solche
Direktzahlung hätte bei den Kunden völlig zu Recht weitere erhebliche Vorbehalte
gegen die Geschäftsabwicklung auslösen können, die auf diese Weise, nämlich durch
die Errichtung eines Anderkontos "ausgeschaltet" wurden. Es wurde durch die
gesondert zu vergütende und vor allem auch wahlweise zur Verfügung gestellte
Zahlvariante auf dieses Konto der Beklagten, die damals als Rechtsanwältin und
Notarin ausgewiesen war, eine besondere Besicherung gerade in Bezug und in
Richtung auf die Kunden erklärt, und zwar zumindest mittels Duldung der Beklagten, die
sich hierfür und für dieses Unterfangen mit Wirkung nach außen, worauf es allein
ankommt, zur Verfügung gestellt hat. Die internen Vorgänge zwischen der Fa. D und der
Beklagten, insbesondere in Bezug auf die Kontoeröffnung, etwaige Abreden über
Auszahlungen etc., sind in diesem Zusammenhang nicht von wesentlichem Belang,
ebenso wenig das, was später, etwa im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, von den
Beteiligten zur Zulässigkeit der Auszahlungen erklärt worden ist. Maßgebend ist
vielmehr in erster Linie der damalige Empfängerhorizont, auch wenn sich die Beklagte
möglicherweise in die fragliche Geschäftsgestaltung hat hineinziehen lassen.
Bereits nach den Vertragsunterlagen war das Verhalten der Kläger als Treugeber für die
Beklagte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben
nicht anders zu verstehen, als dass das überlassene Geld nur in einer ihren
Sicherungsinteressen entsprechenden Weise weiterzuleiten war und dass das
nachfolgende Verhalten des Treunehmers, nämlich durch die Empfangnahme des
Geldes, als unmittelbare Annahme des Auftrags zu verstehen war. Bei dieser Sachlage
musste die Beklagte die Sicherungsinteressen der Vorkasse zahlenden Kunden
berücksichtigen und davon ausgehen, dass ihr die Überweisungsbeträge nur zu
treuhänderischen Zwecken überlassen wurden. Sie konnte und durfte die Augen nicht
davor verschließen, dass durch ihre Person eine Vertrauensbasis für das auf den ersten
Blick zu aller mindest riskante Geschäft geschaffen wurde. Auch soweit die
Überweisungen als solche in diesem Fall nicht auf eine erwartete Treuhand hinweisen
(vg. dazu OLG Bremen OLGR 2000, 64, zur Notarhaftung), hätte die Beklagte die
Kläger, wenn dies nicht gewollt war, darauf hinweisen müssen, dass sie nur eine
Treuhandfunktion für die Fa. D übernommen hatte und sich allein hierauf beschränken
wollte, was das Geschäftssystem aber ersichtlich gefährdet hätte, weil die Kunden oder
ein wesentlicher Teil davon dann möglicherweise abgesprungen wären und der nach
außen getragene Sinn des Anderkontos zerplatzt wäre. Stattdessen ließ auch die
Beklagte die Kunden in dem irrigen Glauben, dass sie entsprechend gesichert seien.
Diese Sicht wurde nicht zuletzt dadurch geschaffen, dass dieser Weg wahlweise gegen
eine Gebühr, die für die Kunden ohne Besicherung keinen Sinn machte, zur Verfügung
gestellt wurde.
23
bb)
24
Unmaßgeblich ist insofern auch, ob die Beklagte subjektiv selbst ein
Treuhandverhältnis (nicht) angenommen bzw. gewollt, ob mit der Fa. D intern was
anderes vereinbart war und ob die D nach außen abredewidrig eine solche Besicherung
vermeintlich ohne ihre Kenntnis vorgetragen hat. Die Beklagte musste damit rechnen,
dass die Kunden erhebliches Vertrauen in ihre unabhängige Position als
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Rechtsanwältin (und damals Notarin) mit den Begriffen Ander- und (in einigen Fällen
ausdrücklich) Treuhandkonto (für das extra eine Gebühr zu entrichten war) setzten und
dass ihnen damit eine Zug-um-Zug Sicherheit suggeriert würde; ferner dass ihnen
gegenüber der Eindruck entstehen konnte und musste, dass es sich hier um ein
besonderes Sicherungsinstrument (für sie und in ihrem Interesse) handelt, das sie vor
einem Verlust ihrer Anzahlung schützt, zumal eine völlig unbekannte Bonität der Fa. D
bestand und eine Reduktion des Listenpreises von 35 % und mehr besondere Vorsicht
gebot.
Dass die Beklagte eine Treuhanderwartung zugunsten der Kunden zurechenbar
zumindest geduldet hat, ergibt sich konkret auch daraus, dass sie das vorgelegte
schriftliche Bestell- und Abwicklungsformular "Pkw, Lkw, Wohnmobile usw." (Bl. 47;
auch wenn dies in den streitgegenständlichen Fällen nicht unterzeichnet und zugrunde
gelegt wurde), nach eigenem Vortrag nicht nur gekannt, sondern ausdrücklich gebilligt
hat. Danach erfolgten die Anzahlung und die Zahlung der restlichen 38 % des
Listenpreises bei Abholung, wie es dort zweimal ausdrücklich heißt, auf das
bereitgestellte, zu vergütende Treuhandkonto. Auch danach wurde nach außen
unverkennbar der Eindruck vermittelt, dass die Funktion des Kontos (jedenfalls) auch im
Interesse der Kunden war. Ansonsten machte dieses – es war im Außenverhältnis
ersichtlich in den Vordergrund gestellt – weder im Zusammenhang mit der Bestellung
noch mit den weiteren an die Kunden gerichteten Unterlagen Sinn, wenn es sich nur um
eine interne Buchungsstelle für die Fa. D hätte handeln sollen. Vielmehr hat die
Beklagte damit erkennbar, zurechenbar und von den Initiatoren nach Sinn und Zweck
der Darstellung zweifelsohne entsprechend gewollt, eine besondere Sicherung der
Gelder bis zur Abholung der Fahrzeuge – nach außen hin – erklärt. Die Vorleistungen
sollten damit vermeintlich gesichert werden.
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Die Beklagte kann sich nicht, wie im Senatstermin erörtert, darauf zurückziehen, dass
mit der Angabe einer Telefonnummer der Fa. D auf dieser Bestellerklärung aus ihrer
Sicht eine Art "Sicherheitssperre" vorgelegen habe, weil die dortigen Mitarbeiter den
Kunden hätten sagen sollen, dass der Anwalt die Gelder weiterleitet. Abgesehen davon,
dass dies dem durch die Vertragsunterlagen hervorgerufenen Eindruck einer
Besicherung diametral entgegensteht, ist nicht erkennbar oder belegt, dass und wie die
Beklagte hierfür und für eine Klarstellung im umgekehrten Sinne Sorge getragen hat,
zumal dort nur in einem rein technisch die Anschrift und die Bankverbindung erfragt
werden sollten.
27
cc)
28
Unmaßgeblich ist auch ihre Darstellung, dass man, wenn extra gewünscht, eine
besondere Vereinbarung zur Absicherung mit ihr hätte schließen können, so wie es in
einigen Fällen geschehen ist. Aus den Vertragsunterlagen ergab sich hierfür und
konkret für die Notwendigkeit einer besonderen Vereinbarung keinerlei Anhaltspunkt.
Überdies ist nicht ersichtlich, dass für gesonderte schriftliche Treuhandvereinbarungen
eine entsprechende eigene Vergütung hätte geleistet werden müssen oder von den
betreffenden, besonders vorsichtigen Kunden gezahlt worden ist. Im Gegenteil zeigen
die vielen schriftlichen Bestätigungen der Beklagten, "dass die Einzahlungen auf dem
Anderkonto auf der Bank verbleiben, bis mitgeteilt worden ist, dass das Auto zur
Auslieferung bereit steht bzw. von Ihnen übernommen wurde" (so bspw. ein Schreiben
vom 04.05.2004, Bl. 137), unmissverständlich, dass die Beklagte immer wieder wie
selbstverständlich ihre treuhänderische Verwahrung selbst bestätigt hat, zumal hieraus
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auch wiederum klar erkennbar wird, dass der Beklagten das Sicherungsbedürfnis der
Käufer eindeutig bewusst war.
dd)
30
Eine andere Beurteilung ist, anders als die Beklagte meint, nicht gerechtfertigt auf der
Grundlage der Entscheidung des BGH in NJW 2004, 3630. Denn dort handelte es sich –
insofern nicht vergleichbar – lediglich um eine einseitige Interessenwahrnehmung im
Rahmen der Außervollzugsetzung eines Haftbefehls zugunsten des Mandanten; die
Kaution war vom Mandanten persönlich zu leisten; und der Dritte war nur in die
technische Abwicklung des Zahlungsvorgangs einbezogen. Es bestand nach den
Gesamtumständen und der Zweckbestimmung der dortigen Überweisung für die
beklagten Anwälte keine Veranlassung, das Verhalten des Einzahlers als Angebot
eines Treuhandauftrags auch mit diesem zu deuten. Im vorliegenden Fall ist die
Sachlage gerade insofern anders, als die Einzahler, wie ausgeführt, auf die
Treuhandtätigkeit der Beklagten vertrauen durften.
31
2.
32
Die Pflichtverletzung der Beklagten aus dem Treuhandvertrag ist darin zu sehen, dass
sie die Gelder weisungswidrig – ohne Bestätigung der Lieferung oder Vergewisserung
darüber, ob dies dem Willen der Kläger entsprach – an die Fa. D weitergegeben
gegeben hat, mit der Folge, dass das Geld dort jetzt möglicherweise versickert ist. Die
Pflichtverletzung ist schuldhaft erfolgt, zumindest fahrlässig, da die Auszahlungen an die
Fa. D, wie in den übrigen Fällen der Einbehaltung aufgrund schriftlicher Regelung, bei
Beachtung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt Verhalten hätten unterbleiben müssen.
33
III.
34
Ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Abtretung etwaiger Ansprüche gegen den vormaligen
Geschäftsführer der Fa. D T2 steht der Beklagten nicht zu, da beide potentielle
Gesamtschuldner sind. Eine analoge Anwendung des in diesem Zusammenhang
maßgeblichen § 255 BGB setzt voraus, dass der Schuldner und der Dritte – insofern
abweichend – keine Gesamtschuldner sind (vgl. Fahrendorf, a.a.O., Rn. 840 f.; Fischer,
in: Zugehör, Handbuch, Rn. 1094 m.w.N.; Ganter, WM 2001, Sonderbeilage Nr. 6, S.
18). Hier kommt eine Ausgleichspflicht zwischen den Gesamtschuldnern
gegebenenfalls unabhängig von der Abtretung nach § 426 BGB in Betracht.
35
IV.
36
Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286 I, 288 I BGB.
37
V.
38
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
39
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, § 543 Abs. 1 ZPO. Das Urteil stellt
eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der Grundlage anerkannter
Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur getroffen hat. Die Rechtssache besitzt so
weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
40
erforderlich.