Urteil des OLG Hamm vom 25.10.2007

OLG Hamm: bedürftige partei, vergütung, abrechnung, verfahrenskosten, anwaltskosten, sorgerecht, datum, hauptsache

Oberlandesgericht Hamm, 6 WF 199/07
Datum:
25.10.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 WF 199/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Borken, 35 F 56/06
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) vom 21.05.2007 wird der
Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Borken vom 24.04.2007
abgeändert.
Die Erinnerung der Beteiligten zu 1.) vom 26.03.2007 gegen den
Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts –Familiengericht- Borken vom
19.03.2007 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten
werden nicht erstattet.
Gründe:
1
Die gemäß §§ 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der
Beteiligten zu 2.) als Vertreterin der Landeskasse (vgl. OLG Koblenz FamRZ 1985, 619)
ist auch in der Sache begründet.
2
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass grundsätzlich eine
einheitliche Abrechnung der Prozesskostenhilfegebühren durch Addition der
Einzelgegenstände zu erfolgen hat, die in sachlich zusammenhängenden und sinnvoller
Weise gemeinsam anhängig zu machenden, aber getrennt geführten Verfahren
entstanden sind. Dem steht auch nicht entgegen, dass prozessrechtlich verschiedene
Streitgegenstände vorliegen, in beiden Verfahren gesondert Prozesskostenhilfe
bewilligt worden ist, gesonderte Aktenzeichen vergeben und getrennte Akten geführt
worden sind (vgl. etwa -6 WF 228/05- und –6 WF 24/07-). Dies ist Ausfluss des Gebots
der Kosten sparenden Prozessführung, das eine Partei, die öffentliche Mittel für die
Prozessführung in Anspruch nimmt, zu beachten hat.
3
Eine getrennte Abrechnung ist nach der Senatsrechtsprechung nur dann zulässig, wenn
vernünftige und nachvollziehbare Gründe eine getrennte Verfolgung der Interessen
notwendig machen und dem Rechtsanwalt kein vorwerfbarer Verstoß gegen das Gebot
4
der Kosten sparenden Prozessführung gemacht werden kann (vgl. etwa -6 WF 349/06-, -
6 WF 284/05- und -6 WF 466/05-). Abzustellen ist auf die Sicht einer auf sparsame
Prozessführung bedachten Partei und damit auf die Frage, ob auch eine Partei, die die
Verfahrenskosten selbst zu tragen hat, hier zwei unterschiedliche Rechtsstreitigkeiten
anhängig gemacht und von einer gemeinsamen Prozessführung Abstand genommen
hätte.
Unter Beachtung dieser Prämisse war hier die Einleitung zweier gesonderter Verfahren
betreffend die Regelung des Sorgerechts einerseits und die Regelung des
Umgangsrechts andererseits nicht angezeigt.
5
Der Kindesvater hat im Verfahren –35 F 50/06- AG Borken zunächst mit Schreiben vom
07.06.2006 die Übertragung des Sorgerechts für die Kinder K und M auf seine Person
beantragt. Hierauf hat die Beteiligte zu 1.) als Verfahrensbevoll-mächtigte der
Kindesmutter mit Schriftsatz vom 22.06.2006 reagiert und beantragt, unter
Zurückweisung des Antrags des Kindesvaters das Sorgerecht für die Kinder auf die
Kindesmutter zu übertragen. Mit Schriftsatz selben Datums hat sie das Verfahren –35 F
56/06- AG Borken mit einem Antrag auf Regelung des Umgangsrechtes des
Kindesvaters eingeleitet. Letzterer Antrag wäre zur Vermeidung von zusätzlichen
Verfahrenskosten jedoch ebenfalls zur Sache 35 F 50/06- AG Borken anzubringen
gewesen. Es ist kein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund ersichtlich, der hier eine
getrennte Verfolgung der beiden von der Kindesmutter geltend gemachten Anträge
geboten hätte. Denn beide Anträge wurden maßgeblich auf die vorgetragene
psychische Erkrankung des Kindesvaters gestützt. Die Frage nach dem Vorliegen einer
solchen gesundheitlichen Beeinträchtigung des Kindesvaters war daher sowohl für das
Sorge- als auch für das Umgangsrechtsverfahren als entscheidungserheblicher Punkt
gleichermaßen zu klären. Dementsprechend wurden im Termin am 14.11.2006 auch
beide Verfahren zusammen verhandelt. Auch die jeweils in der Hauptsache ergangenen
Beschlüsse des Amtsgerichts vom 05.01.2007 sind im wesentlichen auf die selben
Gründe gestützt. Die (identischen) entscheidungserheblichen Fragen hätten daher in
einem Verfahren sowohl hinsichtlich des Sorge- als auch hinsichtlich des
Umgangsrechtes geklärt werden können.
6
Einer Abrechnung der der Beteiligten zu 1.) aus der Landeskasse zu zahlenden
Vergütung nach einem zusammengefassten Streitwert steht auch nicht entgegen, dass
der Rechtspfleger (hier gem. § 55 Abs. 1 S. 1 RVG handelnd als Urkundsbeamter der
Geschäftsstelle) an die Entscheidung des Gerichtes gebunden wäre, dass zwei
Verfahren mit zwei unterschiedlichen Prozesskostenhilfe-bewilligungen durchgeführt
worden sind.
7
Der nach § 121 ZPO beigeordnete Rechtsanwalt erhält aus der Landeskasse gemäß §
45 RVG die gesetzliche Vergütung, also die im RVG geregelte Vergütung des
Wahlanwalts mit den sich aus dem RVG ergebenden Einschränkungen. Der
Rechtsanwalt muss sich deshalb einen Verstoß gegen seine vertraglichen
Anwaltspflichten von der Staatskasse vorhalten lassen, da diese für die Vergütung nur
als Hilfsschuldnerin und mithin nicht weitergehend einzustehen hat, als die Partei selbst
zur Zahlung verpflichtet wäre. Ein Anspruch ist immer dann ausgeschlossen, wenn der
Rechtsanwalt einen Gebührenanspruch gegen die Partei – wäre nicht
Prozesskostenhilfe bewilligt worden – aus Rechtsgründen nicht durchsetzen könnte.
Denn der Sinn des Prozesskostenhilfeverfahrens ist es, die bedürftige Partei von der
Verpflichtung zur Tragung der Anwaltskosten zu befreien, nicht aber, den
8
Honoraranspruch des Anwalts zu sichern (OLG Karlsruhe MDR 1992, 619; AnwK-
RVG/Schnapp § 45, Rn 42). Die bedürftige Partei (und auch deren Rechtsanwalt) soll
durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht besser gestellt werden als eine
solche, die die Verfahrenskosten selbst zu tragen hätte. Der Einwand, pflichtwidrig
Kosten verursacht zu haben, kann somit auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach
§§ 44 ff. RVG geprüft werden (OLG München JurBüro 1993, 617, 618; OLG Düsseldorf
JurBüro 1986, 387). Die Beteiligte zu 1.) hat folglich gegenüber der Landeskasse keinen
Anspruch auf Festsetzung von Gebühren, die sie gegenüber der von ihr vertretenen
Partei –falls dieser Prozesskostenhilfe nicht bewilligt worden wäre- ebenfalls nicht
durchsetzen könnte.
Es verbleibt daher bei der im Festsetzungsbeschluss vom 19.03.2007 vorgenommenen
gemeinsamen Abrechnung der Verfahren –35 F 50/06- und –35 F 56/06- AG Borken.
9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 u. 3 RVG.
10