Urteil des OLG Hamm vom 04.12.2001

OLG Hamm: ordentliche kündigung, universitätsstudium, vergütung, abend, chemie, vertragsklausel, studienordnung, meinung, berufsausbildung, verwaltung

Oberlandesgericht Hamm, 24 U 47/01
Datum:
04.12.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 U 47/01
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 11 O 375/00
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 20. März 2001 verkündete
Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.916,00 DM nebst Zinsen
in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-
Überleitungs-Gesetzes seit dem 15.07.2000 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 2/3
und der Beklagte 1/3 und von den Kosten des Berufungsverfahrens die
Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer beider Parteien beträgt jeweils weniger als 60.000,00 DM.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
1
Entscheidungsgründe
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A.
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Die Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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Die Klägerin hat einen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten iHv. 3.916 DM aus
§ 611 BGB. Durch die Kündigung des Beklagten ist der Vertrag nach einer Laufzeit von
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§ 611 BGB. Durch die Kündigung des Beklagten ist der Vertrag nach einer Laufzeit von
6 Monaten beendet worden.
I.
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Soweit der Beklagte meint, er habe das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund
kündigen können, greift das nicht durch. Die Tatsache, dass er neben der Ausbildung
bei der Klägerin zum Heilpraktiker ein Vollzeitstudium der klinischen Chemie
absolvieren wollte, liegt allein in seinem Risikobereich. Nach der Behauptung des
Beklagten soll das auch bereits bei Vertragsschluß so gewesen sein, so dass von einer
unverhersehbaren Änderung der Verhältnisse, auf die auch die Klägerin sich redlicher
Weise einlassen müßte, keine Rede sein kann
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II.
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Die Meinung des Beklagten, die Kündigung sei schon deshalb rechtzeitig, weil seit dem
Beginn des Studienverhältnisses insgesamt 12 Monate vergangen seien, ist ebenfalls
unzutreffend. Seit dem Beginn sind lediglich 2 Monate als Studienmonate anzurechnen.
Die übrige Zeit waren auf Wunsch des Beklagten seine Studien bei der Klägerin
unterbrochen. Die Zeit der Unterbrechung kann bei der Berechnung der Laufzeit des
Vertrages nicht berücksichtigt werden.
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III.
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Die Meinung des Beklagten, die Klägerin habe zur Geltendmachung eines
Zahlungsanspruches die Voraussetzungen des § 326 BGB zu erfüllen, was nicht
geschehen sei, ist unzutreffend. Die Klägerin macht keinen Schadensersatzanspruch
nach durch sie veranlaßter Vertragsauflösung geltend, sondern verlangt die vereinbarte
Vergütung.
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IV.
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Der Beklagte kann dem Vergütungsanspruch auch nicht den Einwand entgegenhalten,
die Klägerin habe ihn beim Vertragsabschluß fehlerhaft beraten, weil sie mit ihm trotz
seines Hochschulstudiums einen Unterrichtsvertrag über ihr Intensivstudium
geschlossen habe.
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Es brauchte nicht endgültig geklärt zu werden, ob der Verhandlungspartner des
Beklagten über dessen Hochschulstudium informiert war. Dagegen sprechen u.a. die
eigenen Angaben des Beklagten im Vertragsformular, nach denen er ein Studium der
Kriminologie abgeschlossen habe und gegenwärtig als Selbstständiger - in einem
chemischen Labor - tätig sei. Auch im Schreiben vom 28.02.1999 - der ersten Bitte um
Studienunterbrechung - erwähnt der Beklagten nichts von einem Universitätsstudium.
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Selbst wenn dem Verhandlungspartner des Beklagten ein gleichzeitiges
Universitätsstudium der klinischen Chemie des Beklagten bekannt gewesen sein sollte,
so lag es noch immer im Risikobereich des Beklagen selbst, einzuschätzen, wie
intensiv er sich mit dem Universitätsstudium weiter beschäftigen wollte. Gerade die
Tatsache, dass er bei der Klägerin das sogenannte Intensivstudium für Vorgebildete
eingeschlagen hat, zeigt, dass er selbst dieser Vorbildung entsprechend eine verkürzte
Ausbildung wählte. Dabei stand ihm die Möglichkeit offen, sämtliche
Lehrveranstaltungen der Klägerin, ob Abend-, Wochenend- oder Tageskurse, nach
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seiner jeweiligen zeitlichen und sogar örtlichen Disposition zu besuchen. Auch das
angebotene Videolehrmaterial konnte er dann durcharbeiten, wenn ihm ein
Universitätsstudium dazu die Zeit ließ, z.B. in den Semesterferien. Eine
Pflichtverletzung der Klägerin dahingehend, dass sie dem Beklagten unbedingt hätte
abraten müssen, neben einem Universitätsstudium der klinischen Chemie einen derart
selbst zu gestaltenden Intensivkurs zur Erlangung der Kenntnisse zur Ablegung der
staatlichen Heilpraktikerprüfung zu besuchen, ist nicht erkennbar.
V.
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Die Vertragsklausel in der Studienordnung der Klägerin: "Eine ordentliche Kündigung
des Ausbildungsvertrages ist erstmals zum Ablauf des 12. Studienmonats möglich" ist
bei der hier vereinbarten Gesamtlaufzeit des Vertrages von 14 Monaten wegen
Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.
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Im Wege ergänzender Vertragsauslegung ist die dann bestehende Vertragslücke dahin
zu schließen, dass eine Kündigungsmöglichkeit zum Ablauf des 6. Studienmonats
gegeben ist.
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1.
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Die Studienordnung der Klägerin ist als allgemein von ihr den Ausbildungsverträgen
zugrunde gelegte Vertragsregelung an den Vorschriften des AGBG zu messen. Dabei
greift die Regelung des § 11 Nr. 12 a AGBG fraglos nicht ein. Aber auch der Ausschluß
von Kündigungsmöglichkeiten vor dem Ablauf der darin festgelegten 24 Monate kann
dem § 9 Abs. 1 AGBG widersprechen.
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Zu dessen Auslegung in Bezug auf Direktunterrichtsverträge wie dem hier vorliegenden
sind die Vorschriften des FernunterrichtsG und des BerufsbildungsG nicht
heranzuziehen (BGH NJW 1984, 1531). Auch kann dem § 11 Nr. 12 a AGBG keine
Indizwirkung dahingehend entnommen werden, dass im Regelfall eine unkündbare
Vertragslaufzeit von zwei Jahren nicht unangemessen im Sinne des § 9 AGBG ist (OLG
Köln MDR 1998, 1212, m.w.Nw.). Wegen der unterschiedlichen Arten der
Direktunterrichtsverträge, die von einem nur in größeren zeitlichen Abständen
abgehaltenen, der Freizeitgestaltung dienenden "Hobbykursus" bis zu längerfristigem
Vollzeitunterricht zum Zwecke der Berufsausbildung reichen, ist die Festlegung eines
Regel-Ausnahmeverhältnisses bei Direktunterrichtsverträgen nicht möglich (vgl. BGHZ
120, 108 = NJW 1993, 326).
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Bei der hier vorliegenden Gesamtlaufzeit des Ausbildungsverhältnisses von 14 Monaten
ist die Bindung an eine Mindestlaufzeit von 12 Monaten unangemessen lang.
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Sie umfaßt bereits mehr als 85 % der Gesamtlaufzeit, so dass demgegenüber die
Restlaufzeit, um die durch eine Kündigung verkürzt werden kann, fast unerheblich
gering ist. Der Sinn einer vorzeitigen Vertragsauflösung - und damit das Interesse des
kündigenden Auszubildenden daran - wird jedenfalls sehr stark eingeschränkt.
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Grundsätzlich sind auf Seiten der Klägerin vor allem eine Kalkulationssicherheit wegen
der Kosten etwa für Dozentenhonorare, Raummiete und Verwaltung zu berücksichtigen,
sowie der pädagogische Aspekt eines sinnvollen Aufbaus einer kontinuierlichen, zum
Erfolg führenden Ausbildung. Ob dafür im Normalfall der 24 monatigen Ausbildung bei
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der Klägerin eine Bindung an mindestens 12 Monate angemessen ist, ist hier nicht zu
entscheiden. Jedenfalls bei dem von der Klägerin angebotenen und hier vereinbarten
sogenannten Intensivstudium tritt dieses Interesse der Klägerin offenbar wesentlich
weniger stark hervor. Das Intensivstudium ist gedacht für Vorgebildete. Welcher Art und
welchen Umfangs genau diese Vorbildung ist, kann nicht im Voraus abstrakt festgelegt
werden. Deshalb wird die genaue Ausgestaltung der Ausbildung zu einem großen Teil
in die Hände der Auszubildenden gelegt. Diese haben nach den Vertragsbedingungen
"Zugang zu allen während der verkürzten Studienzeit von 14 Monaten zugänglichen
Seminarveranstaltungen des Wochenend-, Abend- und Vollzeitstudiums ohne
Beschränkung auf den gewählten Kernstudienort". Das heißt, die "Intensivstudenten"
können bei der Planung des zeitlichen und örtlichen Ablaufs der Ausbildung nicht
berücksichtigt werden, weil ihnen einerseits alle Veranstaltungen offen stehen,
andererseits für sie keine gesonderten Veranstaltungen durchgeführt werden. Deshalb
kann z.B. die Kalkulation, ob ein Ausbildungsgang oder -abschnitt an einem bestimmten
Ort mit den jeweiligen Dozenten durchgeführt wird, nicht davon abhängen, ob sich
"Intensivstudenten" angemeldet haben oder nicht. Das hängt allein von der Anzahl der
Studenten im Wochenend-, Abend- oder Vollzeitstudium ab.
2.
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Die Unwirksamkeit der Vertragsklausel über die Unkündbarkeit vor Ablauf von 12
Studienmonaten berührt nicht die Befristung der Vertragslaufzeit auf 14 Monate, so dass
§ 620 Abs. 2 BGB nicht anwendbar ist. Wegen fehlender dispositiver gesetzlicher
Bestimmungen ist deshalb eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen (BGH
NJW 1993, 326; m.w.Nw.). Dabei ist zu fragen, welche Regelung die Vertragsparteien
getroffen haben würden, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen
wäre. In diesem Fall wäre den beiderseitigen Interessen durch eine Mindestlaufzeit von
6 Monaten entsprochen worden.
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Die Klägerin bekommt dadurch auch im Hinblick auf die Einplanung von
"Intensivstudenten" ausreichend Kalkulationssicherheit.
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Die "Intensivstudenten", die ja bereits einschlägig vorgebildet sind, bedürfen aber auch
keiner kürzeren Vertragsbindung oder gar Probezeit. Zum einen stehen sie durch ihre
Vorbildung dem naturwissenschaftlichen Heilberuf nicht völlig ahnungslos gegenüber,
zum anderen kommt es anders als bei künstlerisch geprägten Berufen (s.d. BGH NJW
1993, 236) auf keine besondere individuelle kreative Begabung oder
Ausdrucksmöglichkeit an, die es zunächst an den Anforderungen der Ausbildung zu
messen gälte (vgl. LG Gießen, MDR 2000, 513). § 9 AGBG ist nämlich nicht dazu da,
voll geschäftsfähige Personen vor den nachteiligen Folgen voreiliger oder nicht
hinreichend überlegter Vertragsschlüsse zu bewahren (BGH NJW 1984, 1532; OLG
Köln NJW 1983, 1003).
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VI.
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Die Vertragslaufzeit ist durch Kündigung des Beklagten mit Ablauf der nach oben
genannter ergänzender Vertragsauslegung zugrunde zu legenden sechs Monate
beendet worden.
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In den Monaten Januar und Februar 1999 hat der Beklagte das Ausbildungsangebot der
Klägerin wahrgenommen und die entsprechende Vergütung gezahlt. Dann wurde
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zunächst mit Vereinbarung vom 28.02./3.03.1999 und anschließend mit Vereinbarung
vom 21.09./24.09.1999 die Studienzeit unterbrochen, ohne dass ein konkreter
Wiederaufnahmezeitpunkt vereinbart wurde. Der Vertrag wurde dann spätestens durch
die Kündigung vom 28.04.2000 seitens des Beklagten zum Ablauf der Mindestlaufzeit
endgültig beendet.
Die Klägerin hat deshalb Anspruch auf Vergütung für sechs Monate, abzüglich der
bereits gezahlten Vergütung für zwei Monate. Bei einer Monatsrate von 979 DM beträgt
der Restanspruch 3.916 DM.
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B.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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