Urteil des OLG Hamm vom 02.12.2009

OLG Hamm (grundsteuer, nebenkosten, betriebskosten, anlage, pächter, pachtvertrag, auflage, schwimmbad, ausdrücklich, verbindung)

Oberlandesgericht Hamm, 30 U 93/09
Datum:
02.12.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
30. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
30 U 93/09
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 1 O 364/08
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. Mai 2009 verkündete
Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum
abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
1
I.
2
Die Klägerin ist Verpächterin, die Beklagte ist Pächterin eines Erlebnisschwimmbads
mit Wellness-Anlage auf dem Grundstück B-Straße in G2. Am 19. Dezember 2002
schlossen die Parteien einen Pachtvertrag; seinerzeit firmierte die Beklagte, wie die
Parteien im Senatstermin unstreitig gestellt haben, unter der Firma G GmbH & Co. KG.
In dem Pachtvertrag heißt es u. a.:
3
"§ 13 Betriebskosten
4
1. Die Pächterin trägt spätestens ab dem Betriebsbeginn (§ 5 Absatz 3) in vollem
Umfang sämtliche Betriebs- und Nebenkosten.
5
§ 22 Schlussbestimmungen
6
[...]
7
3. Die Vertragsparteien verpflichten sich, eine unwirksame Bestimmung des
Vertrages durch eine andere rechtswirksame zu ersetzen, durch die möglichst
8
derselbe rechtliche und wirtschaftliche Erfolg erreicht wird. Gleiches gilt für etwaige
Vertragslücken."
Wegen der weiteren Einzelheiten des Pachtvertrages wird auf die Anlage K 1 zur
Klageschrift verwiesen (Bl. 9 ff. GA).
9
Dem Pachtvertrag vom 19. Dezember 2002 lag u. a. die Wirtschaftlichkeitsprognose
vom 15. August 2001 an (Bl. 9 GA). Die Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15. August
2001 ist die Fortschreibung der Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000
(Anlage B 3 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Oktober 2008); letztere
wurde ausweislich Seite 1 der Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 von der
Klägerin in Auftrag gegeben.
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In der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 ist bei den Ausgaben
eine Position Grundsteuer nicht aufgeführt. Aufgeführt sind u. a. "Müll-Gebühren etc." mit
einem Betrag von 30.000,00 DM sowie Versicherungen mit einem Betrag von
100.000,00 DM (s. Seite 4 der Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000).
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Ferner ist eine Position Grundsteuer nicht aufgeführt in einer Kostenaufstellung der
Klägerin, welche der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose beigefügt war (Anlage B 4 zum
Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Oktober 2008, Bl. 41 GA). Auch in der zweiten
Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15. August 2001 ist bei den Ausgaben eine Position
Grundsteuer nicht aufgeführt.
12
Erstmals am 13. Februar 2008 erließ die Klägerin an sich selbst für die Jahre 2005 bis
einschließlich 2008 einen Bescheid über Grundbesitzabgaben (Grundsteuer B) für den
in Rede stehenden Grundbesitz. Nach diesem Bescheid beläuft sich die Grundsteuer
auf jährlich 39.789,11 EUR , d. h. auf 9.947,27 EUR je Quartal. Grund für die verzögerte
Erhebung der Grundsteuer war, dass es zu einer Verzögerung bei der Festsetzung des
Grundsteuermessbetrages gekommen war, wofür nicht die Klägerin, sondern das
Finanzamt zuständig ist (Bl. 3 f. GA).
13
Mit Schreiben vom 13. Februar 2008 forderte die Klägerin die Beklagte zur Erstattung
der Grundsteuer für die Jahre 2005 bis einschließlich 2008 in Höhe von insgesamt
159.156,44 EUR (= 4 x 39.789,11 EUR) auf.
14
Im Wege der Teilklage verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung eines
erstrangigen Teilbetrages in Höhe von 6.000,00 EUR für Grundsteuer des Jahres 2008.
15
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, nach § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages müsse
die Beklagte auch die Grundsteuer erstatten. Jedenfalls aber ergebe sich dies aus § 22
Nr. 3 des Pachtvertrages, wonach bei Vertragslücken eine Bestimmung zu treffen sei,
durch die möglichst derselbe wirtschaftliche Erfolg erreicht werde.
16
Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht, nach dem Mietvertrag schulde sie
nicht die Erstattung der Grundsteuer; § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages sei nicht hinreichend
bestimmt. Die Umlage von Betriebskosten bedürfe einer inhaltlich bestimmten und
eindeutigen Vereinbarung. Daran fehle es im Streitfall. Ferner hat die Beklagte unter
Beweisantritt behauptet, die Parteien seien sich darüber einig gewesen, dass die Pflicht
zur Tragung der Grundsteuer bei der Klägerin bleiben solle.
17
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, ein durchschnittlicher gewerblicher Pächter müsse § 13 Nr. 1 des
Pachtvertrages dahin verstehen, dass alle in der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der Zweiten
Berechnungsverordnung (II. BV) aufgeführten Betriebskosten erfasst seien, wozu auch
die Grundsteuer gehöre. Wegen der weiteren Urteilsbegründung und der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf das angefochtene
Urteil (Bl. 95 ff. GA) verwiesen.
18
Mit ihrer Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, das Landgericht habe
den Pachtvertrag fehlerhaft ausgelegt.
19
Die Beklagte beantragt,
20
das am 25. Mai 2009 verkündete Urteil des Landgerichts Bochum
21
(I-1 O 364/08) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
22
Die Klägerin beantragt,
23
die Berufung zurückzuweisen.
24
Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Begründung.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in dieser Instanz wird
auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen; diese sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat gewesen.
26
II.
27
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht gegen die
Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der mit der zulässigen Teilklage geltend
gemachten Grundsteuer für das Jahr 2008 zu.
28
1.
29
Ein Anspruch aus § 581 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 13 Nr. 1 des
Pachtvertrages vom 19. Dezember 2002 besteht nicht.
30
a)
31
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Bestimmung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages, wonach
die Beklagte "in vollem Umfang sämtliche Betriebs- und Nebenkosten trägt", inhaltlich
hinreichend bestimmt ist.
32
Nebenkosten können mit dem Pächter nur dann gesondert abgerechnet werden, wenn
dies in dem Vertrag klar und eindeutig geregelt ist. Die vereinbarte Pachtstruktur muss
erkennen lassen, dass der Pächter die Nebenkosten ganz oder anteilig neben der
Grundpacht für die Überlassung des Pachtobjekts tragen soll (vgl. BGH NJW-RR 2006,
84; BGH ZMR 1970, 47; OLG Düsseldorf NZM 2001, 588; OLG Düsseldorf NZM 2002,
70; OLG Düsseldorf ZMR 2003, 109; KG KG-Report Berlin 2004, 21). Diese
Voraussetzung ist grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn die Absprache über die
33
Nebenkostenumlage dem schuldrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz im Sinne des §
241 BGB a. F . bzw. § 241 Abs. 1 BGB n. F. entspricht und die nach dem Willen der
Parteien abrechungsfähigen Nebenkosten inhaltlich konkretisiert oder jedenfalls
eindeutig bestimmbar bezeichnet sind (vgl. nur OLG Düsseldorf ZMR 2003, 109 m. w.
N.). Der Pächter muss sich anhand des Vertrages ein grobes Bild davon können,
welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen (vgl. BGH NJW-RR 2006, 84; Thüringer
OLG NZM 2002, 70; OLG Düsseldorf NZM 2001, 588; OLG Celle ZMR 1999, 238; OLG
Hamm ZMR 1997, 285; Beyerle, in: Lindner-Figura/Oprée/Stellmann,
Geschäftsraummiete, 2. Auflage 2008, Kap. 11 Rn. 41 f.; Schmidt-Futterer/Langenberg,
Mietrecht, 9. Auflage 2007, § 536 Rn. 35).
Vorliegend sind jedoch die von der Beklagten zu zahlenden Betriebs- und Nebenkosten
nicht näher eingegrenzt worden. In § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages heißt es ohne jede
weitere Erläuterung lediglich, dass "sämtliche" Betriebs- und Nebenkosten" von der
Pächterin zu tragen sind. Auch die weiteren Worte "in vollem Umfang" lassen nicht
erkennen, welche konkreten Betriebs- und Nebenkosten gemeint sind; durch diese
Formulierung ist lediglich klar gestellt, dass die Beklagte jeweils 100 %, nicht aber etwa
nur einen Anteil der umlagefähigen Kosten zahlen muss.
34
b)
35
Auch nach dem Wortlaut von § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages verbleiben Zweifel daran, ob
die Grundsteuer von der Formulierung "sämtliche Betriebs- und Nebenkosten" erfasst
ist.
36
Unter "Betriebskosten" fallen Grundsteuern nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht.
"Betriebskosten" sind vielmehr solche Kosten, die durch den Betrieb des Pachtobjekts
verursacht werden, etwa Heizkosten. Die Grundsteuer ist hingegen eine Steuer auf das
Eigentum an Grundstücken und deren Bebauung, also eine Substanzsteuer (vgl. Art.
106 Abs. 6 GG); sie wird nicht durch den Betrieb des Objekts verursacht.
37
Auch lässt sich nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen, dass im Streitfall die
Grundsteuer unter "Nebenkosten" im Sinne von § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages
subsumiert werden kann. Da "Betriebskosten" und "Nebenkosten" regelmäßig als
Synonym verwandt werden, ist nicht auszuschließen, dass auch im Streitfall die
Parteien den Worten "Nebenkosten" und Betriebskosten" keine unterschiedliche
Bedeutung beigemessen haben (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf ZMR 2003, 109).
Jedenfalls fehlt dazu, wie im Senatstermin erörtert worden ist, konkreter Vortrag der
insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin.
38
Zudem spricht gegen eine Subsumtion der Grundsteuer unter "sämtliche Betriebs- und
Nebenkosten", dass die Parteien in § 13 Nr. 1 des Vertrages nicht auf die
Betriebskosten im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 II. BV verwiesen haben, wodurch
automatisch auch die Grundsteuer erfasst gewesen wäre (vgl. Nr. 1 der Anlage 3 zu
§ 27 Abs. 1 II. BV). Dabei verkennt der Senat nicht, dass die - nur - für die
Wohnraummiete geltende Definition der Betriebskosten in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.
in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 1 II. BV (zum Anwendungsbereich des § 556 BGB
vgl. nur Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Auflage 2009, § 556 Rn. 2) unter Umständen
auch bei gewerblichen Miet- oder Pachtverhältnissen im Rahmen der
Vertragsauslegung herangezogen werden kann (vgl. Beyerle, in: Lindner-
Figura/Oprée/Stellmann, a. a. O., Kap. 11 Rn. 5; Schmidt-Futter/Langenberg, a. a. O., §
39
556 Rn. 74). Jedoch ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die Auslegung einer
Vorschrift, welche die Verhältnisse von Wohnungen mit preisgebundener Miete regeln
will, nicht ohne weiteres für eine Vertragsklausel maßgebend sein kann, welche
Vertragspartner, die durch solche Bestimmungen nicht eingeschränkt sind, frei
ausgehandelt haben; dies ist in erster Linie einer Frage der Kalkulation der Miete bzw.
Pacht (vgl. BGH WM 1970, 95; Thüringer OLG NZM 2002, 70; OLG Düsseldorf NJW-RR
1991, 1354). So liegt der Fall auch hier. Hier geht es um gewerbliche Pacht; der
Beklagten kam es, was für die Klägerin auch ohne weiteres erkennbar war, darauf an,
welche Gesamtpacht sie im Ergebnis zahlen musste; aus welchen Positionen sich die
Gesamtpacht zusammensetzte, war von nebensächlicher Bedeutung. Zudem hätte die
Klägerin es in der Hand gehabt, auf einer eindeutigen Regelung hinsichtlich der
Grundsteuern zu bestehen, etwa in der Weise, dass die Beklagte "sämtliche
Betriebskosten im Sinne der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV" zu tragen hat; dies ist aber
nicht geschehen.
Auch der Umstand, dass die Regelung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages, wie im
Senatstermin unstreitig geblieben ist, aus der Feder der Beklagten stammt, führt nicht
dazu, dass nach der Unklarheitenregel (§ 305 c Abs. 2 BGB) davon auszugehen ist,
dass unter "sämtliche Betriebs- und Nebenkosten" auch die Grundsteuer fällt. Es gibt
schon keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Regelung in § 13
Nr. 1 des Pachtvertrages um eine allgemeine Geschäftsbedingung (vgl. §§ 305 ff. BGB)
handelt; auch die Klägerin macht nicht geltend, es handele sich bei der Bestimmung in §
13 Nr. 1 des Pachtvertrages um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Zwar betreibt die
Beklagte, wie im Senatstermin erörtert worden ist, mehrere Erlebnisbäder der hier in
Rede stehenden Art. Jedoch gibt es für jedes Objekt ein jeweils darauf abgestimmtes
Vertragswerk; so gibt es z. B. Verträge, in denen hinsichtlich der Betriebskosten auf § 27
Abs. 1 II. BV verwiesen ist; auch gibt es Verträge, in denen - anders als im Streitfall -
ausdrücklich geregelt ist, dass die Beklagte die Grundsteuer zu erstatten hat. Nach der
unwidersprochenen Darstellung der Beklagten im Senatstermin ist die Formulierung der
jeweils maßgeblichen Klausel zu den Betriebskosten davon abhängig gewesen, wie die
Gesamtpacht kalkuliert ist.
40
c)
41
Auch das eigene Verständnis der Klägerin von § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages spricht
dagegen, dass von dieser Vertragsklausel die Grundsteuer erfasst ist.
42
Die Vertreterin der Klägerin hat im Senatstermin angegeben, dass diejenigen Vertreter
der Klägerin, die mit dem Abschluss des Pachtvertrages befasst gewesen seien, die
Regelung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages seinerzeit dahin verstanden hätten und auch
dahin hätten verstanden wissen wollen, dass alle laufenden Kosten, welche die
Klägerin hätte tragen müssen, wenn sie selbst - anstelle der Beklagten - weiterhin das
Schwimmbad betrieben hätte, auf die Beklagte abgewälzt werden; die Klägerin habe mit
der Regelung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages das vollständige Betriebsrisiko auf die
Beklagte überwälzen und damit sicher stellen wollen, dass die Beklagte alle Kosten
übernehme, die ansonsten die Klägerin hätte tragen müssen. Die Klägerin hätte aber,
wenn sie selbst das Schwimmbad weiter betrieben und nicht an die Beklagte verpachtet
hätte, keine Grundsteuer zahlen müssen. In diesem Falle wäre sie, wie im Senatstermin
erörtert worden ist und worüber zwischen den Parteien auch Einigkeit besteht, nach § 3
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Grundsteuergesetzes (GrStG) von der Zahlung der Grundsteuer
befreit gewesen. Nach dieser Bestimmung ist von der Grundsteuer befreit nämlich
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solcher Grundbesitz, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen
Rechts für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch genutzt wird. Dies ist hier der Fall;
die Klägerin ist eine inländische Person des öffentlichen Rechts; zum öffentlichen
Gebrauch dient auch eine Badeanstalt oder ein Schwimmbad (vgl. dazu nur Troll/Eisele,
Grundsteuergesetz, 9. Auflage, § 3 Rn. 19).
d)
44
Eine Verkehrssitte oder einen Handelsbrauch dahin, dass der Pächter auch die
Grundsteuer zu erstatten hat, wenn vereinbart ist, dass der Pächter "sämtliche Betriebs-
und Nebenkosten" zu zahlen hat, existiert nicht; Nebenkosten hat der Pächter nach §§
581 Abs. 2, 535 Abs. 1 Satz 3 BGB nur zu tragen, wenn und soweit dies in dem
Mietvertrag ausdrücklich und eindeutig vereinbart ist; einen anerkannten Betriff der
Nebenkosten gibt es nicht (vgl. nur OLG Düsseldorf ZMR 1984, 20). Wie auch der Senat
aus einer Vielzahl von Verfahren weiß, ist es letztlich eine Frage der Gesamtkalkulation,
welche Kosten auf den Pächter abgewälzt werden. Sowohl für den Verpächter als auch
für den Pächter ist entscheidend, welche Gesamtpacht zu zahlen ist; aus welchen
einzelnen Positionen die Gesamtpacht sich zusammensetzt, ist nur von
nebensächlicher Bedeutung.
45
e)
46
Jedenfalls aber liegt im Streitfall die Besonderheit vor, dass Grundlage des
Pachtvertrages die Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15. August 2001 geworden ist und
dass diese Wirtschaftlichkeitsprognose, welche auf der ersten
Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 nebst beigefügter Kostenaufstellung
(Anlage B 4 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Oktober 2008, Bl. 41 GA)
aufbaut, die offene Regelung in § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages näher dahin
konkretisieren sollte, welche weiteren Kosten auf die Beklagte abgewälzt werden.
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Beide Wirtschaftlichkeitsprognosen und die der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose
beigefügten Kostenaufstellung der Klägerin (Anlage B 4 zum Schriftsatz der
Beklagtenvertreter vom 27. Oktober 2008, Bl. 41 GA) hatten ersichtlich den Zweck, die
Beklagte darüber zu unterrichten, welche Kosten im Falle des Vertragsschlusses sie
neben der Grundpacht zu zahlen haben würde. So wurde die erste
Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 ausweislich der Seite 1 von der
Klägerin in Auftrag gegeben. So ist auch die zweite Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15.
August 2001, welche die Fortschreibung der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16.
August 2000 darstellt, Grundlage des Pachtvertrages geworden; in dem Vorspann zum
Pachtvertrag ist ausdrücklich festgehalten, dass Anlage zum Vertrag u. a. die
Wirtschaftlichkeitsprognose vom 15. August 2001 ist (Seite 1 des Pachtvertrages, Bl. 9
GA). Dass die - zweite - Wirtschaftlichkeitsprognose Grundlage des Pachtvertrages
geworden ist, wird im Übrigen auch dadurch belegt, dass der Kämmerer der Klägerin
noch mit Schreiben vom 19. Juli 2001 mitgeteilt hat, dass er die
Wirtschaftlichkeitsprognose vom 16. August 2000 hinsichtlich der Kosten überarbeitet
habe und sich aus den beigefügten Anlagen entnehmen lasse, wie sich die
wirtschaftliche Situation für die Beklagte und die Klägerin darstelle (Anlage B 6 zum
Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Oktober 2008, Bl. 41/42 GA). Bei dieser
Sachlage hat der Senat keinerlei Zweifel daran, dass die Wirtschaftlichkeitsprognose
die Bedeutung hatte, die offen gefasste Klausel des § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages näher
dahin zu konkretisieren, welche Betriebskosten auf die Beklagte umgelegt werden
48
können, mithin den Rahmen abstecken sollte, welche weiteren Kosten die Beklagte zu
übernehmen hatte.
In beiden Wirtschaftlichkeitsprognosen - einschließlich der der ersten
Wirtschaftlichkeitsprognose anliegenden Kostenaufstellung - ist eine Position
Grundsteuer aber nicht ausgewiesen; in beiden Wirtschaftlichkeitsprognosen ist nur die
ähnliche Position "Müll-Gebühr etc." mit einem Betrag von 30.000,00 DM aufgeführt. Die
Position "Müll-Gebühr etc." kann die Grundsteuer aber nicht erfasst haben; denn allein
die Grundsteuer beläuft sich schon auf rund 40.000,00 EUR, umgerechnet rund
80.000,00 DM. Wenn aber weder in beiden Wirtschaftlichkeitsprognosen noch in der
Kostenaufstellung der Klägerin, welche der ersten Wirtschaftlichkeitsprognose beigefügt
gewesen ist, eine Position Grundsteuer erwähnt ist, spricht dies deutlich dagegen, dass
die Grundsteuer von der Beklagten zu erstatten ist.
49
Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn man weiterhin berücksichtigt, dass es sich bei der
Grundsteuer lediglich um eine "formale" Belastung auf Seiten der Klägerin handelt. Die
Klägerin ist zwar als Grundstückseigentümerin nach § 10 GrStG Schuldnerin der
Grundsteuer; die Klägerin ist aber zugleich Steuergläubigerin; die Grundsteuer steht der
Gemeinde zu (Art. 106 Abs. 6 GG, § 1 Abs. 1 GrStG). Der Umstand, dass die Klägerin
sowohl Steuergläubigerin als auch Steuerschuldnerin ist, führt zwar nicht zum
Erlöschen der Steuerschuld; der zivilrechtliche Grundsatz, dass niemand sein eigener
Schuldner sein kann, gilt im Steuerrecht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2004, III ZR
194/99). Jedoch liegt in einem solchen Falle lediglich eine formale Belastung vor; bei
wirtschaftlicher Betrachtung geht es vorliegend nämlich nicht um die Abwälzung echter,
von der Verpächterin bereits verauslagter Beträge, sondern letztlich darum, zusätzliche
Einnahmen zu erlangen. Bei dieser Sachlage ist § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages unter
Berücksichtigung der in der Wirtschaftlichkeitsprognose erkennbar gewordenen
berechtigten Interessen beider Parteien dahin auszulegen, dass die Beklagte nicht
solche Kosten übernehmen muss, welche die Klägerin im Ergebnis letztlich nicht
bezahlen muss, weil es sich insoweit nur um eine formale Belastung handelt.
50
f)
51
Unter Berücksichtigung aller erörterten Umstände lässt sich jedenfalls nicht mit der
erforderlichen Sicherheit feststellen, dass von § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages auch die
Grundsteuer erfasst ist. Dieses Ergebnis geht zu Lasten der Klägerin; diese trägt die
Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen der hinreichend sichere
Schluss gezogen werden kann, dass unter § 13 Nr. 1 des Pachtvertrages auch die
Grundsteuer fällt.
52
2.
53
Auch scheiden Ansprüche aufgrund ergänzender Vertragsauslegung oder Ansprüche
unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) aus.
54
Für eine Anpassung des Pachtvertrages aufgrund einer ergänzenden
Vertragsauslegung (§§ 133, 157, 242 BGB in Verbindung mit § 22 Nr. 3 des
Pachtvertrages) fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Wie bereits
erörtert, spricht vielmehr alles dafür, dass der Pachtvertrag dahin auszulegen ist, dass
die Klägerin die Grundsteuern nicht auf die Beklagte abwälzen kann. Aber selbst wenn
man dies zugunsten der Klägerin anders beurteilen würde, scheidet eine
55
Vertragsanpassung deshalb aus, weil diese unzulässig ist, wenn - wie dies hier der Fall
wäre - eine Regelungslücke in verschiedener Weise geschlossen werden kann und
keine Anhaltspunkte dafür bestehen, für welche Variante die Parteien sich entschieden
hätten (vgl. dazu Palandt/ Ellenberger, a. a. O., § 157 Rn. 9 m. w. N.). Welche Kosten der
Pächter zu übernehmen hat, ist, wie bereits erörtert, letztlich eine Frage der
Gesamtkalkulation.
Für eine Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gilt
das gerade zuvor Gesagte entsprechend.
56
III.
57
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
58
Die Revision ist nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne
grundsätzliche Bedeutung; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§
543 Abs. 2 ZPO).
59
Vorliegend weicht der Senat weder von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
noch von anderen obergerichtlichen Entscheidungen ab, etwa von der Entscheidung
des Kammergerichts vom 9. Dezember 2006, 12 U 117/06 (KG ZMR 2007, 449) oder der
Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 10. Januar 1997, 21 U 2464/95
(OLG München ZMR 1997, 233). Im Streitfall liegt - anders als in den gerade zitierten
Entscheidungen des Kammergerichts oder des Oberlandesgerichts München - die
Besonderheit vor, dass durch die Wirtschaftlichkeitsprognose die offene Regelung in §
13 Nr. 1 des Pachtvertrages dahin konkretisiert worden ist, welche Betriebskosten die
Beklagte übernehmen muss.
60