Urteil des OLG Hamm vom 20.04.2010

OLG Hamm (fahrverbot, beschränkung, abteilung, sache, rechtskraft, gebrauch, aufhebung, staatsanwaltschaft, höhe, verhandlung)

Oberlandesgericht Hamm, 2 RBs 31/10
Datum:
20.04.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 RBs 31/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Schwelm, 62 OWi-871 Js 57/09-43/09
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den
zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache wird zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an eine
andere Abteilung des Amtsgerichts Schwelm zurückverwiesen.
Gründe:
1
I.
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Das Amtsgericht Schwelm hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom
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15. Juni 2009 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit (innerhalb geschlossener Ortschaften) um 36 km/h eine
Geldbuße in Höhe von 130,- Euro und ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten
mit der Maßgabe verhängt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der
Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens
jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Dabei hat das
Amtsgericht das Fahrverbot auf "montags bis samstags für die Zeit von 18.30 Uhr – 7.30
Uhr und sonntags ganztägig" beschränkt.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte
Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen, mit der die Verletzung des § 25 StVG
und in diesem Zusammenhang gerügt wird, die zeitliche Beschränkung des
Fahrverbotes sei rechtlich nicht zulässig.
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Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm ist der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
Hagen beigetreten.
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II.
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Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte und
begründete sowie wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte
Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des Urteils
im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen und zu einer
Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Schwelm.
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Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen
Überprüfung nicht stand. Er erweist sich hinsichtlich des angeordneten Fahrverbotes als
fehlerhaft, da eine Beschränkung durch die Herausnahme bestimmter Benutzungszeiten
von dem Fahrverbot nicht zulässig ist.
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Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG kann das Gericht dem Täter für eine bestimmte Zeit
verbieten, "im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu
führen". Dabei ist eine nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG grundsätzlich statthafte
Beschränkung des Fahrverbotes auf bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen insbesondere
dann zu erwägen, wenn ansonsten eine außergewöhnliche und nicht mehr mit dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang zu bringende Härte eintreten würde (vgl.
OLG Karlsruhe, VRS 108, 37 f.; OLG Hamm, VRS 53, 205 f.; BayObLG DAR 1991, 110 f.
= NZV 1991, 120 f.) und eine solche Sanktion als Denkzettel- und
Besinnungsmaßnahme für den Betroffenen als ausreichend anzusehen ist (OLG
Düsseldorf, VRS 113, 442 f.; OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Hamm,
Beschluss des 3. Strafsenates vom 15. September 2005 - 3 Ss OWi 591/05 – m.w.N.).
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Nach § 25 StVG kann das Gericht aber nur eine bestimmte Art von Kraftfahrzeugen von
dem Fahrverbot ausnehmen. Unter Kraftfahrzeugen "einer bestimmten Art" sind
zunächst die Kraftfahrzeuggruppen zu verstehen, welche der Einteilung der
Fahrerlaubnisklassen nach § 6 Abs. 1 FeV zugrunde liegen. Eine weitere
Differenzierung ist möglich nach dem Verwendungszweck, soweit dieser durch eine
bestimmte Ausrüstung oder eine bestimmte Bauart bedingt ist
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(vgl. OLG Celle, DAR 1996, 64; OLG Düsseldorf, VRS 113, 442; OLG Brandenburg,
VRS 96, 233). Hingegen ist es nicht zulässig, eine Ausnahme nach Fabrikat,
Fahrzweck, Halter, Benutzungszeit oder Benutzungsart eine Kraftfahrzeuges zu
bestimmen oder ein bestimmtes Fahrzeug vom Fahrverbot auszunehmen (OLG Celle,
DAR 1996, 64).
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Wegen der nicht auszuschließenden Wechselwirkung zwischen der Höhe der
Geldbuße und dem - beschränkten - Fahrverbot war der gesamte
Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung des Senats
gemäß § 79 Abs. 6 OWiG kam nicht in Betracht. Nach den Ausführungen des
Amtsgerichtes "könnte" – ohne dies näher auszuführen - durch ein uneingeschränktes
Fahrverbot die berufliche Existenz des Betroffenen gefährdet werden, und es hat statt
eines Absehens vom Fahrverbot von der – hier insoweit nicht zulässigen -
Beschränkungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Bei dieser Sachlage ist weder die
Verhängung eines unbeschränkten oder nur einmonatigen Fahrverbotes noch
auszuschließen, dass in ermessensfehlerfreier Weise von der Verhängung eines
Fahrverbotes abgesehen werden kann. Die Entscheidung hierüber obliegt aber in erster
Linie der Würdigung des Tatrichters.
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Nach allem war die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, zurückzuverweisen, wobei
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der Senat von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Abteilung
des Amtsgerichts Schwelm Gebrauch gemacht hat (vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 79
Rdnr. 48).
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