Urteil des OLG Hamm vom 15.07.2003

OLG Hamm: gesetzliche erbfolge, letztwillige verfügung, gemeinschaftliches testament, erbeinsetzung, eltern, ferien, enkel, abhängigkeitsverhältnis, behandlung, haus

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 178/03
Datum:
15.07.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 178/03
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 7 T 726/02
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Wertfestsetzung
aufge-hoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über
die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens
der weiteren Beschwerde an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 25.000,00
Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Erblasserin war in einziger Ehe verheiratet mit Herrn E4, der im Mai 1994
vorverstorben ist. Aus dieser Ehe hervorgegangenen ist als einziger Sohn Herr E5, der
nach dem Tode seines Vaters, jedoch vor der Erblasserin am 21.02.2000 verstorben ist.
Dessen Töchter aus seiner Ehe mit Frau E6 geb. L sind die in den Jahren 1971, 1976
bzw. 1978 geborenen Beteiligten zu 1) bis 3).
3
Die Erblasserin errichtete mit ihrem Ehemann am 18.02.1994 ein gemeinschaftliches
privatschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Die
weitere Bestimmung dieses Testaments lautet:
4
"Nach dem Tod des längstlebenden soll der beiderseitige Nachlass an unseren
beider Sohn E5 fallen."
5
Nach dem Tode ihres Ehemannes errichtete die Erblasserin am 27.08.2001 ein weiteres
notarielles Testament (UR-Nr. ##1/2001 Notar T in F), in dem es heißt:
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"Mein Wille ist, dass weder meine Enkel noch meine Urenkel etwas von mir erben.
7
Meine alleinige Erbin soll der Verein für Körper- und Mehrfachbehinderte N e.V.
werden. Diese soll den Nachlass verwenden für das "E4-Haus", Ferien- und
Freizeitzentrum C, im I."
8
Der in diesem Testament Bedachte ist der Beteiligte zu 4).
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Die Beteiligte zu 3) hat zu notarieller Urkunde vom 11.12.2001 die Erteilung eines
gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der - unter Berücksichtigung der nachträglich
mit Schreiben des Notars vom 29.04.2002 vorgenommenen Antragsänderung -
ausweisen soll, dass die Beteiligten zu 1) bis 3) zu je 1/3 Anteil zu Erben der
Erblasserin berufen sind. Zur Begründung haben die Beteiligten zu 1) bis 3) geltend
gemacht, zwischen ihnen und der Erblasserin hätten immer enge familiäre Bindungen
bestanden, in die auch ihre Mutter, die Schwiegertochter der Erblasserin, einbezogen
gewesen sei. Die engen familiären Bindungen könnten erforderlichenfalls näher belegt
werden. Der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin sei in den letzten fünf oder sechs
Jahren vor seinem Tod als erster Hausmeister für das von dem Beteiligten zu 4)
errichtete Ferien- und Freizeitzentrum für behinderte Kinder in C im I tätig gewesen.
Aufgrund seines persönlichen Einsatzes sei diesem Zentrum im Volksmund der Name
"E4-Haus" beigelegt worden, wie ihn die Erblasserin auch in ihrem Testament vom
27.08.2001 verwendet habe. Sie, die Beteiligten zu 1) bis 3), seien aufgrund des
gemeinschaftlichen Testaments vom 18.02.1994 im Wege der Anwendung der
Auslegungsregel des § 2069 BGB als Ersatzerben anstelle ihres vorverstorbenen
Vaters zu Schlusserben der Erblasserin berufen. Diese Erbeinsetzung habe die
Erblasserin aufgrund der Wechselbezüglichkeit der letztwilligen Verfügungen in dem
gemeinschaftlichen Testament nicht wirksam widerrufen können.
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Der Beteiligte zu 4) ist dem Erbscheinsantrag maßgebend mit der Begründung
entgegengetreten, die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen in dem
gemeinschaftlichen Testament erstrecke sich nicht auf eine Ersatzerbeinsetzung, die
sich nur aufgrund der Auslegungsregel des § 2069 BGB ergebe.
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Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 24.09.2002 den Erbscheinsantrag
zurückgewiesen.
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Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) bis 3) mit Schriftsatz ihres
Verfahrensbevollmächtigten vom 03.12.2002 Beschwerde eingelegt, die das
Landgericht durch Beschluss vom 04.02.2003 zurückgewiesen hat.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis
3), die sie mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 22.04.2003 bei dem
Landgericht eingelegt haben.
14
Der Beteiligte zu 4) beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
15
II.
16
Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht
eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) bis 3) folgt bereits daraus, dass
ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
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In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts
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auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Die weitere Beschwerde
führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen
Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) bis 3) ausgegangen. Die Sachentscheidung des
Landgerichts hält indessen nicht in allen Punkten rechtlicher Nachprüfung stand.
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In der Sache hängt die Feststellung der Erbfolge allein davon ab, ob die Beteiligten zu
1) bis 3) durch das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 18.02.1994 als
Ersatzerben anstelle ihres vorverstorbenen Vaters zu Schlusserben nach der
letztverstorbenen Erblasserin berufen sind und diese Erbeinsetzung wechselbezüglich
im Sinne des § 2270 BGB ist. Ist die Wechselbezüglichkeit dieser Verfügung zu
bejahen, war die Erblasserin gem. § 2271 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 BGB nach dem Tode
ihres Ehemannes an einem Widerruf ihrer in dem gemeinschaftlichen Testament
getroffenen letztwilligen Verfügung gehindert, so dass ihr notarielles Testament vom
27.08.2001, durch das sie den Beteiligten zu 4) als ihren Erben berufen hat, unwirksam
ist.
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Die Ehegatten haben in dem gemeinschaftlichen Testament vom 18.02.1994 für den
Fall des Wegfalls ihres Sohnes vor dem Tode des Letztversterbenden keine
ausdrückliche Regelung getroffen. Eine individuelle Auslegung dieses Testaments im
Hinblick auf eine Ersatzerbeinsetzung der Beteiligten zu 1) bis 3) hat das Landgericht
nicht vorgenommen. Es hat sich darauf beschränkt, die Ersatzerbenberufung der
Beteiligten zu 1) bis 3) im Wege der Anwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB
festzustellen. Dagegen bestehen in diesem Rahmen keine rechtliche Bedenken.
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Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Ersatzerbenberufung wechselbezüglich im
Sinne des § 2270 BGB und damit für den überlebenden Ehegatten bindend getroffen ist.
Wechselbezüglichkeit ist anzunehmen, wenn die Verfügung des einen Ehegatten nicht
ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden
Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der
gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll
(BayObLGZ 1991, 173, 176 = NJW-RR 1991, 1288), wobei der Wille der Ehegatten zum
Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgeblich ist. Die Wechselbezüglichkeit ist
jeweils im Hinblick auf die einzelne letztwillige Verfügung zu prüfen, die die Ehegatten
in dem gemeinschaftlichen Testament getroffen haben (BGH NJW-RR 1987, 1410). Ein
gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis in diesem Sinne kommt hier nur im Verhältnis
der Einsetzung der Erblasserin als Alleinerbin nach dem Tode ihres erstverstorbenen
Ehemannes und der Ersatzerbenberufung der Beteiligten zu 1) bis 3) anstelle des
gemeinsamen Sohnes der Ehegatten nach dem Tode der letztverstorbenen Erblasserin
in Betracht.
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Die Wechselbezüglichkeit letztwilliger Verfügungen der Ehegatten ist vorrangig im
Wege der individuellen Auslegung ihres gemeinschaftlichen Testaments festzustellen.
Die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB greift demgegenüber erst ein, wenn trotz
Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Testamentsauslegung ein übereinstimmender
Wille der Ehegatten nicht festgestellt werden kann.
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Es ist bereits nicht bedenkenfrei, dass die Kammer eine individuelle Auslegung der
gemeinschaftlichen Testaments im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit der
Ersatzerbenberufung der Beteiligten zu 1) bis 3) nicht vorgenommen hat.
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Rechtsfehlerhaft ist die Entscheidung des Landgerichts jedenfalls insoweit, als es ohne
die nach der Sachlage gebotenen weiteren tatsächlichen Ermittlungen (§ 12 FGG) die
Anwendbarkeit der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB verneint hat.
Der BGH hat in einer vom Landgericht ausdrücklich berücksichtigten jüngeren
Entscheidung vom 16.01.2002 (u.a. veröffentlicht in BGHZ 149, 363 = NJW 2002, 1126)
auf eine gem. § 28 Abs. 2 FGG erfolgte Vorlage des BayObLG (FGPrax 2001, 248) unter
Aufgabe seiner abweichenden früheren Rechtsprechung (BGH NJW 1983, 277) die
Auffassung vertreten, die Auslegungsregel des § 2069 BGB könne nicht in einer
Kumulation mit derjenigen des § 2270 Abs. 2 BGB angewandt werden. Die Anwendung
der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB setze voraus, dass sich Anhaltspunkte für
einen auf die Berufung bestimmter Verwandter als Ersatzerben gerichteten Willen
feststellen ließen, die Ersatzerbeinsetzung also nicht allein auf § 2069 BGB beruhe. Der
BGH hat seine Auffassung dahin begründet, das die Wechselbezüglichkeit
kennzeichnende gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis der letztwilligen Verfügungen
der Ehegatten lasse sich mangels konkreter Anhaltspunkte nur unterstellen, wenn sich
ein Wille der Testierenden, bestimmte Verwandte oder nahe stehende Personen oder
auch die nach der gesetzlichen Erbfolge berufenen Abkömmlinge als Schlusserben
einzusetzen, zumindest im Wege ergänzender Auslegung aus dem Testament
entnehmen lasse. Für die Feststellung, ob das in § 2270 Abs. 2 BGB vorausgesetzte
Verwandtschafts- oder Näheverhältnis zu den testierenden Ehegatten gegeben sei, sei
auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung abzustellen. Demgegenüber knüpfe die
Anwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB an die gesetzliche Erbfolge zum
Zeitpunkt des Schlusserbfalls an.
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Der Senat schließt sich der Auffassung des BGH an, indem er maßgebend den Zweck
des Vorlageverfahrens gem. § 28 Abs. 2 FGG berücksichtigt, eine einheitliche
Rechtsprechung zu gewährleisten. Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde
ist die Entscheidung des BGH auch nicht etwa als Einzelfallentscheidung zu
qualifizieren, deren Bedeutung sich auf die ihr zugrunde liegende - von dem
vorliegenden Sachverhalt allerdings in maßgebenden Punkten abweichende -
Fallkonstellation beschränkt. Einer solchen Schlussfolgerung stehen die gezielt
grundsätzlichen Ausführungen der BGH-Entscheidung entgegen (Leipold JZ 2002, 895,
896; Otte ZEV 2002, 151, 152; anders wohl M. Wolf, Anm. zum Abdruck der
Entscheidung in LM Nr. 4 zu § 2270 BGB).
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Die Umstände des jeweiligen Einzelfalls sind auch in dem durch die Begründung der
Entscheidung des BGH vorgegebenen Rahmen bei der Frage zu berücksichtigen, ob im
Wege der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments festgestellt werden kann,
dass die Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, wenn sie das
Vorversterben ihres als Schlusserben berufenen Sohnes vorausbedacht hätten, an
dessen Stelle die Beteiligten zu 1) bis 3) als dessen Ersatzerben eingesetzt hätten. Der
BGH hat in seiner genannten Entscheidung bezogen auf den ihr zugrunde liegenden
Sachverhalt ausgeführt, im Hinblick darauf, dass eines der Enkelkinder erst viele Jahre
nach dem unter Geltung des damaligen Rechts im Jahre 1954 errichteten Testament als
nichteheliches Kind geboren sei, könne ohne weitere konkrete Anhaltspunkte nicht
davon ausgegangen werden, dass die testierenden Eheleute sich eine Ersatzerbfolge
dieses Enkelkinds hätten vorstellen können. Davon unterscheiden sich die
Familienverhältnisse im vorliegenden Fall indessen maßgebend: Die Ehegatten haben
ihr gemeinschaftliches Testament im Jahre 1994 in bereits vorgerücktem Lebensalter
errichtet. Zu diesem Zeitpunkt war ihr einziger Sohn bereits seit 23 Jahren verheiratet
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und aus dieser Ehe waren die 1971, 1976 und 1978 geborenen Beteiligten zu 1) bis 3)
hervorgegangen. Unter diesen Umständen hätte das Landgericht in eine konkrete
Auslegung eintreten müssen, ob bezogen auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung
unter Vorausschau des Vorversterbens ihres Sohnes eine Ersatzerbfolge durch die
Enkelkinder dem Willen der testierenden Ehegatten entsprochen hat.
Die Kammer hat sich den Zugang zu einer solchen Auslegung bereits im
Ausgangspunkt durch die Erwägung versperrt, der Wille der Ehegatten zu einer
Ersatzberufung der Enkelkinder finde im Testament selbst keinen Anklang. Diese
Begründung ist auslegungsmethodisch nicht tragfähig. Denn die Testamentsauslegung
ist auf die Ermittlung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Erblassers
gerichtet, wobei nach anerkannter Auffassung auch außerhalb des Testaments liegende
Umstände zu berücksichtigen sind. Der Auslegung sind durch den Wortlaut des
Testaments keine Grenzen gesetzt. Erst nach der Ermittlung des Erblasserwillens kann
entschieden werden, ob dieser im Testament eine hinreichende Stütze findet und damit
formgültig erklärt ist (BGHZ 86, 41 = NJW 1983, 672). Zur Wahrung der Form reicht als
hinreichender Anhaltspunkt im Hinblick auf eine ggf. von den Ehegatten gewollte
Ersatzerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1) bis 3) die im Testament vorgenommene
Erbeinsetzung des vorverstorbenen Sohnes aus. Dieses Ergebnis folgt unmittelbar aus
§ 2069 BGB, der in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich eine solche Auslegung
als Regel vorschreibt.
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Das Landgericht hat weiter ausgeführt, allein der Hinweis der Beteiligten zu 1) bis 3) auf
eine familiäre Bindung und Zuneigung der Großeltern im Verhältnis zu ihnen als
Enkelinnen könne nicht zur der Schlussfolgerung führen, dass auch im Falle des
Vorversterbens des Sohnes der überlebende Ehegatte an eine sich dann ergebende
Ersatzerbeinsetzung der Enkelinnen habe gebunden sein sollen. Diese Erwägung
vermischt in einer in der genannten Entscheidung des BGH nicht angelegten Weise
voneinander zu trennende Gesichtspunkte. Das vom Landgericht so formulierte
Verständnis der genannten Entscheidung des BGH würde zu einer faktisch kaum
widerlegbaren negativen Auslegungsregel des Inhalts führen, dass eine im Wege der
individuellen Auslegung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments (im Ergebnis in
Übereinstimmung mit der Regel des § 2069 BGB) festgestellte Ersatzerbeinsetzung von
Enkelkindern im Zweifel nicht wechselbezüglichen Charakter hat. Indessen bleibt auch
nach der Entscheidung des BGH die Anwendbarkeit der Auslegungsregel des § 2270
Abs. 2 BGB unberührt, sofern nur die Ersatzerbeinsetzung von Enkelkindern nicht
lediglich durch Anwendung der Auslegungsregel des § 2069 BGB, sondern im Wege
der individuellen Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments festgestellt werden
kann. Insbesondere lässt sich deshalb aus der Entscheidung des BGH nicht etwa ein
Erfahrungssatz des Inhalts ableiten, dass gemeinschaftlich testierende Ehegatten der
Großelterngeneration regelmäßig eine Bindung des überlebenden Ehegatten
ausschließen wollen, wenn Begünstigter der Bindung nicht mehr das gemeinschaftliche
Kind, sondern nach dessen Vorversterben lediglich die aus seiner Ehe
hervorgegangenen Enkelkinder sind (gegen die Annahme eines solchen
Erfahrungssatzes auch Leipold JZ 2002, 895, 896). Im Rahmen bestehender guter
familiärer Bindungen zwischen den testierenden Großeltern einerseits und ihren
Kindern und Enkelkindern andererseits wird vielmehr nach der Lebenserfahrung davon
ausgegangen werden können, dass die Enkel anstelle eines vorverstorbenen Kindes
als Ersatzerben berufen sein sollen. In diesem Zusammenhang hält der Senat auch bei
der individuellen Auslegung den Erfahrungssatz für verwertbar, der der
Auslegungsregel des § 2069 BGB zugrunde liegt. Wenn die Ehegatten durch das
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gemeinschaftliche Testament den Überlebenden von ihnen dahin gebunden haben, das
beim Tode des Letztversterbenden vorhandene Vermögen an den gemeinschaftlichen
Sohn zu vererben, wird regelmäßig vieles dafür sprechen, dass letzterer in seiner
Eigenschaft als Abkömmling eingesetzt ist und das gemeinschaftliche Testament somit
dem Gedanken der Familienerbfolge entspricht, wie er auch der gesetzlichen Erbfolge
zugrunde liegt (Leipold, a.a.O.). Dann liegt der Schluss auf eine von den Ehegatten bei
Vorausschau des Vorversterbens ihres Sohnes gewollte Ersatzerbeinsetzung der
Enkelkinder nahe, auf die sich dann auch, sofern ein abweichender Wille der Ehegatten
nicht feststellbar ist, die aufgrund der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB
anzunehmende Wechselbezüglichkeit ihrer letztwilligen Verfügungen erstreckt.
Auf der Grundlage des Standpunkts des Senats bedarf es danach noch einer weiteren
Sachverhaltsaufklärung zur individuellen Auslegung des gemeinschaftlichen
Testaments vom 18.02.1994 im Hinblick auf eine angeordnete Ersatzerbeinsetzung der
Beteiligten zu 1) bis 3). Insbesondere sind noch nähere tatsächliche Feststellungen (§
12 FGG) zu den familiären Bindungen zwischen den Beteiligten zu 1) bis 3) und ihren
Großeltern erforderlich. In diesem Rahmen muss ihnen zunächst Gelegenheit zu
eingehendem eigenen Sachvortrag gegeben werden. Da der Senat im
Rechtsbeschwerdeverfahren die erforderlichen tatsächlichen Ermittlungen nicht
nachholen kann, musste die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das
Landgericht zurückverwiesen werden. Bei der individuellen Auslegung der
gemeinschaftlichen Testaments ist zu prüfen, ob ein nach dem Verhalten des einen
Ehegatten mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen Teils
entsprochen hat (BGHZ 112, 229, 233 = NJW 1991, 169; NJW 1993, 256). Dabei wird
zu berücksichtigen sein, dass der verstorbene Ehemann der Erblasserin sich trotz seiner
Verbundenheit zu dem Ferien- und Freizeitzentrum, wie sie etwa in dem diesem im
Volksmund beigelegten Namen zum Ausdruck kommt, nicht zu einer
Schlusserbeinsetzung des Beteiligten zu 4) veranlasst gesehen hat. Der Umstand, dass
die Erblasserin sich im Wortlaut ihres notariellen Testaments vom 27.08.2001
ausdrücklich von einer Erbeinsetzung ihrer Enkel distanziert hat, lässt nicht zwingend
auf eine entsprechende gemeinsame Vorstellung der Ehegatten bei der Errichtung ihres
privatschriftlichen Testaments vom 18.02.1994 schließen.
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Mit der erneuten Sachentscheidung war dem Landgericht auch die Entscheidung über
die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde zu übertragen, die nach Maßgabe des § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG zu treffen ist.
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Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131
Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Sie folgt der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung der
landgerichtlichen Entscheidung.
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