Urteil des OLG Hamm vom 04.12.2008

OLG Hamm: höchstgeschwindigkeit, beweisantrag, aufmerksamkeit, messung, betriebsanleitung, gerät, augenschein, befragung, verfügung, identifizierung

Oberlandesgericht Hamm, 4 Ss OWi 834/08
Datum:
04.12.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 Ss OWi 834/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Lippstadt, 7 OWi 422 Js 458/08 OWi (172/08)
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet auf Kosten des
Betroffenen verworfen.
G r ü n d e :
1
I.
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Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 70,- € verurteilt und zugleich ein
Fahrverbot von einem Monat verhängt.
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Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 22. Oktober 2007 um
16.48 Uhr in Lippstadt außerhalb geschlossener Ortschaft die L 822 in Fahrtrichtung
Lippstadt als Führer des PKW PB-AM 63 mit einer Geschwindigkeit von 97 km/h und
überschritt damit die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 27 km/h. Zur
Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:
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"Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Einlassung des Betroffenen, der
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lnaugenscheinnahme des Beweisfotos (Bl. 11, 12), sowie dem verlesenen
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Meßprotokoll (Bl. 13) vom 22.10.2007 nebst Auswerteliste (BI. 15) sowie dem
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Eichschein Nr. 5 - 1.3.856/07 (Bl. 1, 17) bezüglich des Radar-Geschwindig-
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keitsmeßgerätes X 6 F Nr. 09-01-2005 vom 14.08.2007.
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Der Betroffene hat sich über seinen Verteidiger eingelassen, dass er der
verantwortliche Fahrer zur Tatzeit gewesen ist.
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Ausweislich des Meßbildes in der Ausdruckform Blatt 12 d.A. wurde das von dem
Betroffenen gesteuerte Fahrzeug am 22.10.2007 um 16.48.19 Uhr mit einer
Geschwindigkeit von 100 km/h mit der Meßeinrichtung x 6 F gemessen. Nach dem
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Meßprotokoll (Bl. 13) wurde das Gerät X
6 F-2 Nr. 09-01-2005 eingesetzt, dessen Eichung vom 13.08.2008 nach dem
Eichschein Nr. 5- 1.3.856/07 bis zum 31.12.2008 gültig ist.
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Messender Beamter war ausweislich des Meßprotokolls der Polizeibeamte POK Y
(Bl. 13). Seine Einweisung in das Gerät ist aus zahlreichen Bußgeldverfahren
gerichtsbekannt und durch den Schulungsnachweis (Bl. 18) noch einmal
nachgewiesen. Fehler der Installation der Meßeinrichtung wie der Messung an sich
sind nicht ersichtlich. Auch ergeben sich keine Besonderheiten aus der
Auswerteliste zum Meßprotokoll (BI.15).
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Die Messung von 100 km/h ist daher ordnungsgemäß. Nach Abzug der Toleranz
von 3 km/h verbleibt eine verwertbare Geschwindigkeit von 97 km/h. In der
Örtlichkeit ist die Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 StVO auf
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70 km/h begrenzt. Der Betroffene hat seinen PKW mithin 27 km/h über der
zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h gelenkt.
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Der von dem Verteidiger in der Hauptverhandlung beantragten
Zeugenvernehmung des Meßbeamten POK Y bedurfte es nicht mehr. Der mit
Schriftsatz vom 23.06.2008 vorgetragene Wunsch des Verteidigers auf Zuziehung
des Meßbeamten, weil er mit diesem Fragen der Meßtechnik erörtern möchte, ist
nicht auf ein konkretes Beweisthema gerichtet gewesen und bedurfte daher des
Nachgehens nicht.
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Auch die mit dem in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag benannten
Ziele, nämlich die Befragung, ob der Beamte die nach der Betriebsanleitung
erforderliche Aufmerksamkeit auf den Betrieb der Meßeinrichtung gerichtet hat, ob
es nicht in das Meßprotokoll aufgenommene Auffälligkeiten gegeben habe und ob
eine etwaige Schrägfahrt zu einem dem Betroffenen ungünstigen Meßergebnis
geführt haben könnten, rechtfertigen die nachträgliche Zuziehung des Meßbeamten
nicht mehr. Der Meßbetrieb einschließlich des Aufbaus der Meßeinrichtung ergibt
sich aus dem eingeführten Meßprotokoll nebst Auswerteliste. Der Nachfrage nach
der "Aufmerksamkeit" des Meßbeamten bedarf es nicht, weil das Meßsystem X 6 F
nach Aufbau und Inbetriebsetzung automatisiert arbeitet; Fehlmessungen werden
automatisch unterdrückt und als Fehler angezeigt; es verbleibt lediglich das
fakultative Umschalten zwischen zwei voreingestellten Meßgrenzwerten, z.B. bei
der zusätzlichen Überwachung von gesondert limitierten Kraftfahrzeugen, wenn
deren Annäherung erkennbar wird. Aufbaubedingte Fehler würden sich aus dem
vorliegenden und in Augenschein genommenen Beweisfoto offenbaren.
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Auch kann eine Schrägfahrt des Fahrzeuges des Betroffene etc. ausgeschlossen
werden, wie sich aus dem Beweisfoto ergibt.
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Auch der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es nicht mehr. Der
Sachverhalt ist hinreichend geklärt. Bei Einholung des Gutachtens wäre zudem die
Aussetzung der Hauptverhandlung zwingend, weil zum einen der Eingang des
Gutachtens nicht innerhalb der Unterbrechungsfrist zu erwarten ist und im übrigen
innerhalb der Unterbrechungsfrist keine Fortsetzungstermine wegen
Austerminierung des Gerichtes zur Verfügung stehen."
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die formelle und materielle Rüge
gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt
die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
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II.
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Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
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1.
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Die Verfahrensrüge, mit der der Betroffene die rechtsfehlerhafte Zurückweisung seines
Beweisantrages rügt, hat keinen Erfolg.
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Dem Revisionsvorbringen zufolge hat die Verteidigung in der Hauptverhandlung
folgenden Beweisantrag gestellt:
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"... ist zum Hauptverhandlungstermin der Messbeamte nicht geladen worden,
obwohl die Verteidigung mitgeteilt hat, mit diesem über die Messtechnik sprechen
zu wollen.
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Die Verteidigung kann ohne die Vernehmung des Messbeamten z.B. nicht
feststellen, ob dieser die nach der Betriebsanleitung erforderliche Aufmerksamkeit
dem Messbetrieb gewidmet hat, es Auffälligkeiten gegeben hat, die im
Messprotokoll nicht erwähnt sind und etwaige Schrägfahrt- bzw. Aufstellfehler zu
den betreffenden ungünstigen Messabweichungen geführt hat.
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Ich beantrage, sowohl den Messbeamten zu vernehmen, der Fehler in der
Aufstellung des Geräts und zu den vorgenannten Punkten einräumen wird sowie
eine fotogrammetrische Auswertung des Messfotos durch einen Sachverständigen,
der dies ebenfalls bestätigen wird."
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Dieser von der Verteidigung in der Hauptverhandlung gestellte Antrag genügt den an
einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen nicht. Mit einem Beweisantrag muss
der Antragsteller deutlich machen, dass er die Beweiserhebung verlangt und nicht in
das Ermessen des Gerichts stellt. Dazu muss der Antrag eine bestimmte
Beweistatsache bezeichnen (BGHSt 39, 251). Hingegen handelt es sich um einen
bloßen Beweisermittlungsantrag, wenn keine bestimmte Tatsache behauptet, sondern
Beweis darüber verlangt wird, ob, warum, wann, wie oder wo sie eingetreten ist (BGHSt
8, 76). Bei dem Antrag der Verteidigung handelt es sich um einen
Beweisermittlungsantrag, denn die Vernehmung des Messbeamten und die Einholung
des Sachverständigengutachtens soll erfolgen, um mögliche Fehler im Messverfahren
zu ermitteln. Es wird nicht als Tatsache behauptet, dass bestimmte Fehler im
Messvorgang vorliegen.
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Auch unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungsrüge greift die Verfahrensrüge des
Betroffenen nicht durch. Die Aufklärungsrüge ist dann zulässig, wenn das Gericht
Ermittlungen unterlassen hat, zu denen es sich aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht
gedrängt sehen musste (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 244 Rdnr. 80). Das
Amtsgericht musste sich hier nicht zu einer weiteren Sachaufklärung gedrängt sehen, da
die Messung des standardisierten Messverfahrens mit der Messeinrichtung X 6 F
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durchgeführt worden ist und es keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gab, dass eine
Fehlmessung vorgelegen haben könnte.
2.
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Die angefochtene Entscheidung hält auch einer rechtlichen Nachprüfung aufgrund der
erhobenen Sachrüge Stand.
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Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen
wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Auch
die Urteilsausführungen zur Geschwindigkeitsmessung sind rechtsfehlerfrei, es
handelte sich nämlich um ein standardisiertes Messverfahren, so dass es keiner
weiteren Urteilsausführungen zum Messverfahren bedurfte. Aus diesem Grunde kann
dahinstehen, ob die Urteilsgründe eine ordnungsgemäße Verweisung auf das
"Beweisfoto" enthalten, zumal diesem Umstand auch für die Identifizierung keine
Bedeutung zukommt, denn der Betroffene hat eingeräumt, verantwortlicher Fahrer zur
Tatzeit gewesen zu sein.
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3.
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Die Urteilsausführungen zum Rechtsfolgenausspruch lassen keine Rechtsfehler
erkennen.
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4.
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Die Kostenentscheidung trägt der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels Rechnung.
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