Urteil des OLG Hamm vom 16.10.2007

OLG Hamm: reinigungspersonal, kostenverteilung, auflage, aufrechnung, offenkundig, quote, obsiegen, nebenintervention, unterliegen, einfluss

Oberlandesgericht Hamm, 21 U 43/07
Datum:
16.10.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 U 43/07
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 44 O 246/03
Tenor:
Die Berufung der Streithelferin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass die Kostenentscheidung des Landgerichts wie folgt abgeändert
wird:
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Klägerin zu 47 %
und die Beklagte zu 53 %, mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe.
Diese trägt die Beklagte in vollem Umfang.
Die Kosten der Berufung trägt die Streithelferin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs.2, 313 Abs.1 S.1 ZPO)
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Die Berufung der Streithelferin ist zulässig. Sie hat jedoch abgesehen von der
abzuändernden Kostenentscheidung in der Sache keinen Erfolg.
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Die Beklagte hat erfolgreich mit einem Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in
Höhe von 1.070,93 € gegen die Klageforderung aufgerechnet. Der
Schadensersatzanspruch ergibt sich aus Ziffer 3.7 des zwischen den Parteien
abgeschlossenen Reinigungsvertrages in Verbindung mit pVV.
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Anzuwenden ist hier das vor der Schuldrechtsreform geltende Recht. Da der im Jahr
2001 abgeschlossene Vertrag angesichts der fortlaufenden Reinigungsverpflichtung ein
Dauerschuldverhältnis darstellt, ist das Schuldrecht in der ab 01.01.2002 geltenden
Fassung gemäß Art. 229 § 5 S.2 EGBGB erst ab dem 01.01.2003 anwendbar. Zu
diesem Zeitpunkt waren beide Schlüssel bereits verloren. Der durch den Verlust von
Schlüsseln verursachte Schaden war zudem unstreitig bereits mit dem Verlust des
ersten Schlüssels am 01.10.2001 entstanden.
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Die Klägerin konnte unstreitig zwei Schlüssel nicht herausgeben, weil sie ihrem
Reinigungspersonal abhanden gekommen waren.
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Das Verschulden des Personals, das der Klägerin nach § 278 BGB zuzurechnen ist, ist
nach § 282 BGB a.F. analog zu vermuten. Die Klägerin trägt keine Tatsachen vor, die
diese Vermutung entkräften könnten. Auch die unstreitigen Tatsachen rechtfertigen nicht
den Schluss, dass die Putzfrau T nicht wenigstens leicht fahrlässig gehandelt hat: Frau
T hat den Schlüssel in der Tür stecken lassen und sich mit ihren Putzutensilien zum
nächsten Raum entfernt. Sie hat den Schlüssel jedenfalls für einen kurzen Zeitraum
nicht im Blick gehabt. Neben dem Büropersonal der Beklagten und dem
Reinigungspersonal der Klägerin haben sich auch Dritte in den Räumen aufgehalten,
nämlich Bauhandwerker, Personal von Veranstaltern u.a. Den an die Verwahrung von
Schlüsseln zu stellenden Sorgfaltspflichten genügt das Reinigungspersonal unter
diesen Umständen nur, wenn es den Schlüssel nach Gebrauch abzieht und an sich
nimmt.
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Ein Mitverschulden der Beklagten, das nachweisbar Auswirkungen auf den hier
streitgegenständlichen Schlüsselverlust hatte, ist nicht erkennbar.
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Erstinstanzlich hat die Streithelferin hierzu vorgetragen, aufgrund der Vielzahl von
Schlüsseldiebstählen sei ein völliger Kontrollverlust über die Stadionanlage zu
beklagen gewesen.
die Streithelferin nicht vorgetragen. Auch auf die Höhe der Kosten für den Austausch der
Schließanlage hat dieser Umstand keinen Einfluss gehabt. Selbst wenn die Beklagte in
der fraglichen Zeit zahlreiche Schlüssel verteilt hat und es gehäuft zu
Schlüsselmissbrauch gekommen ist, gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Verlust
des Schlüssels am 01.10.2001 mit diesen Missständen zusammenhängt.
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In der Berufungsinstanz trägt die Streithelferin vor, die Beklagte habe die Klägerin auf
das Organisationschaos und die Diebstahlsgefahr hinweisen müssen, um die
Wachsamkeit der Reinigungskräfte zu erhöhen. Worin das Organisationschaos besteht
und was ein etwaiges Organisationschaos mit der Wachsamkeit der Reinigungskräfte
zu tun hat, ist aber nicht ersichtlich.
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Eine Diebstahlsgefahr ist überall vorhanden, so dass auf sie nicht besonders
hingewiesen werden muss. Dass sie im vorliegenden Fall besonders groß war, ist
zweifelhaft. Jedenfalls hat die Beklagte die Umstände, aus denen sich eine solche
Erhöhung der Diebstahlsgefahr ergeben könnten, erst nachträglich festgestellt. Dass sie
diese Feststellung früher hätte treffen und die Klägerin entsprechend hätte warnen
können, trägt die Streithelferin nicht vor.
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Durch den Verlust der Hauptschlüssel ist der Beklagten nach den Feststellungen des in
erster Instanz beauftragten Sachverständigen auch ein Schaden in Höhe von 1.070,94 €
entstanden.
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Die Kostenentscheidung des Landgerichts ist abzuändern.
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Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu tragen, § 92 Abs.2
Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat zutreffend den Streitwert der Nebenintervention auf
71.290 € festgesetzt. Denn offenkundig erfolgte der Beitritt der Streithelferin nur
bezüglich der zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderung in dieser Höhe.
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Dies hat die Streithelferin in der Betrittserklärung vom 16.06.2004 mit dem Hinweis auf
den Deckungsschutz der Klägerin für den geltend gemachten Schaden in Höhe von
71.920 € deutlich herausgestellt. Bezogen auf den Streitwert von 71.290 € ist die
Streithelferin nur ganz geringfügig unterlegen und hat höhere Kosten im Sinne von § 92
Abs.2 Nr. 1 ZPO nicht veranlasst.
Die Quotelung zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist nur erfolgt, weil die von der
Streithelferin unterstützte Klägerin wegen anderer Streitteile, die nicht die Streithelferin
betrafen, unterlegen ist. In diesem Fall ist eine eigene Quote zwischen Streithelfer und
Prozessgegner zu bilden (so auch Zöller-Herget, ZPO, 26.Auflage, § 101, Rdnr. 2, und
MünchKomm-Belz, ZPO, 2. Auflage, § 101 Rdnr. 13). Legt man dem Streitwert das
wirtschaftliche Interesse des Streithelfers zugrunde, ist allein die Kostenverteilung
entsprechend dem Obsiegen und Unterliegen bezogen auf diesen besonderen
Streitwert sinnvoll. Die Regelung in § 101 ZPO und die Systematik der §§ 100, 101 ZPO
spricht entgegen der Ansicht des OLG Celle (MDR 2005, 778) nicht gegen die hier
vertretene Kostenverteilung. §§ 100, 101 ZPO regeln die Kostenverteilung nicht
abschließend. Der Streithelfer und die von ihm unterstützte Partei sind nicht in jedem
Fall kostenmäßig gleich zu behandeln. Ausnahmen sind allgemein anerkannt, z.B.
soweit der Streithelfer die Partei wechselt oder wenn er allein ein Rechtsmittel einlegt.
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Die Kosten der Berufung hat die Streithelferin zu tragen, da das Rechtsmittel keinen
Erfolg hatte, § 97 Abs.1 ZPO. Erfolglos ist auch ein Rechtsmittel, das nur im Hinblick auf
die Kosten Erfolg hat (Zöller-Herget, § 97 Rdnr.1; BGH NJW 1992, 2969).
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Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.
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