Urteil des OLG Hamm vom 25.04.2003

OLG Hamm: treu und glauben, fristablauf, wohnung, einbruchdiebstahl, verweigerung, feststellungsklage, versicherungsvertrag, abrede, leistungsklage, rückzahlung

Oberlandesgericht Hamm, 20 W 28/02
Datum:
25.04.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
20 W 28/02
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 15 O 239/02
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Landgerichts
Münster vom 19. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
Gründe:
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I.
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Die Klägerin begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Klage, mit der sie die Verpflichtung der
Beklagten festgestellt wissen will, den Schaden aus einem Einbruchdiebstahl vom
04.05.2001 in ihre Wohnung auszugleichen.
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Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Hausrat-Versicherung.
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Unter dem 07.05.2001 zeigte die Klägerin der Beklagten einen Wohnungseinbruch an
und machte Versicherungsleistungen geltend.
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Die Beklagte hatte "subjektive Bedenken”, die sich auf den Lebensgefährten der
Klägerin bezogen. Sie gab ein kriminaltechnisches Gutachten in Auftrag. Der von ihr
beauftragte kriminaltechnische Sachverständige Y kam in seinem Gutachten vom
14.07.2001 zu dem Ergebnis, daß die Tür zur Wohnung der Klägerin nicht gewaltsam
geöffnet worden sei; bei den an der Tür deutlich sichtbaren Spuren handele es sich um
Scheinspuren.
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Die Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom 23.07.2001 Versicherungsleistungen
für den Einbruchdiebstahlschaden vom 04.05.2001 ab.
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Sie wies die Klägerin zugleich darauf hin, daß diese ihren vermeintlichen Anspruch
binnen einer Frist von 6 Monaten ab Zugang des Ablehnungsschreibens gerichtlich
geltend machen müsse, andernfalls unabhänigig von einem etwaigen Bestehen des
vermeintlichen Anspruchs allein aus Fristgründen gemäß § 12 III VVG Leistungsfreiheit
eintrete.
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Gleichzeitig erklärte die Beklagte im Schreiben vom 23.07.2001 die außerordentliche
Kündigung des Versicherungsvertrages mit sofortiger Wirkung. Darüber hinaus kündigte
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sie an, Ansprüche auf Ersatz der durch das Gutachten Y entstandenen Kosten geltend
zu machen.
Das Schreiben vom 23.07.2001 wurde der Klägerin am 25.07.2001 per
Einschreiben/Rückschein zugestellt.
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Mit Schreiben vom 30.07.2001 bezifferte die Beklagte ihren Schadensersatzanspruch
mit 1.342,12 DM.
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Per Fax vom 01.08.2001 meldete sich der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin bei der
Beklagten und kündigte an, Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen und sodann eine
umfangreiche Stellungnahme abgeben zu wollen.
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Daraufhin antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 03.08.2001 an den
Prozeßbevollmächtigten der Klägerin:
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"Wir sind damit einverstanden, die von Ihrer Mandantin geforderte Rückzahlung
von 1.342,12 DM Sachverständigenkosten unter dem Gesichtspunkt eines
Schadenersatzanspruches aus § 823 Abs. 2 BGB, 265 StGB bis zum Abschluß der
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zurückzustellen.”
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Die Staatsanwaltschaft Bielefeld (Az. 51 Js 481/01) ließ die Wohnungstür der Klägerin
erneut kriminaltechnisch untersuchen (Gutachten LKA NRW vom 14.03.2002) und teilte
der Klägerin sodann unter dem 02.04.2002 die Einstellung des gegen sie gerichteten
Ermittlungsverfahrens (§ 170 Abs. II StPO) mit.
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Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 09.04.2002 an
die Beklagte, zeigte die Einstellung des Ermittlungsverfahrens an und äußerte die
Erwartung, daß nunmehr die Leistung aus dem Versicherungsvertrag erfolge.
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Die Beklagte reagierte mit Schreiben vom 11.04.2002 und verwies auf den Ablauf der
gemäß § 12 Abs.III VVG gesetzten Frist.
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Die Parteien streiten darüber, ob die im Guachten des LKA NRW vom 14.03.2002
beschriebenen Spuren auf der Fallenschräge an der Wohnungstür der Klägerin bereits
bei der Begutachtung durch den kriminaltechnischen Sachverständigen Y vorhanden
waren oder ob sie nachträglich erzeugt worden sind.
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Die Klägerin hat in der am 23.05.2002 eingegangenen Klage die Ansicht vertreten, es
sei treuwidrig, wenn sich die Beklagte auf den Fristablauf berufe. Sie habe das
Schreiben der Beklagten vom 03.08.2001 dahin verstehen dürfen, daß diese nicht nur
ihre Forderungen bis zum Abschluß des Ermittlungsverfahrens zurückstelle, sondern
daß sich auch die Fristsetzung erledigt habe. Diesen Eindruck habe die Beklagte
erweckt.
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Die Klägerin hat Prozeßkostenhilfe für den Antrag begehrt
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festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Schaden aus dem
Einbruchdiebstahl vom 04.05.2001 in ihre Wohnung auszugleichen.
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Die Beklagte hat die Zurückweisung des Prozeßkostenhilfegesuchs beantragt.
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Das Landgericht hat durch den am 06.08.2002 zugegangenen Beschluß
Prozeßkostenhilfe verweigert.
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Dagegen richtet sich die am 28.08.2002 eingegangene Beschwerde der Klägerin.
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Sie macht geltend, sie habe aufgrund des Schreibens vom 03.08.2001 durchaus
"hoffen” können, die Beklagte werde ihre gesamte Auffassung bezüglich der
Verweigerung von Versicherungsleistungen ändern. Das Verhalten der Beklagten, die
das für sie, die Klägerin, günstige LKA-Gutachten angreife, zeige, daß die Beklagte ihre
gesamte Haltung vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens habe abhängig machen
wollen.
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II.
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Die eingelegte Beschwerde ist als sofortige Beschwerde zulässig.
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Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die eingereichte Klage keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).
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1) Es fehlt bereits an der Zulässigkeit der Feststellungsklage (§ 256 Abs. I ZPO). Die
Klägerin hat kein besonderes Feststellungsinteresse dargelegt. Es ist nicht ersichtlich,
warum sie nicht in der Lage sein sollte, eine bezifferte Leistungsklage zu erheben.
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2) Darüber hinaus ist die Klage auch deshalb nicht erfolgversprechend, weil die
Beklagte nicht gehindert ist, sich auf den Fristablauf (§ 12 III VVG) zu berufen.
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Die Klägerin war durch das ihr am 25.07.2001 zugegangene Schreiben vom 23.07.2001
auf die Rechtsfolge des § 12 III Satz 1 VVG hingewiesen und korrekt belehrt worden.
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Im Schreiben der Beklagten vom 03.08.2001 an den Anwalt der Klägerin kündigte diese
ausschließlich die Zurückstellung ihrer Forderungen bis zum Abschluß des
Ermittlungsverfahrens an. Das Schreiben bezieht sich in keiner Weise auf die bereits
abgelehnten Ansprüche der Klägerin auf Versicherungsleistungen, so daß es kein
Vertrauen der - anwaltlich vertretenen - Klägerin dahin begründete, die Fristsetzung sei
gegenstandslos geworden. Daß die Klägerin "gehofft” hat, die Beklagte werde ihre
Verweigerungshaltung nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens ändern, stellt keinen
von der Beklagten gesetzten Vertrauenstatbestand dar, der sie nach Treu und Glauben
hindern würde, sich auf den Fristablauf zu berufen.
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Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß die Beklagte weiterhin den Einbruch
bestreitet und die festgestellten Spuren für nachträglich erstellt hält. Die Beklagte ist
nicht gehindert, den Versicherungsfall dem Grunde nach in Abrede zu stellen und sich
überdies auf den Fristablauf zu berufen.
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