Urteil des OLG Hamm vom 03.11.1998

OLG Hamm (wohl des kindes, vater, sohn, anwesenheit, kind, monat, gefährdung, antragsteller, beschwerde, verhandlung)

Oberlandesgericht Hamm, 7 UF 270/98
Datum:
03.11.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
7. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 UF 270/98
Vorinstanz:
Amtsgericht Menden, 5 F 338/97
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels der Beschluß des Amtsgerichts -
Familiengericht - Menden vom 26. Mai 1998 abgeändert.
Dem Antragsteller wird ein Umgangsrecht mit dem gemein-samen Sohn
P, geb. am 10.08.1992, dahin eingeräumt, daß der Kindesvater das
Recht hat, sich in Abwesenheit der Kindesmutter einmal im Monat für
eine Stunde in Anwesenheit eines Mitarbeiters des Jugendamtes der
Stadt Menden mit P zu treffen.
Die Termine sind jeweils mit dem Jugendamt abzustimmen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Hinsichtlich der erstinstanzlichen Gerichtskosten und gerichtlichen
Auslagen verbleibt es bei der Entscheidung des Amtsgerichts.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt jede Partei selbst.
Der Beschwerdewert beträgt 5.000,00 DM.
G r ü n d e :
1
Das Amtsgericht hat das Umgangsrecht des Kindesvaters mit seinem am 10. August
1992 geborenen Sohn P für zwei Jahre ausgeschlossen. Die gegen diese Entscheidung
gerichtete Beschwerde ist teilweise begründet. Der Senat hält es für geboten, das
Umgangsrecht in der Weise wieder anzubahnen, daß dem Vater das Recht gewährt
wird, mit dem Kind einmal im Monat für eine Stunde in Anwesenheit eines Mitarbeiters
des Jugendamtes der Stadt Menden einen Kontakt wieder aufzubauen bzw.
aufrechtzuerhalten.
2
Gemäß § 1684 Abs. 4 BGB kann das Familiengericht das Umgangsrecht einschränken
oder ausschließen, soweit dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist. Eine
Entscheidung, die das Umgangsrecht für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder
ausschließt darf jedoch nur ergehen, wenn anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet
wäre. Bei dem vom Amtsgericht ausgesprochenen Ausschluß für zwei Jahre handelt es
sich um einen solchen Ausschluß für längere Zeit, der nur unter der oben genannten
strengen Voraussetzung einer Gefährdung des Kindeswohls zulässig wäre. Eine solche
Gefährdung vermag der Senat jedoch nicht festzustellen.
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Zwar geht der Gutachter Diplom-Psychologe I davon aus, daß die Beziehung zwischen
P und seinem Vater von erheblichen Ängsten geprägt ist, die von dem Kindesvater zu
verantworten sind. Der Sachverständige hat sich dabei maßgeblich auf die
Darstellungen der Kindesmutter und seine durchgeführten kinderpsychologischen
Untersuchungen gestützt. Dabei hat er es aber versäumt, im einzelnen dem
Wahrheitsgehalt dieser Vorwürfe nachzugehen. Ebensowenig hat er - wie es sonst in
familienpsychologischen Gutachten üblich ist - einen Kontakt zwischen Vater und Kind
hergestellt und diesen über einen gewissen Zeitraum beobachtet. Er hätte dabei
durchaus die Möglichkeit gehabt, im einzelnen festzustellen, ob der Antragsteller mit
seinem Sohn einen ruhigen und liebevollen Umgang pflegen kann und ob bei dem Kind
entsprechende Ängste deutlich werden.
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Auf den Wahrheitsgehalt der gegen den Kindesvater gerichteten Vorwürfe kam es aber -
nach der mündlichen Stellungnahme des Sachverständigen in der Verhandlung vor
dem Senat - maßgeblich an. Denn dessen Empfehlung, das Umgangsrecht für mehrere
Jahre auszusetzen, beruhte auf der Annahme, der Vater habe die Ängste des Kindes
verursacht. Ohne eine solche Verursachung durch den Vater hätte der Sachverständige
eher eine Wiederanbahnung befürwortet. Wenn aber die Ursache der Ängste eine so
entscheidende Bedeutung nach der Auffassung des Psychologen zukommt, dann hätte
der Sachverständige sich intensiver um den Wahrheitsgehalt der gegen den Vater
gerichteten Vorwürfe bemühen müssen.
5
Der Kindesvater hat P seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen. In der
davorliegenden Zeit hatte er noch regelmäßigen Kontakt zu seinem Sohn, ohne daß es
bei den einzelnen Besuchen zu Auffälligkeiten gekommen wäre. Solche Auffälligkeiten
sind nur aufgetreten, als der Kindesvater mit seiner früheren Ehefrau zusammentraf.
Dies jedoch ist in der Situation einer völlig zerstrittenen Ehe nicht untypisch. Sie
rechtfertigen nicht den vollständigen Ausschluß des Umgangsrechtes des nicht
sorgeberechtigten Elternteils.
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Die Aufrechterhaltung des Beschlusses des Amtsgerichts würde im vorliegenden Fall
dazu führen, daß der Kindesvater seinen dann acht Jahre alten Sohn die letzten drei
Jahre nicht gesehen hätte. Auch der Sachverständige konnte nicht überzeugend
darlegen, inwieweit sich die Verhältnisse dann gebessert hätten. Vielmehr steht dann zu
erwarten, daß das Kind seinen eigenen Vater kaum noch kennt und an einem Kontakt
mit ihm nicht mehr interessiert ist. Dies jedoch muß verhindert werden. Es entspricht
inzwischen gefestigter psychologischer Erkenntnis, daß eine auf diese Weise
geschaffene Entfremdung zwischen Kindern und ihren nicht sorgeberechtigten
Elternteilen ebenfalls geeignet ist, schwere psychische Krisen des Kindes
hervorzurufen.
7
Zwar mag der Kindesvater in der Vergangenheit im Umgang mit der Kindesmutter
besonders impulsiv und erregt reagiert haben. Dabei mag er auch Ängste des Kindes
jedenfalls mitverursacht haben. Gleichwohl hat der Beschwerdeführer nicht nur in der
Vergangenheit sondern auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bewiesen,
daß er auch in der Lage ist, sich angemessen zu kontrollieren. Der Senat geht davon
aus, daß dem Kindesvater dies auch in der Zukunft jedenfalls dann gelingen wird, wenn
ihm ein Umgangsrecht eingeräumt wird. Er muß sich darüber im klaren sein, daß er sein
Umgangsrecht gänzlich gefährdet, wenn es erneut zu unbedachten und aggressiven
Handlungen des Antragstellers in Anwesenheit des Kindes kommen wird.
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Eine Gefährdung des Kindes hält der Senat dann für ausgeschlossen, wenn dem
Kindesvater eine entsprechende Hilfestellung durch einen begleiteten Kontakt gewährt
wird. Dieser sollte jedenfalls in der Anbahnungsphase einmal im Monat für eine Stunde
durchgeführt werden. Wenn solche Umgangskontakte für eine gewisse Zeit
unproblematisch verlaufen, ist an eine Erweiterung des Umgangsrechts zu denken.
Insoweit mag der Kindesvater - auch hinsichtlich der genaueren Einzelheiten der
Ausübung des Umgangsrechts den Kontakt zum zuständigen Jugendamt
aufrechterhalten und ggf. dort um eine Vermittlung einer entsprechenden Erweiterung
nachsuchen. Vorläufig ist jedoch zum Zwecke der Wiederanbahnung der Beziehungen
zwischen Vater und Sohn ein einstündiges Umgangsrecht einmal im Monat
ausreichend.
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Eines ausdrücklichen Kontaktverbotes für den Fall eines zufälligen Zusammentreffens -
wie vom Amtsgericht ausgesprochen - bedarf es zur Überzeugung des Senates nicht.
Der Antragsteller weiß, daß er - wie oben ausgeführt - sein Umgangsrecht gefährdet,
wenn er in Anwesenheit von P es zu neuen massiven Streitigkeiten und aggressiven
Ausbrüchen kommen läßt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a FGG, 94 Abs. 3 KostO.
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