Urteil des OLG Hamm vom 18.10.1982

OLG Hamm (agb, treu und glauben, bundesrepublik deutschland, eug, aufrechnung, internationale zuständigkeit, hypothetischer parteiwille, kommentar, eag, zpo)

Oberlandesgericht Hamm, 2 W 29/82
Datum:
18.10.1982
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 W 29/82
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 21 O 39/82
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 10.000,- DM.
Gründe:
1
I.
2
In den Jahren 1977-1980 unterhielt die Beklagte - eine belgische Firma - mit den
Rechtsvorgängern der Klägerin und später mit der Klägerin eine Geschäftsverbindung.
Die Beklagte wurde mit Türzargen beliefert und erhielt aufgrund des Schreibens vom
25.5.1977 für Belgien und Luxemburg das Alleinvertretungsrecht, wobei das Jahr 1977
als Probejahr dienen sollte. Bei ihren Bestellungen verwendete die Beklagte
Auftragsformulare, die die Rechtsvorgänger der Klägerin in Abstimmung mit der
Beklagten gedruckt hatten. Die Vordrucke waren mit dem Zusatz versehen: "Für diesen
Auftrag gelten unsere allgemeinen Verkaufs-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen".
Dieser Hinweis bezog sich auf die AGB der Rechtsvorgänger der Klägerin. Nachdem
die Beklagte jeweils die Auftragsformulare ausgefüllt, unterzeichnet und übersandt
hatte, wurden die Formulare von der Klägerin - oder ihren Rechtsvorgängern -
gegengezeichnet und ein Überstück mit den beigefügten AGB an die Beklagte
zurückgesandt. Auf den für die einzelnen Lieferungen erteilten Rechnungen sind im
übrigen die AGB der Klägerin abgedruckt.
3
Mit der Klage hat die Klägerin rein rechnerisch unstreitige Kaufpreisrestansprüche in
Höhe von 119.780,40 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Demgegenüber hat die
Beklagte Mängel eingewendet und den Kaufpreis in Höhe von 23.240,- DM und 2.785,-
DM gemindert. Daraufhin hat die Klägerin die Klage um beide Teilbeträge auf 93.755,40
DM ermäßigt. Zwischen den Parteien ist nur noch eine von der Beklagten zur
Aufrechnung gestellte Gegenforderung von 940.000,- DM im Streit. In dieser Höhe hat
die Beklagte am 29.1.1981 gegen die Rechtsvorgänger der Klägerin beim
Handelsgericht Brüssel Zahlungsklage mit der Begründung erhoben, ihr stehe nach
fristloser Kündigung des Eigenhändlervertrages und nach Entzug des
Alleinvertriebsrechtes gemäß dem Belgischen Vertragshändlergesetz ein
4
Ausgleichsanspruch zu. Die Klägerin, die die Voraussetzungen eines
Ausgleichsanspruchs bestreitet, hält den in diesem Rechtsstreit erhobenen
Aufrechnungseinwand schon deswegen für unbegründet, weil ihre AGB (Ziff. 5)
folgende Klausel enthalten:
"Die Aufrechnung ist nur mit unstreitigen Gegenforderungen zulässig ...."
5
Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluß den Rechtsstreit gemäß Art. 22
EuG-ÜbK bis zur rechtskräftigen Entscheidung des beim Handelsgericht Brüssel
anhängigen Verfahrens ausgesetzt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, die
in den AGB der Klägerin enthaltene Aufrechnungsklausel verstoße gegen § 11 Nr. 3
AGBGB.
6
II.
7
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§§ 252, 567 ZPO) und
begründet.
8
Die Voraussetzungen für eine Aussetzung gemäß Art. 22 EuG-ÜbK liegen nicht vor.
9
1.
10
Das EuG-ÜbK ist allerdings anwendbar. Das Übereinkommen gilt für die sechs
ursprünglichen EWG-Staaten, also auch für Belgien und die Bundesrepublik
Deutschland, wo die Parteien ihren Sitz haben. Gemäß Art. 22 EuG-ÜbK i.V.m. § 148
ZPO (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kurzkommentar zur ZPO, 40. Aufl.
1982, Bem. zu Art. 21-23 EuG-ÜbK) muß die fremde Entscheidung - hier des
Handelsgerichts Brüssel - aber vorgreiflich sein. An dieser Voraussetzung fehlt es.
11
2.
12
Eine Vorgreiflichkeit ist schon dann zu verneinen, wenn die Klage als unzulässig
abgewiesen werden muß (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a.a.O. § 148
Bem. 1 E). Die Klage ist indessen zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher
Gericht ist gegeben. Dies folgt aus Ziff. 7 AGB - Gerichtsstand für die entstehenden
Streitigkeiten ist Münster in Westfalen - i.V.m. Art. 17 EuG-ÜbK. Ob das
Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 EuG-ÜbK gewahrt ist, kann in diesem
Zusammenhang offenbleiben. Jedenfalls kann sich die Beklagte nach Treu und
Glauben auf eine fehlende Schriftform nicht berufen. Diese ist bei einer laufenden
Geschäftsverbindung zwischen Kaufleuten entbehrlich (EuGH NJW 1977, 495; OLG
Stuttgart AWD 1980, 365). Das belgische Vertragshändlergesetz steht einer
Zuständigkeitsvereinbarung in AGB hinsichtlich der zwischen den Vertragspartnern
geschlossenen Einzellieferungsverträge nicht entgegen (Martiny, Deutsch-belgische
Vertriebsverträge, AWD 1973, 375).
13
Die beantragte Entscheidung des Handelsgerichts Brüssel ist jedoch deswegen nicht
vorgreiflich, weil der von der Beklagten geltend gemachte Gegenanspruch wegen des
Aufrechnungsausschlusses in den AGB der Klägerin in diesem Rechtsstreit
unberücksichtigt bleiben muß und somit die Gefahr widersprechender Entscheidungen
der belgischen und deutschen Gerichte nicht besteht.
14
3.
15
Die AGB der Klägerin sind Vertragsbestandteil geworden.
16
a)
17
Diese Frage richtet sich nach deutschem Recht, wenn die Rechtsbeziehungen der
Parteien - auch ohne Anwendung der AGB - dem deutschen Recht unterstehen (vgl.
Erman/Hefermehl, Kommentar zum BGB, 7. Aufl., 1981, § 2 AGBG Rnr. 7). Das ist nach
dem hypothetischen Parteiwillen zu bejahen. Haben die Parteien - wie hier - nur
Vorschriften des deutschen Rechts angeführt und erörtert und sich auch nicht dagegen
gewendet, daß das Landgericht nach deutschem Recht entschieden hat, so kann hierin
ein entscheidender Anhaltspunkt für die Annahme gesehen werden, die Anwendung
deutschen Rechts entspreche dem mutmaßlichen Willen der Vertragspartner (vgl. BGH
NJW 1962, 1005; WM 1977, 478; VersR 1978, 177; OLG VersR 1978, 918; Senat, Urteil
vom 31.1.1980 - 2 U 185/79 -). Nur die Gegenforderung wird hier von der Beklagten (vgl.
Schriftsatz vom 4.2.1982, S. 8) nach belgischem Recht beurteilt. Ob insoweit die
belgische Rechtsordnung gilt (vgl. Martiny a.a.O. AWD 1973, 375), kann hier
offenbleiben. Die Voraussetzungen der Aufrechnung und ihre Wirkung sind nach dem
Recht zu bestimmen, dem die Forderung, gegen die aufgerechnet wird, untersteht
(Palandt/Heldrich, Kurzkommentar zum BGB, 41. Aufl. 1982, Art. 12 EGGBG, Vorb. 4).
Nach den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Rechts für die Einbeziehung von
AGB unter Kaufleuten (dazu vgl. Palandt/Heinrichs a.a.O. § 2 AGBGB Bem. 6) sind die
AGB der Klägerin Inhalt des Vertragsverhältnisses geworden. In den Bestellformularen,
die die Beklagte selbst verwendet und unterzeichnet hat, wird auf die AGB hingewiesen.
Diese wurden dem jeweils von der Klägerin - oder ihren Rechtsvorgängern -
zurückgesandten Formular beigefügt. Die Klägerin hat im Rahmen der laufenden
Geschäftsbeziehungen der Parteien hinreichend ihren Willen zum Ausdruck gebracht,
die Einzellieferungsverträge nur zu ihren AGB abzuschließen. Damit hat sich die
Beklagte einverstanden erklärt, und zwar schon durch ihr Angebot, im übrigen aber auch
durch die widerspruchslose Annahme des zurückgesandten Formulars und durch die
Annahme und weitere Verwendung der gelieferten Ware. Der bei Verträgen mit
Auslandsberührung im Interesse des Ausländers nötige verständliche Hinweis auf die
AGB (Hefermehl a.a.O.) ist deswegen zu bejahen, weil die Verhandlungssprache der
Parteien - wie der Schriftwechsel, die Bestellformulare und Rechnungen zeigen -
deutsch war. Für die Einbeziehung der AGB sind allerdings vorrangig die Sonderregeln
des EKG und des EAG zu beachten. Die Anwendbarkeit der einheitlichen Kaufgesetze
wird durch die Vereinbarung von AGB nicht ohne weiteres ausgeschlossen. Dies gilt
auch im Falle einer in AGB enthaltenen Gerichtsstandklausel (LG Münster AWD 1977,
647). Die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 a EKG sind erfüllt. Damit ist auch das EAG
(§ 1) anzuwenden. Der Umstand, daß die Verkäuferin nicht nur Verpflichtungen aus
einem Kaufvertrag eingegangen ist, sondern darüberhinaus auch ein
Eigenhändlervertrag infrage kommt, ändert daran nichts (vgl. Dolle/von Caemmerer,
Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, Art. 56 EKG Rnr. 7). Für die Frage der
Einbeziehung von AGB gehen nach Einheitlichem Kaufrecht die Art. 4, 6, 7 EAG vor
(Hübner NJW 1980, 2607). Hieraus folgt aber im vorliegenden Fall keine abweichende
Beurteilung. Inhalt der Angebote der Beklagten (Art. 4 Abs. 1 EAG) waren auch die in
Bezug genommenen AGB. Die Klägerin und ihre Rechtsvorgänger haben die jeweiligen
Angebote angenommen. Selbst wenn davon ausgegangen wird, die Annahmeerklärung
der Verkäuferin enthalte wegen der beigefügten AGB eine Abweichung und damit ein
neues Angebot (Art. 7 Abs. 1 EAG). So hat die Beklagte dieses jeweilige Angebot
18
schlüssig angenommen (Art. 6 Abs. 2 EAG), indem sie nicht widersprach, die Ware
entgegennahm und weiterverkaufte.
b)
19
Die AGB der Klägerin sind aber auch dann Vertragsbestandteil geworden, wenn
entgegen der Auffassung des Senats ein für die Anwendung des deutschen Rechts
sprechender hypothetischer Parteiwille verneint und die dann infrage kommende
Regelung des deutschen internationalen Privatrechts angewandt wird, wonach für die
gültige Rechtsordnung beim Vertragshändlervertrag (Palandt/Heldrich a.a.O. Art. 12,
EGBGB Vorbem. 6 g), und auch hinsichtlich der zugrundeliegenden
Einzellieferungsverträge (Palandt/Heldrich a.a.O.; Martiny AWD 1972, 168 f) der Sitz
des Vertragshändlers entscheidend ist. In dem Fall beurteilt sich die Frage der
Einbeziehung der AGB nach belgischem Recht (vgl. bei einem Auslandsgeschäft mit
einem französischen Vertragshändler: BGH NJW 1972, 391 ff), da für die Einbeziehung
auf das Recht des Sitzes des Annehmenden abzustellen ist, wenn die Parteien nichts
anderes vereinbart haben (BGH a.a.O.; Hübner NJW 1980, 2607); es gelten wiederum
die Einheitlichen Kaufgesetze, wonach die AGB der Klägerin Vertragsgrundlage sind.
Bestandteil des belgischen Rechts ist auch das EAG, dessen Art. 4, 6, 7 der
allgemeinen nationalen Regelung vorgehen (Hübner a.a.O.; vgl. oben Ziffer 3 a). Wird
demgegenüber das allgemeine nationale belgische Recht zugrundegelegt, so ist die
Rechtslage im Ergebnis nicht anders. Für die dann auch anzunehmende Einbeziehung
der AGB ist deren Abdruck auf den von der Klägerin und ihren Rechtsvorgängern im
Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehung erteilten Rechnungen maßgeblich. Anders
als nach deutschem Recht sind Vermerke auf Rechnungen für den Inhalt des Vertrages
und dessen Auslegung von entscheidender Bedeutung (De Vel, Vereinbarung und
Inhalt von Lieferbedingungen in Belgien, AWD 1973, 184). Die widerspruchslose
Annahme von Rechnungen mit aufgedruckten Geschäftsbedingungen ist unter
Kaufleuten im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung nach belgischem Recht
grundsätzlich als Einverständniserklärung des Käufers zu werten, besonders wenn die
AGB - wie hier - schon in vorangegangenen Rechnungen enthalten waren; einmal als
gültig vereinbarte Lieferbedingungen sind ohne weitere Erklärung auch späteren
Lieferungen zugrundezulegen (De Vel a.a.O.). Allerdings dürfen die Klauseln weder
überraschend noch in einer für den Käufer unverständlichen Sprache abgefaßt sein (De
Vel a.a.O.). Diese Ausnahmen kommen hier nicht in Betracht. Die Verhandlungssprache
der Parteien war deutsch. Die Aufrechnungsklausel ist weder nach ihrem Inhalt noch
nach ihrem äußeren Erscheinungsbild - sie ist Bestandteil der Zahlungsbedingungen in
Ziffer 5 - ungewöhnlich.
20
4.
21
Die mithin Vertragsbestandteil gewordene Aufrechnungsklausel in den AGB der
Klägerin ist wirksam.
22
a)
23
Für die Wirksamkeitskontrolle gilt das Recht der Forderung, gegenüber der die
Aufrechnung erklärt wird, also das deutsche Recht (Ziff. 3 a). Die Anwendung der
deutschen Rechtsordnung ergibt sich aus dem hypothetischen Parteiwillen (dazu vgl.
Ziff. 3 a). Sie ist im übrigen, nachdem die vertragliche Einbeziehung der AGB der
Klägerin bejaht worden ist (Ziff. 3 b), aus der Anwendung der deutschen AGB
24
herzuleiten. Die Bestellung des ausländischen Käufers auf einem vom deutschen
Verkäufer gestalteten Formular und die Billigung der Verkäufer-AGB gestatten den
Schluß auf eine stillschweigend erklärte Vereinbarung deutschen Rechts als
Vertragsstatut (OLG Karlsruhe AWD 1979, 642). Dies gilt insbesondere dann, wenn -
wie hier - ein ausländischer Vollkaufmann als Besteller auf einem Formular mit dem
Hinweis, daß dem Auftrag die AGB das Verkäufers zugrundeliegen, unterschreibt, auch
wenn die AGB nicht auf der Rückseite des Bestell-Formulars aufgedruckt sind, aber von
dem Verkäufer seiner Annahmeerklärung beigefügt werden (OLG Karlsruhe a.a.O.).
b)
25
Unter Zugrundelegung der deutschen Rechtsordnung und der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes (BB [xxxxx] 814) vor Geltung des AGBG ist die in den AGB der
Klägerin enthaltene Aufrechnungsklausel unter Kaufleuten zulässig.
26
c)
27
Seit dem Inkrafttreten des AGBG - dem 1.4.1977 - müssen aber Aufrechnungsklauseln
den Anforderungen des § 11 Nr. 3 AGBG entsprechen. Sie dürfen dem Vertragsgegner
nicht die Befugnis nehmen, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten
Forderung aufzurechnen (§ 11 Nr. 3 AGBG). Dies gilt seit der Geltung des AGBG auch
im kaufmännischen Geschäftsverkehr. § 11 Nr. 3 AGBG ist wegen § 24 Nr. 1 AGBG
zwar nicht unmittelbar, aber gemäß § 9 AGBG entsprechend anwendbar (Hensen in
Ulmer/Brandner/Hensen, Kommentar zum AGBG, 4. Aufl. 1982, § 11 Nr. 3 Rnr. 12;
Coester-Waltjen in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, Kommentar zum AGBG, 1977, §
11 Nr. 3 Rnr. 21; Palandt/Heinrichs a.a.O. § 11 AGBG, Bem. 3 a).
28
c)
29
Wird unter Anwendung dieser Grundsätze (Ziffer 4 b) entsprechend der Ansicht der
Beklagten die Aufrechnungsklausel als teilunwirksam angesehen, weil sie nicht die
Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen zulasse, so ist die
gesamte Klausel nichtig. Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW
1982, 2309 = Betrieb 1982, 1821; NJW 1982, 2311; zu beiden Entscheidungen vgl.
auch Bunte, Zur Teilunwirksamkeit von AGB-Klauseln, NJW 1982, 2298) hat der bislang
streitig gewesenen (BGH a.a.O. m.w.Nachw.) geltungserhaltenden Reduktion eine
Absage erteilt (Bunte a.a.O.). Die Teilunwirksamkeit hat die Unwirksamkeit der
gesamten Klausel zur Folge. Das Gericht darf, um eine teilweise gegen das AGBG
verstoßende Klausel auf bestimmte Fallgestaltungen zu beschränken, durch Zusätze
weder den Wortlaut noch den Sinn einer AGB-Klausel verändern (BGH NJW 1982,
2311).
30
d)
31
Der Ansicht der Beklagten, die Aufrechnungsklausel in den AGB der Klägerin enthalte
teilweise einen Verstoß gegen § 11 Nr. 3 AGBG, kann indessen nicht gefolgt werden.
Es fehlt zwar ein ausdrücklicher Hinweis auf die Möglichkeit einer Aufrechnung mit
rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen. Diese Möglichkeit sollte aber dem
Vertragsgegner nicht genommen werden, wie die auch bei AGB zulässige (BGH NJW
1981, 2257) Auslegung - hiervon ist die sog. ergänzende Vertragsauslegung zur
Lückenausfüllung zu unterscheiden, die bei AGB allenfalls in begrenztem Umfang
32
infrage kommt (BGH NJW 1982, 2309 = Betrieb 1982, 1821; Bunte a.a.O.) - ergibt. Die
Klausel gestattet die Aufrechnung mit unstreitigen Gegenforderungen. Dazu gehören
auch solche, die Inzwischen unstreitig geworden sind. Dabei ist unerheblich, ob den
Gegenansprüchen überhaupt keine Einwendungen entgegengehalten werden oder ob
diese grundlos und unsubstantiiert sind (Staudinger/Schlosser, Kommentar zum BGB,
12. Aufl., § 11 Nr. 3 AGBG Rnr. 5). Eine weitere Möglichkeit kommt bei rechtskräftig
festgestellten Forderungen ohnehin nicht infrage, weshalb sie letztlich nur ein Sonderfall
unstreitiger Ansprüche sind. Etwaige Einwendungen, die den durch das Urteil
festgestellten Gegenanspruch selbst betreffen, sind im Wege einer
Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen und der Prüfung des hierfür
ausschließlich zuständigen Prozeßgerichtes des ersten Rechtszuges vorbehalten (§§
767 Abs. 1, 802 ZPO).
5.
33
Aufgrund der wirksamen Aufrechnungsklausel greift die von der Beklagten erklärte
Aufrechnung mit dem streitigen Ausgleichsanspruch nicht durch. Damit fehlt die für eine
Aussetzung nötige Vorgreiflichkeit. Auf das Bestehen der Gegenforderung kommt es
nicht an. Dies kann sich zwar im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung des
Handelsgerichts Brüssel ändern; für eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO - und
dementsprechend gemäß Art. 22 EuG-ÜbK - genügt aber nicht, daß der an sich
entscheidungsreife Rechtsstreit durch den anderen Prozeß gegenstandslos werden
könnte (Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 11. Aufl. 1981, § 148 Anm. 2 a).
34
Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben.
35
6.
36
Eine Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren war nicht zu treffen, da ein
sogenanntes Zwischenverfahren vorliegt (Zöller/Schneider, Kommentar zur ZPO, 13.
Aufl. 1981, § 575 Anm. VIII 2; Senat, Beschluß vom 8.3.1982 - 2 W 2/82 -).
37