Urteil des OLG Hamm vom 13.03.2008

OLG Hamm: wichtiger grund, kündigung, angemessenheit der kosten, ablauf der frist, ausführung, abrechnung, vergütung, angemessene frist, unternehmer, kläranlage

Oberlandesgericht Hamm, 21 U 15/06
Datum:
13.03.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 U 15/06
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 18 O 254/05
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 01.12.2005 verkündete Urteil
des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages
abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110
% des beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
I.
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Der Beklagte schrieb unter der Projektbezeichnung "Kläranlage F, Anschluss X, Los 3
S" auf der Grundlage der VOB mit einem Leistungsverzeichnis vom 04.02.2003 die
Unterquerung der Ruhr mit einer Abwasserleitung aus. Die Baumaßnahme stand im
Zusammenhang mit der Erweiterung der Kläranlage F. Die 6,5 km ruhraufwärts
gelegene Kläranlage F sollte durch den Bau einer weiterführenden Kanalisation an die
Kläranlage F angebunden werden. Es war vorgesehen, das Abwasser an der
Kläranlage F über ein Pumpwerk anzuheben, es zunächst in einen links der Ruhr bis
zur Höhe der Ruine L verlaufenden Verbindungssammler und bei Ruhr-km 24,000 mit
der ausgeschriebenen Dükerung auf das rechte Ruhrufer zu leiten. Dort sollte der
Verbindungssammler ruhrabwärts bis zur Kläranlage F verlaufen. Nach dem von der
Streithelferin erstellten Leistungsverzeichnis war die Dükerung im sog.
Horizontalspülbohr- (HDD-) Verfahren durch vier parallel geführte, das Flussbett schräg
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schleifende Horizontalbohrungen auszuführen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird
auf das auszugsweise mit der Klageerwiderung vorgelegte Leistungsverzeichnis
(Anlage B 9, Bl. 163-170 d.A.) Bezug genommen.
Das dem Leistungsverzeichnis beigefügte Baugrundgutachten des von dem Beklagten
beauftragten Ingenieurbüros C2 + M vom 17.07.2002 (Anlage B 14) sah demgegenüber
"wegen der verschiedenen Gefälleverhältnisse des Dükers" die Ausführung durch einen
gesteuerten Rohrvortrieb vor. Laut Gutachten könne im Bereich der Bohrung das
Vorkommen harter Felsen nicht ausgeschlossen werden. Daher müsse ein
Vortriebsverfahren gewählt werden, das den stark wechselnden Baugrundverhältnissen
zwischen weich ausgebildetem Flutlehm, Ruhrschotter bis hin zu Festgestein angepasst
werden könne.
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Die Klägerin erstellte zu den ausgeschriebenen Arbeiten unter dem 24.03.2003 ein
Angebot über 1.098.101,26 € zzgl. USt. Auf die Bohrkanalarbeiten entfiel bei einer
Menge von 775 m zu einem Einheitspreis von 414,76 € ein Nettobetrag von 321.439 €
(Anlage B 8, Bl.162 d.A.). Die Horizontalbohrarbeiten (Pos. 3.4.1.1. des Angebotes) bot
die Klägerin als Nachunternehmerleistung an, weil ihr Betrieb auf diese Leistung nicht
eingerichtet sei (Anlage B 15). Zu dieser Leistungsposition holte sie ein Angebot der Fa.
T2 vom 17.03.2003 zum Einheitspreis von 234 €/m zzgl. pauschal 1.850 € für die
Einrichtung der Baustelle und 325 € je Std. für Wartezeiten ein. In dem Angebot wird
ausgeführt, die Zusatzklassen S 1 bis S 4 und die Felsklassen FD/FZ 3 + 4 würden als
besondere Leistung gesondert abgerechnet. Die geforderten maximalen Abweichungen
könnten nicht garantiert werden. Leistungen für aufgegebene Bohrstrecken würden
ebenfalls abgerechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf das Angebot der Fa. T2 vom
17.03.2003 (Anlage BB 4, Bl.425 f. d.A.) verwiesen.
5
In der Folgezeit verlängerte die Klägerin auf Wunsch des Beklagten wiederholt die
Zuschlagsfrist. Am 09.01.2004 fand zwischen der Klägerin, dem Beklagten und der
Streithelferin ein Bietergespräch statt. Die Klägerin äußerte in dem Gespräch erstmals
Zweifel an der Machbarkeit der Dükerung im HDD-Verfahren.
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In dem von der Beklagten erstellten Protokoll (Anlage K 1, Bl.7-11 d.A.) heißt es u.a.:
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"Die Erstellung der Bohrkanäle gem. Pos. 3.4.1.1. wird von Fa. Sonntag als schwierig
eingestuft.
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Um eine eindeutige Abrechnung der o.g. Position zu gewährleisten, ist es nach Ansicht
des Bieters erforderlich, die kalkulatorischen Ansätze vor Auftragserteilung offen zu
legen bzw. festzulegen. Als Grundlage dient hierbei das Bodengutachten, ... Analog der
abgebildeten Bohrprofile wird Fa. T schichtenweise den kalkulierten, submittierten
Einheitspreis nachweisen. Die Abrechnung erfolgt anhand der tatsächlich vor Ort
vorgefundenen Bodenverhältnisse. ...
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Aufgrund der schwierigen geologischen Verhältnisse können nach Auffassung des
Bieters Leistungen anfallen, die abrechnungstechnisch als besondere Leistungen zu
beurteilen sind. In Ergänzung des LV’s wird Fa. T die nach ihrer Meinung erforderlichen
Leistungen formulieren und mit Auftragsvergabe um Einheitspreisbestätigung bitten.
Nebenleistungen gemäß VOB sind hiervon ausgeschlossen. ..."
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Mit Schreiben vom 15.01.2004 (Anlage K 17, Bl.52-54 d.A) teilte der
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Niederlassungsleiter der Klägerin, der Zeuge W, dem Beklagten mit, die Klägerin habe
entsprechend dem Bodengutachten mit den Bodenklassen LNW 1-3 und LBM 1-2
kalkuliert. Kurz vor dem Gespräch vom 09.01.2004 sei sie jedoch von mehreren
Nachunternehmern über erhebliche geologiebedingte Probleme bei Dükerungen der
Ruhr unterrichtet worden. Die Bieter hätten allesamt von ihren zur Submission
eingereichten Angeboten Abstand genommen. Die Durchörterung von Festgesteinen
sei ihr als besondere Leistung zusätzlich zu vergüten. Gleiches gelte für den Einbau von
Casing-Rohren, HDI-Injektionen bzw. Betonit-Mehrverbrauch, da im teilweise sehr
weitgestuften und grobkörnigen Ruhrschotter ein erhebliches Risiko für einen
Zusammenbruch des Bohrkanals und für Ausbläser in die Ruhr bestehe. Die Klägerin
forderte, vor Auftragsvergabe entsprechende Einheitspreise für die Gesteinsklassen
FZ/FD 1 bis FZ/FD 4 und für die zusätzlichen Maßnahmen zur Stützung des Bohrkanals
zu vereinbaren. Zudem verlangte sie die Vereinbarung eines Einheitspreises auch für
Fehlbohrungen, da bei einem inhomogenen Verlauf der Felslinie die in der
Ausschreibung genannten maximalen Abweichungen nicht eingehalten werden
könnten.
Mit Schreiben vom 20.01.2004 wies Herr W darauf hin, dass alle angefragten
Nachunternehmer – u.a. auch die Fa. T2 – sich gegen die Ausführung der
ausgeschriebenen Horizontalspülbohrarbeiten ausgesprochen hätten. Aufgrund dieser
nunmehr gewonnen Erkenntnisse halte die Klägerin die Ausführung der
ausgeschriebenen Ruhrdükerung für nicht durchführbar und schlage stattdessen das
Microtunnelingverfahren vor.
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Der Beklagte erteilte der Klägerin auf der Grundlage des Angebotes vom 24.03.2003
unter dem 26.01.2004 den Auftrag. Den Beginn der Vertragsarbeiten setzte er auf April
2004 fest. Laut Auftragsschreiben ist das Protokoll des Bietergesprächs vom 09.01.2004
Vertragsbestandteil. Die Klägerin überreichte mit Schreiben vom 13.01.2004 (Anlage K
3, Bl.13 d.A.) die gegengezeichnete Ausfertigung des Auftragsschreibens, erklärte
jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf ihr Schreiben vom 15.01.2004, sie könne dem
Protokoll des Bietergesprächs vom 09.01.2004 nicht vollinhaltlich zustimmen.
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Mit Schreiben vom 13.02.2004 meldete der Zeuge W nunmehr förmlich Bedenken
gegen die vorgesehene Art der Ausführung an. Die Klägerin beauftragte das
Ingenieurbüro E mit einer Machbarkeituntersuchung. In seinem Gutachten vom
26.03.2004 (Anlage K 22, Bl. 64 – 99 d.A.) schätzte das Ingenieurbüro die Dükerung im
HDD-Verfahren u.a. wegen der ungünstigen Baugrundverhältnisse als nicht machbar
ein. Anlässlich einer Besprechung vom 30.03.2004 überreichten der Geschäftsführer der
Klägerin und Herr W des Beklagten das Gutachten. Mit Schreiben vom 31.03.2004 an
den Beklagten (Anlage K 20, Bl.60 f. d.A.) bat Herr W über eine Änderung des
Bauentwurfs nachzudenken. Außerdem meldete er eine Behinderung an, weil bis zur
Festlegung eines durchführbaren Herstellungsverfahrens keine Arbeitsvorbereitungen
möglich seien. Der Mitarbeiter X des Beklagten wies die Behinderungsanzeige im
Schreiben vom 30.04.2004 zurück. Mit Schreiben vom 03.06.2004 (K 21, Bl. 62 f. d.A.)
teilte der Zeuge W mit, dass die Klägerin nach dem Einholen ergänzender
Stellungnahmen des Ingenieurbüros E vom 18./19.05.2004 (K 23, Bl. 100- 106 d.A.)
wegen unvollständiger und mangelhafter Ausführungsplanung die Leistung verweigert,
und forderte eine rechtsverbindliche Erklärung über die Übernahme aller Mehrkosten
bei Misslingen der Arbeiten durch den Beklagten sowie eine Vertragsanpassung.
Daraufhin kündigte der Beklagte den Vertrag mit Schreiben vom 05.07.2004 (K 5, Bl. 15
d.A.) mit sofortiger Wirkung, da er "aufgrund der vorliegenden Umstände" derzeit keine
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Handlungsalternative sähe.
Die Klägerin erteilte dem Beklagten unter dem 13.08.2004 unter Bezugnahme auf die
Berechnung der von ihr beauftragten G.I.B. H Ingenieurbüro für Bauwesen GmbH (im
Folgenden G.I.B. GmbH) eine Rechnung über 150.508,83 €. Der Betrag setzt sich aus
sog. "Sonderkosten" in Höhe von 19.726,51 € für die Machbarkeitsstudie, die Beratung
durch Rechtsanwalt Dr. N2, die Erstellung von Unterlagen und Durchführung von
Ortsterminen sowie einem Vergütungsanspruch in Höhe von 130.782,32 € zusammen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnungen der G.I.B. GmbH (Anlage K 8, Bl.18-
38 d.A.) Bezug genommen.
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Die Klägerin hat die von der H GmbH errechnete Vergütung geltend gemacht. Sie ist der
Ansicht, der Beklagte habe am 05.07.2004 eine freie Kündigung im Sinne von § 8 Nr.1
VOB/B ausgesprochen. Ein Kündigungsgrund habe nicht vorgelegen. Insbesondere sei
sie aus den von dem Ingenieurbüro E genannten Gründen berechtigt gewesen, die
Leistung zu verweigern.
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Sie hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 150.508,83 € nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2004 zu zahlen.
18
Der Beklagte und die Streithelferin haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte und die Streithelferin sind der Ansicht, es fehle wegen eines versteckten
Dissenses bereits an einem Bauvertrag zwischen den Parteien. Sie behaupten hierzu,
zwar seien beide Parteien von einem Vertragsschluss ausgegangen, tatsächlich habe
man sich jedoch nicht geeinigt, da der Beklagte das Angebot der Klägerin im
Zuschlagsschreiben aufgrund der Einbeziehung des Protokolls vom 09.01.2004 nur
unter Änderungen angenommen habe, mit denen wiederum die Klägerin nicht
einverstanden gewesen sei. Jedenfalls sei ein etwaiger Vertrag aus wichtigem Grund
gekündigt worden, da die Klägerin sich unberechtigt geweigert habe, mit den
Leistungen im April 2004 zu beginnen. Im Hinblick auf das Gesamtverhalten der
Klägerin sei eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung entbehrlich gewesen.
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Der Beklagte hat behauptet, die Ausführungen der H GmbH zu den nicht ersparten
Baustellengemeinkosten für Kalkulation, Material, Subunternehmeranfrage und
Angebotszusammenstellung seien nicht nachvollziehbar. Die nicht ersparten Kosten für
die Arbeitsvorbereitung seien mit 6.480 € zu hoch angesetzt.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein
Werkvertrag sei nicht zustande gekommen. Der Beklagte habe durch Einbeziehung des
Protokolls vom 09.01.2004 das Angebot vom 24.03.2003 hinsichtlich der Preise für die
Bohrarbeiten erweitert. Dieses erweiterte Angebot habe die Klägerin nicht
angenommen, sondern mit Schreiben vom 13.02.2004 zurückgewiesen und durch
Bezugnahme auf das Schreiben vom 20.01.2004, mit dem sie die Machbarkeit in
Zweifel gezogen hatte, auch Abstand von den angebotenen Preisen genommen.
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Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Erwägungen
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des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs.1 Nr.1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug
genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten
Berufung. Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht einen Dissens
angenommen. In dem Protokoll vom 09.01.2004 werde lediglich eine zusätzliche
Vergütung für den Fall angesprochen, dass andere Gesteinsschichten als im
Bodengrundgutachten vorgegeben vorlägen. Grundlage der Abrechnung seien nach
wie vor Leistungsverzeichnis und Bodengrundgutachten gewesen. Der Hinweis der
Klägerin, sie sei mit dem Protokoll nicht vollinhaltlich einverstanden, habe nur auf die
Machbarkeit des HDD-Verfahrens gezielt; sie habe damit nicht von dem Angebot
Abstand nehmen wollen.
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Die Klägerin berechnet die Vergütung nunmehr wie folgt:
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"nicht ersparte Nachunternehmeraufwendungen": 105.309,25 €
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"nicht ersparte Baustellengemeinkosten": 39.461,96 €
28
"nicht ersparte allgemeine Geschäftsunkosten" 57.075,28 €
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"Wagnis und Gewinn" 34.245,17 €
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-------------------
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236.091,66 €
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Hierzu behauptet sie nunmehr, sie hätte bei Auftragsdurchführung aufgrund gleicher
vertraglicher Regelungen im Hauptunternehmervertrag mit dem Beklagten wie im
Nachunternehmervertrag mit der Fa. T2 einen Vergabegewinn von 105.309,25 € bei der
Leistungsposition 3.4.1.1 erzielen können.
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Den Vergabegewinn errechnet sie aus dem Unterschiedsbetrag zwischen der
Urkalkulation (Anlage BB 7, Bl.469- 485 d.A.) in Höhe von 288.509,25 € und dem
Angebotspreis der Fa. T2.
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Der Zeuge T2 habe vor dem Bietergespräch vom 09.01.2004 dem Zeugen W telefonisch
zugesichert, zu dem Angebot vom 17.03.2003 zu stehen. Nach dem Bietergespräch vom
09.01.2004 habe die Fa. T2 zwar die Vergütung von Zulagen verlangt und ein
Nachtragsangebot vom 15.01.2004 übersandt. Aus dieser in den entscheidenden
Positionen gegenüber dem Angebot vom 17.03.2003 unverändert gebliebenen
"Kostenschätzung" der Nachunternehmerin vom 15.01.2004 (Anlage BB 9, Bl.549 f.
d.A.), auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ergebe sich aber die Bereitschaft
der Fa. T2 zur weiteren Leistungserbringung. Etwaige Kostenerhöhungen im Vergleich
zum Angebot hätte die Klägerin an den Beklagten weiterreichen können. Jedenfalls
hätte sie eine andere Firma beauftragen oder die Leistungen selbst durchführen können.
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie zumindest auf der Basis der Urkalkulation
abrechnen dürfe.
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Zu den nicht ersparten Baustellengemeinkosten zählt die Klägerin unter Bezugnahme
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auf eine weitere Stellungnahme der H GmbH vom 21.11.2006 (Anlage zum Ss vom
24.11.06, Bl.389 - 421 d.A.), u.a. die Kosten für Kalkulation und Material- sowie
Subunternehmeranfragen in Höhe von nunmehr insgesamt 32.500 €, ferner 50 % der
Kosten für die Arbeitsvorbereitung des Projektes, nämlich das Einholen und Prüfen der
Lagepläne von Ver- und Entsorgungsleitungen, und das Erstellen eines Bauablaufplans
zu Kosten von 6.480 € sowie Bürgschaftskosten in Höhe von 258,75 €.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
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den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts F zu verurteilen, an
sie 255.817,07 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 15.09.2004 zu zahlen.
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Der Beklagte und die Streithelferin beantragen,
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die Berufung und den erweiterten Klageantrag zurückzuweisen.
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Sie behaupten, ein Vergabegewinn wäre nicht entstanden. Der Einheitspreis von
414,76 €/m sei für die Klägerin nicht auskömmlich gewesen, da höhere Kosten für die
Nachunternehmerin Fa. T2 entstanden wären. Der Nachunternehmerin habe das
Bodengrundgutachten bei Angebotsabgabe nicht vorgelegen, sonst hätte sie höhere
Preise berechnet. Die Fa. T2 habe von ihrem Angebot Abstand genommen. Das
Angebot der Nachunternehmerin sei im Januar 2004 wirtschaftlich überholt gewesen.
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Nach Ansicht des Beklagten sind zudem die Wagniskosten als ersparte Aufwendungen
abzuziehen. Kosten für das Einholen von Angeboten seien nach § 20 Nr.2 Abs.1 S.1
VOB/A nicht zu entschädigen. Er bestreitet die Höhe der kalkulierten
Baustellengemeinkosten und die Angemessenheit der Kosten für die
Arbeitsvorbereitung. Hierzu behauptet er, die Prüfung der Lagepläne der Ver- und
Entsorgungsleitungen erfordere nur Minuten. Für die Erstellung eines Bauablaufplans
sei es zu früh gewesen.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen T und W
sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr.
Ing. X. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Protokolle der Senatstermine vom 16.08.2007 und 17.01.2008 nebst
Berichterstattervermerk und auf die schriftlichen Stellungnahmen des Sachverständigen
vom 31.12.2007 (Bl.633-642 d.A.) und vom 12.01.2008 (Bl.616-626 d.A.) verwiesen.
44
II.
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Die zulässige Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.
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Die Klage ist auch mit dem nunmehr gestellten Klageantrag unbegründet.
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A. Vergütungsanspruch
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung
aus §§ 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B, 649 BGB. Zwar ist zwischen den Parteien ein wirksamer
Bauvertrag abgeschlossen worden (1.). Die Kündigung des Beklagten vom 5.7.2004 ist
auch als freie Kündigung im Sinne von § 649 BGB anzusehen (2). Der Klägerin steht
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aber gleichwohl ein daraus herzuleitender Vergütungsanspruch nicht zu (3).
1. Wirksamer Vertragsschluss
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Zwischen den Parteien ist entgegen der Auffassung des Landgerichts mit Erteilung des
Zuschlags am 26.1.2004, mit dem die Beklagte das Angebot der Klägerin vom
24.3.2003 annahm, ein wirksamer Vertrag zustande gekommen. Dass die
Zuschlagserklärung der Beklagten Änderungen oder Einschränkungen enthielt und
dass deshalb ein wirksamer Vertrag nicht zustande kam, kann nicht festgestellt werden.
Gegen einen Änderungswillen des Beklagten spricht bereits, dass er die Klägerin
entgegen der dann zu beachtenden Regelung in § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A nicht
aufforderte, sich über die Annahme zu erklären. Tatsächlich bestand dazu aber auch
kein Anlass. In dem Zusatz, das Protokoll vom 9.1.2004 werde Vertragsbestandteil, lag
keine das Angebot der Klägerin abändernde Annahmeerklärung. Dieses Protokoll
enthielt nämlich insbesondere keine Änderung der Preise für die Leistungsposition
3.4.1.1. Für die Beklagte bestand auch kein Anlass, der Klägerin insoweit
Zugeständnisse zu machen, da diese an ihr Angebot nach wie vor gebunden war.
Soweit aus dem Protokoll hervorgeht, dass über bestimmte mögliche Erschwernisse
eine abschließende Regelung noch nicht erzielt sei, steht das der Annahme eines
wirksamen Vertragsschlusses nicht entgegen, dieser Umstand rechtfertigt auch nicht die
Annahme eines offenen Dissenses im Sinne von § 154 Abs. 1 BGB. Danach ist ein
Vertrag im Zweifel nicht abgeschlossen, solange die Parteien sich nicht über alle
Punkte geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine
Vereinbarung getroffen werden sollte. Das gilt aber nicht, wenn die Parteien sich trotz
einzelner offener Punkte vertraglich binden wollten. Das war hier der Fall. Zwar hat die
Klägerin beim Bietergespräch vom 9.1.2004 ihre Vorstellungen über die Abrechnung
besonderer Leistungen auf Grund schwieriger geologischer Verhältnisse dargelegt und
weitere Ausführungen hierzu angekündigt. Über die Vergütung eventueller
Erschwernisse haben sich die Parteien vor Zuschlagserteilung auch nicht geeinigt.
Dennoch war ein bindender Vertragsschluss von bei Parteien gewollt. Das ergibt sich
aus dem Zuschlag als solchem, aber auch aus dem Protokoll über das Bietergespräch
am 9.1.2004. Dort ist nämlich ausdrücklich festgehalten, dass die Klägerin die nach ihrer
Meinung erforderlichen Leistungen formulieren und (erst) mit Auftragsvergabe um
Einheitspreisbestätigung bitten sollte. Daraus geht eindeutig der Wille der Parteien
hervor, dass ein wirksamer Vertrag schon mit Zuschlag zustande kommen und die
Vergütung für bestimmte Erschwernisse später geregelt werden sollte. Der bindende
Vertragsschluss scheitert auch nicht an einem versteckten Einigungsmangel im Sinne
von § 155 BGB. Zum einen war den Parteien im Zeitpunkt der Zuschlagserklärung
bewusst, dass die Abrechnung eventueller Erschwernisse noch nicht abschließend
geregelt war. Selbst wenn aber die Parteien einzelne Fragen irrtümlich für geregelt
gehalten haben sollten, obwohl das nicht der Fall war, ist aus den bereits dargelegten
Gründen anzunehmen, dass der Vertrag auch ohne Bestimmung über diesen Punkt
geschlossen sein sollte. Entgegen der Ansicht des Beklagten scheitert der
Vertragsabschluss auch nicht daran, dass die Klägerin das von ihr am 13.2.2004
gegengezeichnete Auftragsschreiben mit der Anmerkung zurücksandte, das Protokoll
werde nicht vollinhaltlich anerkannt. Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag nämlich durch
den Zuschlag vom 26.1.2004 bereits endgültig zustande gekommen. Das Schreiben
vom 13.2.2004 sollte lediglich zu Beweiszwecken den Empfang des Auftragsschreibens
bestätigen. Die bereits verbindlich gewordenen Vertragserklärungen der Parteien
konnten durch dieses Schreiben nicht mehr geändert werden.
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Es ist daher mit Erteilung des Zuschlags ein wirksamer Vertrag zwischen den Parteien
zustande gekommen.
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2. Kündigungserklärung
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Die Kündigungserklärung der Beklagten vom 5.7.2004 ist als freie Kündigung im Sinne
von § 8 Nr. 1 VOB/B anzusehen, da ein wichtiger Grund für eine Kündigung nicht vorlag
(a) und die Kündigungserklärung deshalb in eine freie Kündigung umzudeuten ist (b).
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a. Keine wirksame Kündigung aus wichtigem Grund
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Die Voraussetzungen für die von dem Beklagten ausgesprochene Kündigung aus
wichtigem Grund gemäß §§ 8 Nr. 3 Abs. 1, 5 Nr. 4 1. Alt. VOB/B liegen nicht vor. Andere
Kündigungsgründe sind nicht dargetan.
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Eine Kündigung nach §§ 8 Nr. 3 Abs. 1, 5 Nr. 4 1. Alt. VOB/B setzt voraus, dass der
Unternehmer den Beginn der Ausführung verzögert hat oder mit der Vollendung in
Verzug geraten und ihm eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt worden
ist verbunden mit der Erklärung, dass ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist der Auftrag
entzogen werde. Ob die Klägerin unter den hier gegebenen Umständen den Beginn der
Ausführung tatsächlich in vorwerfbarer Weise verzögert hat bzw. mit der Vollendung n
Verzug geraten ist, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlt es unstreitig an der erforderlichen
Fristsetzung mit Kündigungsandrohung. Diese war auch nicht ausnahmsweise
entbehrlich. Einer Fristsetzung mit Kündigungsandrohung bedarf es nämlich nur dann
nicht, wenn sich das Verhalten des Auftragnehmers als besonders schwere
Vertragsverletzung darstellt, die eine Nachfristsetzung unzumutbar macht. Das ist der
Fall, wenn der Auftragnehmer so schwerwiegend und schuldhaft gegen seine
vertraglichen Verpflichtungen verstoßen hat, dass die für die Durchführung des
Bauvertrages erforderliche Vertrauensgrundlage nachhaltig erschüttert ist
(Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., B § 5 Nr. 4 Rn. 19). Diese Voraussetzungen liegen
hier nicht vor. Zwar äußerte die Klägerin am 15.1.2004 Bedenken gegen die
Durchführbarkeit der Arbeiten im HDD-Verfahren, zeigte am 31.3.2004 eine
Behinderung an und verlangte mit Schreiben vom 13.5.2004 eine Vertragsanpassung.
Dieses Verhalten stellte unter den hier gegebenen Umständen aber keine
schwerwiegende Vertragsverletzung dar, die eine Fristsetzung entbehrlich machte. Zum
einen lehnte die Klägerin die Ausführung der Arbeiten nicht endgültig ab, noch
unmittelbar vor der Kündigung bot sie mit Schreiben vom 3.6.2004 eine einvernehmliche
Lösung an. Zum anderen hatte das zögerliche Verhalten der Klägerin einen sachlichen
Grund. Ihre Auffassung, die Dükerung sei im HDD-Verfahren nicht durchführbar, wurde
durch die Machbarkeitsstudie des Ingenieurbüros E gestützt. E kam nämlich in seinem
Gutachten vom 26.3.2004 zu dem Ergebnis, dass das HDD-Verfahren wegen
ungünstiger Baugrundverhältnisse, zu geringer Überdeckung, beengter Verhältnisse auf
der Startseite und der Unmöglichkeit einer wasserdichten Durchdringung des
Spundwandverbaus nicht durchführbar sei, und riet von einer Querung der Ruhr in
dieser Weise dringend ab. Bei diesem Gutachten handelte es sich auch nicht um ein
Gefälligkeitsgutachten, das die Klägerin zur Durchsetzung zusätzlicher
Vergütungsansprüche ins Feld führte, obwohl die Bedenken inhaltlich unbegründet
waren. Vielmehr hat auch der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. Ing. X die in dem
Gutachten E geäußerten Bedenken ausdrücklich geteilt.
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Unter diesen Umständen ist schon zweifelhaft, ob der Klägerin eine vorwerfbare
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Pflichtverletzung zur Last fiel. Jedenfalls war aber eine Fristsetzung mit
Kündigungsandrohung durch die Beklagte unverzichtbar, um der Klägerin deutlich zu
machen, dass es nunmehr F2 würde und die Beklagte auf der vorgesehenen
Ausführungsart und dem unverzüglichen Beginn der Arbeiten bestehe.
Da es daran unstreitig fehlt und auch andere Kündigungsgründe nicht ersichtlich sind,
lag ein wichtiger Grund für eine Kündigung nicht vor.
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b. Umdeutung in eine freie Kündigung
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Die unwirksame außerordentliche Kündigung des Bauvertrages ist regelmäßig in eine
freie Kündigung im Sinne von § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B umzudeuten. Die Auslegung der
Kündigungserklärung ergibt nämlich in der Regel, dass der Bauvertrag unabhängig
davon beendet sein soll, ob ein wichtiger Grund vorliegt, da nur so die Voraussetzungen
für den Einsatz eines Drittunternehmers oder für den vollständigen Abbruch des
Vorhabens konfliktfrei geschaffen werden können (dazu BGH Urt. vom 24.7.2003 – VII
ZR 218/02, BauR 2003, 1889). So lag es auch hier. Umstände, die eine andere
Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
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Die Rechtsfolgen der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung beurteilen sich
daher nach den in § 8 Nr. 1 VOB/B vorgesehenen Rechtsfolgen der freien Kündigung.
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3. Vergütungsanspruch der Klägerin
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Gleichwohl steht der Klägerin ein Vergütungsanspruch aus §§ 8 Nr. 1 VOB/B, 649 BGB
gegen den Beklagten nicht zu.
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a. Allgemeine Grundsätze zur Abrechnung nach §§ 8 Nr. 1 VOB/B, 649 BGB
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Der Auftragnehmer kann nach vorzeitiger Beendigung des Vertrages gemäß §§ 8 Nr. 1,
VOB/B, 649 BGB die vereinbarte Vergütung verlangen. Er muss sich aber anrechnen
lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart bzw. an
Gewinn aus "Füllaufträgen" erzielt hat. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass
der Unternehmer durch die Kündigung des Bestellers keine Nachteile erleidet, daraus
aber auch keine Vorteile zieht.
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Der Unternehmer ist aber auch nicht gehindert, von der im Gesetz vorgesehenen
Abrechnungsweise abzuweichen und stattdessen die von ihm vertragsgemäß
erbrachten Leistungen – die Klägerin bezeichnet die von ihr erbrachten Vorleistungen
als nicht ersparte Aufwendungen – sowie den aus dem Auftrag entgangenen Gewinn
geltend zu machen. Das setzt voraus, dass es sich bei den tatsächlich ausgeführten
Leistungen um Vertragsleistungen handelt. Das ist vielfach unproblematisch, etwa wenn
sich diese aus dem Leistungsverzeichnis ergeben. Das kann aber problematisch sein,
wenn es sich um Leistungen handelt, die – etwa Projektierungskosten – im
Leistungsverzeichnis nicht ausdrücklich ausgewiesen sind, weil sie – mehr oder
weniger – in die Vertragspreise einkalkuliert sind. In diesen Fällen sind derartige
Leistungen nur insoweit zu vergüten, als sie tatsächlich im Vertrag vorgesehen sind. Der
Unternehmer darf die Abrechnung nach §§ 8 Nr. 1 VOB/B, 649 BGB nämlich nicht dazu
benutzen, Leistungen abzurechnen, die er in seiner ursprünglichen Kalkulation
vergessen hatte und die deshalb in den Vertragspreisen nicht enthalten sind. Für die
Berechnung des entgangenen Gewinns ist darauf abzustellen, welchen Verlauf das
67
Vorhaben tatsächlich genommen hat bzw. bei Durchführung genommen hätte. Auch hier
kann der Unternehmer vielfach für die Darlegung im Prozess auf seine ursprüngliche
Kalkulation zurückgreifen, wenn keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Verlauf
erkennbar sind (Kniffka, Jahrbuch Baurecht 2000,1, 10; BGH Urteil vom 22.9.2005 – VII
ZR 63/04 = NJW-RR 2006, 29). Anders liegt es aber, wenn konkrete Anhaltspunkte für
einen von der ursprünglichen Planung und Kalkulation abweichenden Verlauf bestehen.
Dann ist für die Berechnung des entgangenen Gewinns auf den tatsächlichen Ablauf
abzustellen, den das Bauvorhaben genommen hat bzw. genommen hätte. Ist es nicht in
der vorgesehenen Weise durchgeführt worden, muss notfalls mit Hilfe eines
Sachverständigen ermittelt werden, wie es bei tatsächlicher Durchführung
voraussichtlich verlaufen wäre. Auf keinen Fall darf diese von der gesetzlichen
Regelung abweichende Art der Abrechnung dazu führen, dass der Unternehmer die
dadurch gegebenen Manipulationsmöglichkeiten dazu nutzt, sich bei einem insgesamt
unauskömmlich kalkulierten Vertrag doch noch Vergütungsansprüche zu verschaffen,
indem er einzelne Leistungspositionen und den kalkulierten Gewinn herausgreift und
abrechnet, die übrigen Leistungspositionen, bei denen er "Geld mitgebracht hätte",
dabei aber außen vor lässt. Er darf nämlich nicht besser gestellt werden, als er bei
Ausführung des Auftrags gestanden hätte (Drittler in BauR 2006,1215, 1216). Es gibt
auch keine Deckelung der anzurechnenden Ersparnisse derart, dass die kalkulierten
Kosten die Obergrenze der Ersparnis darstellen, so dass wenigstens der kalkulierte
Gewinn erhalten bleibt. Ebenso wenig ist die abziehbare Ersparnis auf die jeweilige
Position begrenzt (Kniffka ibr-online-Kommentar zum Bauvertragsrecht, Stand
29.2.2008, § 649 Rn. 78). Danach kann der Abzug der Ersparnis bei nur einer einzigen
Leistungsposition dazu führen, dass der ansonsten gegebene Vergütungsanspruch
vollständig aufgezehrt wird.
b. Zur Abrechnung im vorliegenden Fall
68
Nach den oben dargestellten Grundsätzen kann nicht festgestellt werden, dass der
Klägerin der von ihr errechnete Vergütungsanspruch zusteht. Dabei kann der Umfang
der erbrachten und deshalb abrechnungsfähigen Leistungen dahinstehen (aa.), da
daraus entstandene Vergütungsansprüche in jedem Fall durch die Ersparnis bei
anderen Leistungspositionen des insgesamt unauskömmlich kalkulierten Vertrages
mehr als aufgezehrt werden (bb.).
69
aa. Abrechenbare Leistungen
70
Es kann dahinstehen, ob es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten
Rechnungspositionen
71
"nicht ersparte Baustellengemeinkosten" 39.461,96 €,
72
"nicht ersparte allgemeine Geschäftskosten" 57.075,28 €,
73
"Wagnis und Gewinn" 34.245,17 €
74
überhaupt um in dieser Form und Höhe abrechnungsfähige Rechnungspositionen
handelt. Selbst wenn man das zugunsten der Klägerin unterstellt, steht ihr der daraus
geltend gemachte Anspruch nicht zu.
75
bb. Ersparte Aufwendungen
76
Die weiter von ihr geltend gemachte Position
77
"nicht ersparte Nachunternehmeraufwendungen" 105.309,25 €
78
(gemeint ist der rechnerisch ermittelte Vergabegewinn aus der Durchführung der
Horizontalbohrarbeiten durch die Fa. T2) wäre nämlich nicht nur nicht angefallen. Die
Durchführung dieser Arbeiten hätte vielmehr aller Voraussicht nach zu derart hohen
eigenen Aufwendungen der Klägerin geführt, dass die aus anderen Positionen
verdiente Vergütung bzw. der kalkulatorisch errechnete Gewinn mehr als aufgezehrt
worden wären.
79
(1)
80
Die Klägerin selbst war auf Grund des mit der Beklagten geschlossenen Vertrages zur
Durchführung der Horizontalbohrarbeiten Pos. 3.4.1.1 zu einem Einheitspreis von
414,76 €/m verpflichtet. Sie hatte diese Leistung ausdrücklich als
Nachunternehmerleistung angeboten, weil ihr Betrieb darauf nicht eingerichtet sei
(Anlage B 15). Den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten entgangenen
Gewinn aus dieser Position berechnet sie nunmehr in der Weise, dass sie das Angebot
der Fa. T2 vom 17.3.2003 entgegenstellt, in dem diese Leistung zum Einheitspreis von
234 €/m zuzüglich pauschal 1.850,- € für die Baustelleneinrichtung und 325 € pro
Stunde für Wartezeiten angeboten wird, allerdings mit dem Zusatz, die Zusatzklassen S
1 bis S 4 und die Felsklassen FD/FZ 3 und 4 würden gesondert berechnet, die
geforderten maximalen Abweichungen könnten nicht garantiert werden, Leistungen für
aufgegebene Bohrstrecken würden ebenfalls abgerechnet (Anlage BB 4, Bl. 425 f. d.A.).
Ob sich bei Durchführung des Vorhabens trotz dieser Abweichungen zwischen dem
Angebot T2 und dem Vertrag mit der Beklagten der errechnete Vergabegewinn ergeben
hätte, weil die in dem Angebot der Fa. T2 aufgeführten besonders zu berechnenden
Leistungen auch der Beklagten ganz oder teilweise gesondert hätten in Rechnung
gestellt werden können, ist bereits zweifelhaft, kann letztlich aber dahinstehen.
81
(2)
82
Tatsächlich stand der Klägerin nämlich im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung für die
wichtigste Leistungsposition 3.4.1.1 kein auch nur ansatzweise kostendeckendes
Nachunternehmerangebot zur Verfügung, weil alle anderen Bewerber inzwischen
abgesprungen waren (aa), die Fa. T2 an das Angebot vom 17.3.2003 nicht mehr
gebunden war und sich daran auch nicht mehr gebunden fühlte (bb) und die
"Kostenschätzung" der Fa. T2 vom 15.1.2004 nicht zur Vertragsgrundlage gemacht
werden sollte, eine Vertragsabwicklung auf dieser Grundlage aber auch zu einem für die
Klägerin wirtschaftlich desaströsen Ergebnis geführt hätte (cc).
83
(aa.)
84
Die Klägerin war nach eigenen Angaben im Vergabeverfahren nicht in der Lage, die
Horizontalbohrarbeiten selbst auszuführen (Schreiben vom 24.3.2003 Anlage B 15). Die
Arbeiten sollten daher durch einen Nachunternehmer ausgeführt werden.
85
(bb.)
86
Das Angebot der Fa. T2 vom 17.3.2003 war im Januar 2004 nicht mehr annahmefähig,
weil die Klägerin versäumt hatte, die mit dem Beklagten vereinbarte Verlängerung der
Bindefrist an die Fa. T2 durch entsprechende Vereinbarung "weiterzureichen" und weil
die Fa. T2 – der die Zwangslage der Klägerin offensichtlich nicht verborgen geblieben
war – sich an dieses Angebot zu Recht nicht mehr gebunden fühlte.
87
Das Angebot der Fa. T2 stammte vom 17.3.2003. Der Fa. T2 war aus den zur Verfügung
gestellten Ausschreibungsunterlagen bekannt, dass die Klägerin an ihr Angebot
gegenüber dem Beklagten ursprünglich bis Ende Juni 2003 – zu diesem Zeitpunkt war
ursprünglich der Zuschlag vorgesehen - gebunden war. Sie durfte daher bei Abgabe
ihres Angebotes damit rechnen, dass – so § 147 Abs. 2 BGB – ihr Angebot bis zu dem
Zeitpunkt angenommen werden konnte, in dem der Eingang der Antwort unter
regelmäßigen Umständen zu erwarten war. Unter regelmäßigen Umständen dufte sie
dann aber noch im Juli 2003 mit der Antwort auf ihr Angebot rechnen, danach musste
sie sich daran nicht mehr festhalten lassen. Die Annahme des Angebotes erfolgte dann
aber tatsächlich – ohne dass die Bindefrist für die Fa. T2 verlängert worden wäre – erst
im Januar 2004, also zu spät.
88
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht überdies fest, dass die Fa. T auch nicht
auf Grund weiterer Abreden an ihr Angebot vom 17.3.2003 gebunden war und sich
daran zu Recht auch nicht gebunden fühlte. Der Zeuge T hat vielmehr bei seinen
Vernehmungen am 16.8.2007 und 24.1.2008 ausdrücklich erklärt, dass er die
Ausführung des Auftrags zu den am 17.3.2003 angebotenen Preisen "klipp und klar"
abgelehnt habe, weil er an der Arbeit kein Interesse mehr gehabt habe. Die Fa. T2 habe
nämlich in der Zwischenzeit in der Nähe eine Ruhrdükerung ausgeführt und sei dabei
auf die in dem Gutachten E beschriebenen Schwierigkeiten gestoßen. Für die
Richtigkeit seiner Aussage spricht auch die anschließende Übersendung der
"Kostenschätzung" vom 15.1.2004, die – wie noch auszuführen sein wird – eine
grundlegend andere Vergütungsregelung enthielt und in der es ausdrücklich hieß, dass
das Angebot vom 17.3.2003 nicht mehr gültig sei. Letztlich spricht für die Richtigkeit
seiner Aussage auch, dass die Klägerin in ihrem Schreiben vom 15.1.2004 an die
Beklagte selbst eingeräumt hat, die Bieter hätten "allesamt…..von ihren zur Submission
eingereichten Angeboten Abstand genommen". Etwas anderes ergibt sich auch nicht
aus der Aussage des Zeugen W. Zwar hat dieser bekundet, der Zeuge T2 habe in
einem Gespräch im Dezember 2003 seine Bereitschaft erkennen lassen, sich an dem
Angebot festhalten zu lassen, jedenfalls habe er T2 so verstanden. Auch der Zeuge W
hat aber erklärt, T2 habe jedenfalls am 15.1.2004 ausdrücklich Abstand von dem
früheren Angebot genommen. Eine entgegenstehende verbindliche mündliche Zusage
des Zeugen T2 in dem Gespräch vor Weihnachten erscheint dem Senat aber wenig
wahrscheinlich. Das Angebot T2 war – so auch der Zeuge W – ausgesprochen
preisgünstig. Die Fa. T2 hatte aber in der Zwischenzeit mit einer anderen Dükerung in
der Nähe sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Es erscheint wenig plausibel, das der
Zeuge T2 sich unter diesen Umständen an seinem Angebot vom 17.3.2003 festhalten
lassen wollte, obwohl ihm – wie er glaubhaft bekundet hat – der Ablauf der Bindefrist
bestens bekannt war.
89
Nach alledem ist der Senat auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt,
dass das Angebot der Fa. T2 vom 17.3.2003 im Januar 2004 nicht mehr annahmefähig
war und dass die Fa. T2 zu Recht nicht mehr bereit war, sich daran festhalten zu lassen.
Irgendein anderer Nachunternehmer, auf den die Klägerin hätte zurückgreifen können,
stand nicht zur Verfügung. Schon aus diesem Grunde bestehen grundlegende
90
Bedenken gegen die von der Klägerin gewählte Art der Abrechnung. Wenn der
Unternehmer nach vorzeitiger Beendigung eines Vertrages den ihm entgangenen
Vergabegewinn geltend machen will, muss er nämlich darlegen, dass er den ihm
erteilten Auftrag zu entsprechenden Bedingungen an einen Nachunternehmer
weitergegeben hatte bzw. hätte weitergeben können. Es reicht nicht, dass er
irgendwelche von ihm kalkulierten Rechnungsansätze zugrunde legt, zu denen kein
Nachunternehmer zu arbeiten bereit gewesen wäre. Hinzu kommt, dass die Klägerin bei
der Berechnung des von ihr kalkulierten Vergabegewinns einen weitgehend
störungsfreien Verlauf der Arbeiten im HDD-Verfahren zugrunde gelegt hat, obwohl –
wie noch darzulegen sein wird – vieles dafür spricht, dass eine solche Durchführung
sich als schwierig bzw. technisch gar nicht machbar erwiesen hätte mit der Folge, dass
die von der Klägerin zu zahlende Nachunternehmervergütung ihre kalkulatorischen
Ansätze weit überstiegen und die gesamte Restvergütung einschließlich des
entgangenen Gewinns aufgezehrt hätte.
(cc.)
91
Ob es sich bei der "Kostenschätzung" der Fa. T2 vom 15.1.2004 überhaupt um ein
verbindliches Angebot gehandelt hat, auf das die Klägerin notfalls einzugehen bereit
gewesen wäre, kann dahinstehen, weil sie aus gutem Grund ihre Klageforderung gar
nicht auf der Grundlage dieser "Kostenschätzung" berechnet. Hätte die Klägerin nämlich
den Nachunternehmervertrag mit der Fa. T2 auf dieser Grundlage abgeschlossen, wäre
der gesamte Vertrag mit der Beklagten für sie nicht mehr auskömmlich gewesen, weil
mit der Durchführung der Horizontalbohrarbeiten durch die Fa. T2 aller Voraussicht
nach derart hohe und nicht an den Beklagten weiterzureichende Aufwendungen
entstanden wären, dass der gesamte Vergütungsanspruch der Klägerin einschließlich
des entgangenen Gewinns davon aufgezehrt worden wäre. Entgegen der Auffassung
der Klägerin handelt es sich nämlich bei der "Kostenschätzung" vom 15.1.2004 nicht um
ein in den maßgeblichen Positionen unverändertes Angebot oder um einen bloßen
Nachtrag mit dem Wunsch nach einer nicht ins Gewicht fallenden Zulage. Zwischen der
"Kostenschätzung" vom 15.1.2004 und dem ursprünglichen Angebot vom 17.3.2003
bestand vielmehr ein über die Auskömmlichkeit des Vertrages mit dem Beklagten
entscheidender großer Preisunterschied. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. Ing. X
bei seiner Anhörung durch den Senat überzeugend dargelegt. Anders als noch im
Angebot vom 24.3.2003 teilte die Fa. T2 in ihrer "Kostenschätzung" vom 15.1.2004 die
Leistungsposition 2 nämlich in Bohrungen für Rohre DA 450 und DA 110 auf und
verdoppelte damit den Angebotspreis für diese Position. Zum anderen wies sie die
Positionen 8-11, die im Angebot vom 17.3.2003 noch in die Einheitspreise einkalkuliert
waren, nunmehr gesondert aus. Schließlich nahm sie im Unterschied zu ihrem Angebot
vom 17.3.2003 und auch zum Angebot der Klägerin an den Beklagten vom 24.3.2003
sämtliche Felsklassen heraus und führte sie gesondert in einer Erschwernisposition auf.
Daraus ergibt sich – selbst wenn man die nach Ansicht der Klägerin nicht
auszuführenden Positionen 4-6 und auch den Betonitverbrauch in Position 12 außer
acht lässt – nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ing
X ein Preisanstieg von 183.200,- € auf 471.536,- €. Noch nicht berücksichtigt ist dabei
die Zulage für die Felsklassen in Höhe von 118,- €/m.
92
Diese Preissteigerung hätte die Klägerin auch nicht auf den Beklagten abwälzen
können. Die deutliche Anhebung der Vertragspreise beruht nämlich nicht auf
Mengenmehrungen, ändernden Anordnungen oder zusätzlich geforderten Arbeiten im
Sinne der §§ 2 Nr. 3 ff. VOB/B, sondern allein auf einer gänzlich anderen und für die Fa.
93
T2 wesentlich günstigeren Kalkulation der schon zuvor angebotenen Leistungen.
Dieses Risiko musste die Klägerin aber selbst tragen, da sie es versäumt hatte, die mit
dem Beklagten vereinbarte Verlängerung der Bindefrist durch entsprechende
Vereinbarung mit der Fa. T2 an diese "weiterzureichen". Der Sachverständige Prof. Dr.
Ing. X hat jedenfalls überzeugend darlegt, dass es angesichts des im vorliegenden Fall
zu erwartenden Verlaufs der Arbeiten, wenn sie denn durchgeführt worden wären, zu
einem für die Klägerin in wirtschaftlicher Hinsicht "desaströsen Verlauf" gekommen
wäre. Es spricht danach alles dafür, dass die verfrühte Kündigungserklärung des
Beklagten für die Klägerin geradezu ein Glücksfall war, weil sie dadurch schon in einem
ganz frühen Stadium aus einem unauskömmlich kalkulierten Vertrag entlassen wurde,
bei dessen Ausführung sie am Ende "Geld mitgebracht hätte".
Angesichts dieser Umstände kann nicht festgestellt werden, dass der Klägerin der von
ihr geltend gemachte Vergütungsanspruch aus §§ 8 Nr. 1 VOB/B, 649 BGB tatsächlich
zusteht.
94
B. "Sonderkosten"
95
Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Ersatz der
"Sonderkosten" für die Machbarkeitsstudie, die Beratung durch Rechtsanwalt Dr. N, die
Erstellung von Unterlagen und die Durchführung von Ortsterminen in Höhe von
insgesamt 19.726,51 €.
96
Ein Anspruch aus §§ 8 Nr. 1 VOB/B, 649 BGB kommt insoweit nicht in Betracht. Soweit
es sich dabei um Leistungen handeln sollte, die zu den vertraglichen Leistungen
gehörten und in die Vertragspreise einkalkuliert waren, ist darüber nach den oben
dargelegten Grundsätzen abzurechnen. Auch insoweit gilt, dass diese Leistungen nicht
isoliert geltend gemacht werden können. Soweit diese Leistungen nicht zu den
vertraglichen Leistungen gehörten, kommt allenfalls ein Schadensersatzanspruch in
Betracht.
97
Der Klägerin steht aber auch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs.
1 BGB gegen den Beklagten nicht zu, da es an der dafür erforderlichen Pflichtverletzung
des Beklagten fehlt. Der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen die in § 9
Nr. 1 VOB/A aufgestellten Ausschreibungsgrundsätze liegt nämlich nicht vor, da die
Ausschreibung eindeutig und erschöpfend war. Das zugrunde gelegte
Leistungsverzeichnis enthielt mit der Entscheidung für das HDD-Verfahren und seinen
weiteren detaillierten Vorgaben eine hinreichend klare und vollständige Beschreibung
der geforderten Leistung. Es ist auch nicht dargetan, dass der Zuschlagsentscheidung in
der Ausschreibung nicht genannte Kriterien zugrunde lagen. Die Klägerin konnte ihre
Preise auch ohne umfangreiche Vorarbeiten kalkulieren. Insbesondere war die
Einholung eines weiteren Gutachtens dafür nicht erforderlich, da die Klägerin als
Fachbetrieb die mit dem HDD-Verfahren verbundenen allgemeinen Risiken kannte. Auf
die hier bestehenden besonderen Risiken hatte der Beklagte sie überdies hinreichend
hingewiesen. Den Ausschreibungsunterlagen lag nämlich das Baugrundgutachten des
Ingenieurbüros C2 und M bei, aus dem sich die besonderen Schwierigkeiten
hinreichend klar ergaben. Das Ingenieurbüro hat sowohl die Gefälleverhältnisse des
Dükers angesprochen, als auch das Vorkommen von Ruhrschotter und Felsgestein
beschrieben. Es hat sogar ausdrücklich festgestellt, es komme als Ausführungsmethode
nur ein gesteuerter Rohrvortrieb in Betracht. Auf diese Erkenntnisse hat später dann
auch der von der Klägerin eingeschaltete Gutachter E zurückgegriffen. Damit waren die
98
geforderten Leistungen und die Risiken von vornherein hinreichend beschrieben. Dass
der Beklagte eine Art der Ausführung ausgeschrieben hat, die technisch überhaupt nicht
machbar war, konnte aber auch nicht festgestellt werden. Vielmehr sind derartige
Dükerungen an anderer Stelle der Ruhr auch im HDD-Verfahren durchgeführt worden.
Der Sachverständige Prof. Dr. Ing. X hat dazu erklärt, auch im vorliegenden Fall sei das
nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen, wenngleich eine erfolgreiche Bohrung
glückliche Umstände vorausgesetzt hätte. Diese Risiken waren der Klägerin aber von
vornherein bekannt.
Auch der hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht der Klägerin
daher nicht zu.
99
C.
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Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 ZPO.
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