Urteil des OLG Hamm vom 06.09.2001

OLG Hamm: werbung, apotheker, slogan, verbraucher, anzeiger, irreführung, begriff, mitbewerber, berufsbild, einkauf

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 77/01
Datum:
06.09.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 77/01
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 18 O 112/00
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22. Februar 2001
verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Dortmund abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und beschwert die Klägerin mit
100.000, DM.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- DM abzuwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit durch unbedingte,
unbefristete, unwiderrufliche selbstschuldnerische Bürgschaft eines als
Zoll- und Steuerbürge in der Europäischen Union zugelassenen
Kreditinstituts zu erbringen.
Tatbestand:
1
Die Parteien sind Apotheker in M2. Die Klägerin betreibt in der Innenstadt die "F-
Apotheke". Der Beklagte ist Inhaber der "H-Apotheke" in M2-Süd, die etwa 2 bis 2,5 km
entfernt von der Apotheke der Klägerin liegt.
2
Im November und Dezember 1996 warben einige (5 bis 7) der etwa 20 Apotheken in
M2, darunter auch die des Beklagten gemeinsam in dem Haushaltsblatt "M Anzeiger" für
Produkte des Nebensortiments unter dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke". Wegen
der Einzelheiten dieser Werbung wird auf zwei Anzeigen von November und Dezember
3
1996 (Bl. 47 und 48 d.A.) Bezug genommen. Seit dieser Zeit warben die Apotheker mit
jeweils einem apothekenspezifischen Beratungsthema auch unter wechselnder
Beteiligung jeden Monat im M Anzeiger. Wegen der Themen im einzelnen wird auf
deren Auflistung (Bl. 50 d.A.) verwiesen. Spätestens ab April 1999 traten sie unter der
Bezeichnung "S-Apotheken" in Erscheinung. Seit September 2000 befindet sich in ihrer
Werbung ein Sternchenhinweis hinter den Worten "S-Apotheken", der auf eine Fußnote
mit dem Hinweis "Interessengemeinschaft eigenständiger Apotheken" verweist. Im M
Anzeiger vom 2. August 2000 wurde von fünf im einzelnen am linken Rand der Anzeige
aufgezählten Apotheken gemeinsam eine Hilfeleistung "Rund um den diabetischen
Fuß" angeboten (Bl. 6 d.A.) und am 06. September 2000 von denselben Apotheken in
demselben Blatt eine gemeinsame Werbung zum Thema "Ruhiger und erholsamer
Schlaf" veröffentlicht (Bl. 7 d.A.).
Die Klägerin hat den Beklagten, den sie für federführend hält, wegen dieser beiden
Anzeigen am 10. September 2000 erfolglos abgemahnt. Sie hat sich ausdrücklich
gegen die dortige Werbung gewandt, die sie für wettbewerbswidrig hält, und die
Unterlassung der Verwendung des Slogans "Beratung ist unsere Stärke" ebenso
verlangt wie die der Bezeichnung "S-Apotheken" mit und ohne Sternchenhinweis. Eine
Erweiterung der Klage in Zusammenhang mit einer zusätzlich geltend gemachten
Markenrechtsverletzung hat sie später wieder zurückgenommen oder nicht mehr weiter
verfolgt.
4
Im einzelnen hat die Klägerin geltend gemacht: Die Werbung sei zunächst deshalb
unzulässig, weil darin die Bezeichnung "S-Apotheken" gebraucht werde. Darin sei eine
unzulässige Geschäftsbezeichnung zu sehen. Damit werde der unrichtige Eindruck
erweckt, als ob ein Verbund der Apotheken bestehe. Jedenfalls habe der Beklagte mit
den anderen Apothekern eine Kette gebildet, innerhalb derer sie nicht mehr selbständig
seien. Das stehe dem Leitbild des Apothekers als freiem Beruf entgegen und mindere
das Ansehen der Apotheker in der Öffentlichkeit herab..
5
Auch der verwendete Slogan "Beratung ist unsere Stärke" sei irreführend. Obwohl alle
Apotheker schon nach § 20 Abs. 1 ApBetrO zur Beratung der Kunden gesetzlich
verpflichtet und nach ihrer Ausbildung auch in der Lage seien, stelle diese Werbung die
eigenen Leistungen und Fähigkeiten in diesem Bereich unzulässig heraus. Dadurch
werde auch in Zusammenhang mit dem Hinweis auf die "S-Apotheken" der Eindruck
erweckt, als wenn in anderen Apotheken nicht entsprechend gut beraten werde.
6
Die Klägerin hat beantragt,
7
den Beklagten zu verurteilen,
8
es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 100.000,00 DM, ersatzweise
Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu drei Monaten zu unterlassen,
9
im Geschäftsverkehr mit folgender Behauptung zu werben und / oder werben zu
lassen:
10
"Beratung ist unsere Stärke
11
S – Apotheken",
12
und
13
"Beratung ist unsere Stärke
14
S – Apotheken *, Interessengemeinschaft eigenständiger Apotheker",
15
insbesondere wenn dies geschieht wie in der nachstehend wiedergegebenen
Werbung im M Anzeiger vom 02.08.2000 und 06.09.2000:
16
"Beratung ist unsere Stärke
17
S– Apotheken",
18
und
19
"Beratung ist unsere Stärke
20
S – Apotheken *, Interessengemeinschaft eigenständiger Apotheker".
21
Der Beklagte hat beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Er hat geltend gemacht: Er sei jedenfalls nicht allein passiv legitimiert. Er habe diese
beiden Anzeigen wie weitere 45 Anzeigen zuvor gemeinsam mit den anderen darin
jeweils erwähnten Apothekern aufgegeben. Die Klägerin wisse seit langem davon, dass
die Werbegemeinschaft den Slogan "Beratung ist unsere Stärke" gebrauche und den
Begriff der "S-Apotheken" verwende. Wenn sie das so lange hingenommen habe und
sich erstmals gegen eine am 02. August 2000 geschaltete Anzeige wende, so fehle der
Klage das Rechtsschutzbedürfnis.
24
Mit der Bezeichnung "S-Apotheken" werde auch kein unzulässiger Verbund von
Apotheken vorgetäuscht. Sämtliche in den Anzeigen aufgeführten Apothekeninhaber
seien selbständig und blieben es auch. Sie seien in der Anzeige namentlich und in
Verbindung mit ihren Apotheken aufgeführt. Auf ihre Unabhängigkeit werde seit
September 2000 in dem Fußnotenzusatz auch ausdrücklich hingewiesen. Jedenfalls in
Zusammenhang damit habe auch die Apothekenkammer Westfalen-Lippe keine
berufsrechtlichen Bedenken mehr gegen diese Bezeichnung erhoben.
25
Mit dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke" wolle man sich nicht gegenüber anderen
Apotheken, sondern nur gegenüber Wettbewerbern mit anderen Vertriebskanälen wie
Drogerieketten abgrenzen. "Unsere" beziehe sich nicht auf die "S-Apotheken", sondern
meine die Apotheken an sich im Unterschied zu anderen Verkaufstellen. Das werde
auch vom Verkehr nicht anders verstanden. Eine Irreführung scheide schon deshalb
aus, weil es sich bei der Beratung durch die Apotheken um eine Selbstverständlichkeit
handele, die den angesprochenen Verbraucherkreisen bekannt sei. Im übrigen seien
die Werbeaussagen auch inhaltlich zutreffend. Es seien in erheblichem Umfang
Fortbildungsveranstaltungen zu bestimmten Themen an Abenden oder auch an drei
kompletten Wochenenden durchgeführt worden. Die Werbung müsste auch im Lichte
der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gesehen und für zulässig erachtet werden.
26
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, soweit sie weiter verfolgt worden ist. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin vom Beklagten nach § 1 UWG
verlangen könne, dass dieser es unterlässt, in der Öffentlichkeit unter der Bezeichnung
"S-Apotheken" mit oder ohne Fußnotenzusatz aufzutreten. Diese Bezeichnung sei
irreführend, denn sie suggeriere den angesprochenen durchschnittlich informierten
Verbrauchern fälschlicherweise einen Zusammenschluss und die damit einhergehende
Leistungsstärke insbesondere beim gemeinsamen Einkauf und bei der Preisgestaltung.
Es könne auch die Unterlassung der Benutzung des Slogans "Beratung ist unsere
Stärke" verlangt werden, da dieser irreführend und wettbewerbswidrig im Sinne des § 3
UWG sei. Selbstverständlich beziehe jeder Leser des Slogans dessen Aussage auf die
"S-Apotheken", die sich mit der Anzeige insgesamt als Kleingruppe hervortun wollten.
Irreführend sei die Werbung deshalb, weil die Beratung zum gesetzlichen Auftrag einer
jeden Apotheke gehöre und mithin eine Selbstverständlichkeit darstelle, von der die
angesprochenen Verbraucherkreise nicht ohne weiteres Kenntnis hätten.
27
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er verbleibt unter
Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens dabei, dass seine
gemeinschaftliche Werbung mit den anderen Apothekern nicht irreführend sei. Das
Landgericht habe der Werbung auch als Folge einer unzulässigen isolierten
Betrachtung einzelner Elemente Aussageinhalte entnommen, die mit der
Verkehrsauffassung nicht in Einklang zu bringen seien. Bereits die optische Gestaltung
der Anzeigen zeige den angesprochenen Verbrauchern deutlich, dass es sich um eine
Gemeinschaftswerbung einer Interessengemeinschaft selbständiger Apotheken
gehandelt habe, die im Rahmen konkreter Einzelaktionen jeweils ein bestimmtes
Thema aus dem Gesundheitsbereich betreffe. Die einzelnen Apotheken wollten dabei
erkennbar besondere Beratungsleistungen nur im Rahmen der jeweiligen Aktion
erbringen. Nur diese objektiv richtige Tatsache sollte werblich herausgestellt werden
und werde auch so verstanden und nicht etwa in der Weise, wie es das Landgericht
angenommen habe. Eine solche Werbung mit einer punktuellen Beratungsstärke, die
auf nachvollziehbaren konkreten Fortbildungsmaßnahmen beruhe, entspreche dem
Leistungswettbewerb.
28
Selbst wenn bei einem Teil der Verbraucher trotz des geänderten Verbraucherleitbildes
Fehlvorstellungen hervorgerufen werden sollten, scheide ein Verstoß gegen § 3 UWG
aus. Bei den objektiv richtigen Aussagen und angesichts der zu schützenden geringen
Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit in diesem Fall und der fraglichen
Relevanz bedürfte es jedenfalls eines besonders hohen Quorums an Getäuschten, das
bei weit über 80 % anzusetzen und nicht zu erreichen sei.
29
Es handele sich bei dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke" auch keinesfalls um eine
Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Die mit den Aktionen von der
Interessengemeinschaft in Anspruch genommene Beratungskompetenz gehe weit über
den gesetzlichen Beratungsauftrag aller Apotheker hinaus und unterstreiche gerade
diese besondere Beratungsleistung als Stärke. Der Beklagte stelle somit zusammen mit
den weiteren Interessenten gerade das heraus, was ihn von der absoluten Mehrzahl der
Konkurrenten abhebe. Einer Einordnung als wettbewerbswidrig stehe bei objektiv
wahren Angaben im übrigen nicht nur das Europarecht, sondern auch die angleichende
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegenüber. Weiteres Korrektiv insoweit sei
das Übermaßverbot. Die Werbung, die den kaufmännischen Bereich des Apothekers
betreffe, in dem die Freiheit der Berufsausübung einen besonders hohen Stellenwert
30
habe, sei schon im Rahmen der Abwägung mit dem Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG
nicht zu beanstanden.
Der Beklagte beantragt,
31
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
32
Die Klägerin beantragt,
33
die Berufung zurückzuweisen.
34
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht vertiefend geltend: Die Angabe
"Beratung ist unsere Stärke" sei ohne Zweifel irreführend. Der angesprochene Verkehr
verstehe sie so, als ob die S-Apotheker auf dem Aufgabengebiet der Beratung generell
gegenüber anderen Apothekern besonders qualifiziert seien. Im übrigen sei auch auf
den Gebieten der konkreten gesundheitlichen Themen, die in den Anzeigen
angesprochen worden seien, keine besondere Beratungskompetenz des Beklagten und
der anderen S-Apotheker gegeben. Das könne aber dahin stehen, weil der Verkehr die
Aussage zur Beratungskompetenz ganz allgemein verstehe und die angesprochenen
Themen nur Beispiele dafür seien. Die Werbung nehme auch auf keinerlei
Konkurrenten im Nebensortiment Bezug.
35
Die Angabe betreffend die Beratungsstärke sei auch nicht objektiv richtig. Sie sei
nämlich nicht nachprüfbar, weil es dafür keine objektiven Kriterien gebe. Es handele
sich um Werbung mit besonderen Qualitäten aufgrund nicht nachprüfbarer
Selbsteinschätzung. Es werde bestritten, dass sich eine solche Kompetenz aus
zahlreichen Sonderaktionen bis hin zu Fachseminaren zwangsläufig ergeben habe. Aus
der Anzahl der Fortbildungsveranstaltungen lasse sich insoweit überhaupt nichts
herleiten. Es gehe um Qualitätsvorstellungen, nicht nur um Mengenangaben.
36
Die Bezeichnung "S-Apotheken" erwecke den unzutreffenden Eindruck eines
Zusammenschlusses mehrerer Apotheken, der aufgrund der geballten Kraft in der Lage
sei, dem Verkehr besondere Preisvorteile und Sortimentstiefe zu bieten. Der Begriff "S"
sei als typische Bezeichnung für solche Zusammenschlüsse bekannt. Diese
Fehlvorstellung werde auch nicht durch den Sternchenhinweis beseitigt. Dieser sei zu
klein ausgefallen und der erläuternde Hinweis als solcher sei auch nichtssagend. Der
Verkehr erfahre nichts über die Wirkung und die Interessen der Gemeinschaft. Es werde
auch kein Zusammenhang mit dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke" hergestellt, so
dass der Verkehr daraus schliessen könne, dass es sich um einen Beratungsring
handele.
37
Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
38
Entscheidungsgründe:
39
Die Berufung ist zulässig und begründet, weil der Klägerin der von ihr geltend gemachte
Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die beanstandeten Werbebehauptungen aus
keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht.
40
1) Der Unterlassungsantrag ist jedenfalls hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs.
41
2 Satz 2 ZPO, nachdem klargestellt worden ist, dass der Inhalt der beiden Anzeigen
Gegenstand der Verbotsanträge sein soll und die verallgemeinernde Formulierung vor
dem "insbesondere" - Zusatz sich auf kein allgemeines Verbot der Werbung mit dem
Slogan "Beratung ist unsere Stärke" einerseits und der Bezeichnung "S-Apotheken"
andererseits bezieht, sondern diese beiden Behauptungen nur aus dem
Zusammenhang betonend herausgreift.
2) Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG insbesondere wegen
einer den Standesrichtlinien für Apotheker widersprechenden und damit unlauteren
Werbung nicht zu.
42
a) Der Beklagte hat zwar mit der Erstellung und Verbreitung der Anzeigen im
geschäftlichen Verkehr gehandelt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er die Anzeige
allein oder zusammen mit den anderen Inhabern der "S-Apotheken" gestaltet und in
Auftrag gegeben hat. Es reicht aus, dass er in gleicher Weise mitverantwortlich und
damit wettbewerbsrechtlicher Mitstörer im Sinne des § 1004 BGB (analog) in
Verbindung mit §§ 1, 3 UWG ist. Das Handeln erfolgte auch zu Zwecken des
Wettbewerbs, weil der Beklagte sich in der Anzeige als Mitglied der
Interessengemeinschaft vorstellt und sich so darstellt, dass das Interesse der
mutmaßlichen Kunden auch an seiner Apotheke geweckt oder gesteigert werden soll.
43
b) Der Inhalt der Anzeigen verstößt aber nicht gegen wirksame Standesrichtlinien für
Apotheker.
44
aa) Nach § 9 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der
Apothekerkammer Westfalen – Lippe vom 6. Dezember 1995 (WestfL BO 1995) ist eine
Werbung nicht erlaubt, wenn sie irreführend ist oder nach Form, Inhalt oder Häufigkeit
übertrieben wirkt. Ausdrücklich als unerlaubt angeführt ist dabei das Werben in
Zeitungen. Ausgenommen von diesem Verbot ist unter bestimmten Voraussetzungen
eine Einzelwerbung einmal monatlich. Dieses Werbeverbot ist jedenfalls teilweise
verfassungsgemäß im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG und wirksam, soweit eine nach
Form, Inhalt und Häufigkeit übertriebene Werbung verboten wird. Das ergibt sich aus
der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des alten § 8 WestfL BO 1978 und verwandter
Vorschriften anderer Länder durch das Bundesverfassungsgericht (NJW 1996, 3067,
3068, 3069).
45
bb) Übertrieben in diesem Sinne könnte allenfalls die Werbung mit dem Slogan
"Beratung ist unsere Stärke" sein. Berücksichtigt man aber die vom
Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 22. Mai 1996 angeführten Gesichtpunkte,
dass der Apotheker nicht nur Angehöriger eines freien Berufes ist, sondern auch
Kaufmann, und dass die Beurteilung der dadurch erforderlichen Werbeformen als
angemessen oder übertrieben zeitbedingten Veränderungen unterliegt, ist auch diese
Werbeform nach ihrem Gesamteindruck unter Berücksichtigung üblicher
Werbepraktiken jedenfalls heute nicht mehr als übertrieben anzusehen.
46
aaa) Gerade angesichts der zu teilenden Auffassung des Bundesverfassungsgerichts
kann auf das Berufsbild der Apotheker an sich und auf eine sich daraus ergebende
Verpflichtung zu besonders maßvoller Werbung nur noch bedingt abgestellt werden,
soweit Apotheker im Hinblick auf die apothekenfreien Arzneimittel und das gesamte
Randsortiment im allgemeinen Wettbewerb stehen. Unangemessen im Hinblick auf das
Berufsbild erscheint eine Werbung vor allem dann, wenn sie anreißerisch auf das
47
Apothekensortiment hinweist und massiv zum Kauf anlockt, weil dann zu befürchten ist,
dass das Hauptgewicht der Tätigkeit auf das Randsortiment verlagert wird und die
eigentliche Aufgabe der Arzneimittelversorgung vernachlässigt wird (BGH GRUR 1983,
249 - Apothekenwerbung). Um eine solche Werbung geht es hier aber nicht, sondern
um die Bewerbung von Beratungsleistungen, die dem Kauf vorausgehen.
bbb) Die Werbeaussage "Beratung ist unsere Stärke" ist insbesondere deshalb
hinnehmbar, weil sie sich nicht auf allgemein gute Beratungsleistungen, sondern
einschränkend auf Beratungsleistungen in Bezug auf die in der jeweiligen Anzeige
beworbene konkrete Aktion bezieht. Ein solches Verständnis ergibt sich daraus, dass in
den beiden hier fraglichen Anzeigen die jeweilige "S – Apotheken – Aktion" auch
gegenüber der Aussage "Beratung ist unsere Stärke" optisch deutlich hervorgehoben
ist. Die Art der Beratung wird dann auch in beiden Fällen konkret angesprochen. Bei
einer Anzeige findet sich unter dem Hinweis auf helfende Broschüren und Tips die
zusätzliche Aufforderung "Kommen Sie vorbei und lassen sich beraten". Bei der
anderen Anzeige wird mit Fettdruck auf "8 Tipps" hingewiesen. Dagegen spricht auch
nicht, dass der Hinweis auf die Beratungsstärke oben in dem Rahmen um die Anzeige
steht. Das wäre nämlich nur dann von Bedeutung, wenn darin wie in einer Überschrift
die Kernaussage der Werbung enthalten wäre. Kernaussage ist aber das Thema der
jeweiligen Aktion selbst, nämlich einmal "der diabetische Fuß" und einmal "der ruhige
und erholsame Schlaf in einer Baldrian – Dispert Nacht". Es wird auch von der Klägerin
nicht in Frage gestellt, dass die Apotheken gemeinsam solche wiederkehrenden
Aktionen durchführen dürfen. Dann dürfen die beteiligten Apotheken auch darauf
aufmerksam machen und dafür werben. Berücksichtigt man die heute üblich gewordene
Werbung auch seriöser Einzelhändler für Waren des Randsortiments, die sich mit
ähnlichen Werbeaussagen Aufmerksamkeit und Gehör verschaffen will, fällt der
beanstandete Slogan nicht mehr aus dem Rahmen.
48
cc) Die Werbung ist auch nicht deshalb unangemessen und irreführend, weil ein Fall
einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten vorliegen könnte. Eine solche Art der
Werbung wäre gleichfalls schon als den Standesregeln widersprechend und
berufswidrig anzusehen. Darum geht es aber bei dem Slogan "Beratung ist unsere
Stärke" nicht.
49
aaa) Von einer Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist auszugehen, wenn in der
Werbung Eigenschaften einer Leistung, die genuin zu ihrem Wesen gehören oder
gesetzlich vorgeschrieben sind, besonders betont werden. Die Werbeaussage ist dann
trotz ihrer objektiven Richtigkeit irreführend, wenn der Verkehr das Selbstverständliche
der Eigenschaft nicht kennt und deshalb zu Unrecht von einem Vorzug der beworbenen
Leistung vor vergleichbaren anderen Angeboten ausgeht. Derartige Eigenschaften, die
den entsprechenden Angeboten der Mitbewerber ebenfalls eigen sind, dürfen deshalb
zur Vermeidung einer Irreführung des Verkehrs nicht als Besonderheiten des eigenen
Angebots hingestellt werden (Köhler/Piper, UWG, 2. Auflage, § 3 Anm. 180).
50
bbb) Dieser rechtliche Ansatz passt hier nicht. Es geht nicht darum, dass die Werbung
des Beklagten allgemein darauf hinweist, dass bei den "S-Apothekern" beraten wird,
obwohl dies in allen Apotheken geschieht. Die Aussage ist vielmehr dahin zu verstehen,
dass mit einer besonderen Beratung geworben wird, bezogen auf die jeweiligen
Aktionen. Gerade diese ist aber weder gesetzlich vorgeschrieben noch
selbstverständlich, wie schon der vorgelegte Testbericht der Stiftung Warentest zur
Beratungsqualität deutlich macht.
51
ccc) Eine Irreführung ist darüberhinaus auch deshalb nicht gegeben, weil der Verkehr
eine etwaige Selbstverständlichkeit der Werbeaussage, nämlich die zu erwartende
Beratung in den Apotheken, die schon zum gesetzlichen Auftrag jeder Apotheke gehört,
ohne weiteres erkennen würde. Der verständige Verbraucher würde einer solchen
Werbeaussage keine besondere Bedeutung beimessen, sondern sie als Aufforderung
verstehen, sich beraten zu lassen und sich dabei von der Beratungsstärke zu
überzeugen (vgl. BGH GRUR 1963, 371 – Wäschestärkemittel).
52
dd) Die Werbung ist auch nicht deswegen unangemessen, weil es sich bei dem Slogan
"Beratung ist unsere Stärke" um eine unzulässige Selbstherausstellungswerbung
handelt.
53
aaa) Entgegen der Auffassung der Berufung kann sich das Possessivpronomen
"unsere" nur auf die in der Anzeige genannten Apotheken und Inhaber, also die "S-
Apotheken" beziehen. Diese führen die Aktion durch, auf die sich die Werbung bezieht.
Eine Bezugnahme auf die Gruppe aller Apotheker, die in der Anzeige überhaupt nicht
genannt sind, hätte schon semantisch keinen Sinn. Außerdem wäre dann auch nach
dem eigenen weiteren Vorbringen der Sinn der Werbung, nämlich das Herausstellen
der besonderen Beratungskompetenz im Hinblick auf die Aktion, auf deren Thema man
sich nur als "S-Apotheker" jeweils besonders vorbereitet hatte, verfehlt worden. Es ist
lediglich eine weitere Aufgabe des Slogans, die Werbenden als Apotheker von anderen
Konkurrenten abzugrenzen.
54
bbb) Damit wird die Beratungsstärke der "S-Apotheken" in den Anzeigen von deren
Inhabern und somit auch vom Beklagten zwar besonders herausgestellt. Eine solche
Hervorhebung der eigenen Leistung ist aber der Werbung immanent und deshalb in der
Regel nicht zu beanstanden. Eine solche Werbung ist ausnahmsweise nur dann
unlauter, wenn damit die Betonung einer Abgrenzung und die Herabwürdigung von
Konkurrenten verbunden wird. Das ist hier nicht festzustellen. Diese Hervorhebung
sollte sich ohnehin nur auf die im Rahmen der beworbenen Aktionen zu erwartenden
Beratungsleistungen der genannten Apotheken beziehen. Entscheidend kommt aber
hinzu, dass bei dem Hinweis auf die eigene Beratungsstärke weder ausdrücklich noch
konkludent auf die Leistung der Konkurrenten überhaupt Bezug genommen wurde (vgl.
dazu BGH GRUR 1987, 178, 180 – Guten Tag-Apotheke II). Der Hinweis auf eine
"qualifizierte" Leistung unterstreicht die Qualität der eigenen Leistung, besagt aber nicht,
dass Mitbewerber keine qualifizierten Leistungen erbringen (OLG Koblenz GRUR 1989,
129, 130). Eine Herabwürdigung der nicht erwähnten anderen Apotheken könnte sich
dann allenfalls als ein Reflex der ausschließlichen Erwähnung der besonderen
Fähigkeiten der "S-Apotheker" ergeben, was für ein wettbewerbswidriges Verhalten
insoweit nicht ausreicht.
55
3) Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 3 UWG. Weder bei der
Behauptung "Beratung ist unsere Stärke" noch bei der Bezeichnung der beteiligten
Apotheken als "S-Apotheken" handelt es sich um irreführende Angaben im Sinne dieser
Vorschrift.
56
a) Unter Angaben sind objektiv nachprüfbare Aussagen zu verstehen. Diese liegen hier
vor. Man kann es nachprüfen, ob die "S-Apotheken" im Rahmen der Aktionen
besonders (gut) beraten oder nicht. Nachprüfbar ist auch, ob und welche Apotheken sich
zu dem Apotheken – S zusammengeschlossen haben und welche Konsequenzen sich
57
daraus für sie ergeben.
b) Irreführend sind Angaben, wenn die Gefahr besteht, dass sie von einer nicht
unerheblichen Zahl der angesprochenen Verkehrskreise falsch verstanden werden.
Wann eine solche Zahl erreicht ist, kann nur im Einzelfall bestimmt werden. Es ist auch
nicht zwingend erforderlich, dass die Angaben objektiv falsch sind. Es reicht aus, wenn
die Angaben zwar richtig sind, aber die Gefahr besteht, dass sie falsch verstanden
werden. Dann müsste aber der Anteil der Irregeführten erheblich höher liegen als bei
einer falschen Angabe. Letztlich entscheidend ist, welchen Inhalt die angesprochenen
Verkehrskreise der Anzeige entnehmen und ob dieser mit der Wirklichkeit übereinstimmt
(BGH GRUR 1998, 949, 950 – D-Netz-Handtelefon).
58
aa) Im Hinblick auf die Angabe "S-Apotheken" entnehmen die Verkehrskreise der
Angabe nicht, dass es sich um einen festen Zusammenschluss von Apotheken handelt,
der mit einer besonderen Leistungsstärke im Wettbewerb, insbesondere günstigen
Preiskalkulationsmöglichkeiten einhergeht. Sie gehen vielmehr davon aus, dass es sich
um einen Beratungsring handelt. Das kann der Senat selbst beurteilen, weil seine
Mitglieder auch zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen.
59
Das verwendete Bild des Ringes allein kann bei dem durchschnittlich informierten,
aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, auf den es ankommt
(EuGH, NJW 1998, 3183 – Gut Springenheide), nicht den Eindruck eines festen
Zusammenschlusses vermitteln, der Einkauf und Preisgestaltung mitumfasst. In diesem
Zusammenhang wird üblicherweise nicht an einen Ehering gedacht, sondern an im
Wirtschaftsleben gängigere Begriffe wie Musterring, Werbering, Lesering, Ring - Foto
und andere, die die Art und auch die Festigkeit der jeweiligen Verbindung offen lassen.
In den Anzeigen sind alle betroffenen Apotheker selbständig mit ihren Apotheken
aufgeführt und in der zweiten Anzeige von September 2000 ist diese Selbständigkeit in
dem verwendeten Sternchenhinweis noch einmal besonders betont. Entscheidend ist
aber auch hier, dass jeweils nur von einer bestimmten "S-Apotheken-Aktion" die Rede
ist. Diese erkennbar im Vordergrund der Anzeigen stehende Aktion deutet im
Gesamtzusammenhang auf einen Zusammenschluss selbständiger Apotheken zur
Durchführung gemeinsamer Beratungsaktionen hin, also auf einen Beratungsring. Mehr
lässt sich den Anzeigen nicht entnehmen. Da es ersichtlich nicht um eine gemeinsame
Verkaufswerbung geht, liegt ein Hinweis auf einen umfassenden Zusammenschluss mit
günstigen Einkaufsmöglichkeiten und damit günstigen Preisen für den Verbraucher fern.
60
bb) Auch die Angabe "Beratung ist unsere Stärke" ist nicht irreführend.
61
aaa) Es kommt auch hier zunächst wieder darauf an, wie sie von dem Verbraucher
verstanden wird. Die Beratung bezieht sich aus dessen Sicht jeweils auf die in der
Werbung besonders hervorgehobene Aktion. Die Werbung wird nicht so verstanden,
dass die "S-Apotheker" ständig besser beraten als andere Apotheker. Eine so weit
gehende objektive Aussage entnimmt der dem oben genannten Bild entsprechende
Verbraucher, der im Umgang mit Werbesprüchen erfahren ist, einem solchen Slogan
nicht. Durch den erkennbaren Zusammenhang mit der bestimmten Aktion und die
Aufforderung, sich zu dem Thema beraten zu lassen, wird die besondere
Beratungskompetenz zwangsläufig in Zusammenhang mit der angebotenen speziellen
Beratung im Rahmen der Sonderaktionen gesehen.
62
bbb) Es ist auch nicht festzustellen, dass eine solche "starke" aktionsgerechte Beratung
63
entgegen der Werbeaussage nicht durchgeführt wird. Der Beklagte hat im einzelnen
unter Hinweis auf Eigeninitiative, verschiedene Fortbildungsveranstaltungen und die
Schulung des Personals dazu vorgetragen, dass zu den ausgewählten Themen
tatsächlich eine besondere Vorbereitung und Beratung stattfindet.
Das Gegenteil hat die beweispflichtige Klägerin nicht dartun können.
64
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
65
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711
ZPO.
66