Urteil des OLG Hamm vom 23.03.2006

OLG Hamm: anfechtung, abrechnung, verwaltungskosten, vergütung, meinung, belastung, entlastung, billigkeit, zukunft, gerechtigkeit

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 434/05
Datum:
23.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 434/05
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 3 T 288/05
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Der Beteiligte zu 1) trägt die Gerichtskosten des Verfahrens der
sofortigen weiteren Beschwerde. Er hat die in dieser Instanz den
Beteiligten zu 2) ent-standenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 2.000,00 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Mitglieder der eingangs genannten Anlage, die aus
10 Wohnungseigentumseinheiten besteht und von der Beteiligten zu 3) verwaltet wird.
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Am 23.09.2004 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der unter den
Tagesordnungspunkten 3 und 12 die Hausgeldabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2003
und der Plan für das Wirtschaftsjahr 2004 mehrheitlich beschlossen wurde. In der
Abrechnung für 2003 und in dem Wirtschaftsplan 2004 sind jeweils eine Vergütung für
die Verwalterin in Höhe von 2.490,96 € eingestellt worden. Diese sind in den
Einzelabrechnungen und in den Einzelwirtschaftsplänen jeweils nach
Miteigentumsanteilen umgelegt worden. Auf den Beteiligten zu 1) entfielen so jeweils
520,86 €.
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Mit dem am 21.10.2004 bei dem Amtsgericht eingegangenen Antrag hat der Beteiligte
zu 1) die Aufhebung dieser Eigentümerbeschlüsse begehrt mit der Begründung, dass
die Verwaltungskosten für jede Wohnung gleich und nicht nach Miteigentumsanteilen zu
berechnen seien. Die Anfechtung des Tagesordnungspunktes 5 ist nicht mehr
Gegenstand der weiteren Beschwerde.
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Die Beteiligten zu 2) sind dem Antrag entgegengetreten.
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Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 08.04.2005 den Antrag zurückgewiesen.
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Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, die das
Landgericht mit Beschluss vom 26.10.2005 zurückgewiesen hat.
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Gegen diese seinen Verfahrensbevollmächtigten am 16.11.2005 zugestellte
Entscheidung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 21.11.2005 eingelegte sofortige
weitere Beschwerde, die per Telefax am selben Tage bei dem Landgericht
eingegangen ist. Die Beteiligten zu 2) sind dem Antrag entgegengetreten und haben
u.a. geltend gemacht, dass der Beschwerdewert nicht erreicht sei.
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II.
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Die an sich nach den §§ 27, 29 FGG, 45 Abs. 1 WEG statthafte sowie form- und
fristgerecht eingelegt sofortige weitere Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der
Beschwer des Beteiligten zu 1) durch die angefochtene Entscheidung des Landgerichts
den Betrag von 750,00 € nicht übersteigt (§ 45 Abs. 1 WEG). Bei der Überprüfung dieser
Voraussetzung ist der Senat nicht daran gebunden, dass das Landgericht für den
übereinstimmenden Verfahrensgegenstand des Erstbeschwerdeverfahrens das
Erreichen der Mindestbeschwer des Beteiligten zu 1) zumindest stillschweigend, wenn
auch ohne nähere Erörterung, bejaht hat. Dies folgt bereits daraus, dass das
Rechtsbeschwerdegericht die Voraussetzungen für die Eröffnung der dritten Instanz
selbständig festzustellen hat. Eine Ausnahme ergibt sich in dieser Beziehung
insbesondere nicht aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 547, 568 Abs. 2 S. 2
ZPO a.F.). Nach diesen Vorschriften war ein weiteres Rechtsmittel immer dann eröffnet,
wenn das erste Rechtsmittel (Berufung oder Beschwerde) als unzulässig verworfen
worden war. Aus der entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften wurde und wird
auch weiterhin der Grundsatz abgeleitet, dass im Verfahren nach dem WEG die
sofortige weitere Beschwerde ohne Rücksicht auf das Erreichen der Mindestbeschwer
zulässig ist, wenn die sofortige erste Beschwerde als unzulässig verworfen worden ist
(BGHZ 119, 216 = NJW 1992, 3305). Dieser Grundsatz beschränkt sich indessen auf
die Fälle der Rechtsmittelverwerfung als unzulässig durch das Erstbeschwerdegericht.
Denn die Eröffnung einer sachlichen Nachprüfung der Erstbeschwerdeentscheidung
durch die Rechtsmittelinstanz soll lediglich sicherstellen, dass sich das
Erstbeschwerdegericht nicht unberechtigt einer Sachprüfung entziehen kann (BGH
a.a.O.). Darum handelt es sich jedoch gerade nicht, wenn das Erstbeschwerdegericht –
wie hier – eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, mag auch bereits das
Erreichen der Mindestbeschwer für das Erstbeschwerdeverfahren zweifelhaft
erscheinen (OLG Karlsruhe ZMR 1998, 107; OLG Düsseldorf ZMR 1998, 450; MK/BGB-
Engelhardt, 4. Aufl., § 45 WEG, Rn. 7 a.E.).
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Die Beschwer des Rechtsmittelführers ist im Hinblick auf die von ihm geltend gemachte
Rechtsbeeinträchtigung zu bewerten, die nach der auch im Verfahren nach dem WEG
anwendbaren Vorschrift des § 20 Abs. 1 FGG Voraussetzung der Zulässigkeit des
Rechtsmittels ist (BGH NJW 2003, 3124). Maßgebend ist danach regelmäßig die
vermögensmäßige Beeinträchtigung allein des Beschwerdeführers, die sich für ihn
ergibt, wenn es bei der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts verbleibt (BGHZ
119, 216). Besonderheiten können allerdings im Beschlussanfechtungsverfahren nach §
43 Abs. 1 Nr. 4 WEG gelten, wenn dem Beschwerdeführer durch die angefochtene
Entscheidung keine messbaren Vermögensnachteile entstehen, er vielmehr mit seinem
Rechtsmittel allein eine ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen
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Eigentums gemäß seinen Vorstellungen durchsetzen will (BGH NJW 2003, 3124, 3125
für die Anfechtung einer Entscheidung, durch die ein Eigentümerbeschluss für ungültig
erklärt worden ist). Solche Besonderheiten kommen hier jedoch nicht zum Tragen. Denn
Ziel des Beteiligten zu 1) ist ausschließlich die Anwendung eines
Kostenverteilungsschlüssels für die Wirtschaftsjahre 2003 und 2004, der ihm persönlich
zum Vorteil gereicht. Es bleibt deshalb für die Bemessung seiner Beschwer bei den
Grundsätzen, die für die Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen, durch die
Zahlungspflichten begründet werden, entwickelt worden sind: Maßgebend ist
grundsätzlich die anteilige Verpflichtung zur Kostentragung, die sich aus dem
Eigentümerbeschluss für den Beschwerdeführer ergibt (BayObLG ZMR 2000, 49 = ZWE
2001, 157; st. Rspr. des Senats, z.B. Beschluss vom 04.02.2003 - 15 W 325/02 -).
Gegenstand der Beschlussfassung zu TOP 3 der Eigentümerversammlung war die
Genehmigung der vom Verwalter am 3. 8. 2001 aufgestellten Jahresabrechnung durch
die Gemeinschaft und die Entlastung des Verwalters, nicht etwa die Abänderung eines
Verteilungsschlüssels für die Zukunft. Der Beteiligte zu 1) hat sich gegen diesen
Eigentümerbeschluss gewandt, weil in der ihm zu Grunde liegende Abrechnung seiner
Meinung nach in der Position "Verwaltungskosten" ein unrichtiger Verteilungsschlüssel
angewandt worden ist. Daher bemisst sich seine Beschwer nach der anteiligen
Belastung, die ihm bei der nach seiner Ansicht richtigen Abrechnung erspart geblieben
wäre (BayObLG NZM 2000, 1240). Dasselbe gilt für die Bemessung der Beschwer
hinsichtlich des zu TOP 12 genehmigten Wirtschaftsplans für das Jahr 2004.
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Legt man die Verwalterkosten in Höhe von 2.490,96 € auf 10
Wohnungseigentumseinheiten um, so entfallen auf den Beteiligten zu 1) für die Jahre
2003 und 2004 jeweils 249,10 €, das macht zusammen 498,20 €. Tatsächlich wurden
ihm für beide Jahre jeweils 540,86 € berechnet, das sind zusammen 1041,72 €. Die
Beschwer des Beteiligten zu 1) beträgt demnach 543,52 € (1041, 72 € abzüglich
498,20 €) und liegt unter dem erforderlichen Wert, der das Rechtsmittel der sofortigen
weiteren Beschwerde eröffnet.
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Da das Rechtsmittel unzulässig ist, entspricht es der Billigkeit, die Gerichtskosten des
Verfahrens der weiteren Beschwerde dem Beteiligten zu 1) aufzuerlegen, § 47 Satz 1
WEG.
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Der Senat hält es darüber hinaus für angemessen, dass der Beteiligte zu 1) auch die
außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2) im Verfahren dritter Instanz zu erstatten
hat. Im Verfahren nach dem WEG gilt zwar der Grundsatz, dass die Beteiligten ihre
außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben. Dieser Grundsatz hat seine
maßgebende Grundlage im Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer
(MK/BGB-Engelhardt, a.a.O., § 47 WEG, Rn. 6). Abweichend von der streng
erfolgsabhängigen Kostenverteilung im Zivilprozess wird im Verfahren nach dem WEG
danach das Bestreben privilegiert, durch die gerichtliche Entscheidung eine für alle
Wohnungseigentümer interessengerechte Regelung herbeizuführen. Von diesem
Ausgangspunkt sind die unter Billigkeitsgesichtspunkten vorzunehmenden Ausnahmen
zu bestimmen. Die Anordnung einer Kostenerstattung ist danach ein Gebot der
Gerechtigkeit, wenn ein Wohnungseigentümer bei den übrigen Verfahrensbeteiligten
Kosten für eine weitere Instanz verursacht, obwohl das von ihm eingelegte Rechtsmittel
erkennbar unzulässig und damit von vornherein ungeeignet ist, zu einer - in seinem
Sinne korrigierenden - weiteren Sachenentscheidung im Gemeinschaftsverhältnis der
Wohnungseigentümer führen zu können. Da es nur auf das Verhältnis der
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Verfahrensbeteiligten untereinander ankommt, muss diese Bewertung ungeachtet des
Umstandes Platz greifen, dass das Landgericht der Frage der Zulässigkeit der
sofortigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) nicht näher nachgegangen ist. Schon
dieser Gesichtspunkt rechtfertigt die Anordnung der Kostenerstattung. Im vorliegenden
Fall kommt hinzu, dass das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1) erkennbar auch sachlich
unbegründet wäre. Denn dass die im Verwaltervertrag vereinbarte Vergütung pro
Wohneinheit von der Verteilung der Verwaltervergütung im Verhältnis der
Wohnungseigentümer untereinander abweichen kann, entspricht gefestigter
Rechtsprechung (vgl. etwa BayObLG NZM 2004, 623 m.w.N.). Die für den
Kostenverteilungsschlüssel unter den Miteigentümern allein maßgebliche Regelung in §
1 g) der Teilungserklärung vom 21.05.1980 enthält nicht den geringsten Anhaltspunkt
dafür, dass für die Verwaltervergütung ein von dem allgemeinen Schlüssel (Verhältnis
der Miteigentumsanteile) abweichender Verteilungsschlüssel gelten solle. Für die
Bewertung, dass sich nach dem eigenen Vorbringen des Beteiligten zu 1) keine
tragfähigen Anhaltspunkte für eine spätere Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 WEG) über eine
Änderung des Kostenverteilungsschlüssels ergeben, wird auf die in jeder Hinsicht
zutreffenden Ausführungen der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
Dem Begehren der Beteiligten zu 2), dem Beteiligten zu 1) zusätzlich auch die
Erstattung der ihnen im Erstbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen
Kosten aufzuerlegen, kann der Senat bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht
entsprechen. Denn eine Abänderung der Entscheidung des Landgerichts auch nur im
Kostenpunkt setzt ein zulässiges Rechtsmittel voraus. Die sofortige weitere Beschwerde
des Beteiligten zu 1) ist jedoch aus den genannten Gründen unzulässig. Das Begehren
der Beteiligten zu 2) kann in diesem Punkt auch nicht als auf den Kostenpunkt
beschränkte unselbständige Anschlussrechtsbeschwerde verstanden werden, weil
diese in entsprechender Anwendung des § 574 Abs. 4 S. 3 ZPO (vgl. Keidel/Kahl, FG,
15. Aufl., vor § 19, Rn. 4) mit der Verwerfung des Rechtsmittels des Beteiligten zu 1) ihre
Wirkung verliert.
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Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Während sich der Beschwerdewert
nach dem Änderungsinteresse des Beschwerdeführers bestimmt, bemisst sich der
Geschäftswert wegen der Rechtskraftwirkung der Entscheidung für und gegen alle
Wohnungseigentümer (§ 45 Abs. 2 S. 2 WEG) nach den Auswirkungen der vom
Beschwerdeführer gewollten Änderungen für die anderen Miteigentümer (BGH a.a.O.).
Der Senat hält einen Wert von insgesamt 2.000 € für angemessen, zumal der Beteiligte
zu 1) sich nur gegen den Verteilungsschlüssel gewandt und weder seine grundsätzliche
Zahlungspflicht noch die Höhe des Abrechnungspostens in Zweifel gezogen hatte.
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