Urteil des OLG Hamm vom 18.05.2009

OLG Hamm: gegen die guten sitten, einziehung, satzung, pfändung, gesellschafterversammlung, schutzwürdiges interesse, rechtliches gehör, anfechtungsfrist, zwangsvollstreckung, treuepflicht

Oberlandesgericht Hamm, 8 U 184/08
Datum:
18.05.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 184/08
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 1 O 425/07
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. September 2008
verkündete Urteil des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Kläger greift mit der Anfechtungsklage die Beschlussfassung der
Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 12. Oktober 2007 an, mit der sein
Geschäftsanteil an der Beklagten eingezogen wurde.
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Nach rechtzeitiger Einladung durch den damaligen Geschäftsführer C3 fand am
12. Oktober 2007 eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, an der der
Kläger nicht teilnahm. Der einzige weitere Gesellschafter C3 fasste den Beschluss, die
Geschäftsanteile des Klägers von nominal 5.112,92 €, das sind 20 % des
Stammkapitals, nach § 13.1 des Gesellschaftsvertrages einzuziehen. Diese Regelung
des Gesellschaftsvertrages lässt die Einziehung von Geschäftsanteilen zu, wenn der
entsprechende Gesellschafter seine Gesellschaftspflichten grob verletzt hat, wenn der
Gesellschaftsanteil gepfändet oder über das Vermögen des betroffenen Gesellschafters
das Konkursverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist.
Hintergrund des Beschlusses war die im August 2007 erfolgte Pfändung des
Geschäftsanteils durch den Mitgesellschafter C3 aufgrund eines vorläufig
vollstreckbaren Urteils des Landgerichts Arnsberg, mit dem der Kläger zur Zahlung von
120.666,08 € nebst Zinsen an die Beklagte verurteilt worden war. Das Urteil ist insoweit
im Berufungsverfahren mit Urteil des Senats vom 3. September 2008 (8 U 129/07)
bestätigt worden.
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Der Einziehungsbeschluss wurde dem Kläger mit Schreiben vom 12. Oktober 2007
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mitgeteilt, verbunden mit dem Hinweis, dass das Abfindungsguthaben 306,78 € betrage
und infolge Pfändung an den Gesellschafter C3 ausgezahlt werde.
Mit am 17. Oktober 2007 eingereichter Klage strebt der Kläger an, den Beschluss für
nichtig zu erklären. Mit der Klageschrift hat er geltend gemacht, die Voraussetzungen
einer Einziehung hätten nicht vorgelegen, da er weder seine Pflichten grob verletzt habe
noch der Geschäftsanteil gepfändet worden sei noch die insolvenzrechtlichen Gründe
vorgelegen hätten. Nach Hinweis der Beklagten auf die Pfändung durch Herrn C3 hat er
die Auffassung vertreten, der Mitgesellschafter habe bei der Beschlussfassung
sittenwidrig gehandelt, weil es ihm allein darum gegangen sei, ihn, den Kläger, aus der
Gesellschaft zu drängen. Er habe nur eine formale Position ausgenutzt, obwohl ihm
bekannt gewesen sei, dass die titulierte Forderung tatsächlich nicht bestehe.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat gerügt, der Kläger habe mit seinem
maßgeblichen Vortrag die Anfechtungsfrist versäumt. Unabhängig davon sei der
Beschluss weder nichtig noch anfechtbar. Der Mitgesellschafter C3 sei nicht gehindert
gewesen, die satzungsmäßigen Rechte auszuüben. Die dem Urteil des Landgerichts
Arnsberg zugrunde liegende Forderung sei berechtigt, wie im Berufungsverfahren
später festgestellt worden sei.
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Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der Klage stattgegeben und zur
Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Beschluss verstoße gegen die guten
Sitten und sei nichtig. Der Mitgesellschafter C3 habe die Pfändung aus dem nur
vorläufig vollstreckbaren Urteil nur betrieben, um den Kläger aus der Gesellschaft zu
drängen. Besonders treuwidrig sei das Festhalten an der Pfändung und dem Beschluss
vom 12. Oktober 2007, nachdem der Kläger im April 2008 die titulierte Zahlung geleistet
habe. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz sowie der näheren
Begründung des landgerichtlichen Urteils wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe dieses Urteils Bezug genommen.
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Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihren
Klageabweisungsantrag weiter. Sie wendet sich gegen die Annahme des Landgerichts,
der Beschluss sei nichtig, und vertieft und wiederholt ihre Auffassung, wonach die
Beschlussfassung auch nicht anfechtbar sei. Das Verhalten des Gesellschafters C3 sei
nicht treuwidrig, abgesehen davon, dass die vom Kläger vorgebrachten Umstände
wegen Versäumung der Anfechtungsfrist nicht berücksichtigt werden dürften.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 24.09.2008 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
11
Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Insbesondere vertieft er seine
Auffassung, das Klagevorbringen sei zunächst ausreichend gewesen, um die
Anfechtungsfrist zu wahren. In der Sache habe das Landgericht zu Recht treuwidriges
Handeln des Gesellschafters C3 angenommen. Die Vollstreckung in den
Geschäftsanteil habe bei einem Entschädigungsbetrag von nur ca. 300,00 € allein dem
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Zweck gedient, den missliebigen Kläger aus der Gesellschaft zu drängen. Dies sei
unzulässig gewesen.
II.
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht
hat im Ergebnis zutreffend die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung der
Beklagten vom 12. Oktober 2007 für unzulässig erklärt. Der Beschluss war zwar nicht
nichtig, er war aber anfechtbar, was vom Kläger auch formell ordnungsgemäß geltend
gemacht worden ist.
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1.
17
Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegen Nichtigkeitsgründe nicht vor.
18
a)
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Ein Einziehungsbeschluss kann nach §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG dann nichtig
sein, wenn bereits bei der Beschlussfassung über die Einziehung feststeht, dass die
geschuldete Abfindung aus dem freien Vermögen der Gesellschaft nicht geleistet
werden kann und der Beschluss nicht klarstellt, dass die Zahlung nur bei
Vorhandensein ungebundenen Vermögens erfolgen darf (BGHZ 144, 365, 369; BGH
NZG 2009, 221). Hierzu fehlt Vortrag der Parteien, so dass der Senat diese
Nichtigkeitsvoraussetzung nicht feststellen kann. Nach den Ausführungen der
Steuerberaterin Schubert in ihrer Berechnung vom 21. September 2007 (Bl. 19 GA)
betrug das bilanzielle Vermögen der Gesellschaft per 31.12.2006 mehr als 3.400,00 €,
so dass die Abfindung von gut 300,00 €, deren Höhe von den Parteien nicht in Zweifel
gezogen wird, ohne Rückgriff auf gebundenes Vermögen nach diesen Werten hätte
gezahlt werden können. Dass die Verhältnisse sich zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung wesentlich verschlechtert hatten, ist nicht dargelegt.
20
b)
21
Der Kläger hat auch keinen Nichtigkeitsgrund entsprechend § 241 Nr. 4 AktG dargelegt.
Nach dieser Vorschrift ist der Beschluss der Gesellschafterversammlung dann nichtig,
wenn er durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt. Der Tatbestand dieser
Vorschrift ist wegen der Bezugnahme auf den Inhalt des Beschlusses enger als
derjenige des § 138 BGB; der Beschlussinhalt muss für sich allein betrachtet
sittenwidrig sein (Hüffer, AktG, 8. Aufl. § 241 Rdn. 24 m.w.N.). Weitere Umstände wie
das Zustandekommen oder die Beweggründe führen dagegen nicht zur Sittenwidrigkeit
und damit Nichtigkeit, sondern können nur die Anfechtbarkeit begründen (Hüffer, a.a.O.).
Das Landgericht hat auf die von dem Mehrheitsgesellschafter C3 verfolgten Ziele
abgestellt und deshalb den Beschluss für sittenwidrig gehalten. Dem kann der Senat
nicht folgen. Ziele und Beweggründe spielen bei der Beurteilung im vorliegenden
Zusammenhang keine Rolle. Der Beschlussinhalt als solcher ist nicht nur im Gesetz
vorgesehen (§ 34 GmbHG), sondern auch in der Satzung der Beklagten. Die Einziehung
eines Geschäftsanteils als solche kann deshalb keinen sittenwidrigen Inhalt darstellen.
22
2.
23
Der Beschluss ist jedoch anfechtbar, da der damalige Mehrheitsgesellschafter C3 mit
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der Einziehung des Geschäftsanteils gegen die ihm obliegende gesellschafterliche
Treuepflicht verstoßen hat.
a)
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Die Rechtsfolge des vom Kläger geltend gemachten Fehlverhaltens führt nicht zur
Unwirksamkeit, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit. Soweit der Bundesgerichtshof
Unwirksamkeit der Beschlussfassung für den Fall angenommen hat, dass der
Einziehungsbeschluss ohne ausreichende Satzungsgrundlage gefasst wurde (BGH
NJW 1999, 3779), ist dies auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Im
Streitfall ist die Einziehung auch gegen den Willen des Berechtigten in der Satzung der
Beklagten vorgesehen und im Einzelnen geregelt. Fehlen jedoch lediglich die von der
Satzung geforderten Voraussetzungen der Zwangseinziehung oder ist die Einziehung
aus anderen Gründen nicht zulässig, führt dies nicht zur Unwirksamkeit, sondern zur
Anfechtbarkeit (so etwa Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl. § 34 Rdn. 15;
Scholz/Westermann, GmbHG, 10. Aufl. § 34 Rdn. 48).
26
b) Der Kläger hat die Anfechtungsfrist gewahrt.
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Nach § 7.8 der Satzung der Beklagten können Beschlüsse der
Gesellschafterversammlung nur innerhalb eines Monats seit der Beschlussfassung
durch Klage angefochten werden. Die Klage ist am 17. Oktober 2007 beim Landgericht
Arnsberg eingereicht und "demnächst" am 31. Oktober 2007 zugestellt worden, so dass
die Frist damit gewahrt worden ist.
28
Allerdings verlangt § 246 Abs. 1 AktG, dass innerhalb der Anfechtungsfrist nicht nur die
Klage erhoben, sondern auch die Anfechtungsgründe in ihrem wesentlichen
tatsächlichen Kern dargelegt werden (Hüffer, a.a.O. § 246 Rdn. 26). Wenigstens die
Angriffsrichtung muss innerhalb der Monatsfrist festgelegt sein, wobei maßgeblich die
Tatsachen und nicht die rechtliche Würdigung sind (Hüffer, a.a.O.). Da die Regelung
des § 246 Abs. 1 AktG für die GmbH zumindest Leitbildfunktion hat, sind die genannten
Anforderungen an die Wahrung der Anfechtungsfrist zumindest entsprechend zu
erfüllen.
29
Im Streitfall hat der Kläger mit der Klageschrift die Beschlussfassung und die
satzungsmäßigen Voraussetzungen dargelegt und ausgeführt, dass deren
Voraussetzungen hier nicht vorgelegen hätten. Die Pfändung des Geschäftsanteils
durch den Mitgesellschafter C3 und die Grundlage dieser Pfändung hat er nicht erwähnt.
Unter den hier gegebenen Umständen ist gleichwohl die Anfechtungsfrist gewahrt
worden. Maßgeblich für diese Beurteilung ist, dass dem Kläger bei Klageerhebung nicht
bekannt war, auf welchen konkreten Grund die Gesellschafterversammlung die
Einziehung des Geschäftsanteils gestützt hat. Das ihm zugeleitete Protokoll der
Versammlung vom 12. Oktober 2007 enthält keine Begründung, abgesehen von der
Satzungsgrundlage § 13.1. Auch das Einladungsschreiben zur
Gesellschafterversammlung vom 25. September 2007 beschränkt sich auf die
Wiedergabe des Wortlauts der beabsichtigten Beschlussfassung. Danach konnte der
Kläger allenfalls mutmaßen, auf welchen Sachverhalt die Einziehung gestützt werde.
Die vorangegangene Pfändung durch den Mitgesellschafter war auch keineswegs die
einzige realistisch in Betracht kommende Grundlage für die Beschlussfassung.
Angesichts des zerrütteten Verhältnisses zwischen den Gesellschaftern war denkbar,
dass der Mitgesellschafter C3 grob fahrlässige Pflichtverstöße des Klägers erkannt
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haben könnte, auf die er die Einziehung möglicherweise zusätzlich gestützt hat.
Solange dem Kläger die Grundlagen für die Beschlussfassung über die Einziehung des
Geschäftsanteils nicht mitgeteilt worden waren, hätte es eine Überforderung dargestellt,
wenn er bereits mit der Klage zu allen evtl. denkbaren Gründen hätte Stellung nehmen
müssen (noch weitergehend OLG Brandenburg, OLGR Brandenburg 2006, 395, das ein
Eingehen des Anfechtungsklägers auf die Gründe der Beschlussfassung auch dann für
entbehrlich hält, wenn diese mit der Einladung zur Gesellschafterversammlung bekannt
gegeben worden waren).
c)
31
Der Beschluss war auf die Anfechtung des Klägers für nichtig zu erklären, da er gegen
Gesetz und Satzung der Beklagten verstößt.
32
aa)
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Zwar ist die Einziehung von Geschäftsanteilen ohne die Zustimmung des Berechtigten
hier grundsätzlich statthaft, da dies in der Satzung der Beklagten vorgesehen ist, § 34
Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 13.1 der Satzung. Die genannte Satzungsnorm sieht vor, dass
die Einziehung von Geschäftsanteilen u.a. dann zulässig ist, wenn der Geschäftsanteil
gepfändet worden ist. Die Pfändung eines Geschäftsanteils stellt einen hinreichend
tragfähigen sachlichen Grund dar, der die Zwangseinziehung rechtfertigen kann
(Baumbach/Hueck/Fastrich, § 34 Rdn. 10).
34
Die Voraussetzungen der Einziehung nach der Satzung der Beklagten lagen auch
grundsätzlich vor, da der Geschäftsanteil des Klägers durch Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Brilon vom 27. August 2007 gepfändet
worden war. Allein der Umstand, dass Gläubiger der Maßnahme der
Mehrheitsgesellschafter C3 war, steht der Anwendung der Einziehungsklausel nicht
entgegen. Insbesondere ist diese nicht etwa in der Weise auszulegen, dass nur
Pfändungsmaßnahmen gesellschaftsfremder Dritter die Einziehung des Anteils
rechtfertigen können. In erster Linie soll die Einziehungsmöglichkeit bei Vollstreckung in
den Gesellschaftsanteil verhindern, dass außenstehende Dritte im Verlauf der
Zwangsvollstreckung in den Gesellschafterkreis "eindringen", was insbesondere bei
personalistisch strukturierten Gesellschaften unerwünscht ist (vgl. z.B. Michalski, ZIP
1991, 147, 149). Im Falle der Verwertung nach § 857 Abs. 5 ZPO könnte etwa ein
Gesellschaftsfremder den Geschäftsanteil ersteigern und anschließend ohne
Hinderungsmöglichkeit der anderen Gesellschafter Mitgesellschafter werden. Diese
Gefahr besteht auch dann, wenn die Vollstreckung von einem Mitgesellschafter
betrieben wird.
35
bb)
36
Die Beschlussfassung erweist sich gleichwohl als rechtswidrig, weil der
Mehrheitsgesellschafter C3 mit der Ausübung seines Stimmrechts treuwidrig gehandelt
hat.
37
(1)
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Es ist anerkannt, dass die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft auch zwischen den
Gesellschaftern Treuepflichten begründet (M/Bayer in M/Hommelhoff, 16. Aufl. § 14
39
Rdn. 19). Aufgrund dieser Treuepflicht kann ein Gesellschafter gehalten sein, von ihm
an sich zustehenden Rechten keinen Gebrauch zu machen (BGH GmbHR 1991, 362).
Er braucht dabei allerdings nicht ohne weiteres seine eigenen Belange hinter
diejenigen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zurückzustellen; es kommt
vielmehr auf eine Abwägung der beiderseitigen Interessen an (BGH, a.a.O.). Diese
Interessenabwägung geht hier zugunsten des Klägers aus.
(2)
40
Das Verhalten des Mehrheitsgesellschafters C3 war zwar entgegen der Ansicht des
Landgerichts nicht schon deshalb treuwidrig, weil er an der Vollstreckung festhielt,
obwohl der Kläger im April 2008 durch Zahlung die der Zwangsvollstreckung zugrunde
liegende Forderung erfüllt hatte. Abgesehen davon, dass die Zahlung nur zur
Abwendung der Zwangsvollstreckung geschehen ist und deshalb keine Erfüllung
darstellte (vgl. Senatsurteil vom 3. September 2008 in dem damaligen Verfahren
8 U 129/07, S. 25), handelt es sich um einen Umstand, der erst Monate nach der
Beschlussfassung eingetreten ist und sich auf die Rechtmäßigkeit des Beschlusses
deshalb nicht auswirken konnte.
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Ob zu Lasten des Mehrheitsgesellschafters C3 in die Abwägung der Umstand
aufzunehmen ist, dass er die Rechte aus § 13.1 der Satzung in Anspruch nahm, obwohl
die Zwangsvollstreckung lediglich aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil
betrieben wurde, muss der Senat nicht entscheiden. Die Treuwidrigkeit folgt jedenfalls
daraus, dass die Vollstreckung keinen nennenswerten Erfolg versprach. Zwar ist ein
Gesellschafter nicht gehindert, seine wirtschaftlichen Interessen auch gegenüber
Mitgesellschaftern zu verfolgen und Forderungen unter Umständen im Wege der
Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Wenn andere Vollstreckungsmaßnahmen keinen
gleichwertigen Erfolg versprechen, ist er durch die ihm obliegende Treuepflicht
grundsätzlich nicht gehalten, von der Vollstreckung in Geschäftsanteile des
Mitgesellschafters abzusehen. Dies ist jedoch anders zu beurteilen, wenn die
Vollstreckung aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Unter diesen Umständen
steht dem Interesse des Schuldners am Fortbestehen seiner Gesellschafterstellung kein
schutzwürdiges Interesse des vollstreckenden Gläubigers gegenüber (vgl. Senat, Urteil
vom 20.10.2008, 8 U 4/08). Dem vollstreckenden Gesellschafter ist in dem Fall
billigerweise anzusinnen, auf die Vollstreckungsmaßnahme zu verzichten oder
jedenfalls daraus keine Konsequenzen im Hinblick auf die Einziehung des
Geschäftsanteils zu ziehen.
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Diese Situation liegt im Streitfall vor. Die Verwertung des Geschäftsanteils des Klägers
versprach im Ergebnis weder für den Mitgesellschafter noch die Beklagte einen
nennenswerten Erfolg, so dass jedenfalls die darauf gestützte Zwangseinziehung des
Geschäftsanteils treuwidrig war.
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Die Vollstreckung mit der Folge der Einziehung des Geschäftsanteils war wirtschaftlich
letztlich auf das Abfindungsguthaben gerichtet, da etwa die Versteigerung des Anteils
durch den pfändenden Gläubiger offensichtlich nicht gewollt war. Wie zwischen den
Parteien unstreitig ist, beträgt das nach den satzungsmäßigen Vorgaben ermittelte
Abfindungsguthaben 306,78 €. Angesichts der in Rede stehenden Forderung von über
120.000,00 € nebst Zinsen und Kosten liegt darin ein äußerst geringer
Vollstreckungserfolg. Der Senat kann offen lassen, ob allein dieser Umstand bereits die
Treuwidrigkeit begründet. Hinzu kommt nämlich noch, dass selbst der relativ geringe
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Betrag von 306,78 € letztlich nicht dem vollstreckenden Mitgesellschafter zugute kommt.
Die vom Mitgesellschafter C3 vollstreckte Forderung war nämlich gerichtet auf Zahlung
an die Beklagte. Der Erfolg aus der Vollstreckung stand somit nicht dem vollstreckenden
Mitgesellschafter C3 zu, sondern der Gesellschaft. Dieser war materiell-rechtlich
verpflichtet, einen evtl. aus der Vollstreckung erzielten Erlös der Gesellschaft
zurückzuerstatten. Aber auch ein Vorteil der Gesellschaft, der möglicherweise indirekt
dem Mehrheitsgesellschafter zugute gekommen wäre, ist nicht erkennbar. Infolge der
Einziehung und der Pflicht zur Zahlung des satzungsgemäßen Entgelts hatte die
Beklagte aus ihrem Vermögen den Betrag zu zahlen, der ihr evtl. anschließend wieder
zugeführt wurde. Sie erlangte durch diese Aktionen keinen Vorteil etwa in Form der
Stärkung ihrer Kapitalausstattung oder ihrer Liquidität. Der von der Beklagten im
Verhandlungstermin vor dem Senat gegen diese Würdigung erhobene Einwand, die
Gesellschaft könne in erheblicher Weise durch die Einziehung deshalb profitieren, weil
der Geschäftsanteil später zu einem evtl. deutlich über dem Einziehungsentgelt
liegenden Betrag verwertet werden könne, ist nicht tragfähig. Die von der Beklagten für
möglich gehaltene spätere profitable Verwertung des Geschäftsanteils ist schon deshalb
nicht möglich, weil der Geschäftsanteil mit Wirksamwerden der Einziehung untergeht
(allgemeine Meinung, z.B. Baumbach/Hueck/Fastrich, § 34 Rdn. 19).
Der Senat sieht ein erhebliches Interesse des Mehrheitsgesellschafters C3 an der
Beschlussfassung auch nicht darin, dass allein die Ankündigung der Einziehung des
Geschäftsanteils einen erheblichen Vollstreckungsdruck aufbauen sollte, um den Kläger
zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung zu veranlassen. Dem steht bereits das
tatsächliche Vorgehen des Gesellschafters C3 entgegen. Dieser hat nicht etwa nach
dem Scheitern anderweitiger Vollstreckungsmaßnahmen die Einziehung des
Geschäftsanteils für den Fall in Aussicht gestellt, dass der Kläger die titulierte Forderung
nicht begleicht. Vielmehr hat er den Kläger vor der hier in Rede stehenden
Beschlussfassung gänzlich im Unklaren darüber gelassen, auf welche tatsächliche
Grundlage der Einziehungsbeschluss gestützt werden sollte. Damit konnte ein
Vollstreckungsdruck nur schwerlich aufgebaut werden. Der Senat kann danach
dahinstehen lassen, ob etwa die Drohung mit einer Zwangseinziehung des
Geschäftsanteils für den Fall, dass die Zahlungsforderung nicht erfüllt wird, den
Treuwidrigkeitsvorwurf entkräften könnte.
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Nach alledem lässt sich als einzig nachvollziehbares Interesse des Mitgesellschafters
C3 sein Bestreben feststellen, den Kläger aus der Gesellschaft hinauszudrängen, wobei
er sich der formalen Rechtsposition aus § 13.1 der Satzung bediente. Dieses Verhalten
war treuwidrig mit der Folge, dass die darauf beruhende Beschlussfassung keinen
Bestand haben kann. Sie war auf die Anfechtung des Klägers für nichtig zu erklären.
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3.
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Dem im Verhandlungstermin gestellten Antrag der Beklagten auf Einräumung einer
Schriftsatzfrist zur Stellungnahme zu den rechtlichen Ausführungen des Senats war
nicht zu entsprechen. Der maßgebliche rechtliche Gesichtspunkt war zuvor bereits von
dem Kläger schriftsätzlich angesprochen worden, so dass keine neuen Umstände
gegeben waren, zu denen der Beklagten rechtliches Gehör gewährt werden müsste. Zur
Darlegung von Rechtsansichten bestand ausreichend Zeit und Gelegenheit im
Verhandlungstermin.
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Die Kostenentscheidung ergeht nach § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
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vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Der Senat ist der Anregung der Klägerin nicht gefolgt, die Revision zuzulassen. Die
Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
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